OGH 1Ob170/20m

OGH1Ob170/20m20.10.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*, vertreten durch Mag. Johannes Zach, Rechtsanwalt in Weigelsdorf, gegen die beklagte Partei P*, vertreten durch Dr. Friedrich Valzachi, Rechtsanwalt in Wien, wegen 21.600 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. Juni 2020, GZ 12 R 107/19x-13, mit dem das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 22. Juli 2019, GZ 16 Cg 12/19x-9, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E129821

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 1.175,22 EUR (darin 195,87 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist Immobilienmaklerin. Sie begehrt vom Beklagten Provision für die Vermittlung des Kaufs einer Liegenschaft. Der Beklagte erklärte in der mündlichen Streitverhandlung am 15. 6. 2019 den „Rücktritt gem. FAGG vom Vertrag, da entgegen der Beilage ./A keinerlei Unterlagen [...] ausgefolgt wurden, insbesondere [nicht] das Belehrungs- bzw. Rücktrittsmusterformular“. Überdies meint er, die Klägerin sei bei diesem Geschäft nicht verdienstlich geworden.

Das Berufungsgericht beurteilte den Rücktritt vom Maklervertrag als nicht fristgerecht. Die Rücktrittsfrist habe gemäß § 12 Abs 2 FAGG 14 Tage nach der am 2. 8. 2018 erfolgten Übergabe der (Kartonflügel-)„Mappe“, auf deren Innenseite eine Belehrung zum Rücktrittsrecht nach § 11 FAGG und im Anschluss daran ein abtrennbares Musterformular gemäß Anhang I Teil B zum FAGG abgedruckt waren, geendet. Die Tätigkeit der Klägerin beurteilte es (anders als das Erstgericht) zwar grundsätzlich als verdienstlich, es mäßigte aber die Provision wegen einer unterlassenen Aufklärung über Servituten um 20 %.

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision des Beklagten ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts – nicht zulässig, was nur einer kurzen Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

1. Zentrale Stellung nimmt in der Revision des Beklagten der Vorwurf ein, dem Berufungsgericht sei eine (an anderer Stelle als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens qualifizierte) Aktenwidrigkeit unterlaufen. Das Erstgericht habe festgestellt, dass eine mündliche Erörterung bzw Erklärung [des Rücktrittsrechts] nicht erfolgt und die [übergebene] Mappe leer [gewesen] sei, [das Vorhandensein] „ein[es] abtrennbare[n] Musterformular[s]“, wie es das Berufungsgericht „als gegeben“ annehme, widerspreche dieser Feststellung „ausdrücklich“. Es liege eine „unstatthafte nicht durch das Beweisverfahren gedeckte Vermutung“ vor. Die Entscheidung des Berufungsgerichts sei „in diesem Punkt eindeutig aktenwidrig“.

Dieser Rüge ist schon das Berufungsgericht in seinem Beschluss, mit dem es die Revision nachträglich für zulässig erklärte, mit völlig zutreffenden Argumenten entgegengetreten. Es ist vielmehr dem Revisionswerber der Vorwurf zu machen, dass er die Feststellungen des Erstgerichts unvollständig wiedergibt, zumal dieses zwar feststellte, dass der Beklagte am 2. 8. 2018 eine „leere Mappe“ von der Klägerin erhielt, direkt im Anschluss daran aber näher erläuternd wörtlich festhielt: „In der leeren Mappe der Klägerin befinden sich in der Innenseite umfangreiche Ausführungen unter anderem zum Rücktrittsrecht und den anfallenden Nebenkosten“. Die als Muster dazu von der Klägerin vorgelegte Urkunde (Mappe) war hinsichtlich Form und Wortlaut der abgedruckten Texte unstrittig geblieben. Das Berufungsgericht durfte daher die Ausgestaltung der Mappe samt dem auf den Innenseiten abgedruckten Text seiner Entscheidung ohne „amtswegige Durchführung“ einer Berufungsverhandlung – wie vom Beklagten verlangt – zugrunde legen (vgl RIS-Justiz RS0121557). „Leer“ war die Mappe nach den eindeutigen Feststellungen des Erstgerichts nur in dem Sinne, dass bei Übergabe an den Beklagten keine (von der Kartonmappe unabhängigen) Blätter darin enthalten waren. Seine Auffassung, bei „Mangelfreiheit des Verfahrens“ wäre die „vom Berufungsgericht getroffene Annahme“, es habe sich auf der Innenseite der Mappe ein „abzutrennendes Widerrufsformular befunden, wegzulassen gewesen und [es] hätte sich ergeben, dass der Beklagte nicht in der in § 4 FAGG geforderten Weise über sein Rücktrittsrecht belehrt wurde“, kann nicht geteilt werden. Weder ist dem Berufungsgericht eine Aktenwidrigkeit unterlaufen, noch das Berufungsverfahren mit einer Mangelhaftigkeit behaftet.

2. Das Berufungsgericht sah die Frage, ob durch die bloße Übergabe einer vierflügeligen Mappe aus Karton, auf deren Innenseite neben anderen Informationen die Belehrung über das Rücktrittsrecht gemäß § 11 FAGG und ein nur mit Schere abtrennbares Muster-Rücktrittsformular abgedruckt sind, der Informationspflicht des § 4 Abs 1 Z 8 FAGG „ausreichend“ entsprochen wurde, als erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO an. Der Revisionswerber vertritt dazu in seinem Rechtsmittel bloß – ohne weitere Ausführungen oder Hinweise aus der Lehre – den nicht näher begründeten Standpunkt, es widerspreche die Ansicht des Berufungsgerichts dem klaren Wortlaut von § 4 FAGG, welche Bestimmung von einer Informationspflicht „in verständlicher Form“ spreche. Warum die Ansicht, „die Übergabe einer Mappe mit Ausführungen zum Rücktrittsrecht auf der Innenseite als den Bestimmungen des § 4 FAGG entsprechend“ zu halten, „dem klaren Wortlaut des Gesetzes“ widersprechen sollte, wird von ihm nicht erklärt. Soweit sich das aus seinen Ausführungen in der Revision erschließen lässt (mit denen er immer wieder darauf beharrt, zur Übergabe eines Rücktrittsformulars gäbe es nur „unstatthafte Vermutungen“ des Berufungsgerichts), scheint er die Auffassung zu vertreten, er hätte über sein Rücktrittsrecht mündlich und vor dem Vertragsschluss belehrt werden müssen, nur dann wäre der Verpflichtung nach § 4 Abs 1 Z 8 FAGG, den Verbraucher darüber „in klarer verständlicher Weise … zu informieren“ entsprochen worden.

3. Sowohl zu der von ihm offenbar verlangten Mündlichkeit der Belehrung als auch zur Sanktion bei nicht rechtzeitiger Belehrung ist aber die Regelung im Gesetz so eindeutig, dass es keiner Befassung des Höchstgerichts mit diesen Fragen bedarf (vgl RS0042656).

Es trifft zwar zu, dass die Information über die Bedingungen, die Fristen und die Vorgangsweise für die Ausübung des Rücktrittsrechts nach § 4 Abs 1 Z 8 FAGG erfolgen muss, „bevor der Verbraucher durch einen Vertrag oder seine Vertragserklärung gebunden ist“, jedoch normiert das Gesetz selbst unmissverständlich die Folgen eines Pflichtverstoßes bei Nachholung binnen bestimmter Frist. Der Fall, dass die Belehrung – wie hier – innerhalb von zwölf Monaten nach dem Vertragsschluss nachgeholt wird, ist– worauf schon das Berufungsgericht zutreffend hinwies – in § 12 Abs 2 FAGG klar geregelt. Die Rücktrittsfrist endet dann 14 Tage nach dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher diese Information erhält (vgl auch Kothbauer, FAGG: Achtung aufs Muster-Widerrufsformular!, immolex 2019, 300); im konkret zu beurteilenden Sachverhalt also am 16. 8. 2018.

Dass die vom Beklagten eingeforderte mündliche Erläuterung nicht notwendig ist, geht schon daraus hervor, dass das FAGG in § 4 Abs 3 selbst darauf abstellt, dass die Informationserteilung nach § 4 Abs 1 Z 8 leg cit formularmäßig (also schriftlich) erfolgt. Wenn der 10. Senat anlässlich des zu 10 Ob 34/19a (= RS0132748 = EvBl 2020/30 = wobl 2020, 272 ff [Kepplinger]) ergangenen Urteils dem Immobilienmakler abforderte, dass er zusätzlich zu einer den Erfordernissen des § 4 Abs 1 Z 8 FAGG entsprechenden schriftlichen Belehrung [Unterstreichung durch den erkennenden Senat] der Verbraucherin auch das Muster-Widerrufsformular auf Papier zur Verfügung stellen hätte müssen (und der wiedergegebene Sachverhalt nicht den geringsten Anhaltspunkt für eine mündliche Erörterung des Rücktrittsrechts bietet), hat der Oberste Gerichtshof bereits mit dieser Entscheidung klargestellt, dass die Belehrung nicht mündlich erfolgen muss.

Der Beklagte erwähnt in seiner Revision keine dieser beiden schon vom Berufungsgericht erläuterten Normen (§§ 4 Abs 3, 12 Abs 2 FAGG). Weder bezweifelt er die darin jeweils angeordneten Rechtsfolgen (Beginn des Laufs der 14‑tätigen Rücktrittsfrist mit der Nachholung; Vermutung der vollständigen Erfüllung der Belehrungspflicht mittels formularmäßiger Informationserteilung), noch setzt er sich sonst in irgendeiner Weise mit diesen Bestimmungen auseinander. Wenn im vorliegenden Fall nur eine „leere Mappe“ (ohne weiteren Inhalt als die auf den aufklappbaren Seiten abgedruckten Informationen) übergeben wurde, musste demjenigen, dem sie ausgehändigt wurde, umso eher klar sein, dass es dem Übergeber mit ihrer Überreichung gerade nur auf die Erteilung der auf den Innenseiten abgedruckten Informationen ankommen konnte.

Zusammenfassend kann daher der Beklagte mit seiner pauschalen Behauptung, es sei keine „verständliche“ Belehrung erfolgt, keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen.

4. Dies gelingt ihm auch nicht zur vom Berufungsgericht bejahten Verdienstlichkeit. Die Frage der adäquaten Verursachung des Vermittlungserfolgs erfüllt nämlich in der Regel nur dann die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer vom Obersten Gerichtshof zu korrigierenden Fehlbeurteilung beruht (RS0110361 [T4, T5]), was aber hier nicht der Fall ist.

Mit der ihm (unter Hinweis auf höchstgerichtliche Rechtsprechung) vom Berufungsgericht gegebenen Begründung, warum (wegen des kurzen Zeitablaufs) im vorliegenden Fall die (weder zufällig noch durch die Tätigkeit eines anderen Maklers veranlassten) Vertragsverhandlungen zwischen ihm und dem Verkäufer nicht „neu begonnen“ wurden, setzt sich der Beklagte nicht auseinander. Nach seinem Dafürhalten soll der Kaufpreis in Wahrheit weit unter dem ursprünglich vom Abgeber geforderten Preis und weit über dem ursprünglich gebotenen Preis gelegen sein; die (gegenteilige) Beurteilung des Berufungsgerichts, die letztlich erzielte Einigung weiche nicht signifikant von dem vom Beklagten auf Empfehlung der Klägerin gelegten Anbot ab, sei dagegen „verfehlt“. Eine bedenkliche Fehlbeurteilung dieser Frage ist aber bei Abweichungen 6,25 % (vom geforderten Preis) bzw 9 % (vom gebotenen Preis aus betrachtet) nicht gegeben. Beiderseitiges Nachgeben in dieser Größenordnung im Zuge weiterer Verhandlungen ist bei Immobilien‑(ver‑)käufen (von Einzelobjekten) eher der Regelfall.

Zuletzt vermengt er die Gesichtspunkte der Verdienstlichkeit mit jenen einer möglichen Mäßigung des Honorars bei Sorgfaltsverstößen. Eine korrekturbedürftige Ermessensüberschreitung des dem Berufungsgericht bei Mäßigung des Maklerhonorars eingeräumten Beurteilungsspielsraums (richtig soll eine Minderung auf 0,5 % sein) kann er mit solchen Erwägungen nicht darlegen, umso weniger als er sich dazu überdies auf die vom Sachverhalt nicht gedeckte Behauptung, die Besichtigung habe nicht das gesamte Objekt betroffen, stützt und die Rechtsrüge insoweit nicht gesetzmäßig ausführt (vgl RS0043603).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat auf die mangelnde Zulässigkeit der Revision hingewiesen und deren Zurückweisung beantragt. Ihr steht daher Kostenersatz für die als zweckentsprechende Rechtsverfolgungsmaßnahme anzusehende Revisionsbeantwortung zu, allerdings nur auf Basis des im Revisionsverfahren noch strittig gebliebenen Betrags von 17.280 EUR als Bemessungsgrundlage.

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