OGH 2Ob102/23y

OGH2Ob102/23y27.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch Dr. Georg Pitter, Rechtsanwalt in Zell am See, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei F*, vertreten durch bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen zuletzt 14.981,70 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 15. März 2023, GZ 2 R 90/22a‑50, mit dem einer Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 14. April 2022, GZ 13 Cg 47/21y‑39, Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00102.23Y.0627.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.316,40 EUR (darin enthalten 219,40 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger erwarb 2018 beim Beklagten ein entsprechend der Abgasnorm Euro 5 typengenehmigtes Wohnmobil der Marke Fiat um 49.393 EUR. Das Fahrzeug ist mit einer „Abgasreduktionsstrategie“ ausgestattet, die die Abgasrückführung nach Ende der „Typ 1 – Prüfung“ sowie nach einer Fahr- und Betriebszeit des Motors von 22 Minuten unabhängig von der Außen- oder Umgebungstemperatur erheblich reduziert oder überhaupt unterbindet. Weiters wird die Abgasrückführung unter 20° C Umgebungs- bzw Außentemperatur massiv reduziert.

[2] Das Berufungsgericht gab der (zuletzt) auf Preisminderung gestützten Klage statt. Es bejahte das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung und daran anknüpfend einen Rechtsmangel wegen der fehlenden Rechtsbeständigkeit der Typengenehmigung. Diese könne nach der Rechtsprechung des EuGH C‑873/19 auch von Umweltvereinigungen bekämpft werden. Die als questio mixtae auch der rechtlichen Beurteilung zuzuordnende Beurteilung des Erstgerichts, der Entzug der Zulassung drohe nicht, weil die italienische Typenzulassungsbehörde trotz Konfrontation mit der gegenteiligen Ansicht des deutschen KBA in Kenntnis aller Umstände nach wie vor von der Einhaltung des Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EU ausgehe, könne daher nicht (mehr) aufrechterhalten werden. Die Verjährungsfrist beginne bei Rechtsmängeln aber erst mit Kenntnis des Mangels (hier: Ende 2020) zu laufen. Der Preisminderungsanspruch bestehe daher mangels angebotener Verbesserung zu Recht. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Beurteilung der Abgasstrategie bei Fiat-Motoren vorliege und noch nicht zur Rechtsbeständigkeit der Typengenehmigung und dem damit verbundenen Rechtsmangel Stellung genommen worden sei.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die Revision der Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil sie keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, mag das Berufungsgericht die Revision auch zu Recht zugelassen haben (vgl RS0102059).

[4] 1. Die Qualifikation der verbauten „Abgasreduktionsstrategie“ als unzulässige Abschalteinrichtung iSd – unstrittig anwendbaren – Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EU zieht die Revision nicht mehr in Zweifel, sodass darauf schon deshalb nicht mehr einzugehen ist (RS0043352 [T30]).

[5] 2. Auch wendet sich die Revision nicht gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, eine mangelnde Rechtsbeständigkeit der erteilten Typengenehmigung könne einen Rechtsmangel begründen (vgl 8 Ob 113/21g Rz 15, 21 f; offen lassend: 10 Ob 2/23a Rz 52), der erst mit der tatsächlichen Kenntnis des Mangels oder in dem Zeitpunkt zu verjähren beginne, in dem der Berechtigte die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen könne (vgl 8 Ob 113/21g Rz 19 f). Insoweit wird daher ebenfalls keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO releviert.

[6] 3. Die Revision beschränkt sich im Ergebnis auf die Wiederholung der schon im Berufungsverfahren vorgetragenen Behauptung, ein Rechtsmangel liege deshalb nicht vor, weil die zuständige italienische Behörde auch nachträglich und in Kenntnis aller Umstände vom Nichtvorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgehe, sodass keine Anhaltspunkte für eine mangelnde Rechtsbeständigkeit der erteilten Typengenehmigung gegeben seien. Auf das Argument des Berufungsgerichts, in Anbetracht der zu C‑873/19 ergangenen Entscheidung des EuGH, nach der auch Umweltvereinigungen die Anfechtung von möglicherweise gegen Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EU verstoßenden EG‑27Typgenehmigungen ermöglicht werde, könne nicht mehr von einer (ausreichenden) Rechtsbeständigkeit der erteilten Typengenehmigung ausgegangen werden, geht die Revision überhaupt nicht ein.

[7] Die sich mit den rechtlichen Argumenten des Berufungsgerichts überhaupt nicht auseinandersetzende und daher nicht gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge kann aber keine Überprüfung der in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Rechtsansicht bewirken (RS0043654 [T14, T15], RS0043605 [T1]).

[8] 4. Mangels (gesetzmäßigen) Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage, war die Revision zurückzuweisen.

[9] 5. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Sein Schriftsatz diente daher der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung (RS0112296). Mangels Beteiligung der Nebenintervenientin im Revisionsverfahren gebührt kein Streitgenossenzuschlag (RS0036223).

Stichworte