OGH 4Ob7/23t

OGH4Ob7/23t31.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*, vertreten durch Mag. Christopher Schmied, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei H* GmbH, *, vertreten durch Mag. Alois Pirkner, Rechtsanwalt in Tamsweg, wegen 8.812,08 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 5. Oktober 2022, GZ 53 R 159/22x‑60, womit das Urteil des Bezirksgerichts Tamsweg vom 11. Mai 2022, GZ 2 C 268/20p‑55, aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00007.23T.0531.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin war Gast in dem von der Beklagten in einem Schigebiet in 1.750 m Seehöhe betriebenen Hotel. Am 23. 3. 2019, dem Tag der Anreise, stellte die Klägerin gegen 16:30 Uhr ihr Fahrzeug auf dem vor dem Hotel befindlichen Parkplatz ab und begab sich zu Fuß zur Rezeption. Eine Rezeptionistin der Beklagten händigte der Klägerin eine Schlüsselkarte aus und teilte ihr mit, wo sich der Eingang zum Schikeller befinde. Gegen 16:45 Uhr, als es noch hell war, begab sich die Klägerin neuerlich zu ihrem parkenden Fahrzeug. Eine Tasche mit Schischuhen in der einen und in der anderen Hand einen nicht näher feststellbaren Gegenstand tragend ging sie, in Winterstiefeln, zu Fuß über den Parkplatz in Richtung des Eingangs zum Schikeller. Zu diesem Zeitpunkt fanden sich rund um den Eingangsbereich Schneeanhäufungen, die erkennbar waren und von der Klägerin auch erkannt wurden. Der Bereich rund um den Eingang zum Schikeller war teilweise mit Eis bedeckt, in welches Splitt eingefroren war. Diese eisigen Stellen waren erkennbar, wurden aber von der Klägerin nicht erkannt. Als sich die Klägerin rund 1 bis 2 m vom Eingang zum Schikeller entfernt befand, wurde sie von nicht in ihrer Blickrichtung befindlichen Personen angesprochen, woraufhin sie ihren Kopf etwas nach rechts wandte, nicht auf den Boden blickte und auf einer eisigen Stelle ausrutschte und zu Boden stürzte. Nicht festgestellt werden kann, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt mit beiden Beinen fest am Boden stand. Ein sturzfreies Vorankommen im Bereich rund um den Eingang zum Schikeller war zu diesem Zeitpunkt möglich, wenn man sich sehr vorsichtig fortbewegte. Der Beklagten war bereits vor dem Sturz der Klägerin bekannt, dass es im Bereich rund um den Eingang zum Schikeller bei Sonneneinstrahlung, welche in diesem Bereich im März jeden Jahres von morgens bis mittags erfolgt, auftaut und wenn die Sonne wieder weg ist, friert. Der Beklagten war auch bekannt, dass der Bereich rund um den Eingang zum Schikeller ständig von Hotelgästen frequentiert wird. Dennoch blieb sie untätig, was dazu führte, dass die Gäste nach dem klagsgegenständlichen Vorfall selbst das Eis mittels Eispickel entfernten.

[2] Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes die Zahlung von 7.000 EUR Schmerzengeld, 137,68 EUR Spesen und 1.674,40 EUR Reise- und Übernachtungskosten. Sie habe sich durch den Sturz eine starke Rippenprellung zugezogen sowie mehrere Monate lang starke Schmerzen und Beschwerden erlitten. Die Beklagte habe es unterlassen, Vorkehrungen und Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um den Gästen die Benützbarkeit der zum Hotel gehörenden Flächen und Wege gefahrlos zu ermöglichen.

[3] Die Beklagte wendete ein, die Klägerin sei nicht verletzt gewesen und außerdem habe die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten erfüllt. Die Eis‑ und Schneereste seien auch gut erkennbar gewesen. Im Übrigen dürfe die Pflicht zur Schneeräumung und Bestreuung von Wegen, noch dazu im alpinen Gelände, nicht überspannt werden.

[4] Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Beklagte sei ihren vertraglichen Verkehrssicherungspflichten ausreichend nachgekommen. Von einem Hotelbetreiber in alpiner Höhenlage inmitten eines Schigebiets könne nicht erwartet werden, dass der gesamte für Gäste zugängliche Bereich ununterbrochen überprüft und vollständig von eisigen Stellen befreit werde. Dies auch nicht in einem Bereich, der (ab nachmittags) erkennbar zur Eisbildung geneigt habe, zumal es für die Beklagte nicht vermeidbar sei, dass von eingehenden Hotelgästen allenfalls an ihren Schuhen anhaftender Schnee bis an den Eingang des Schikellers herangetragen werde. Die Klägerin hätte überdies mit Eisglätte im Bereich um den Eingang vom Schikeller rechnen, die Verhältnisse überprüfen und eine situationsangepasste vorsichtige Gehweise wählen müssen.

[5] Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und trug dem Erstgericht die Ergänzung des Verfahrens und die neuerliche Entscheidung auf. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ es in Ermangelung von Rechtsprechung zur Eisfreiheit des Nebeneingangs zu einem Schikeller zu. Der vorliegende Fall sei dadurch gekennzeichnet, dass der Beklagten die Problematik des damaligen Zugangs zum Schikeller durchaus bewusst gewesen sei. Der festgestellte Zustand des Bereichs rund um den Eingang zum Schikeller stelle einen – ein rechtswidriges Verhalten indizierenden – objektiv rechtswidrigen Zustand dar. Werde dieser Bereich nicht unter Zuhilfenahme einer Eishacke entfernt oder zumindest so mit Splitt bestreut, dass dadurch der Rutschgefahr ausreichend begegnet werde, so könne es selbst bei einem vorsichtigen Gehen noch zu einem Wegrutschen oder Sturz kommen. Aufgrund dieses objektiv vertragswidrigen Verhaltens treffe die Beklagte der Entlastungsbeweis nach § 1298 ABGB dahin, dass sie kein Verschulden daran treffe. Dieser Entlastungsbeweis sei der Beklagten aber nicht gelungen. Auch wenn der Hausmeister gegen 7:00 Uhr im Bereich rund um den Eingang zum Schikeller Schnee geräumt, Salz gestreut und unter Zuhilfenahme von Eishacke und Schaufel die oberste Schicht an Eis entfernt habe, sei dies nicht ausreichend, um der bekannten Gefahr einer Vereisung erst am Nachmittag nachhaltig entgegenzuwirken. Damit genüge es auch nicht, wenn er gegen die Mittagszeit in diesem Bereich neuerlich Salz und zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt vor 14:30 Uhr Splitt gestreut habe, zumal erst am Nachmittag gerade im März die besondere Gefahr gegeben sei, dass wiederum vereiste Stellen auftreten. Gerade beim Zugang zu einem Schikeller müsse der Betreiber eines Hotels damit rechnen, dass am Nachmittag eine erhöhte Frequenz bestehe, wenn Gäste von der Schipiste kommen. Der Betreiber eines Hotels müsse aber auch damit rechnen, dass anreisende Gäste am Nachmittag vom Parkplatz aus auch in den Schikeller gehen, um dort Schi oder andere Gegenstände zu deponieren. Dabei liege es auf der Hand, dass beim Tragen von Gegenständen in beiden Händen die Beweglichkeit etwas eingeschränkt werde, wodurch es auf vereisten Flächen leichter zu einem Sturz komme. Das Streuen von Splitt helfe dann nicht, wenn dies zu einem Zeitpunkt geschehe, zu dem dieser in einer vorerst aufgeweichten Schnee- oder Eisschicht einsinke oder voraussehbar mit wärmeren Temperaturen später einsinken werde. Damit sei von einer Haftung der Beklagten für Schäden auszugehen, die der Klägerin aufgrund des festgestellten Sturzes entstanden seien. Ein Mitverschulden der Klägerin sei zu verneinen, denn sie habe kein ungeeignetes Schuhwerk, sondern Winterstiefel getragen. Auch ein rasches oder unvorsichtiges Gehen sei nicht festgestellt worden. Ein sturzfreies Vorankommen im Bereich rund um den Eingang zum Schikeller sei vielmehr nur möglich gewesen, wenn man sich sehr vorsichtig fortbewegt hätte. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin auf einer eisigen Stelle just zu jenem Zeitpunkt ausgerutscht sei, als sie nicht auf den Boden geblickt habe, weil sie durch Dritte angesprochen ihren Kopf etwas nach rechts wandte. Selbst wenn man der Klägerin zum Vorwurf machen wollte, dass sie bei durchgehender Aufmerksamkeit die eisigen Stellen erkennen und durch eine sehr vorsichtige Fortbewegung ein Ausrutschen vermeiden hätte können, wäre ein dahingehender Schuldvorwurf vernachlässigbar. Zusammengefasst habe die Beklagte der Klägerin für etwaige Folgen aus ihrem Sturz vor dem Eingang zum Schikeller aus dem Beherbergungsvertrag zu haften, ohne dass eine Schadensteilung aufgrund eines Mitverschuldens der Klägerin vorzunehmen sei. Eine (teilweise) Klagsstattgebung oder ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs schieden aus, weil die Beklagte bestreite, dass die Klägerin durch den Sturz überhaupt verletzt worden sei.

[6] Die Beklagte beantragt mit ihrem – von der Klägerin beantworteten – Rekurs aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen, in eventu den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der Rekurs ist zur Präzisierung der Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

1. Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens

[8] 1.1. Die Beklagte macht geltend, das Berufungsgericht sei ohne Wiederholung der Beweisaufnahme von den Feststellungen des Erstgerichts abgegangen, indem es ausgeführt habe, dass das Streuen von Split dann nicht helfe, wenn dies zu einem Zeitpunkt geschehe, zu dem dieser vorerst in einer aufgeweichten Schnee‑ und Eisschicht einsinke oder voraussehbar mit wärmeren Temperaturen einsinken werde.

[9] 1.2. Abgesehen davon, dass diese Ausführungen in den Feststellungen des Erstgerichts, wonach bei Sonneneinstrahlung im März von morgens bis mittags der Bereich rund um den Eingang zum Schikeller auftaue und, wenn die Sonne wieder weg sei, friere, Deckung findet und schon deshalb kein Verfahrensmangel zu erkennen ist, wäre auch bei Vorliegen desselben, weil ohne Bedeutung für den Verfahrensausgang, keine Relevanz gegeben (vgl RS0043461 [T9]), zumal ohnehin feststeht, dass der Bereich zum Unfallszeitpunkt vereist war und ein Fortkommen ohne Sturz nur möglich war, wenn man sich sehr vorsichtig bewegte.

2. Verkehrssicherungspflichten

[10] 2.1. Entsteht im Rahmen eines Vertragsverhältnisses eine besondere Gefahrenlage, so kommt eine Haftung des Verantwortlichen aus der Verletzung vertraglicher Verkehrssicherungspflichten in Betracht. Beim Abschluss eines Vertrags richten sich die Verkehrssicherungspflichten des Sicherungspflichtigen in erster Linie nach Vertragsrecht (RS0023714 [T3]). Ihn trifft die nebenvertragliche Verpflichtung, die Sicherheit der befugten Benützer zu gewährleisten (RS0023575). Der Sicherungspflichtige muss den Verkehrsbereich für die befugten Benützer in sicherem und gefahrlosem Zustand erhalten und diese vor Gefahren schützen. Die Anforderungen an die allgemeine Verkehrssicherungspflicht dürfen aber nicht überspannt werden, weil sie sonst zu einer in Wahrheit vom Verschulden unabhängigen Haftung des Sicherungspflichtigen führen (RS0023893 [T2; T3]); sie findet ihre Grenze daher immer in der Zumutbarkeit möglicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr (RS0023397 [T11]). Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich dabei vor allem danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen können (RS0023726; 5 Ob 47/20b).

[11] 2.2. Nach ständiger Rechtsprechung ist Haftungsansatz stets die vom Geschädigten zu beweisende Pflichtverletzung. Dieser hat die Sorgfaltsverletzung und die Kausalität der Sorgfaltsverletzung für den Schaden zu beweisen (RS0026290). Bei Nichtfeststellbarkeit eines objektiv vertragswidrigen Verhaltens des Schädigers ist die Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB aber auch bereits dann anwendbar, wenn der Geschädigte beweist, dass nach aller Erfahrung die Schadensentstehung auf ein wenigstens objektiv fehlerhaftes (vertragswidriges) Verhalten des Schädigers zurückzuführen ist (RS0026290).

[12] 2.2.1. In der Entscheidung 5 Ob 89/17z erachtete der Oberste Gerichtshof das Vorhandensein von Nässe im Eingangsbereich eines Supermarkts in einem Ausmaß, das ein Aufwischen notwendig machte, für einen objektiv rechtswidrigen Zustand und eine Gefahrenquelle, die einen ausreichenden Anknüpfungspunkt für die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB bilden kann.

[13] 2.2.2. Zu 1 Ob 158/16s wurde ausgeführt, dass das Zu‑Boden‑Fallen von Obst‑ und Gemüsestücken für andere Nutzer leicht erkennbar sei und keine Pflicht bestehe, ständig Personal dafür abzustellen nach herabgefallenem Obst- und Gemüse Ausschau zu halten, weshalb das bloße Bestehen der Gefahrenquelle (= herabgefallenes Essen) grundsätzlich noch keinen die Beweislastumkehr herbeiführenden rechtswidrigen Zustand darstelle. Sei das (im konkreten Fall) Paprikastück, das zum Unfall geführt habe, jedoch von einem Mitarbeiter bei einer Kontrolle übersehen worden, liege ein Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten vor.

[14] 2.2.3. Auch in der Entscheidung 10 Ob 53/15i wurde nicht das Vorhandensein einer Gefahrenquelle allein, sondern der Umstand, dass sich diese in einem stark frequentierten Bereich (Gang zur Kassa) befand, was (aller Erfahrung nach) darauf schließen lasse, dass die geforderte Kontroll‑ und Beseitigungspflicht nicht eingehalten wurde, als Indiz eines zumindest abstrakt rechtswidrigen Verhaltens angesehen.

[15] 2.3. Im vorliegenden Fall kam das Berufungsgericht zum Ergebnis, dass die Beklagte der Klägerin aus dem Beherbergungsvertrag für etwaige Folgen aus ihrem Sturz vor dem Eingang zum Schikeller hafte. Die Beklagte habe nämlich aus dem Beherbergungsvertrag die Pflicht getroffen, die Gäste vor drohenden Gefahren die sich im Bereich der Eingänge und auch des Schikellers ergeben, zu schützen und sie sei sich dieser Gefahrenquelle auch bewusst gewesen. Der vom Erstgericht festgestellte Zustand rund um den Eingang des Schikellers stelle einen objektiv rechtswidrigen Zustand dar, welcher ein rechtswidriges Verhalten der Beklagten indiziere. Die Beklagte habe daher der Entlastungsbeweis nach § 1298 ABGB getroffen, dass sie kein Verschulden an diesem Zustand treffe. Dieser Entlastungsbeweis sei der Beklagten aber nicht gelungen.

[16] 2.4. Der Senat tritt dieser Beurteilung bei. Die von der Rekurswerberin – unter Heranziehung der Entscheidungen 1 Ob 4/21a und 5 Ob 94/20i – vorgebrachten Argumente, die zusammenfassend darin bestehen, dass die Verkehrssicherungspflichten in hochalpiner Lage nicht überspannt werden dürften und Maßnahmen gegen Glatteis „rund um die Uhr“ unzumutbar seien, konnten nicht überzeugen.

[17] 2.4.1. Der Entscheidung 1 Ob 4/21a lag ein Sachverhalt zugrunde, wonach ein Schigast auf dem Parkplatz seines Hotels stürzte, weil auf dem schmalen Streifen zwischen den Fahrzeugen auf dem (meist vollen) Parkplatz Schnee‑ und Eisreste nicht vollständig entfernt waren bzw kein Splitt gestreut war. Es stand fest, dass es der Beklagten mit wirtschaftlich vertretbaren Mitteln nicht möglich gewesen wäre, den Parkplatz vollständig von Schnee zu räumen bzw überall zu streuen. Zudem wäre das Ausbringen von Splitt zwischen den geparkten Autos mit der Gefahr einer Beschädigung der darauf geparkten Autos verbunden gewesen. Überdies wäre es dem Kläger in diesem Fall möglich gewesen, anstelle des nicht geräumten Bereichs zwischen den geparkten Fahrzeugen einen geräumten Zugangsweg zu benutzen, weshalb insgesamt keine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten durch die Beklagte erblickt wurde.

[18] 2.4.2. Die Entscheidung 5 Ob 94/20i betraf ebenfalls den Parkplatz eines Schigebiets. Auch hier kam der Schigast auf dem schmalen Streifen zwischen den geparkten Autos, der in diesem Fall sogar gestreut war, zu Sturz. Auch dort wäre dem Liftbetreiber das Räumen der Fläche nicht zumutbar gewesen und hätte der Kläger auch den geräumten Zufahrtsweg anstelle des schmalen Streifens zwischen den Fahrzeugen wählen können.

[19] 2.4.3. Die Sachverhalte der zitierten Entscheidungen unterscheiden sich maßgeblich vom hier zu beurteilenden. Hier handelt es sich nicht um einen schmalen, nicht allgemein als Zugangsweg gedachten Streifen zwischen geparkten Fahrzeugen, sondern um den als solchen gedachten, einzigen Außenzugang zum Schikeller eines Hotels. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass gerade in einem Schiort die meisten Hotelgäste auch schifahren und dazu – sofern angeboten – den Schikeller des Hotels benutzen. Die Beklagte musste daher davon ausgehen, dass der Unfallort von der Mehrzahl der Gäste täglich, und zwar besonders zwischen 16:00 und 17:00 Uhr benützt wird. Zudem war ihr das Problem mit dem Schmelzen/Frieren an Schönwettertagen im März bekannt. Die Beklagte hat sich daher durch das Unterlassen zweckdienlicher Streu‑ oder sonstiger Maßnahmen zur Beseitigung des Glatteises im Zugangsbereich des Schikellers eine Verletzung ihrer vertraglichen Sorgfaltspflichten zuschulden kommen lassen. Von einer Pflicht, „rund um die Uhr“ entsprechende Maßnahmen zu setzen, kann dabei keine Rede sein, hätte es doch genügt, zur erwartbaren Zeit des Frierens und vor dem ebenso erwartbaren Besucheransturm, etwa gegen 16:00 Uhr entsprechende Sicherungs‑ bzw Streumaßnahmen an der hochfrequentierten Stelle zu setzen. Der Beklagten ist es nicht gelungen, zu beweisen, dass sie am unfallauslösenden Zustand des Schikellereingangs kein Verschulden trifft. Das Berufungsgericht hat daher zutreffend die grundsätzliche Haftung der Beklagten für etwaige Folgen aus dem Sturz der Klägerin bejaht.

3. Mitverschulden

[20] 3.1. Der Oberste Gerichtshof judiziert in ständiger Rechtsprechung, dass von jedem Fußgänger zu verlangen ist, dass er „vor die Füße schaut“ (RS0027447; RS0023787 [T3]).

3.2. Jüngst wurde dazu wie folgt judiziert:

[21] 3.2.1. In 8 Ob 102/20p stürzte die Klägerin auf einem nicht geräumten bzw gestreuten Stiegenabgang, als sie auf der Suche nach einem Abgang zur Parkgarage war. Es stand fest, dass für die Klägerin die Schneeschicht auf dem Treppenabgang erkennbar war und sie sich der witterungsbedingten Rutschgefahr bewusst war. Der 8. Senat sprach aus, dass es der Klägerin oblegen wäre, den schneebedeckten Bereich unter Prüfung des Untergrundes auf Glätte nur vorsichtig zu betreten und sich an dem vorhandenen Gitter anzuhalten. Der Klägerin wurde ein Mitverschulden von 50 % zur Last gelegt.

[22] 3.2.2. Zu 6 Ob 94/16s kam der Gast eines Schihotels gegen 15:00 Uhr mit Schiern in der Hand und losem Schuhwerk beim Eingang zu einer dem Hotel zugehörigen Schiservicewerkstatt auf einer nicht befestigten Tritthilfe zu Sturz, weil diese umkippte. Hier wurde das Mitverschulden des Klägers mit 33 % bemessen, weil ihm bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennbar gewesen wäre, dass die Tritthilfe nicht befestigt war und er loses Schuhwerk trug, wobei nicht feststand, dass das Schuhwerk für das Umkippen der Tritthilfe kausal war.

[23] 3.2.3. Zu 1 Ob 143/16k stürzte der Benützer einer Autowaschbox auf einer vereisten Pfütze in der Nähe des Waschboxautomaten, da weder gesalzen noch gestreut worden war. Auch hier wurde dem Kläger angelastet, dass er die vereiste Fläche nicht erkannte, weil er nicht auf den Boden sah. Dabei wurde das Mitverschulden des Klägers (mit 25 %) weit weniger stark gewichtet als jenes der Beklagten.

[24] 3.3. Im vorliegenden Fall blickte die Klägerin nicht zu Boden, weil sie sich durch andere Personen, die sie ansprachen, kurz ablenken ließ und den Kopf ihnen zuwandte. Sie rutschte dann auf einer für sie erkennbaren eisigen Stelle aus. Die Klägerin legte somit nicht jene Aufmerksamkeit an den Tag, die von ihr unter den gegebenen Bedingungen am Unfallort zu erwarten gewesen wäre. Ausgehend davon ist der Klägerin – entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts, das den Schuldvorwurf gegen die Klägerin als vernachlässigbar erachtete – ein Mitverschulden von – aufgrund der eklatanten Räumungspflichtverletzung der Beklagten: nur – einem Viertel zur Last zu legen, was im weiteren Verfahren zu berücksichtigen sein wird.

[25] Zusammenfassend erfolgte die Aufhebung des Urteils erster Instanz und die Zurückverweisung der Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an dieses im Ergebnis zu Recht. Dem Rekurs der Beklagten ist somit nicht Folge zu geben.

[26] 4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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