OGH 5Ob55/23h

OGH5Ob55/23h31.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. B* Aktiengesellschaft, *, 2. F* GmbH, *, beide vertreten durch Dr. Alexander Scheitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einverleibung des Bestandrechts ob der EZ *, über den Revisionsrekurs der Erstantragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 7. Februar 2023, GZ 17 R 111/22b‑5, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00055.23H.0531.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Grundbuchsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Erstantragstellerin ist Mieterin eines Geschäftsgebäudes auf der im Alleineigentum der Zweitantragstellerin stehenden Liegenschaft.

[2] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist der Antrag auf Einverleibung des Bestandrechts zugunsten der Erstantragstellerin ob der Liegenschaft der Zweitantragstellerin, den die Antragstellerinnen auf eine Aufsandungserklärung (samt Lageplan) und eine Widmungsbestätigung des Magistrats der Stadt *stützten.

[3] Das Erstgericht wies diesen Antrag ab.

[4] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der dagegen von der Erstantragstellerin erhobene außerordentliche Revisionsrekurs zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[6] 1.1 Das Bestandrecht kann im Grundbuch eingetragen werden (§ 9 GBG, § 1095 ABGB). Der Eintragung des Bestandrechts kommt keine allgemein dingliche Wirkung gegenüber dritten Personen zu (RIS‑Justiz RS0020428). Die Wirkung der Eintragung des Bestandrechts beschränkt sich im Wesentlichen auf die in § 1120 ABGB vorgesehenen Rechtswirkungen. Sie beseitigt also insbesondere das Kündigungsrecht des Erwerbers der Liegenschaft nach § 1120 ABGB (RS0020428 [T1, T2]). Nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats (RS0122463 [T2]; 5 Ob 167/21a) muss aber dessen ungeachtet das Gesuch auf Eintragung eines Bestandvertrags gemäß § 94 Abs 1 GBG nach den Erfordernissen der §§ 26 ff GBG geprüft werden und insbesondere § 32 GBG genügen.

[7] 1.2 Gemäß § 94 Abs 1 GBG hat das Grundbuchsgericht das Ansuchen und dessen Beilagen einer genauen Prüfung zu unterziehen. Es darf eine grundbücherliche Eintragung unter anderem nur dann bewilligen, wenn das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint (§ 94 Abs 1 Z 3 GBG). Das Ansuchen kann somit nur dann bewilligt werden, wenn der Urkundeninhalt ein derartiger ist, dass er nicht nur in formaler Beziehung unbedenklich erscheint, sondern auch bezüglich der materiell‑rechtlichen Frage irgendwelche Zweifel nicht aufkommen lässt (RS0060878). Nimmt eine Nachtragsurkunde, die zwar eine nach § 31 Abs 1 GBG beglaubigte und wirksame Aufsandungserklärung enthält, ausdrücklich Bezug auf die Urkunde über das Titelgeschäft, so muss auch die Urkunde über das Titelgeschäft als Grundbuchsurkunde in einer Form vorgelegt werden, die eine Eintragung zulässt (RS0124536).

[8] 2. Der Fachsenat sprach bereits mehrfach aus (5 Ob 146/15d; 5 Ob 167/21a; vgl auch 5 Ob 212/19s), dass Voraussetzung für die Verbücherung eines Bestandrechts nicht nur die Zustimmung (also die Aufsandungserklärung) des Bestandgebers und Eigentümers ist, sondern auch, dass in der (die Eintragungsgrundlage bildenden) Vertragsurkunde die wesentlichen Vertragspunkte festgelegt sein müssen, so insbesondere die Höhe des Bestandzinses und der Bestandgegenstand. Aus dem Verbot der Einverleibung von Bestandverträgen auf unbestimmte Zeit (vgl 5 Ob 212/19s mwN) folgt, dass sich aus der Vertragsurkunde auch die vereinbarte Bestanddauer oder die entsprechenden Modifikationen des ordentlichen Kündigungsrechts ergeben müssen (5 Ob 167/21a mwN).

[9] 3.1 An diesen durch höchstgerichtliche Rechtsprechung vorgegebenen Grundsätzen hat sich das Rekursgericht orientiert. Der behauptete Widerspruch zu den Entscheidungen 6 Ob 73/19g, 9 Ob 21/20h und 4 Ob 134/18m ist nicht zu erkennen. All diese – jeweils im streitigen Verfahren ergangenen – Entscheidungen erläutern, dass ein Mietvertrag als Konsensualvertrag mit der Willenseinigung darüber zustande kommt, dass ein bestimmter (oder bestimmbarer) Mietgegenstand gegen einen bestimmten (oder bestimmbaren) Mietzins auf eine bestimmte (bestimmbare) Zeit oder mit unbestimmtem Endtermin zum Gebrauch überlassen werden soll und das Entgelt nicht ziffernmäßig festgelegt sein muss (dazu etwa RS0020342; RS0020394; RS0020697 [T1, T5]).

[10] 3.2 Die Frage, ob ein Konsensualvertrag wegen ausreichender Bestimmbarkeit der jeweiligen Leistungen zustande gekommen ist, hat aber nichts mit der Beurteilung der Voraussetzungen für eine Grundbuchseintragung aufgrund eines solchen Vertrags nach dem GBG zu tun. Die von der Revisionsrekurswerberin genannten, in Streitverfahren ergangenen Entscheidungen hatten sich mit den Voraussetzungen für die Eintragung eines Bestandrechts im Grundbuch nicht zu befassen, sodass eine Abweichung von dieser Judikatur nicht vorliegt.

[11] 4. Damit war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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