OGH 5Ob64/23g

OGH5Ob64/23g31.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundesarbeitskammer, *, vertreten durch Dr. Sebastian Schumacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F* GmbH, *, vertreten durch die Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2023, GZ 2 R 136/22t‑17, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 21. Juni 2022, GZ 29 Cg 37/21t‑10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00064.23G.0531.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.197,80 EUR (darin 366,30 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist ein klageberechtigter Verband nach § 29 KSchG. Die Beklagte betreibt Fitnessstudios und Fitnessanlagen in Wien und Niederösterreich.

[2] Die Klägerin begehrte von der Beklagten, es zu unterlassen, zwei näher bezeichnete Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu verwenden oder sich auf sie zu berufen. Zudem begehrte sie die Ermächtigung zur Veröffentlichung des klagestattgebenden Urteils in der Samstags-Regionalausgabe der „Kronen-Zeitung“ für die Bundesländer Wien und Niederösterreich.

[3] Das Erstgerichtgab dem Unterlassungs- und Veröffentlichungsbegehren statt.

[4] DasBerufungsgerichtbestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und ließ die ordentliche Revision zu. Die Auslegung von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmter Geschäftsbranchen, welche in der Regel für eine größere Anzahl von Kunden und damit Verbrauchern bestimmt und von Bedeutung seien, sei eine erhebliche Rechtsfrage, wenn solche Klauseln – wie hier – vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht zu beurteilen gewesen seien.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die – von der Klägerin beantwortete – Revision der Beklagten ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig, sie kann keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[6] 1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0112769; RS0112921). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt weg, wenn sie durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits geklärt wurde (RS0112769 [T12]; RS0112921 [T5]). Dies ist hier bei beiden Klauseln der Fall.

2. Klausel 1

[7] 2.1. Die erste der zwei von der Klägerin beanstandeten Klauseln lautet:

„Für alle Verträge, die nach dem 30. 11. 2016 abgeschlossen wurden, gilt: Hinzu kommt eine jährliche Servicepauschale von € 40,00, die bei Einzugsermächtigung mit der ersten fälligen Rate und in weiterer Folge alle 12 Monate vom Konto abgebucht wird oder bei Barzahlung der gesamten Vertragssumme mit dieser Bar abgerechnet wird (gilt sowohl für reguläre Mitgliedschaften als auch für Aktions-Mitgliedschaften). Durch die Bezahlung der jährlichen Servicepauschale hat der Kunde 1 x pro Jahr das Recht auf ein kostenloses Personal Training. Die Servicepauschale dient außerdem der Erhaltung der Qualitätsstandards und der Investitionen in Geräte und Infrastruktur.“

 

[8] 2.2. Die Vorinstanzen qualifizierten die Klausel als intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG, weil die Dauer und der Inhalt des durch die Servicepauschale erworbenen jährlichen Personal Trainings nicht festgelegt sei. Das Berufungsgericht beurteilte sie auch als gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB. Die Hauptleistungspflicht beim hier zu beurteilenden Vertragstypus sei die Zurverfügungstellung der Fitnessgeräte gegen die Leistung monatlicher Beiträge. Bei kundenfeindlichster Auslegung der Klausel sei anzunehmen, dass das durch die Servicepauschale erworbene jährliche „Personal Training“ lediglich eine kurze Unterweisung in die Funktionsweise der Geräte umfasse, was als Nebenpflicht ohnehin von dem durch den monatlichen Beitrag abgegoltenen Leistungsumfang der Beklagten umfasst sei. Die Erhaltung der Qualitätsstandards und die Investitionen in Geräte und Infrastruktur seien Nebenpflichten, die bereits durch den monatlichen Beitrag abgegolten seien. Die Klausel unterliege der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB und sei im Sinn dieser Bestimmung gröblich benachteiligend, weil einer zusätzlichen Leistung des Verbrauchers keine zusätzliche Leistung des Unternehmers gegenüberstehe.

[9] 2.3. Die Beklagte meint – zusammengefasst –, das Berufungsgericht habe sich mit seiner Auslegung des Begriffs „Personal Training“ über den eindeutigen Bedeutungsgehalt hinweggesetzt. Nach dem allgemeinen Wortsinn und Sprachgebrauch bedeute „Personal Training“ ein individuelles Training in Eins‑zu‑Eins‑Betreuung mit einem ausgebildeten Fitnesstrainer. Das Berufungsgericht dürfe seine rechtlichen Erwägungen bei der Auslegung von Urkunden nicht auf einen hypothetischen, die erst-gerichtlichen Feststellungen ergänzenden Sachverhalt stützen, ohne selbst eine Beweiswiederholung oder ‑ergänzung durchgeführt zu haben. Es liege eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes vor. Die Entscheidung 4 Ob 62/22d betreffe eine andere Klausel und sei nicht anwendbar. Die jährliche Servicepauschale werde individuell ausverhandelt undunterliege daher nicht der Inhaltskontrolle gemäß § 879 Abs 3 ABGB. Die Klausel sei nicht intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG.

2.4.  Beurteilung des Senats

[10] 2.4.1. Der Oberste Gerichtshof beschäftigte sich jüngst in mehreren Entscheidungen mit Zusatzentgelten bei Fitnessstudio-Verträgen. In den Entscheidungen 4 Ob 59/22p, 4 Ob 62/22d, 6 Ob 62/22v und 9 Ob 88/22i beurteilte er Klauseln, die den Kunden zur Leistung einer Servicepauschale verpflichten, als unzulässig. Klauseln, die ein Zusatzentgelt nicht zur Abgeltung einer nur aufgrund von Besonderheiten im Einzelfall erforderlichen Mehrleistung, sondern zur Abgeltung einer im Regelfall mit der Erfüllung der vertraglichen Pflichten verbundenen Leistung vorsehen, seien als Nebenleistungen gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB. Der Kunde erhalte keine über die vertragliche Hauptleistung hinausgehende „Service“-Leistungen, sondern es müssten nach den AGB Zusatzleistungen – welcher Art immer – nochmals gesondert entgolten werden.

[11] 2.4.2. Eine wortidente Klausel war jüngst Gegenstand der Entscheidung des erkennenden Senats zu 5 Ob 169/22x. Er führte dort aus:

„Die Beklagte beruft sich auf die [...] mögliche Rechtfertigung einer Servicepauschale, wenn diese tatsächlich (über die mit der Erfüllung der vertraglichen Pflichten verbundenen Leistungen hinaus) erbrachten Dienstleistungen und konkret entstandenen Kosten entspricht (vgl etwa 4 Ob 59/22p). Als über die vertragliche Hauptleistung hinausgehende 'Service'-Leistung erhalte der Kunde hier ein 'Personal Training'.

Das Berufungsgericht kam allerdings zu dem Ergebnis, dass das damit angebotene 'Personal Training' sich in der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung auch in einer kurzen Unterweisung in die Funktionsweise der Geräte erschöpfen könne; eine Leistung, die im Regelfall mit der Erfüllung der vertraglichen (Hauptleistungs-)Pflichten verbunden sei.

Die Beklagte wendet sich gegen diese Auslegung des Begriffs 'Personal Training'. In ihrer Argumentation dazu greift die Beklagte auf die Grundsätze der Vertragsauslegung (§§ 914 ff ABGB) im Allgemeinen und die Regeln der Auslegung von AGB im Besonderen zurück (vgl RS0112256; RS0017960; RS0008901). Dieser Rückgriff ist jedoch insofern nicht zielführend, als bei der Verbandsklage die Auslegung der Klauseln im 'kundenfeindlichsten' Sinn zu erfolgen hat (RS0016590 [T14]; RS0038205 [T4, T11]). Das Berufungsgericht ist demnach zu Recht von der Auslegungsvariante ausgegangen, die für die Kunden der Beklagten die nachteiligste ist. Es hat sich dabei nicht über den Wortlaut der Klausel und den Wortsinn des Begriffs 'Personal Training' hinweggesetzt. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dessen Bedeutungsgehalt schlichtweg nicht eindeutig; er lässt keineswegs nur die von der Beklagten gewünschte Auslegung zu. Bezeichnend dafür ist etwa der Umstand, dass die Beklagte in ihrem Referat der Begriffserklärung des 'Personal Trainer' in Wikipedia Aspekte seiner Tätigkeitsbeschreibung auslässt, der das kundenfeindlichste Verständnis des Berufungsgerichts eher stützt, nämlich den Umstand, dass 'Personal Trainer' Personen während des Trainings betreuen, Hilfestellung geben und wenn nötig fehlerhafte Bewegungsabläufe korrigieren sowie in Fitness‑Center eventuell auch für die Wartung der Trainingsgeräte zuständig sind.“

[12] Alle diese Erwägungen gelten auch hier, zumal die zu beurteilende Klausel wortgleich und die Argumentation der Beklagten vergleichbar ist.

[13] 2.4.3. Die in diesem Zusammenhang behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[14] 2.4.4. Die Behauptung der Beklagten, die jährliche Servicepauschale werde zusätzlich individuell als Hauptleistungspflicht ausgehandelt, hat im Verbandsverfahren keine Relevanz. Im Verbandsprozess kommt die individuelle Aushandlung von Vertragsklauseln nicht in Betracht (5 Ob 169/22x).

[15] 2.4.5. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klausel 1 sei gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB, weil einer zusätzlichen Leistung des Verbrauchers keine zusätzliche Leistung des Unternehmers gegenübersteht, entspricht daher ebenso der dazu bereits vorliegenden Rechtsprechung wie dessen Auffassung, sie sei auch intransparent, weil mangels Festlegung insbesondere der Dauer und des Inhalts des „Personal Trainings“ unklar bleibe, was im Rahmen dessen überhaupt geschuldet ist (5 Ob 169/22x).

3. Klausel 2

[16] 3.1. Die zweite von der Klägerin beanstandete Klausel lautet:

„Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Für die ersten 12 Monate beginnend mit dem auf den Vereinbarungsbeginn folgenden 01. des Monats wird auf die Kündigungsmöglichkeit verzichtet. Die Vereinbarung kann von beiden Vertragsparteien mit einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Ende des Kündigungsverzichtes und danach jeweils zum 30. 06. und zum 31. 12. eines jeden Jahres mit einer Kündigungsfrist von einem Monat schriftlich gekündigt werden.“

 

[17] 3.2. Während das Erstgericht die Klausel als gröblich benachteiligend iSd § 6 Abs 1 Z 1 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB beurteilte, erachtete das Berufungsgericht sie pimär für intransparent. Vergleichbar mit dem zu 6 Ob 44/22x entschiedenen Fall lasse die Klausel verschiedene Auslegungen zu. Sie könnte so verstanden werden, dass der Kunde spätestens am Ende des elften Monats seine Kündigung zum Ablauf des zwölften Monats aussprechen kann. Bei gebotener kundenfeindlichster Auslegung sei sie so zu verstehen, dass der Kunde im ersten Jahr keine Kündigungserklärung wirksam aussprechen könne. Damit erhöhe sich die Mindestvertragsdauer auf bis zu 18 Monate. Auch die gröbliche Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB und ein Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 1 KSchG werde bei kundenfeindlichster Auslegung zu bejahen sein.

3.3. Die Beklagte meint in ihrer Revision – zusammengefasst –, dass die mit dem einjährigen Kündigungsverzicht und den halbjährlichen Kündigungs-terminen einhergehende Bindungsdauer wegen der von ihr getätigten Investitionen und zu tragenden laufenden Kosten sowie des damit verbundenen wirtschaftlichen Risikos nicht unangemessen lang sei. Auch bei den Fitnessstudios der Beklagen sei die Dienstleistungskomponente überdurchschnittlich ausgeprägt. Eine Bindung von einem halben Jahr nach Ablauf des einjährigen Kündigungsverzichts sei gerechtfertigt. Die Beklagte biete ihre Leistungen zu einem überaus günstigen Preis, auch dem sei eine gewisse Bedeutung zuzumessen. Aus unvorhersehbaren wichtigen Gründen habe der Kunde das Recht auf außerordentliche Kündigung, bei sonstigen Änderungen der Lebensumstände sei es dem Verbraucher zumutbar, diese zumindest ein halbes Jahr im Vorhinein zu planen. Ein Verzicht auf die Abgabe einer Kündigungserklärung sei dem Wortlaut der Klausel nicht zu entnehmen, auch eine Bindung für 18 Monate sei daraus nicht abzuleiten. Die Erwägungen der Entscheidung 6 Ob 44/22x seien nicht anwendbar. Die Klausel sei nicht intransparent, davon sei bei vergleichbarem Wortlaut der Klausel auch die Entscheidung 5 Ob 205/13b ausgegangen.

3.4. Beurteilung des Senats

[18] 3.4.1. Der Oberste Gerichtshof setzte sich bereits mehrfach mit der Bindungsdauer bei Fitnessstudio-Verträgen im Hinblick auf § 6 Abs 1 Z 1 zweiter Fall KSchG auseinander.

[19] In der Entscheidung 5 Ob 205/13b hatte der Oberste Gerichtshof eine Klausel zu beurteilen, nach der die „Kündigung [...] erstmals zum Ablauf eines Jahres, danach jeweils zum Ablauf eines halben Jahres möglich“ sein sollte; dies unter Einhaltung einer 2-monatigen Kündigungsfrist. Der Oberste Gerichtshof hielt fest, dass die Klausel keine unzulässige Benachteiligung der Kundinnen der Beklagten durch eine unangemessen lange Vertragsdauer mit sich bringe und § 6 Abs 1 KSchG standhalte. Wesentliches Argument dafür war die ausgeprägte Dienstleistungskomponente bei dieser besonderen Form eines Fitnessstudios (Power‑Plate).

[20] Jüngst nahm der Oberste Gerichtshof in mehreren Entscheidungen zur (Un‑)Zulässigkeit von Regelungen zur Mindestvertragsdauer und Bindung des Verbrauchers bei Fitnessstudio‑Verträgen neuerlich Stellung:

[21] In den Entscheidungen 4 Ob 59/22p, 4 Ob 62/22d, 6 Ob 62/22v und 9 Ob 88/21i hatte der Oberste Gerichtshof eine (jeweils wortidente) Klausel zu beurteilen, nach der das Mitglied bei einer dreimonatigen Kündigungsfrist für die ersten zwölf Monate ab Beginn des Vertragsverhältnisses auf die „Abgabe einer Kündigungserklärung (Mindestvertragsdauer)“ verzichtete. Der Oberste Gerichtshof beurteilte diese Klausel als gröblich benachteiligend iSd § 6 Abs 1 Z 1 zweiter Fall KSchG iVm § 879 Abs 3 ABGB und/oder intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG. Der Oberste Gerichtshof begründete dies damit, dass sich der zu beurteilende Sachverhalt von dem zu 5 Ob 205/13b dadurch unterscheide, dass dort der Unternehmer eine entsprechende Personalvorsorge zu treffen gehabt habe, um die vertragsgemäßen personenbezogenen Leistungen erbringen zu können. Demgegenüber sei (in den rezenten Verfahren) festgestanden, dass bei der Beklagten grundsätzlich ohne Trainer trainiert werde, einer der anwesenden Trainer aber für kleinere Anliegen oder Fragen zur Verfügung stehe. Vor diesem Hintergrund sei die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Bindungsdauer unzulässig lang sei, nicht zu beanstanden. Die zu beurteilende Klausel wurde auch als intransparent gewertet: Der Verzicht auf eine „Kündigungserklärung“ für eine bestimmte Zeit sei entgegen der Formulierung der Klausel gerade nicht eine „Mindestvertragsdauer“ (von 12 Monaten), weil sich erst im Zusammenhalt mit den weiteren Bestimmungen ergebe, dass diese tatsächlich 16 Monate betrage, sodass dem Verbraucher ein unklares Bild seiner vertraglichen Verpflichtung vermittelt werde (vgl etwa 9 Ob 88/22i).

[22] Zu 6 Ob 44/22x hatte der Oberste Gerichtshof eine Klausel zu beurteilen, wonach „eine Kündigung [...] erstmals nach 12 Monaten möglich“ sei und „die Kündigung [...] spätestens ein Monat davor erfolgen (Kündigungsfrist)“ müsse. Anschließend könne der Vertrag „alle 6 Monate“ ebenfalls unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist gekündigt werden. Der Oberste Gerichtshof beurteilte die Klausel als intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG und verwies auf die Entscheidungen 4 Ob 59/22p und 6 Ob 62/22v. Ob die Erwägungen des Obersten Gerichtshofs in diesen Entscheidungen angesichts des dort anderen Klauselwortlauts hier uneingeschränkt anwendbar seien, ließ er dahingestellt. Die zu prüfende Klausel erlaube nämlich zwei verschiedene Auslegungen: Sie könne so verstanden werden, dass der Kunde spätestens am Ende des elften Monats seine Kündigung zum Ablauf des zwölften Monats aussprechen könne. Bei gebotener kundenfeindlichster Auslegung sei die Klausel hingegen so zu verstehen, dass der Kunde im ersten Jahr gar keine Kündigungserklärung wirksam aussprechen könne. Wenn also der erste Halbsatz der Klausel zu lesen sei als „Eine Kündungserklärung ist erstmals nach 12 Monaten möglich, …“, so könne eine Kündigungserklärung erst nach Ablauf des ersten Jahres und somit erstmals zum Ablauf der im zweiten Satz der Klausel normierten Sechsmonatsfrist abgegeben werden. Damit erhöhe sich die Mindestvertragsdauer aber auf 18 Monate. Aufgrund der aufgezeigten verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten erweise sich die Klausel als unklar und somit intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG, sodass sie schon deshalb unwirksam sei.

[23] 3.4.2. Eine der hier zu beurteilenden Klausel idente Klausel war jüngst Gegenstand der Entscheidung des erkennenden Senat zu 5 Ob 169/22x. Er führte dort– bezugnehmend auf die soeben zitierten Entscheidungen – aus:

„Die Zusammenschau dieser bereits entschiedenen Fälle ergibt, dass allein die Vereinbarung einer Mindestvertragsdauer von – je nach Vertragsbeginn – 12 bis (fast) 13 Monaten nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht als unangemessen lange Bindung des Verbrauchers (nach) § 6 Abs 1 Z 1 zweiter Fall KSchG anzusehen ist.

Bei der Prüfung, ob eine unangemessen lange Vertragsbindung vorliegt, ist allerdings eine Gesamtwertung aller einschlägigen Vertragsumstände vorzunehmen. Die Interessen des Unternehmers auf Durchführung des Vertrags sind gegen die Interessen des Verbrauchers auf angemessene und feststellbare Erfüllungszeit abzuwägen (RS0121007 [T3]). Die Beurteilung, ob ein Verbraucher während einer unangemessen langen Frist an den Vertrag gebunden ist, ergibt sich daher (auch) aus dem Zusammenspiel aus Mindestvertragsdauer und anschließender Kündigungsmöglichkeiten. Die sachliche Rechtfertigung einer längeren Bindung des Verbrauchers an den Vertrag kann sich zwar aus dem Interesse des Unternehmers ergeben, aufgrund des Umfangs seiner Investitionen und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Risiko für längere Zeit klare Verhältnisse zu schaffen. Die Investitionen der Beklagten, die für den Betrieb ihrer Fitnessstudios erforderlich sind, begründen daher ihr grundsätzlich berechtigtes Interesse an der Kalkulierbarkeit ihrer Einnahmen. Dieses Interesse lässt eben eine Mindestvertragsdauer von zwölf bis dreizehn Monaten noch nicht als unangemessen lange Bindung des Verbrauchers erscheinen. Dem Berufungsgericht ist jedoch beizupflichten, dass die zusätzliche Einschränkung der Kündigungsmöglichkeiten nach Ablauf dieser Mindestvertragsdauer durch bloß halbjährige Kündigungstermine (zum 30. 6. und zum 31. 12.) und die damit erreichte Bindung an den Vertrag jeweils für bis zu sechs weitere Monate mit diesem Argument sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der vorliegenden Fall, selbst ausgehend von ihrem (pauschalem) Vorbringen in erster Instanz zu den von ihr betriebenen Fitnessstudios, mit dem zu 5 Ob 205/13b beurteilten 'Power‑Plate‑Fall' nicht vergleichbar. Dort lag eine besonders stark ausgeprägte Dienstleistungskomponente vor (vgl 4 Ob 59/22p, 4 Ob 62/22d, 6 Ob 62/22v, 9 Ob 88/21i und 6 Ob 44/22x).

Diese Unwirksamkeit zufolge unangemessen langer Bindung iSd § 6 Abs 1 Z 1 2. Fall KSchG erfasst die Klausel in ihrem gesamten einheitlichen Regelungsbereich.“

[24] 3.4.3. All diese Erwägungen gelten auch hier. Dass die Vorinstanzen bei einer bis zu 18 Monate langen Vertragsdauer von einer gröblichen Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB und einem Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 1 KSchG ausgingen, entspricht daher bereits vorliegender höchstgerichtlicher Rechtsprechung. Die Frage, ob die Klausel – vergleichbar dem zu 6 Ob 44/22x entschiedenen Fall – auch als intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG zu beurteilen ist, bedarf daher keiner weiteren Erörterung.

[25] 3.4.4. Die in diesem Zusammenhang behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

4.  Zur Urteilsveröffentlichung

[26] 4.1. Die Beklagte bekämpft sie mit dem Argument, hier bestehe kein Veröffentlichungsbedürfnis, weil eine allfällige Rechtsverletzung keinem breiten Personenkreis bekannt geworden sei. Das geeignete Mittel zur Erreichung des betroffenen Personenkreises sei eine Information der Mitglieder und einer Veröffentlichung auf der Homepage der Beklagten. Strafcharakter dürfe die Veröffentlichung nicht annehmen.

[27] 4.2. Zweck der Urteilsveröffentlichung ist es, über die Rechtsverletzung aufzuklären und den beteiligten Verkehrskreisen Gelegenheit zu geben, sich entsprechend zu informieren, um vor Nachteilen geschützt zu sein (RS0121963). In der Regel ist die Urteilsveröffentlichung in einem solchen Umfang zuzusprechen, dass die Verkehrskreise, denen gegenüber die Rechtsverletzung wirksam geworden ist, über den wahren Sachverhalt bzw den Gesetzesverstoß aufgeklärt werden (RS0121963 [T9]). Das berechtigte Interesse an der Urteilsveröffentlichung liegt bei der Verbandsklage nach dem KSchG darin, dass der Rechtsverkehr bzw die Verbraucher als Gesamtheit das Recht haben, darüber aufgeklärt zu werden, dass bestimmte Geschäftsbedingungen gesetz- oder sittenwidrig sind (RS0121963 [T7]). Eine bloße mediale Berichterstattung wird dem Bedürfnis der Öffentlichkeit nach Aufklärung über die Verwendung bestimmter gesetzwidriger Vertragsbestandteile nicht gerecht (3 Ob 155/22y). Das gleiche gilt für die Bereitstellung einschlägiger Informationen auf der Website des Klägers oder der Beklagten (RS0121963 [T10, T15]). Davon abzugehen, bietet das Rechtsmittel der Beklagten keinen Anlass. Wieso es nicht notwendig sein sollte, die Entscheidung den Lesern der auf den örtlichen Tätigkeitsbereich der Beklagten eingegrenzten Regionalausgabe der Samstags‑Ausgabe der auflagenstärksten österreichweit vertriebenen Zeitung zur Kenntnis zu bringen, legt die Beklagte nicht dar.

5. Kostenentscheidung

[28] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Stichworte