European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00013.23K.0524.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Suchtgiftdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch F./ und demgemäß im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie der Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * K* jeweils des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 1 und Z 3 SMG, teils als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 15 StGB (A./I./, A./II./ und B./), des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 1 und Z 3 SMG (A./III./), der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28 Abs 1 zweiter Satz, Abs 2 und Abs 3 SMG (C./), des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 1 und Z 3 SMG (D./) sowie der Geldwäscherei nach § 165 Abs 2 zweiter und fünfter Fall und Abs 4 erster und zweiter Fall, § 12 zweiter Fall StGB (F./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in W* und an anderen Orten
A./ vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB) als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, wobei er schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 (erster, zweiter und fünfter Fall und Abs 4 Z 3) SMG (zu AZ 66 Hv 30/18s des Landesgerichts für Strafsachen Wien) verurteilt worden war, anderen
I./ überlassen, und zwar von 20. Mai 2020 bis 19. September 2021 in zahlreichen, im angefochtenen Urteil einzeln angeführten Fällen teils bekannten, teils unbekannten Abnehmern insgesamt 363.520 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend 12,73 % THCA und 0,97 % Delta-9-THC), 8.791 Gramm Kokain (beinhaltend zumindest 83,08 % Cocain) und 1.000 Gramm Speed (beinhaltend 10,5 % Amphetamin);
II./ verschafft, und zwar am 18. Mai 2021 und 22. Mai 2021 einem im Urteil genannten Abnehmer insgesamt 96 Gramm Kokain (beinhaltend zumindest 83,08 % Cocain);
III./ angeboten, und zwar von 17. Februar 2021 bis 4. Juni 2021 in mehreren, im angefochtenen Urteil einzeln angeführten Fällen teils bekannten, teils unbekannten Abnehmern insgesamt 3.250 Gramm Kokain (beinhaltend zumindest 83,08 % Cocain) und 10.000 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend 12,73 % THCA und 0,97 % Delta-9-THC);
B./ von 14. Juli 2020 bis 5. Juni 2021 gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB) als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, wobei er schon einmal wegen § 28a Abs 1 (erster, zweiter und fünfter Fall und Abs 4 Z 3) SMG (zu AZ 66 Hv 30/18s des Landesgerichts für Strafsachen Wien) verurteilt worden war, teilweise im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit im Urteil namentlich genannten Mittätern (§ 12 StGB) in zahlreichen, im angefochtenen Urteil einzeln angeführten Fällen teils bekannte, teils unbekannte Täter dazu bestimmt, vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen zu überlassen, und zwar insgesamt 156.770 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend 12,73 % THCA und 0,97 % Delta‑9-THC) und 5.050 Gramm Kokain (beinhaltend zumindest 83,08 % Cocain);
C./ am 1. März 2021 als Mitglied einer kriminellen Vereinigung und mit dem Vorsatz, dass das Suchtgift in Verkehr gesetzt werde, drei im Urteil namentlich genannte Täter dazu bestimmt, von 1. März 2021 bis 7. Juni 2021 vorschriftswidrig Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung von Suchtgift in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anzubauen, indem er sie anwies, in einer Indoorplantage insgesamt 1.168 Cannabispflanzen (beinhaltend zumindest 234 Gramm Delta-9-THC und 3.060 Gramm THCA) bis zur Erntereife aufzuziehen;
D./ von September 2020 bis 28. Februar 2021 (als Mitglied einer kriminellen Vereinigung [US 18 f, 22, 55]) in zumindest drei Angriffen zwei im Urteil namentlich genannte Täter dazu bestimmt, vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich insgesamt 87.600 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend 12,73 % THCA und 0,97 % Delta‑9-THC), zu erzeugen, indem er ihnen das Abernten der erntereifen Cannabispflanzen in der Indoorplantage auftrug;
F./ als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, die sich zur fortgesetzten Geldwäscherei verbunden hat,
I./ „wissentlich“ Vermögensbestandteile in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert, die aus mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Handlungen nach dem SMG stammen, „nämlich Erlöse aus dem Suchtgifthandel“
1./ am 15. November 2020 an sich gebracht, indem er 52.440 Euro von einem unbekannten Täter übernahm und nach Serbien transportierte;
2./ am 1. Februar 2021 einem Dritten übertragen, indem er einem unbekannten Täter 112.600 Euro übergab;
II./ von 13. Dezember 2020 bis 2. Juni 2021 teilweise im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem im Urteil genannten Mittäter (§ 12 StGB) andere in mehreren Fällen dazu bestimmt, „wissentlich“ Vermögensbestandteile in einem 50.000 Euro übersteigenden Gesamtwert, nämlich in Höhe von insgesamt 160.000 Euro, die aus mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Handlungen nach dem SMG stammen, an sich zu bringen und einem Dritten zu übertragen, indem er im Urteil namentlich genannte Täter anwies, die Erlöse aus den Suchtgiftverkäufen einzusammeln und an andere, teils bekannte Mitglieder der kriminellen Vereinigung weiterzugeben.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 2, 3, 4, 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
[4] Die Verfahrensrüge (Z 2) kritisiert unter Berufung auf § 140 Abs 1 StPO die gegen den Widerspruch des Angeklagten vorgenommene Verlesung (ON 160 S 43 bis 47; ON 176 S 46 bis 49) im Einzelnen bezeichneter, (im Wesentlichen) die Ergebnisse der Überwachung der von ihm über „Anom“- und „Sky“-Mobiltelefone geführten verschlüsselten Kommunikation enthaltender Aktenteile.
[5] Sie verkennt, dass unter einer nichtigen Erkundigung oder Beweisaufnahme im Ermittlungsverfahren im Sinn der Z 2 nur solche Akte zu verstehen sind, die ein Gesetz ausdrücklich als nichtig bezeichnet (RIS-Justiz RS0099358, RS0099344). § 140 Abs 1 StPO normiert jedoch nicht die Nichtigkeit von Ergebnissen (§ 134 Z 5 StPO), sondern stellt auf die Verwendung als Beweismittel im Beweisverfahren der Hauptverhandlung ab und ist folglich aus Z 2 unbeachtlich (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 176).
[6] Entgegen der weiteren Verfahrensrüge (Z 3) begründet die Verlesung der bezeichneten Überwachungsergebnisse auch keine Nichtigkeit aus Z 3 iVm § 140 Abs 1 StPO.
[7] Zur Sachverhaltsgrundlage der bekämpften prozessleitenden Verfügung (vgl RIS-Justiz RS0118977) hielt das Erstgericht fest, dass kein den österreichischen Strafverfolgungsbehörden zuzurechnendes Verhalten ersichtlich sei, welches ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der im Akt befindlichen Protokolle begründen würde (ON 160 S 21).
[8] Ergänzend ist dem Urteil zur Herkunft der Überwachungsdaten zu entnehmen (US 17 f), dass das US‑amerikanische FBI Mobiltelefone mit der Verschlüsselungssoftware „Anom“ mit der Behauptung, diese könnten von den Sicherheitsbehörden nicht abgehört werden, gezielt unter Mitgliedern krimineller Organisationen verbreitete und die darüber abgewickelte Kommunikation überwachte. Ab etwa Ende März 2021 gewährte das FBI den österreichischen Polizeibehörden Zugriff zunächst auf „historische“, später – etwa alle zwei Tage – auch auf neu hinzugekommene Daten und Protokolle, die in Österreich begangene Verbrechen zum Gegenstand hatten. Im Zuge der Auswertung dieser Nachrichten konnte der Angeklagte ausgeforscht werden, woraufhin die USA im Wege eines Rechtshilfeersuchens um Übermittlung der diesen (sowie weitere bestimmt bezeichnete) Nutzer betreffenden Inhaltsdaten ersucht wurden.
[9] Hinsichtlich der – ähnlich wie „Anom“-Telefone (vgl zur 100%‑igen Verwendung dieser Geräte für kriminelle Aktivitäten im Zuge eines „Pilotprojekts“ 14 Os 106/22b) – häufig von kriminellen Vereinigungen genutzten Mobiltelefone mit der Verschlüsselungstechnologie „Sky“ wurden durch eine gemeinsame Ermittlungsgruppe von französischen, belgischen und niederländischen Behörden die Serverdaten sichergestellt. Diese Daten in Form von Text- und Sprachnachrichten sowie Fotos wurden durch die Staatsanwaltschaft Wien im Rechtshilfeweg beigeschafft (US 17 f).
[10] Das Erstgericht ging demnach – im Zeitpunkt der Abweisung des Antrags auf Unterlassung der Verlesung der bezeichneten Aktenteile (ON 160 S 21) sowie bei der Vornahme der Verlesung (ON 160 S 43 ff und ON 176 S 46 ff) – davon aus, dass die Ermittlungsmaßnahmen jeweils ohne Ersuchen inländischer Strafverfolgungsbehörden durchgeführt worden waren.
[11] Der dargelegte, der kritisierten Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt wird im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren nur bei einer darauf bezogenen Anfechtung nach Art einer Mängel- oder Tatsachenrüge (Z 3 iVm Z 5 oder 5a des § 281 Abs 1 StPO) überprüft (RIS-Justiz RS0118977, RS0118016).
[12] Soweit die Beschwerde darauf abzielt, eine „Beteiligung“ der österreichischen Strafverfolgungsbehörden an den Ermittlungen der ausländischen Behörden darzustellen, spricht sie eine relevante Veranlassung durch inländische Behörden nicht einmal an und argumentiert im Übrigen außerhalb der angesprochenen Anfechtungskategorien.
[13] Demnach handelt es sich bei den von den ausländischen Behörden übermittelten Daten nicht um Ergebnisse einer nach dem fünften Abschnitt des achten Hauptstücks der StPO durchgeführten Ermittlungsmaßnahme. Da sich inländische Verfahrensgesetze nicht auf (ohne Veranlassung durch österreichische Strafverfolgungsbehörden entfaltete) Tätigkeiten ausländischer Behörden beziehen und sich die StPO daher nur an österreichische – und nicht auch an ausländische – Strafverfolgungsorgane als Normadressaten wendet, unterliegen die Ergebnisse einer innerstaatlich als Überwachung von Nachrichten nach § 134 Z 3 StPO zu beurteilenden Vorgangsweise ausländischer Behörden nicht dem in § 140 Abs 1 StPO normierten, vom taxativen (RIS‑Justiz RS0099118) Nichtigkeitsgrund der Z 3 abgesicherten Verwendungsverbot (RIS-Justiz RS0119110; jüngst 14 Os 106/22b, 15 Os 88/22p; vgl auch Reindl‑Krauskopf, WK-StPO § 140 Rz 30 f).
[14] Mit der Ableitung eines Beweisverwertungsverbots aus § 56b EU-JZG (unter Hinweis auf die Aufhebung einer „Verurteilung wegen Sky-Nachrichten“ durch das französische Kassationsgericht) wird das Vorliegen der Voraussetzungen der herangezogenen Bestimmung, dass nämlich die Vollstreckung der im Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten erlassenen Europäischen Ermittlungsanordnung oder die Durchführung der in ihr genannten Maßnahme im Vollstreckungsstaat (hier Frankreich) nachträglich für unzulässig erklärt worden wäre oder die vollstreckende Behörde mitgeteilt hätte, dass die Überwachung zu beenden sei, nicht einmal behauptet.
[15] Insofern findet sich auch der Oberste Gerichtshof zu einer (in diesem Zusammenhang angeregten) Befassung des EuGH gemäß Art 267 AEUV betreffend die Auslegung von Art 4, 6 und 31 der Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (RL-EEA) mangels Präjudizialität nicht veranlasst.
[16] Die weitere Verfahrensrüge moniert eine in der Verletzung des § 252 Abs 2 StPO begründete Nichtigkeit, weil der Europäische Haftbefehl vom 2. Juni 2021 (ON 6) nicht verlesen worden sei.
[17] § 252 Abs 2 StPO ordnet an, dass (unter anderem) Schriftstücke, die für die Sache von Bedeutung sind, verlesen werden müssen. Eine eigene Nichtigkeitsdrohung ist mit dieser Bestimmung nicht verbunden. Allerdings kann die Missachtung des Verlesungsgebots zur Urteilsanfechtung führen, wenn eine beantragte Verlesung unterblieben ist oder ein nicht verlesenes oder vorgetragenes Aktenstück im Urteil verwertet wurde (Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 11 und 129).
[18] Eine entsprechende Antragstellung wird weder behauptet noch ist eine solche ersichtlich. Ebenso wenig wurde das betreffende Aktenstück – aus Z 5 beachtlich – im Urteil verwertet.
[19] Überdies wird nicht dargetan, weshalb sich aus dem Europäischen Haftbefehl vom 2. Juni 2021 (ON 6) in Zusammenhalt mit dem Europäischen Haftbefehl vom 10. Februar 2022 (ON 89) ein durch Spezialität begründetes prozessuales Verfolgungshindernis ergeben und folglich eine Notwendigkeit der Vorführung bestehen sollte. Die die Übergabe bewilligenden Beschlüsse der spanischen Behörden (ON 118 und 120) wurden im Übrigen ohnehin verlesen (ON 176 S 48).
[20] Aus Z 4 wendet sich der Rechtsmittelwerber gegen die Abweisung seiner Anträge auf Unterlassung der Verlesung (ON 160 S 6 bis 20 und ON 176 S 3 bis 10) und die anschließende Verlesung (ON 160 S 43 bis 47; ON 176 S 46 bis 49) der bereits (zu Z 2) beschriebenen Aktenteile.
[21] Einer – wie hier – nicht unter ausdrücklicher Nichtigkeitssanktion stehenden Verwendung von Beweisergebnissen kann ein Angeklagter durch eine auf die Sicherung eines fairen Verfahrens im Sinn des Art 6 MRK abzielende Antragstellung entgegentreten (vgl RIS‑Justiz RS0119110).
[22] Solche Anträge haben sinngemäß den Begründungserfordernissen des § 55 Abs 1 StPO zu entsprechen, um ihre Beurteilung zu ermöglichen (RIS-Justiz RS0130796 [insb T3]). Darzulegen ist, zu welchem Zweck die beantragte Verfügung begehrt wird, warum die begehrte Verfügung zum angestrebten Zweck tauglich ist und warum der angestrebte Zweck mit einer (Fall-)Norm in Verbindung steht, die ihrerseits aus dem rechtlichen Zweck des Anklage und Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens zur Feststellung der entscheidenden Tatsachen auf die konkrete Verfahrenssituation hin gebildet wurde (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 333 ff).
[23] Überdies setzt die Annahme von Nichtigkeit zufolge Missachtung eines Beweisverbots die Argumentation voraus, dass der Verstoß den ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Verfahrensfehlern nach Z 2 und 3 des § 281 Abs 1 StPO wenigstens annähernd gleichwertig ist (RIS-Justiz RS0124168, RS0125172; Kirchbacher/Sadoghi, WK-StPO § 245 Rz 75 und § 246 Rz 163; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 337). Bezugspunkt der Gleichwertigkeitsprüfung sind in erster Linie die mit den angeblich verletzten Gesetzesbestimmungen oder Verfahrensgrundsätzen im Systemzusammenhang stehenden, mit ausdrücklicher Nichtigkeitsdrohung ausgestatteten Vorschriften (RIS-Justiz RS0119111 [T5]). Aus der Verletzung eines Beweiserhebungsverbots im Ermittlungsverfahren folgt keineswegs ohne Weiteres ein Verbot der Vorführung des so erlangten Beweismittels in der Hauptverhandlung (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 65, 338, 368; RIS-Justiz RS0125172).
[24] Ob in der Abweisung der Anträge auf Unterlassung der Verlesung der bezeichneten Aktenteile und in deren Verlesung eine rechtsfehlerhafte Lösung der Verfahrensfrage betreffend das Bestehen eines Beweisverwertungsverbots gelegen ist, ist auf Basis der tatsächlichen Lage im Antragszeitpunkt zu prüfen. Ist die Lösung, ausgehend von der vom Schöffengericht herangezogenen Sachverhaltsgrundlage, rechtsrichtig erfolgt, kann diese nur nach Maßgabe der in Z 5 und 5a genannten Kriterien angefochten werden. Stellt sich nämlich die Verfügung beim Vergleich mit den erkennbar herangezogenen Sachverhaltsannahmen als rechtsrichtig dar, wird der zugrunde gelegte Sachverhalt ohne darauf bezogene Anfechtung nicht überprüft (RIS-Justiz RS0118977, RS0118016; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 49 f). In Hinsicht auf den für Akte der Z 2 bis 4 des § 281 Abs 1 StPO entscheidenden Sachverhalt ist auch die Stellung von – aus Z 4 zu prüfenden – Beweisanträgen in der Hauptverhandlung möglich (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 47).
[25] Nach den (bei Behandlung der Z 3 bereits dargestellten) Sachverhaltsannahmen ging das Schöffengericht weder von einer Durchführung der Ermittlungsmaßnahmen ohne einen diese rechtfertigenden Anfangsverdacht noch von deren Veranlassung durch österreichische Behörden aus.
[26] Soweit die Verfahrensrüge – ohne die gegenteilige Tatsachengrundlage prozessförmig zu bekämpfen – unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 11. Dezember 2019, G 72/2019 (mit dem [unter anderem] § 135a StPO als verfassungswidrig aufgehoben wurde), ihrer Argumentation das Fehlen eines Anfangsverdachts zugrunde legt, verfehlt sie daher den dargelegten Anfechtungsrahmen.
[27] Zum Beweis der Veranlassung der Maßnahmen durch österreichische Behörden wurde in der Hauptverhandlung die Vernehmung des Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit (ON 160 S 38 f und ON 176 S 15 ff) sowie des Leiters der befassten Sonderermittlungseinheit (ON 176 S 14 f) beantragt. Diese Anträge ließen allerdings die gebotene Begründung vermissen, weshalb von den genannten Zeugen – insbesondere mit Blick auf die keinen Hinweis auf eine innerstaatliche Anordnung gebenden Depositionen zweier an den gegenständlichen Ermittlungen beteiligter Polizeibeamter (ON 144 S 8 ff [verlesen in ON 176 S 48] und ON 160 S 21 ff) – eine solche Aussage zu erwarten sei (vgl RIS-Justiz RS0099453). Insoweit durch die betreffenden Zeugen im Übrigen eine „Beteiligung“ an den Ermittlungen (teils vor Übermittlung des Rechtshilfeersuchens an die amerikanischen sowie der Europäischen Ermittlungsanordnung an die französischen Behörden) unter anderem durch „direkten Zugriff“ auf die „überwachten Daten“ erwiesen werden sollte, wird keine erhebliche Tatsache (RIS-Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0116503&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ) angesprochen.
[28] Da demnach die Bekämpfung der Sachverhaltsgrundlage der prozessleitenden Verfügung in Bezug auf die Verneinung einer Veranlassung der kritisierten Überwachungsmaßnahmen durch österreichische Strafverfolgungsbehörden erfolglos geblieben ist, geht die Beschwerde auch fehl, wenn sie ihre Ausführungen auf abweichende Annahmen stützt.
[29] Betreffend das weitere Vorbringen zur (unstrittigen [vgl US 17 f]) „Beteiligung“ der österreichischen Polizei an der Auswertung der durch die amerikanischen und französischen Behörden ermittelten Inhaltsdaten wird nicht klar, weshalb es sich dabei um einen Umstand handeln soll, der mit ausdrücklicher Nichtigkeit bedrohten Verstößen nach § 281 Abs 1 Z 2 und 3 StPO wenigstens annähernd gleichwertig ist. In welcher Form (durch Einräumung einer Zugriffsmöglichkeit auf einen Server) und in welchem zeitlichen Abstand zu deren Gewinnung die Daten zugänglich gemacht wurden, ist für die Beurteilung ebenso wenig von Relevanz, wie allfällige persönliche Besprechungen mit ausländischen Ermittlern und eine Datenbereitstellung vor offizieller Anforderung im Rechtshilfeweg. Weder ist daraus auf eine illegitime selbstständige Überwachungstätigkeit österreichischer Polizeiorgane noch eine Veranlassung der Ermittlungen durch österreichische Behörden zu schließen.
[30] Mit dem Hinweis darauf, dass ein den durch ausländische Behörden durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen vergleichbarer Eingriff nach der österreichischen Rechtsordnung nicht vorgesehen ist, wird ebenso kein Sachverhalt aufgezeigt, der einem mit Beweisverbotskonsequenz verknüpften vergleichbar ist.
[31] Gleiches gilt für den Einwand der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die amerikanischen und französischen Strafverfolgungsbehörden infolge unterbliebener Information des Beschwerdeführers über die Ermittlungsmaßnahmen und deren (gerichtliche) Bewilligung sowie nicht erfolgter Zustellung des Beschlusses über die Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung. Die zum Beweis dieser Mängel gestellten Anträge auf Vernehmung des für das französische Verfahren zuständigen Staatsanwalts und Richters (ON 160 S 42) sowie auf Beischaffung der (betreffend „Sky“ in Frankreich und hinsichtlich „Anom“ in den USA erlassenen) „staatsanwaltliche(n) Anordnung(en) über die verschlüsselte Telekommunikationsüberwachung sowie die Bezug habenden gerichtliche(n) Bewilligung(en)“ und des Beschlusses über die Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung jeweils „mit Rechtskraftbestätigung“ (ON 160 S 39 ff) betrafen demnach keine erheblichen Tatsachen (vgl neuerlich RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0116503&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ). Soweit mit den betreffenden Schriftstücken „Aufschluss über die Rechtmäßigkeit“ der Ermittlungsmaßnahmen gewonnen werden soll, waren die Anträge überdies auf – im Hauptverfahren unzulässige – Erkundungsbeweisführung gerichtet (RIS-Justiz RS0118123).
[32] Hinzugefügt sei, dass die Gewährung rechtlichen Gehörs mit der Stellung als Beschuldigter verknüpft ist, welche die – im gegenständlichen Verfahren erst im Zuge der Auswertung der Überwachungsdaten durch das österreichische Bundeskriminalamt erfolgte (vgl ON 2) – Identifikation der Person voraussetzt (vgl Wiederin, WK‑StPO § 6 Rz 16 und 145).
[33] Soweit die Rüge aus Art 4 und 6 der Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (RL-EEA) sowie aus Art 1 des Vertrages zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Rechtshilfe in Strafsachen (BGBl III 1998/107) eine Unzulässigkeit der Verlesung der durch das Rechtshilfeersuchen an die USA (ON 3) und die Europäische Ermittlungsanordnung an die französischen Behörden (ON 29) erlangten Ermittlungsergebnisse abzuleiten sucht, geht sie von aktenfremden Prämissen aus und verfehlt daher – unabhängig von der Frage der unmittelbaren Wirkung der betreffenden Akte – ihr Ziel:
[34] Der Einwand, entgegen Art 1 des angesprochenen Vertrags sei zum Zeitpunkt der Ausstellung des Rechtshilfeersuchens an die US-amerikanischen Behörden noch kein Verfahren bei einer Justizbehörde anhängig gewesen, ist schon angesichts der Ausstellung durch die Staatsanwaltschaft unter Anführung der Aktenzahl (ON 3 S 1) nicht nachvollziehbar. Weshalb das Rechtshilfeersuchen einen dringenden Tatverdacht gegen bekannte Beschuldigte vorausgesetzt hätte, wird ebenso nicht klar.
[35] Entgegen der unter Bezugnahme auf Art 4 lit a RL-EEA erhobenen Behauptung ist der Europäischen Ermittlungsanordnung vom 15. September 2021 die Schilderung eines konkreten Verdachts gegen namentlich genannte Personen, unter anderem den Rechtsmittelwerber, zu entnehmen (ON 29 insbesondere S 6 ff und 16 f). Zudem wurde nicht um die Vollstreckung einer in Österreich unzulässigen Ermittlungsmaßnahme ersucht, sondern um Übermittlung von bereits sichergestellten Daten des Servers des Krypto-Messenger-Dienstes Sky betreffend bestimmte Benutzer (ON 29 S 2 ff).
[36] Nach Art 31 Abs 1 RL-EEA hat ein die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs durchführender Mitgliedstaat einen anderen Mitgliedstaat, dessen technische Hilfe für die Überwachung der in seinem Hoheitsgebiet befindlichen Zielperson nicht benötigt wird, von der Maßnahme zu unterrichten. Diese Informationspflicht dient primär dem Schutz der Souveränität des betroffenen Mitgliedstaats, dem Grundrechtsschutz der betroffenen Person hingegen nur insoweit, als eine Verwendung von solcherart gewonnenen Beweismitteln im Ausland unterbunden werden soll (vgl BGH vom 2. März 2022, 5 StR 457/21 Rz 41).
[37] Mag demnach eine Unterrichtung im Sinn des Art 31 Abs 1 RL-EEA durch die französischen Behörden auch unterblieben sein, begründet dies kein Verbot der Verwertung der übermittelten Beweisergebnisse im Inlandsverfahren. Die zu diesem Beweisthema beantragte Vernehmung eines informierten Vertreters des Bundesministeriums für Justiz (ON 160 S 42), der Oberstaatsanwaltschaft Wien sowie des aktenführenden Staatsanwalts der Staatsanwaltschaft Wien (ON 176 S 12) konnte folglich mangels Erheblichkeit für die Schuld- und Subsumtionsfrage unterbleiben (vgl neuerlich RIS-Justiz RS0116503). Zum Hinweis auf § 56b EU-JZG sei wiederholt, dass Anhaltspunkte für ein Vorliegen der normierten Voraussetzungen weder behauptet wurden noch ersichtlich sind.
[38] Die Abweisung des Antrags auf „vollständige“ Akteneinsicht (ON 176 S 10 ff) zum Beweis der „Verletzung des Grundsatzes auf Aktenvollständigkeit und rechtliches Gehör“ sowie von „Art 6 Abs 1 lit a und b, Art 14 Abs 7 sowie Art 31 Abs 1 bis 3 RL-EEA“ erfolgte ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten. Denn nach dem Antragsvorbringen befinden sich jene – angeblich existenten – Schriftstücke, deren Kenntnis gefordert wird, gerade nicht im Akt, sodass die Durchführung des begehrten Beweises das behauptete Ergebnis nicht erbringen kann. Die Beischaffung konkret bezeichneter Unterlagen wurde indes nicht beantragt.
[39] Soweit der aktenführende Staatsanwalt auch zu diesem Beweisthema als Zeuge genannt wurde (ON 176 S 12 f), unterblieb die Beweisführung ebenso zu Recht, weil die Begründung nicht erkennen ließ, weshalb dieser Auskunft über die monierten Verfahrensverstöße geben könnte (RIS‑Justiz RS0099189).
[40] Der Antrag, „einen IT-Sachverständigen zu bestellen und mit der technischen Überprüfung der aktenkundigen Chatnachrichten auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu beauftragen“ (ON 176 S 49 f), zielte schon seiner Formulierung nach auf unzulässige Erkundungsbeweisführung ab.
[41] Der Kritik an der Abweisung einzelner – in der Beschwerde nicht näher bezeichneter – Anträge mangels Relevanz für die Schuldfrage (siehe ON 160 S 43, ON 176 S 21 und 50) ist zu entgegnen, dass die Richtigkeit der Begründung für eine abweisende Entscheidung über einen Beweisantrag (§ 238 StPO) nicht unter Nichtigkeitssanktion steht (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0116749&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ).
[42] Das die umfangreichen Anträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS-Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0099618&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ).
[43] Entgegen der Mängelrüge (Z 5 erster Fall) sind die Konstatierungen betreffend den Reinheitsgehalt der vom Schuldspruch A./III./ umfassten Suchtgifte (Kokain und Cannabiskraut; US 20) unter gebotener Berücksichtigung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe samt Erkenntnis (US 5 f) keineswegs undeutlich (vgl RIS-Justiz RS0117995 [T1]).
[44] Unter dem Aspekt der Z 5 zweiter Fall kritisiert die Beschwerde, das Erstgericht habe ein Verwertungsverbot indizierende Beweisergebnisse mit Stillschweigen übergangen und sei daher zu Unrecht von der Zulässigkeit der Verwertung der durch die amerikanischen und französischen Behörden übermittelten Inhaltsdaten ausgegangen. Eine Anfechtung in diesem Rahmen könnte aber nur dann Erfolg haben, wenn der Beschwerdeführer an der Geltendmachung des korrespondierenden Beweiserhebungsverbots als Verfahrensmangel gehindert gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0129954; vgl auch RS0116259; Kirchbacher/Sadoghi, WK‑StPO § 246 Rz 171). Da im Rahmen der Verfahrensrüge ohnehin ein entsprechendes Vorbringen erstattet wurde, steht die Mängelrüge in diesem Umfang nicht mehr offen.
[45] Die Kritik fehlender Erörterung (Z 5 zweiter Fall) des in – hier in der Hauptverhandlung vorgekommenen (ON 176 S 48) – Urteilen betreffend Mittätern festgestellten Reinheitsgehalts der Substanzen Kokain und Cannabiskraut (zu A./ bis D./) verkennt, dass sich eine Erörterungsobliegenheit bloß auf die – erhebliche – (gerichtliche oder verwaltungsbehördliche) Entscheidung selbst beziehen kann (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 430), nicht aber auf darin in freier richterlicher Beweiswürdigung getroffene Konstatierungen (vgl 12 Os 29/17g).
[46] Gleiches gilt für die mangelnde Auseinandersetzung mit den im – vorgetragenen (ON 176 S 48) – Urteil gegen * A* und * M* getroffenen Sachverhaltsannahmen zur (gegenüber dem Schuldspruch D./ geringeren) Menge an erzeugtem Cannabiskraut. Eine Beteiligung des M* am vom Schuldspruch D./ umfassten Sachverhalt wurde entgegen der Beschwerdebehauptung ohnehin nicht angenommen (US 21; vgl auch US 11 f).
[47] Die als übergangen gerügten Angaben der Polizeibeamtin * H*, wonach man bei Sprachnachrichten zuordnen könne, ob das „dieselbe Stimme“ sei, samt der über Nachfrage erfolgten Einschränkung, das „zum Teil“ erkennen zu können (ON 160 S 32 f), und der Dolmetscherin * P*, dass sie sicher nicht alle verfahrensgegenständlichen Nachrichten übersetzt habe (ON 160 S 35), wie auch die dies bestätigende Excel-Tabelle stehen den Urteilsannahmen zu den vom Angeklagten verwendeten Mobiltelefonen und Benutzerkennungen nicht erörterungspflichtig entgegen (RIS‑Justiz RS0098646).
[48] Die weitere Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) wendet zutreffend ein, dass die Beweiswürdigung Verweise auf in der Hauptverhandlung nicht vorgekommene Aktenteile enthält. Allerdings wird übersehen, dass das Erstgericht zu A./I./ und B./ mit Blick auf den konstatierten, auf ein das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge überschreitendes Suchtgiftquantum gerichteten Additionsvorsatz (vgl US 23) nicht von mehreren eigenständigen Taten, sondern von mehreren Angriffen im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit (vgl RIS-Justiz RS0112225) und demgemäß von einer einzigen Tat ausging. Das gegen die Schuldsprüche A./I./1./c./, A./I./2./d./, A./I./2./h./, A./I./3./ und B./I./1./j./ gerichtete Vorbringen spricht daher angesichts der davon umfassten Suchtgiftmengen keine für die Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidenden Tatsachen an (vgl RIS‑Justiz RS0127374).
[49] Im Übrigen ist die zu A./I./1./c./, A./I./2./d./, A./I./2./h./ und A./I./3./ begründend herangezogene, durch * S* übermittelte Verkaufsaufstellung ON 68a S 845 ff ebenso in der – in der Hauptverhandlung verlesenen (ON 160 S 46) – ON 68 enthalten.
[50] Zum in der Beweiswürdigung betreffend B./I./1./j./ angesprochenen Chat in ON 2 S 61 wurde ohnehin zugleich auf die – in der Hauptverhandlung entgegen der Beschwerdebehauptung sehr wohl verlesene (ON 160 S 44) – Fundstelle ON 42 S 249 ff verwiesen (US 43). Die weitere Nachricht „37 kg sind gegangen“ findet sich nicht in ON 61, sondern in ON 60 S 29 (verlesen ON 160 S 46).
[51] Die korrekte Fundstelle des auf US 50 wiedergegebenen Berichts über die Observation der Cannabisplantage (betrifft C./ und D./) ist ON 57 S 5 (verlesen in ON 160 S 45) anstelle von ON 79 S 85 ff.
[52] Der Einwand von Rechtsfehlern mangels Feststellungen zu Substanz (zu A./I./, B./I./, B./II./ [mit Ausnahme von B./II./4./b./], C./ und D./), Menge (zu A./I./, A./III./ und B./) und Reinheitsgehalt (zu A./I./, A./III./, B./, C./ und D./) des Suchtgifts (Z 9 lit a und Z 10) vernachlässigt die durch – zulässigen (vgl Danek/Mann, WK‑StPO § 270 Rz 32; RIS-Justiz RS0098936 [T15]) – Verweis auf das Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) getroffenen Sachverhaltsannahmen (US 19, 20, 21 iVm US 3, 5, 6, 9, 11 und 12) sowie die im Rechtsmittel ohnehin wiedergegebene (nicht undeutliche) Konstatierung zum Reinsubstanzgehalt des von A./III./ umfassten Suchtgifts (US 20). Solcherart verfehlt sie den in der Gesamtheit des Urteilssachverhalts gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).
[53] Weshalb die Feststellung, wonach der Angeklagte „über Art und Qualität des Suchtgifts Bescheid wusste“ und sein Vorsatz auch den jeweils im Spruch angeführten Reinsubstanzgehalt (vgl neuerlich RIS-Justiz RS0098936 [T15]) umfasste (US 22), die subjektive Tatseite in Bezug auf Wirkstoff und Reinsubstanzgehalt des tatverfangenen Suchtgifts nicht ausreichend darstellen sollte, erklärt die Beschwerde nicht.
[54] Die weitere Rüge (Z 9 lit b) reklamiert einen Verstoß gegen den Grundsatz der Spezialität (§ 31 Abs 1 EU‑JZG), weil dem (ergänzenden) Europäischen Haftbefehl vom 10. Februar 2022 (ON 89) entgegen § 31 Abs 4 EU-JZG kein Protokoll über die Erklärung der betroffenen Person angeschlossen worden sei, leitet aber nicht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565), weshalb – trotz Bewilligung der ergänzenden Übergabe durch die spanischen Behörden (ON 105 und 120) – die allfällige Außerachtlassung von Formvorschriften eine Verletzung der Spezialitätsbindung begründen sollte (s im Übrigen die eingeholte Äußerung des Verteidigers ON 90).
[55] Soweit sie ihr Vorbringen auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu § 31 Abs 2 letzter Satz ARHG stützt (11 Os 105/22h), erklärt sie nicht, weshalb dieses zum Auslieferungsverfahren ergangene Erkenntnis – auch mit Blick auf den zu § 31 Abs 4 EU‑JZG divergierenden Gesetzeswortlaut (§ 31 Abs 2 letzter Satz ARHG: „der betroffenen Person und ihrem Verteidiger“; vgl 11 Os 105/22h) – im Verfahren zur Erwirkung der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls von Relevanz sein sollte.
[56] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[57] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon, dass das angefochtene Urteil im Schuldspruch F./ mit nicht geltend gemachter Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO behaftet ist, die zum Nachteil des Angeklagten wirkt (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
[58] Strafbarkeit wegen Geldwäscherei nach § 165 Abs 2 StGB setzt eine Vortat eines anderen voraus. Diese muss in dem von § 165 Abs 7 StGB bezeichneten Ursachenzusammenhang („rührt … her“) für den Täter der Vortat einen Vermögensbestandteil erbracht haben, tatbestandsmäßig und rechtswidrig begangen worden sein und in einem wegen (hier) § 165 Abs 2 StGB schuldig sprechenden Urteil festgestellt werden (vgl 15 Os 105/22p [mwN]; Kirchbacher/Ifsits in WK² StGB § 165 Rz 5, 11 und 13).
[59] Dem Urteilssachverhalt zufolge übergab der Angeklagte die aus dem Suchtgifthandel erwirtschafteten Erlöse an die Geldkuriere und trug vier im Urteil namentlich genannten Tätern auf, Bargeldbeträge bestimmten Personen zu übergeben, wobei die vom Schuldspruch F./ umfassten Beträge zur Gänze aus Erlösen aus von Mitgliedern der kriminellen Vereinigung begangenen Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz, nämlich der Erzeugung bzw Überlassung jeweils die Grenzmenge übersteigender Suchtgiftquanten, konkret „aus den im Spruch A./ bis D./ genannten Verbrechen nach dem SMG“ (US 53, 55), stammten (US 21 f).
[60] In subjektiver Hinsicht wurde festgestellt, dass der Angeklagte bereits im Zeitpunkt der Erlangung der Beträge bzw Beauftragung seiner Mittäter wusste, dass das Geld aus dem Suchtgifthandel der Tätergruppe stammt und er dieses an sich bringt, Dritten überträgt und andere dazu bestimmt, diese Vermögenswerte an sich zu bringen und anderen zu übertragen (US 24).
[61] Nach § 165 Abs 2 StGB kann sich – wie schon nach der im Tatzeitraum in Geltung stehenden Fassung BGBl I 2017/117 – nicht strafbar machen, wer selbst Vortäter ist (arg: „kriminellen Tätigkeit [Abs 5] eines anderen“; RIS‑Justiz RS0133923; Kirchbacher/Ifsits in WK² StGB § 165 Rz 4). Da den Feststellungen zufolge die vom Schuldspruch F./ umfassten Vermögensbestandteile zur Gänze aus den den Schuldsprüchen A./ bis D./ zugrundeliegenden Taten des Angeklagten herrührten, scheidet Strafbarkeit nach § 165 Abs 2 StGB aus.
[62] Dieser Rechtsfehler erforderte die Aufhebung des Schuldspruchs F./ sowie des Strafausspruchs und des Beschlusses auf Widerruf bedingter Entlassung und die Rückverweisung zur Verfahrenserneuerung an das Erstgericht; damit kann die darauf bezogene Subsumtionsrüge (Z 10) auf sich beruhen.
[63] Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
[64] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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