European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00177.22F.0517.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 1.032,91 EUR (darin enthalten 172,15 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
[2] Die Kläger vertraten die Schuldnerin in einem Insolvenzverfahren, im Zuge dessen eine Liegenschaft der Schuldnerin und zwei Liegenschaften des Geschäftsführers der Schuldnerin gemeinsam als „Betriebsliegenschaft“ verkauft werden sollten. Dafür zogen die Kläger eine Maklerin bei, die mit der Beklagten zu diesem Zweck Kontakt aufnahm und über die der Informationsaustausch sowie die Übermittlung von Schriftstücken erfolgte. Zwischen den Streitteilen gab es zu keiner Zeit direkten Kontakt. Im Rahmen des vom Insolvenzverwalter eingeleiteten Bieterverfahrens übermittelte die Beklagte der Maklerin in einem Zeitraum von rund vier Monaten mehrere Kaufanbote, die jedoch seitens der Verkäufer nicht angenommen wurden. In der Folge entschloss sich der Insolvenzverwalter, eine „In‑House‑Versteigerung“ beim Insolvenzgericht durchzuführen. Dabei plante er, dass der Insolvenzrichter dem Kaufvertrag, dem das Höchstgebot zugrunde lag, sofort die gerichtliche Genehmigung erteilen könne. Um das erreichen zu können, ist es üblich, dass entweder der Insolvenzverwalter die Kaufvertragsentwürfe aufsetzt und vorab an das Insolvenzgericht übermittelt oder dass der Vertreter eines Mitbietenden einen Kaufvertragsentwurf erstellt und vorab an das Insolvenzgericht und den Insolvenzverwalter übermittelt. Die Vorlage eines Kaufvertrags durch den Bieter war aber nicht Inhalt der Versteigerungsbedingungen. Sechs Tage vor dem Versteigerungstermin errichteten die Kläger dafür Kaufverträge; die Beklagte nahm an der Versteigerung jedoch nicht teil. Die Erstklägerin beteiligte sich daran als Vertreterin der Schuldnerin.
[3] Die Kläger begehren das Honorar für die (frustrierte) Kaufvertragserstellung.
[4] Das Berufungsgericht änderte das klagstattgebende Urteil des Erstgerichts dahin ab, dass es das Klagebegehren mangels eines ausdrücklichen oder schlüssigen Auftrags der Beklagten abwies. Es ließ die ordentliche Revision zu, weil der Frage, ob die Kläger bei der festgestellten Ausgangslage zwecks Vermeidung einer allfälligen Haftung verpflichtet gewesen seien, auch ohne ausdrücklichen Mandantenauftrag einen Kaufvertragsentwurf zu erstellen, über den Einzelfall hinaus erhebliche Bedeutung zukomme.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die dagegen gerichtete Revision der Kläger ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Mit der Begründung des Zulässigkeitsausspruchs formuliert das Berufungsgericht keine erhebliche Rechtsfrage. Auch die Kläger zeigen in ihrem Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
[6] 1. Welchen Inhalt das zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Klienten bestehende Auftragsverhältnis hat, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (vgl RS0113156).
[7] 2.1. Nach den Feststellungen wurde der Beklagten vor Abgabe des ersten Anbots von der Maklerin mitgeteilt, dass die Kläger die Kaufverträge erstellen und sich um alle im Zusammenhang mit dem Liegenschaftserwerb stehenden Angelegenheiten kümmern würden, etwa die treuhändische Abwicklung und die Grundbuchseintragungen. Für ihre Tätigkeit würden die Kläger von der Beklagten 25.000 EUR zuzüglich Umsatzsteuer verlangen. Die von der Maklerin vorbereiteten, von der Beklagten unterfertigten und von der Maklerin an die Kläger weitergeleiteten Kaufanbote enthielten die „Bedingung“, dass Kaufvertragserstellung und grundbücherliche Durchführung durch die Kläger erfolgen. Die Beklagte hielt in einem Schreiben an die Maklerin die bezüglich des Ankaufs getroffene Vereinbarung fest, nämlich die vereinbarte Maklerprovision, dass bei Nichtzustandekommen des Kaufs keine Provision fällig sei und dass die Kläger mit der Errichtung des Kaufvertrags zu dem Pauschalpreis beauftragt werden sollen. Keines der Maklerin übermittelten Kaufanbote der Beklagten wurde von der Verkäuferseite angenommen. Die Kläger errichteten zunächst auch keine Kaufverträge.
[8] 2.2. Die Ansicht des Berufungsgerichts, diese im Wege der Maklerin als Botin abgeschlossene Vereinbarung zwischen den Streitteilen sei dahin zu verstehen, dass sie eine Kaufvertragserrichtung durch die Kläger (erst) nach Annahme eines Kaufanbots der Beklagten beinhalte, zumal zu diesem Zeitpunkt von einer „In‑House‑Versteigerung“ noch keine Rede gewesen sei, bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.
[9] 3.1. Auch die konkludente Erteilung eines Auftrags an den Rechtsanwalt ist möglich; diese hängt aber von den strengen Voraussetzungen des § 863 ABGB ab. Es darf daher kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, dass ein Rechtsfolgenwille in bestimmter Richtung vorliegt (1 Ob 191/22b; 2 Ob 69/18p [ErwGr 5.]; vgl RS0014150). Auch ob eine solche schlüssige Beauftragung der Kläger durch die Beklagte erfolgte, ist eine Frage des Einzelfalls und bildet – den Fall einer (hier nicht vorliegenden) unvertretbaren Fehlbeurteilung ausgenommen – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (2 Ob 69/18p [ErwGr 5.]; RS0109021 [T5]).
[10] 3.2. Nach Ausschreibung der „In‑House-Versteigerung“ leitete die Maklerin die Versteigerungsbedingungen an die Beklagte weiter. Die Streitteile vereinbarten über die Maklerin auf Wunsch der Erstklägerin einen Besprechungstermin, der zehn Tage vor dem Versteigerungstermin stattfinden sollte. Der Geschäftsführer der Beklagten sagte diesen Besprechungstermin aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig gegenüber der Maklerin telefonisch ab. Dazu teilte er ihr mit, dass es aus seiner Sicht erforderlich wäre, sich vor dem Versteigerungstermin mit den Klägern zu besprechen. Die Maklerin wiederum teilte dem Geschäftsführer der Beklagten mit, es sei erforderlich, dass die Kläger die Kaufverträge für den Versteigerungstermin vorbereiten. Die Maklerin und die Erstklägerin versuchten in der Folge „mehrere Male“ erfolglos, den Geschäftsführer der Beklagten telefonisch zu erreichen. Sechs Tage vor der Versteigerung übermittelte die Maklerin die von den Klägern erstellten Kaufverträge an die Beklagte. Zwei Tage vor der Versteigerung sandte die Maklerin eine E‑Mail an den Geschäftsführer der Beklagten mit dem Hinweis auf die Dringlichkeit einer Rückmeldung; sollte die Beklagte den Versteigerungstermin nicht wahrnehmen, müsse das Ganze heute abgesagt werden. Der Geschäftsführer der Beklagten reagierte am selben Tag und gab der Maklerin per E‑Mail bekannt, an der Versteigerung nicht teilzunehmen, was die Maklerin sogleich an die Kläger weiterleitete.
[11] 3.3. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist aus diesen Feststellungen weder ein ausdrücklicher noch ein schlüssiger Auftrag der Beklagten zur Kaufvertragserrichtung bereits vor Zustandekommen der Kaufpreiseinigung abzuleiten. Darin ist keine im Einzelfall durch den Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken, zumal die Kläger nicht ohne jeden Zweifel annehmen durften, die Beklagte werde auch ohne den Besprechungstermin an der Versteigerung teilnehmen und wäre überdies bereit, die Vertragserrichtungskosten – anders als bisher – auch dann zu bezahlen, wenn ihr Kaufanbot nicht angenommen werde.
[12] 3.4. Ausgehend von dieser vertretbaren Beurteilung durch das Berufungsgericht gehen aber die Revisionsausführungen, die von einer diesbezüglichen Auftragserteilung und einem nicht rechtzeitigen Rücktritt der Beklagten ausgehen, ins Leere. Es steht überdies nicht fest, dass die Beklagte ohne die von den Klägern erstellten Kaufverträge nicht an der Versteigerung teilnehmen hätte können. Darüber hinaus hatte auch der Insolvenzverwalter Kaufverträge erstellt, wovon auch die Revision ausgeht. Auch mit ihrem Hinweis darauf, dass sich die Kläger bei Unterbleiben der Kaufvertragserrichtung einer Haftung ausgesetzt hätten und sie die Beklagte vor einem Schaden bewahren hätten müssen, weil die Beklagte ohne die von ihnen errichteten Kaufverträge nicht an der Versteigerung teilnehmen hätte können, bringt die Revision somit keine erhebliche Rechtsfrage zur Darstellung.
[13] 4. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)