OGH 1Ob191/22b

OGH1Ob191/22b22.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. B*, Rechtsanwalt, *, gegen die beklagte Partei J*, vertreten durch Dr. Peter Hrubesch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 6.666 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 5.561,28 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 7. Juli 2022, GZ 53 R 102/22i‑14, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 19. April 2022, GZ 13 C 676/21a‑10, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00191.22B.1122.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte verhandelte mit einem Kaufinteressenten über den Verkauf ihrer Liegenschaft. Der Kaufinteressent beauftragte den Kläger mit der Errichtung eines Kaufvertragsentwurfs. In dem Entwurf, den der Kaufinteressent an die Beklagte weiterleitete, hieß es ua, dass „sämtliche Kosten, Gebühren, Abgaben und Steuern, die mit der Errichtung und Durchführung dieses Vertrages verbunden sind, [...] der Käufer ungeachtet allfälliger gesetzlicher Solidarverpflichtungen“ trägt. Da die Beklagte mit ihrem Ehemann noch einige Jahre auf der Liegenschaft wohnen bleiben wollte und sich in dem Zusammenhang die Frage nach der Immobilienertragssteuer stellte, schlug der Kläger bei einem Besprechungstermin mit der Beklagten und dem Kaufinteressenten in seiner Kanzlei vor, dass die Beklagte ihren Hauptwohnsitz bei ihrer Mutter melden und zwischen dem Kaufinteressenten und ihrem Ehemann ein befristeter Mietvertrag samt Räumungsvergleich abgeschlossen werden solle. Die Beklagte war von dieser Lösung begeistert und stimmte diesem Vorgehen zu. Dem Kläger gegenüber wurden weder von der Beklagten noch vom Kaufinteressenten Vorbehalte bezüglich des Abschlusses des Kaufvertrags geäußert, es wurde auch der Kaufpreis nicht verhandelt, die Beklagte wollte die Vorgehensweise aber noch mit ihrem Ehemann besprechen. Sie gab die Daten ihres Ehemannes bekannt und nahm ein Vollmachtformular für den Abschluss des Räumungsvergleichs mit.

[2] Die vom Kläger daraufhin dem Kaufinteressenten samt Schreiben an die Beklagte übermittelten Vertragsunterlagen, und zwar der überarbeitete Kaufvertrag, der Mietvertrag und der Räumungsvergleich, wurden von den Vertragsparteien nicht mehr unterfertigt.

[3] Der Kläger begehrte von der Beklagten die Zahlung eines Honorars für die Errichtung des Kaufvertrags sowie des Mietvertrags samt Räumungsvergleich.

[4] Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Entgegen dem Erstgericht könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte den Kläger konkludent mit der Überarbeitung des Kaufvertrags und/oder der Erstellung des Mietvertragsentwurfs samt Räumungsvergleich beauftragt habe. Die ordentliche Revision ließ es zu, weil sich in der Praxis immer wieder zeige, dass „gerade durch Rechtsanwälte Fragen der Entlohnung gegenüber rechtliche Beratung suchenden Parteien nicht ausreichend deutlich angesprochen“ würden. Im Licht der Entscheidung 3 Ob 112/19w stelle sich die Frage, ob nicht auch bei der Annahme eines konkludenten Vertragsabschlusses ein strengerer Maßstab anzulegen sei.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[6] Ob eine konkludente Willenserklärung vorliegt, ist regelmäßig einzelfallbezogen und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RS0043253 [T17] uva). Der Kläger zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht im vorliegenden Einzelfall ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt hätte:

[7] § 863 ABGB legt bei konkludenten Willenserklärungen einen strengen Maßstab an (RS0014146, RS0014157). Maßgebend ist, welche Schlüsse der Partner aus dem Verhalten nach Treu und Glauben abzuleiten berechtigt war (RS0014159).

[8] Der Oberste Gerichtshof hat zwar bereits wiederholt entschieden, dass dann, wenn beide Vertragsteile zum Zwecke einer Vertragserrichtung in der Kanzlei eines Rechtsanwalts oder Notars erscheinen, sofern sich aus den Umständen nicht etwas anderes ergibt, anzunehmen ist, dass beide Vertragsteile den Auftrag zur Vertragserrichtung erteilen wollen, und zwar gegebenenfalls selbst dann, wenn nur ein Teil den Rechtsanwalt oder Notar informiert und ausdrücklich beauftragt, weil eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung auch konkludent abgegeben und angenommen werden kann (RS0014342).

[9] Daraus ist für den Kläger im Anlassfall aber nichts gewonnen, weil seine Ausführungen über die Feststellung hinweggehen, dass die Beklagte die vom Kläger vorgeschlagene Vorgangsweise, auch wenn sie von der Lösung begeistert war, noch mit ihrem Ehemann besprechen wollte. Aus welchen Gründen der Kläger vor diesem Hintergrund darauf hätte vertrauen dürfen, dass ihm die Beklagte noch ohne Rücksprache mit ihrem Ehemann einen Auftrag zur Errichtung der Vertragsurkunden hätte erteilen wollen, wenn ja gerade der Ehemann Vertragspartner des Mietvertrags hätte werden sollen und sie beim Termin ein Vollmachtformular für den Abschluss des Räumungsvergleichs mitnahm, legt der Revisionswerber nicht nachvollziehbar dar.

[10] Es begegnet auch keinen Bedenken, dass das Berufungsgericht einen schlüssig erteilten Auftrag der Beklagten zur Errichtung bzw Überarbeitung des Kaufvertrags verneint hat: Im ersten – vom Kläger erstellten – Entwurf wurde ausdrücklich festgehalten, dass sämtliche Vertragserrichtungskosten der Käufer trägt, also derjenige, der den Kläger hier auch mit dem Entwurf beauftragt hatte. Auch wenn, wie der Kläger meint, diese Klausel nur das Innenverhältnis der Vertragsparteien betreffen mag, ist die Annahme des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, dass die Beklagte im Hinblick auf diese Formulierung – für den Kläger erkennbar – darauf vertrauen durfte, allein ihre Teilnahme am Besprechungstermin und ihr Wunsch, die erste Kaufpreisrate zu adaptieren, werde keine Zahlungspflicht gegenüber dem Kläger auslösen. Warum der Revisionswerber trotzdem berechtigt gewesen sein sollte, aus dem Verhalten der Beklagten eine Beauftragung samt Haftungsübernahme für die Anwaltskosten abzuleiten, erklärt er nicht. Daran ändert auch der Beisatz „ungeachtet allfälliger gesetzlicher Solidarverpflichtungen“ in der Klausel nichts, weil eine Solidarhaftung der Beklagten für die Anwaltskosten von Gesetzes wegen eben nur dann bestehen würde, wenn sie neben dem Kaufinteressenten Auftraggeberin des Klägers geworden wäre (vgl RS0017356). Dafür, dass der Kläger auch tatsächlich nicht von einer Auftragserteilung durch die Beklagte ausging, spricht im Übrigen die Feststellung, dass er den überarbeiteten Kaufvertrag und den Mietvertragsentwurf samt Räumungsvergleich ausschließlich dem Kaufinteressenten übermittelte, sowie letztendlich die Bekräftigung im überarbeiteten Kaufvertrag, dass „lediglich die Käuferseite den Auftrag zur Vertragserrichtung erteilt hat, welche auch die Zahlungsverpflichtung für die Vertragserrichtung alleine trifft“.

[11] Die in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 3 Ob 112/19w behandelte Frage der Aufklärungspflicht des Rechtsanwalts nach § 5a KSchG über die Höhe seines Honoraranspruchs stellt sich hier nicht.

[12] Die Revision ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[13] Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO. Für die Revisionsbeantwortung steht kein Kostenersatz zu, weil die Beklagte darin die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht geltend gemacht hat (RS0035979).

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