OGH 10Ob9/23f

OGH10Ob9/23f16.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Faber und die Hofräte Mag. Schober und Dr. Annerl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Russische Föderation, 1030 Wien, Reisnerstraße 45–47, vertreten durch Lansky, Ganzger, Goeth, Frankel & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei P*, vertreten durch Brauneis Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Räumung (Streitwert: 60.000 EUR) und Zwischenantrag auf Feststellung (Streitwert: 120.000 EUR), über die Revisionen der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Dezember 2022, GZ 11 R 201/22t‑188, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 26. August 2022, GZ 3 Cg 52/16p‑180, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0100OB00009.23F.0516.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Die mit der Revision der klagenden Partei und der Revisionsbeantwortung der beklagten Partei vorgelegten Urkunden werden zurückgewiesen.

Beiden Revisionen wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass sie – einschließlich der bestätigten und der abgeänderten Teile – als Teilurteil lautet:

1. Der Zwischenantrag der beklagten Partei auf Feststellung, dass die klagende Partei nicht Eigentümerin der Liegenschaft EZ *, sei, wird abgewiesen.

2. Es wird festgestellt, dass die klagende Partei nicht Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ *, ist.

3. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, die Liegenschaft EZ *, der klagenden Partei binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben, wird abgewiesen.

4. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.“

 

Im Übrigen, also betreffend das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, die Liegenschaft EZ *, schlechthin zu räumen, werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben. In diesem Umfang wird die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Im Jahr 1944 gründeten sowjetische Behörden den sowjetischen Staatsbetrieb „staatliche maritime Donau-Reederei mit Sitz in Izmail (damals UdSSR, heute Ukraine). Am Sitz der Reederei befand sich dessen gesamte Hauptverwaltung. Im Jahr 1945 wurde der Staatsbetrieb in sowjetische staatliche Donaureederei (SDGB) umbenannt. Mit dem Zweck des Fluss- und Seetransports wurde Ende der 1940‑er Jahre eine Hauptagentie der sowjetisch staatlichen Donau-Reederei in Wien gegründet und als Zweigniederlassung Wien in das österreichische Handelsregister eingetragen. Im Jahr 1965 erhielt der sowjetische Staatsbetrieb die Bezeichnung sowjetische Donau-Reederei (SDP). Mit Verfügung vom 1. März 1974 nahm der Ministerrat der UdSSR einen mit dem Außen- und dem Finanzministerium der UdSSR abgestimmten Vorschlag des Ministeriums für die Seeflotte der UdSSR über den Erwerb eines Grundstücks in Wien und die Errichtung eines Wohnhauses auf diesem Grundstück für die sowjetischen Mitarbeiter an. Die Kosten in der Höhe von 200.000 Rubel in Fremdwährung sollten als Mittel bezahlt werden, die das Ministerium für die Seeflotte der UdSSR aus dem Verkauf eines ihm gehörenden Wohnhauses in England erhalten hat. Aufgrund eines von der Botschaft der UdSSR geschlossenen Kaufvertrags vom 6. Juni 1975 wurde für die Hauptagentie der SDP Wien die streitgegenständliche Liegenschaft erworben. Als Eigentümer der Liegenschaft wurde die UdSSR im Grundbuch eingetragen. In der Folge wurden auf dem Grundstück ein Verwaltungs- und Geschäftsgebäude errichtet und das bestehende Gebäude umgebaut. Die entsprechenden Verträge wurden von der Botschaft der UdSSR geschlossen. Die SDP nutzte die Liegenschaft seither als Standort der Verwaltung ihrer Zweigniederlassung in Wien. Kurz vor der formellen Auflösung der UdSSR Ende Dezember 1991 wurde (von Organen der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik) der Staatsbetrieb SDP in den Staatsbetrieb ukrainische Donau-Reederei (UDP) umbenannt. Gründer des Staatsbetriebs UDP war der Staatliche Vermögensfonds der Ukraine. Der UDP stand an dem Vermögen das Recht der vollen Bewirtschaftung zu. Im Dezember 1994 wurde der Staatsbetrieb UDP in eine offene Aktiengesellschaft ukrainischem Rechts umgewandelt. Die Gesellschaft konnte Eigentum an ihrem Vermögen haben. 100 % der Anteile der Aktiengesellschaft gehörten dem ukrainischen Staat. Hieraus ging die Beklagte als private Aktiengesellschaft hervor. Die Liegenschaft in Wien wurde auch weiterhin von der UDP als Standort ihrer Hauptrepräsentanz in Österreich genutzt.

[2] Nach sowjetischem Recht hatten die staatlichen Betriebe und Wirtschaftsorganisationen zwar wirtschaftlich selbständiges, jedoch kein eigenes Vermögen. Eigentümer des Vermögens war vielmehr der Staat, der es ihnen zur operativen Verwaltung bzw seit den 1990‑er Jahren zur vollen Bewirtschaftung anvertraute. Zum Zeitpunkt des Erwerbs der streitgegenständlichen Liegenschaft und bis zum Zeitpunkt der formellen Auflösung der UdSSR stand die SDP als Staatsbetrieb im Eigentum der UdSSR. Die UdSSR war nicht nur formell, sondern auch materiell Eigentümer der Liegenschaft.

[3] Die Klägerin begehrt von der Beklagten die geräumte Übergabe der Liegenschaft an sich, in eventu die Räumung schlechthin. Sie sei Eigentümerin dieser Liegenschaft und als solche auch in das Grundbuch eingetragen. Die Beklagte benütze die Liegenschaft titellos und habe der Aufforderung der Klägerin, die Liegenschaft zu räumen, nicht Folge geleistet.

[4] Die Beklagte, eine offene Aktiengesellschaft nach ukrainischem Recht, wendet dagegen primär die mangelnde Aktivlegitimation der Klägerin ein. Das Grundbuch entspreche nicht der wahren Rechtslage. Die Klägerin sei nach dem Zerfall der UdSSR (Sowjetunion) völkerrechtlich nicht, jedenfalls nicht alleinige Eigentümerin der Liegenschaft geworden. Eine Zustimmung der anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion zur Klageführung liege nicht vor. Die Beklagte leite ihren Eigentumserwerb von der Ukraine ab, die ihr Eigentum wiederum von der Sowjetischen Donau‑Reederei (SDP) ableite. Die SDP habe den Ankauf der Liegenschaft im Jahr 1975 finanziert und schon dadurch Eigentum erworben. Sie habe in weiterer Folge mit Zustimmung der UdSSR auf der Liegenschaft Gebäude errichtet und daher auch durch Bauführung außerbücherliches Eigentum erworben.

[5] Hilfsweise macht die Beklagte ein obligatorisches Nutzungsrecht an der Liegenschaft geltend. Dieses ergebe sich, soweit im Revisionsverfahren noch geltend gemacht, daraus, dass die Beklagte Mieterin der Liegenschaft sei. Spätestens durch die fortwährende Nutzung der Liegenschaft durch die Beklagte nach dem Zerfall der Sowjetunion sei unter stillschweigender Zustimmung der Klägerin ein konkludenter Mietvertrag zustande gekommen. Die Beklagte trage alle der Vermieterseite obliegenden Kosten der laufenden Erhaltung und Verwaltung und zahle dadurch den Bestandzins. Selbst wenn sie aufgrund ihrer Teilrechtsfähigkeit kein Eigentum erwerben habe können, habe sie jedenfalls über die von ihr erwirtschafteten Mittel verfügen dürfen.

[6] Selbst wenn das Räumungsbegehren berechtigt sein sollte, könne dieses jedenfalls nur Zug um Zug gegen Ersatz der Kosten in Höhe von 1.214.729,20 EUR für den Liegenschaftskauf und die Gebäudeerrichtung im Jahr 1975/76 ausgesprochen werden, die auch Zug um Zug eingewendet würden.

[7] Mit ihren Zwischenanträgen auf Feststellung beantragt die Beklagte festzustellen, dass die Klägerin nicht Eigentümerin der Liegenschaft, hilfsweise nicht Alleineigentümerin der Liegenschaft sei; hilfsweise, dass die Liegenschaft im Eigentum der Ukraine stehe. Die Beklagte begründet diese Anträge im Wesentlichen damit, dass die Frage des Eigentums an der Liegenschaft auch nach mehreren Vorverfahren bisher nicht geklärt sei. Sie leite das von ihr behauptete (Mit‑)Eigentum vom (Mit‑)Eigentumsrecht der Ukraine ab. Das Eigentumsrecht der Ukraine ergebe sich wiederum aus dem Völker‑(gewohnheits‑)recht. Umgekehrt könne die Klägerin das von ihr behauptete Eigentumsrecht nicht aus dem Völkerrecht ableiten, ihr Vertrauen auf das Grundbuch sei nicht geschützt.

[8] Im ersten Rechtsgang gab das Erstgericht dem Klagebegehren auf Räumung statt und wies die Zwischenanträge auf Feststellung ab. Die Aktivlegitimation der Klägerin sei im Hinblick auf den Grundbuchstand aus Gründen der Rechtssicherheit zu bejahen. Ein Eigentumsrecht der Beklagten sei aus ihrem Vorbringen nicht abzuleiten. Auch das Vorliegen eines Bestandvertrags sei aus dem Vorbringen der Beklagten nicht abzuleiten. Die Beklagte behaupte gar keinen Willen, einen Bestandvertrag abzuschließen. Die Zwischenfeststellungsanträge beträfen die Frage des Bestehens eines Rechtsverhältnisses zwischen einer Person und einem Objekt und seien inhaltlich daher nicht berechtigt.

[9] Diese Entscheidung wurde vom Berufungsgericht im ersten Rechtsgang bestätigt. Es ging bei seiner rechtlichen Beurteilung von einer Fortsetzung der UdSSR durch die Klägerin aus. Die Klägerin, die auch im Grundbuch als Eigentümerin der Liegenschaft eingetragen sei, sei daher zur Klageführung aktiv legitimiert. Alleine aus der faktischen und freiwilligen Zahlung von Betriebs‑ und Erhaltungskosten und einer historisch bedingten, vorerst unwidersprochenen Nutzung der Liegenschaft sei das Vorliegen eines Bestandvertrags mangels einer behaupteten Rechtspflicht zur Zahlung des Mietzinses nicht ableitbar. Die Zwischenfeststellungsanträge seien unzulässig, weil ein Zwischenfeststellungsantrag nicht auf die Lösung einer Vorfrage gerichtet sein dürfe, von der die Aktivlegitimation der Klägerin abhänge. Sie seien im Hinblick auf das Alleineigentum der Klägerin an der Liegenschaft auch nicht berechtigt.

[10] Der Oberste Gerichtshof hob die Entscheidungen der Vorinstanzen im ersten Rechtsgang auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Die – in der völkerrechtlichen Literatur umstrittene – Frage des Eigentums an der gegenständlichen Liegenschaft stelle sich nicht, wenn die Rechtsvorgängerin der Beklagten – wie letztere behaupte – durch Bauführung bereits außerbücherlich Eigentum an der Liegenschaft erworben habe. Dies sei im fortzusetzenden Verfahren zu prüfen. Sollte sich dabei herausstellen, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten kein außerbücherliches Eigentum erworben habe, sei Völkerrecht – auf das sich beide Parteien berufen würden – von Amts wegen zu ermitteln, wobei entsprechend § 4 IPRG auf die Mitwirkung der Beteiligten und auf die Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen zurückgegriffen werden könne. Auch zur darüber hinaus entscheidenden Frage, ob die Beklagte das Verhalten der Klägerin so verstehen habe dürfen, dass diese einen Bestandvertrag abschließen habe wollen, oder ob der fehlende Vertragswille erkennbar gewesen sei, habe das Erstgericht keine Feststellungen getroffen.

[11] Im nunmehrigen zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren und die Zwischenanträge auf Feststellung ab. Es stellte (unter anderem aufgrund der eingeholten Sachverständigengutachten) den eingangs auf das Wesentliche gekürzt wiedergegebenen Sachverhalt fest. In rechtlicher Hinsicht ging es – dem eingeholten Sachverständigengutachten zum Inhalt des Rechts der UdSSR folgend – davon aus, dass die SDP weder durch Bauführung noch auf andere Art Eigentum erworben habe. Weiters folge daraus auch, dass zwischen der UdSSR und der SDP kein Rechtsverhältnis wie ein Treuhand- oder Mietvertrag bestehen habe können, weil die SDP gegenüber der UdSSR keine Rechte gehabt haben könne. Die Beklagte habe auch keinen Anspruch auf Ersatz der eingewendeten Gegenforderung.

[12] Dem Rechtsstreit liege eine völkerrechtliche Meinungsverschiedenheit zwischen der Klägerin und der Ukraine zugrunde, die – auch im vorliegenden Verfahren – durch die im Völkerrecht vorgesehenen Verfahren zur friedlichen Beilegung internationaler Streitigkeiten einer Entscheidung zuzuführen seien. Die streitige Liegenschaft habe schon früher der SDP gedient und sei daher als Teil ihres Vermögens im weiteren Sinn anzusehen. Da die SDP unstrittig der Ukraine zugefallen sei, sei der Ukraine auch die streitige Liegenschaft, als dienendes Vermögen, zugefallen. Nach dem anzuwendenden uti-possidetis-Prinzip – einem allgemeinen Grundsatz des Völkerrechts – habe die streitige Liegenschaft so lange bei jenem Staat zu verbleiben, der sie im Besitz habe, bis ein völkerrechtliches Verfahren der friedlichen Streitbeilegung allenfalls zum Ergebnis führe, dass die streitige Liegenschaft durch Staatennachfolge einem anderen Staat zugefallen sei. Das gegenständliche Verfahren könne ein solches völkerrechtliches Verfahren nicht ersetzen.

[13] DasBerufungsgericht gab den Berufungen beider Streitteile nicht Folge. Es verneinte die geltend gemachten Verfahrensmängel. Das Erstgericht habe umfassend die geltende Rechtslage aufgezeigt. Daraus ergebe sich rechtlich wegen des notwendigen völkerrechtlichen Streitbeilegungsverfahrens ein Schwebezustand, sodass weder das Klagebegehren noch die Zwischenanträge auf Feststellung des Eigentumsrechts zu Recht bestünden.

[14] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und ließ die Revision nicht zu, weil der Oberste Gerichtshof nicht dazu berufen sei, für die Einheitlichkeit oder Rechtsfortbildung „fremden Rechts/Völkerrechts“ Sorge zu tragen oder Leitlinien zum richtigen Verständnis zu entwickeln.

[15] Dagegen richten sich die Revisionenbeider Streitteile. Die Klägerin begehrt die Stattgabe der Klage, die Beklagte die Stattgabe der Zwischenfeststellungsanträge; hilfsweise werden jeweils Aufhebungsanträge gestellt.

[16] In den – vom Obersten Gerichtshof freigestellten – Revisionsbeantwortungen beantragen die Streitteile jeweils, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[17] Die Revisionen sind zulässig und teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[18] 1. Die im Rahmen der Revision der Klägerin und der Revisionsbeantwortung der Beklagten erfolgten Urkundenvorlagen verstoßen gegen das Neuerungsverbot.

[19] 2.1. Gemäß Art 9 Abs 2 B‑VG gelten die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts als Bestandteile des Bundesrechts, worunter jedenfalls das Völkergewohnheitsrecht verstanden wird (Reinisch, Handbuch des Völkerrechts6 [2021] Rz 221 f; Grabenwarter/Frank, B‑VG Art 9 Rz 2; Muzak, B‑VG6 Art 9 Rz 1).

[20] 2.2. Bei der Anwendung von Völkergewohnheits-recht handelt es sich somit um die Anwendung innerstaatlichen Rechts. Die Anwendung und Auslegung von Völkerrecht kann daher eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 ZPO darstellen (Lovrek in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 502 ZPO Rz 69). Die vom Berufungsgericht zitierte Rechtsprechung, nach der der Oberste Gerichtshof nicht dazu berufen ist, für die Einheitlichkeit oder Rechtsfortbildung fremden Rechts Sorge zu tragen oder Leitlinien zum richtigen Verständnis zu entwickeln, betrifft die Anwendung ausländischen Rechts (RS0042948), wofür anderen (Rechtsprechungs‑)Organen eine Leitfunktion zukommt.

[21] 2.3. Tatsächlich besteht zur Frage der Behandlung des Auslandseigentums der ehemaligen UdSSR in Österreich und den damit im Zusammenhang stehenden völkerrechtlichen Fragen keine höchstgerichtliche Rechtsprechung. Die Revisionen sind daher zulässig.

[22] 3. Beiden Rechtsmitteln liegt die Frage zugrunde, wem Eigentum an der streitgegenständlichen Liegenschaft zukommt. Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass bis 1991 jedenfalls die UdSSR Eigentümerin war. Uneinigkeit besteht hinsichtlich der Frage, wie sich der „Zerfall“ der UdSSR auf das Eigentum an der gegenständlichen Liegenschaft auswirkte bzw präziser: welcher Staat (oder welche Staaten) seither als Eigentümer der Liegenschaft anzusehen ist (sind). Dabei spielen Fragen des Völkerrechts eine wesentliche Rolle. Der Oberste Gerichtshof hat diese Fragen in den im Aufhebungsbeschluss im ersten Rechtsgang angeführten Entscheidungen (10 Ob 19/18v [ErwGr 2.2, 2.3 und 2.6]) zwar thematisiert, er musste sie dort allerdings nicht beantworten.

[23] 3.1. Wie bereits im ersten Rechtsgang ausgeführt (10 Ob 19/18v [ErwGr 5.2]) ist Völkerrecht – auf das sich beide Parteien berufen – von Amts wegen zu ermitteln (Hoyer, EAnm zu 5 Ob 152/04w und 5 Ob 238/04t, ZfRV 2005, 78). Zur Ermittlung kann – wie im vorliegenden Fall geschehen – entsprechend § 4 IPRG unter anderem auf die Mitwirkung der Beteiligten oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens zurückgegriffen werden, zumal für die Lösung völker‑(gewohnheits‑)rechtlicher Fragestellungen auch Tatsachen eine wesentliche Rolle spielen können. Dabei handelt es sich aber lediglich um ein Hilfsmittel zur Ermittlung jener Grundlagen, die für die Lösung der (hier völkerrechtlichen) Rechtsfragen erforderlich sind. Diese Rechtsfragen sind vom Gericht sodann vielmehr selbständig zu lösen, sodass insbesondere – wie auch im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 4 IPRG (7 Ob 14/98d; Neumayr in KBB6 § 4 IPRG Rz 1; Verschraegen in Rummel, ABGB3 § 4 IPRG Rz 2) – keine Bindung an eine eingeholte Auskunft besteht.

[24] 3.2. Die Vorinstanzen stützten die Abweisung sämtlicher Begehren auf die Überlegung, dass dem Verfahren eine völkerrechtliche Streitigkeit zwischen zwei Staaten zugrunde liege, über die ihnen keine Entscheidungsbefugnis zukomme. Wegen des notwendigen völkerrechtlichen Streitbeilegungsverfahrens entstehe ein Schwebezustand, sodass die Begehren abzuweisen seien. Dem kann schon im Grundsatz nicht gefolgt werden, weil am Verfahren nicht jene Völkerrechtssubjekte beteiligt sind, die nach dieser Rechtsauffassung zur völkerrechtlichen Streitbeilegung verpflichtet wären.

[25] Die im Verfahren erster Instanz vom Sachverständigen (erstmals im Ergänzungsgutachten) geäußerte Rechtsansicht fußt überdies auf einer „Weiterentwicklung“ des uti-possidetis-Prinzips. Dieses Prinzip betrifft jedoch die Festlegung von Staatsgrenzen (Herdegen, Völkerrecht21 [2022] § 4 Rz 11; Reinisch, Handbuch des Völkerrechts6 [2021] Rz 679; Epping in Ipsen, Völkerrecht7 [2018] § 7 Rz 11) und um eine solche territoriale Streitigkeit geht es hier nicht: Die streitgegenständliche Liegenschaft befindet sich unbestritten auf dem Territorium der Republik Österreich. Es gibt in der völkerrechtlichen Literatur oder Praxis auch keine Hinweise darauf, dass dieses Prinzip in der vom Sachverständigen vertretenen Form in Bezug auf Streitigkeiten über die Fortsetzung von oder die Rechtsnachfolge in Rechtspositionen betreffend Auslandsvermögen angewendet würde.

[26] Es ist daher nicht ersichtlich, aus welchen völkerrechtlichen Gründen den österreichischen Gerichten die Beurteilung der völkerrechtlichen Vorfrage verwehrt sein sollte, welchem Staat oder welchen Staaten am Auslandsvermögen der ehemaligen UdSSR die Rechtsposition als Eigentümerin zukommt.

[27] Eine andere Frage ist es, ob die Russische Föderation und die Ukraine im Verhältnis zueinander zu einer Streitbeilegung in einer bestimmten Form verpflichtet wären und etwa ein Verfahren vor einem Schiedsgericht führen müssten. Ein Rechtsstreit zwischen diesen Staaten ist hier aber nicht zu entscheiden, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

[28] 3.3. Da die Frage der Völkerrechtssubjektivität und ihrer Kontinuität nach Zerfallsprozessen bzw einer allfälligen Staatennachfolge in Bezug auf Staatsvermögen (zwischen Österreich und den hier betroffenen Staaten) völkervertragsrechtlich nicht geregelt ist, richtet sich diese Frage nach Völkergewohnheitsrecht (Doehring, Völkerrecht2 [2004] Rz 168). Die Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Staatsvermögen, ‑archive und ‑schulden vom 8. April 1983, die entsprechendes Völkergewohnheitsrecht zu kodifizieren suchte, trat bislang nicht in Kraft.

[29] 3.4. Von Völkergewohnheitsrecht wird in der herrschenden Völkerrechtslehre gesprochen, wenn eine allgemein als Recht anerkannte, das heißt vom Rechtsbewusstsein (opinio iuris) getragene Übung vorliegt (Herdegen, Völkerrecht21 [2022] § 16 Rz 1; Reinisch, Handbuch des Völkerrechts6 [2021] Rz 163; Vitzthum in Vitzthum/Proelß, Völkerrecht8 [2019] 1. Abschnitt Rz 131; Dörr in Ipsen, Völkerrecht7 [2018] § 19 Rz 2; Fischer/Köck, Völkerrecht6 [2004] Rz 160).

[30] Im Einzelnen ist dabei vieles umstritten. Anerkannt ist jedoch, dass Gewohnheitsrecht, das nicht zwingenden Charakters ist, auch durch neu entstehende Normen aufgehoben oder geändert werden kann (Herdegen, Völkerrecht21 [2022] § 16 Rz 25; Reinisch, Handbuch des Völkerrechts6 [2021] Rz 202; Vitzthum in Vitzthum/Proelß, Völkerrecht8 [2019] 1. Abschnitt Rz 136; Doehring, Völkerrecht2 [2004] Rz 295). Die neu entstandene Norm des Völkergewohnheitsrechts kann je nach ihrem persönlichen Geltungsbereich universell, allgemein oder partikular sein (Reinisch, Handbuch des Völkerrechts6 [2021] Rz 202).

[31] Aufgrund einer Entscheidung des IGH im sogenannten Fischerei-Fall wird außerdem – auch in der völkerrechtlichen Literatur – als gesichert angenommen, dass ein Staat, der sich im Zuge der Herausbildung einer (nicht zwingenden) Norm des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts von Anfang an deren Anwendung beharrlich widersetzt hat (persistent objector), zwar nicht deren Entstehung verhindern, wohl aber erreichen kann, dass er durch sie nicht gebunden wird, da ihm diese Norm seitens der anderen Staaten nicht entgegen gehalten werden kann (IGH 18. Dezember 1951, ICJ Reports 1951, 116 [131]; Herdegen, Völkerrecht21 [2022] § 16 Rz 22; Reinisch, Handbuch des Völkerrechts6 [2021] Rz 175; Vitzthum in Vitzthum/Proelß, Völkerrecht8 [2019] 1. Abschnitt Rz 133; Dörr in Ipsen, Völkerrecht7 [2018] § 19 Rz 28 f). Der ständige Protest verliert aber bei Ansprüchen auf eine besondere Behandlung dann seine Wirkung, wenn die Entwicklung einer neuen Regel fast einheitlich von der übrigen Staatengemeinschaft getragen wird (Herdegen, Völkerrecht21 [2022] § 16 Rz 24).

[32] 3.5. Wie die unterschiedliche Qualifikation von Zerfallsprozessen in der Vergangenheit zeigt, spielt die Haltung der Staatengemeinschaft dazu eine wichtige Rolle (Herdegen, Völkerrecht21 [2022] § 8 Rz 25; Reinisch, Handbuch des Völkerrechts6 [2021] Rz 846; Epping in Ipsen, Völkerrecht7 [2018] § 7 Rz 204). Die jeweils betroffenen Staaten haben aber ein erhebliches Ermessen bei der Wahl der Rechtsfolgen der Staatensukzession (Herdegen, Völkerrecht21 [2022] § 8 Rz 25; Reinisch, Handbuch des Völkerrechts6 [2021] Rz 848; Epping in Ipsen, Völkerrecht7 [2018] § 7 Rz 205), sodass Vermögenswerte häufig vertraglich aufgeteilt werden (Reinisch, Handbuch des Völkerrechts6 [2021] Rz 864). Auch wenn völkervertragsrechtliche Vereinbarungen keine unmittelbaren Rechtswirkungen für andere, daran nicht beteiligte Völkerrechtssubjekte entfalten, können sie somit Ausdruck der von der von Zerfallsprozessen betroffenen Staaten gewählten Rechtsfolgen der Staatensukzession sein, denen (völkergewohnheitsrechtlich) Relevanz zukommt.

[33] 3.6. Bei den Ereignissen in der ehemaligen UdSSR sprachen aus völkerrechtlicher Sicht Gründe sowohl für die Annahme, die Russische Föderation setze den bisherigen Staat fort, als auch für einen Untergang der UdSSR durch Dismembration (Kau in Vitzthum/Proelß, Völkerrecht8 [2019] 3. Abschnitt Rz 185; vgl auch Reinisch, Handbuch des Völkerrechts6 [2021] Rz 893 f; Epping in Ipsen, Völkerrecht7 [2018] § 7 Rz 210). Die Qualifikation dieser Ereignisse und die damit zusammenhängende Frage, ob die Russische Föderation generell (etwa auch in Bezug auf völkerrechtliche Verträge oder die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen) die Identität des bisherigen Staats fortsetzte und dies jeweils von der Staatengemeinschaft akzeptiert wurde (vgl Reinisch, Handbuch des Völkerrechts6 [2021] Rz 894, wonach die übrigen Nachfolgestaaten aber bestimmte Rechte und Pflichten als partielle Rechtsnachfolger übernahmen), ist hier aber nicht entscheidend, weil es lediglich um die Auswirkungen dieser Ereignisse in Bezug auf das Auslandsvermögen der UdSSR geht und diese Auswirkungen zwischen den Beteiligten eigenen bi- und multilateralen Regelungen zugeführt wurden.

[34] 3.7. Hinsichtlich der Behandlung des Auslandsvermögens und der Auslandsschulden der ehemaligen UdSSR traf die Russische Föderation völkervertragliche Regelungen mit den anderen beteiligten Staaten, die – auf multi- und auf bilateraler Ebene – eine Aufteilung des Auslandsvermögens und der Auslandsschulden vorsahen.

[35] 3.7.1. Die Grundlage für eine solche Aufteilung schuf der „Vertrag über die Rechtsnachfolge in bezug auf die staatlichen Auslandsschulden und die Aktiva der Union der SSR“ vom 4. Dezember 1991 (im erstinstanzlichen Verfahren in deutscher Übersetzung vorgelegt als ./40), der (zwar nicht von allen Nachfolgestaaten, aber jedenfalls) von der Russischen Föderation und Ukraine unterzeichnet wurde. Nach der Präambel dieses Vertrags wird „die Unmöglichkeit der Gewährleistung der Tilgung der Auslandsschulden der UdSSR, ohne daß die Fragen der Aufteilung der Aktiva gelöst werden, in Erwägung gezogen“ und es wurden „die Prinzipien des Völkerrechts und die Bestimmungen der Wiener Konvention 'Über die Staatennachfolge in bezug auf das Staatseigentum, die Staatsarchive und Staatsschulden' 1983 berücksichtigt“. Als Aktiva der UdSSR sind nach Art 1 für die Zwecke dieses Vertrags (unter anderem) das unbewegliche und bewegliche staatliche Eigentum der UdSSR außerhalb der Staatsgrenzen ihres Territoriums definiert. Art 2 nennt als Nachfolgestaaten der UdSSR unter anderem die Russische Föderation und die Ukraine. Nach Art 3 Abs 1 des Vertrags übernehmen die Parteien (unter der Voraussetzung der gleichzeitig vereinbarten anteilsmäßigen Tragung der Kosten für die Bedienung der Auslandsschulden) die Verpflichtung, das Eigentumsrecht für jede der Seiten auf den ihr zustehenden Anteil an den Aktiva der UdSSR zu gewährleisten. Diese Anteile werden in Art 4 prozentmäßig bestimmt (Russische Föderation 61,34 %, Ukraine 16,37 %). Für die Regelung sämtlicher Fragen, die mit der Realisierung dieses Vertrags zusammenhängen, wurde ein Zwischenstaatlicher Rat für die Beobachtung der Schuldenbedienung und die Verwendung der Aktiva etabliert, der aus bevollmächtigten Vertretern der Nachfolgestaaten zusammengesetzt wird (Art 7).

[36] 3.7.2. Im Abkommen „Über das Eigentum der ehemaligen UdSSR im Ausland“ vom 30. Dezember 1991 kamen alle elf GUS-Staaten überein, „daß jeder von ihnen das Recht hat auf einen entsprechenden fixierten und gerechten Anteil am Eigentum der ehemaligen UdSSR im Ausland und daß jeder die Realisierung dieses Rechtes ermöglichen wird“ (Schweisfurth, Ausgewählte Fragen der Staatensukzession im Kontext der Auflösung der UdSSR, ArchVR 1994, 99 [120]).

[37] 3.7.3. Diesem Abkommen folgte das „Abkommen über die Aufteilung sämtlichen Eigentums der ehemaligen Union der SSR im Ausland“ vom 6. Juli 1992 (im erstinstanzlichen Verfahren in deutscher Übersetzung vorgelegt als ./41), das von allen Nachfolgestaaten der UdSSR mit Ausnahme von Aserbaidschan und Georgien unterzeichnet wurde (Schweisfurth, Immobiliareigentum der UdSSR in Deutschland, VIZ 1998, 57 [60]). Die Präambel nimmt ausdrücklich auf den Vertrag vom 4. Dezember 1991 und das Abkommen vom 30. Dezember 1991 Bezug. Gegenstand des Abkommens „ist das bewegliche und unbewegliche Eigentum“ der UdSSR außerhalb der Staatsgrenzen (Art 1 Abs 1). Dieses Eigentum unterliegt der Aufteilung und „geht über“ an die Parteien (Art 1 Abs 2), und zwar wie im Vertrag vom 4. Dezember 1991 nach einem fixierten Prozentsatz. Der jeweilige Anteil bezieht sich auf sämtliches Eigentum in jedem konkreten Land (Art 1 Abs 4). Jede Seite hat das Recht auf selbständigen Besitz, Nutzung und Verfügung über den ihr zustehenden fixierten Anteil vom ganzen Eigentum der UdSSR und das Recht auf eine Verteilung in Natura (Art 3), die auf Basis separater Abkommen zwischen den Parteien erfolgen sollte (Art 4). Mit der Regelung sämtlicher Fragen, die mit der Realisierung dieses Abkommens zusammenhängen, wurde eine Kommission für die Nachfolge in Verträgen beauftragt (Art 6). Für Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung dieses Abkommens sollte ein Schiedsgericht zuständig sein (Art 7).

[38] 3.8. Daraus ist jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt ersichtlich, dass – unabhängig von der völkerrechtlichen Bewertung des „Zerfalls“ der UdSSR oder der Rechtsnachfolge in völkerrechtliche Verträge – das Auslandseigentum der ehemaligen UdSSR nicht allein der Russischen Föderation zukommen sollte, und zwar auch nach der klaren Intention der Russischen Föderation selbst. Spätestens mit dem Abkommen vom 6. Juli 1992, das nach seiner Präambel die Rechtsnachfolge in das Auslandseigentum entsprechend dem Vertrag vom 4. Dezember 1991 und dem Abkommen vom 30. Dezember 1991 erfassen wollte, ging das Eigentum nach dem klaren Art 1 Abs 2 zu den fixierten Prozentsätzen auf die von diesem Abkommen gebundenen Staaten über. Dass dieses Abkommen – entgegen der vorhandenen völkerrechtlichen Literatur – keine völkervertragliche Wirksamkeit erlangt hätte, wird von den Parteien nicht behauptet und es gibt darauf auch keine Hinweise aus dem Akt. Das Abkommen stellt nicht darauf ab, ob das Auslandsvermögen zuletzt einem bestimmten Unternehmen (mit Sitz in einem beteiligten Staat) zur Nutzung überlassen oder zugeordnet wurde. Auch eine andere Einschränkung der darin vereinbarten Wirkungen lässt sich dem Abkommen nicht entnehmen, sodass die betroffenen Staaten in Bezug auf ausländisches Eigentum der ehemaligen UdSSR, darunter auch die gegenständliche Liegenschaft, in die Rechtsposition der UdSSR eintraten und somit anteiliges (Mit-)Eigentum am erfassten Auslandsvermögen entstand (Schweisfurth, VIZ 1998, 57 [63]).

[39] Dass eine Aufteilung des Eigentums in natura weiteren Regelungen vorbehalten (Art 4) und mit der Regelung von Fragen der Realisierung des Abkommens eine Kommission beauftragt (Art 6) wurde, hindert diese Rechtswirkungen nicht, zumal jeder Partei bereits aufgrund des Abkommens das Recht auf selbständigen Besitz, Nutzung und Verfügung über den ihr zustehenden und zugeteilten fixierten Anteil zukommen sollte (Art 3).

[40] In Bezug auf die hier streitgegenständliche Liegenschaft ändert auch das Abkommen zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine über die gegenseitige Anerkennung der Rechte und die Regelung der Eigentumsverhältnisse vom 15. Jänner 1993 (./DD) nichts, sodass die Frage, ob dieses Abkommen überhaupt ratifiziert wurde, nicht von Relevanz ist. Dieses Abkommen würde nach seinem Art 1 lediglich die Anerkennung von auf den Territorien der Parteien befindliches Vermögen betreffen und nimmt die im Vertrag vom 4. Dezember 1991 angegebenen Aktiva ausdrücklich aus. Die gegenständliche Liegenschaft war allerdings staatliches Eigentum der UdSSR, das dem genannten Vertrag vom 4. Dezember 1991 unterliegt, und wäre damit vom genannten Abkommen ohnedies nicht erfasst. Eine Unterscheidung zwischen dem Verwaltungsvermögen („staatliches Eigentum“) und dem nicht unmittelbar zur Aufgabenerfüllung benötigten „Finanzvermögen“ – wie von der Beklagten vertreten (siehe dazu noch unten ErwGr 4.1.2.) – lässt sich keinem der genannten Verträge bzw Abkommen entnehmen. Auch die Konvention über die Staatennachfolge in Bezug auf das Staatseigentum, ‑archive und ‑schulden von 1983, die nach den Präambeln der genannten Verträge bzw Abkommen zum Teil ausdrücklich berücksichtigt wurde, kennt eine solche Unterscheidung nicht (Kau in Vitzthum/Proelß, Völkerrecht8 [2019] 3. Abschnitt Rz 197; Epping in Ipsen, Völkerrecht7 [2018] § 7 Rz 217).

[41] 3.9. Dass die bestehenden völkervertragsrechtlichen Regelungen durch (neue) Staatsverträge zwischen den beteiligten Staaten abgeändert worden wären, wird von den Parteien dieses Verfahrens nicht behauptet und ist dem Akt auch sonst nicht zu entnehmen. Es kam allerdings zu den folgenden Ereignissen, deren völkerrechtliche Auswirkungen zu prüfen sind.

[42] 3.9.1. Vermutlich, weil sich die Verhandlungen der im Abkommen vom 6. Juli 1992 (Art 6) beauftragten Kommission schwierig gestalteten und ihr die konkrete Aufteilung des Auslandsvermögens nicht gelang, wurde die Tätigkeit der Kommission eingestellt und entschieden, die noch offenen Fragen auf bilateraler Ebene zu lösen (Schweisfurth, ArchVR 1994, 99 [121]). Dies gelang aber nur zum Teil. Wohl um den Schwebezustand hinsichtlich des Auslandseigentums der ehemaligen UdSSR zu beenden (Schweisfurth, VIZ 1998, 57 [61]; Schweisfurth, ArchVR 1994, 99 [121]), übernahm die Russische Föderation mit Präsidialdekret vom 8. Februar 1993 „als Fortsetzerstaat der UdSSR“ alle Rechte am beweglichen und unbeweglichen Eigentum der ehemaligen UdSSR, das sich im Ausland befindet, sowie die Erfüllung aller Verpflichtungen, die mit der Nutzung dieses Eigentums verbunden sind; gleichzeitig sollte die Regierung der Russischen Föderation alle Fragen, die mit der Ausführung des Abkommens vom 30. Dezember 1991 verbunden sind, auf bilateraler Ebene entscheiden (Schweisfurth, VIZ 1998, 57 [61]).

[43] 3.9.2. Im Laufe des Jahres 1993 konnten dann mit allen übrigen Nachfolgestaaten mit Ausnahme der Ukraine Abkommen unterzeichnet werden, sodass die jeweiligen Anteile am Auslandsvermögen (entweder endgültig gegen Übernahme der Auslandsschulden durch die Russische Föderation oder zumindest vorläufig bis weitere Regelungen getroffen würden) der Russischen Föderation übertragen wurden (Kembayev, Probleme der Rechtsnachfolge von der Sowjetunion auf die Russische Föderation, ArchVR 2008, 106 [125]; Schweisfurth, VIZ 1998, 57 [61]).

[44] 3.9.3. Die Ukraine lehnte die Übernahme des gesamten Auslandsvermögens und den Standpunkt der Russischen Föderation jedoch konsequent ab und versagte sich einer entsprechenden Zuordnung der Aktiva und Passiva zur Russischen Föderation (Kembayev, ArchVR 2008, 106 [125]), auch wenn sie den Anteil der vorhandenen Auslandsschulden damals nicht bedienen konnte (Kembayev, ArchVR 2008, 106 [126]). Es kam zwar am 9. Dezember 1994 zu einer Unterzeichnung eines bilateralen Abkommens zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine, das aber vom ukrainischen Parlament nicht ratifiziert wurde (Kembayev, ArchVR 2008, 106 [126]), weil es offenbar einen allfälligen Überschuss der Aktiva über die Passiva prüfen wollte (vgl Schweisfurth, VIZ 1998, 57 [62]).

[45] 3.9.4. Diese Auseinandersetzung zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine über das Auslandsvermögen dauerte daraufhin an (Schweisfurth, VIZ 1998, 57 [62]; anders offenbar noch Schweisfurth, ArchVR 1994, 99 [121 f]).

[46] 3.9.5. In einer Verbalnote vom 7. August 2008 teilte das österreichische Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten zur GZ BMeiA‑RU.8.19.01/0022‑I.2/2008 (./B) unter Hinweis auf die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu 5 Ob 152/04w und 5 Ob 238/04t mit, dass aufgrund der aktuellen Staatenpraxis bzw des dadurch geschaffenen Völkergewohnheitsrechts die Russische Föderation nunmehr auch nach Auffassung des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten als Eigentümerin der im österreichischen Grundbuch derzeit noch als Eigentum der UdSSR aufscheinenden Liegenschaften zu betrachten sei und aufgrund der völkerrechtlichen Entwicklungen der letzten Jahre, die die vollständige Identität der Russischen Föderation mit der ehemaligen UdSSR anerkannt hätten, das Eigentum der Russischen Föderation an den Liegenschaften, als deren Eigentümerin im österreichischen Grundbuch noch die UdSSR aufscheine, nunmehr geklärt sei, weshalb es eine entsprechende Berichtigung befürworte.

[47] In der weiteren Verbalnote vom 2. Oktober 2008 ergänzte das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten zur GZ BMeiA‑RU.8.19.01/0035‑I.2/2008 (./C) die vorgenannte Verbalnote und führte jene Staaten an, die nach seiner Auffassung von einer Eigentümerschaft der Russischen Föderation anstelle der UdSSR ausgingen (Dänemark, Deutschland, Finnland, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Schweden, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Vereinigtes Königreich) bzw in denen sich diese Frage (etwa mangels Liegenschaften der ehemaligen UdSSR) nicht stelle (Estland, Frankreich, Lettland, Litauen, Malta).

[48] 3.10. Wie ausgeführt spielt die Staatenpraxis bei der Beurteilung völkergewohnheitsrechtlicher Sachverhalte eine wichtige Rolle und es kann Gewohnheitsrecht, das nicht zwingenden Charakters ist, auch aufgehoben oder geändert werden.

[49] Da es im vorliegenden Fall nur um die Behandlung von Auslandseigentum geht, ist auch nur die diesbezügliche Staatenpraxis relevant; auf die Staatenpraxis in Bezug auf die Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge oder in die Stellung bei internationalen Organisationen kommt es daher nicht an.

[50] Es ist allerdings schon das Vorliegen einer solchen Staatenpraxis, nach der das Auslandseigentum der ehemaligen UdSSR (nur) der Russischen Föderation zufallen soll, fraglich. Eine solche (konkrete) Praxis lässt sich den vorliegenden (völkerrechtlichen) Gutachten nicht entnehmen. Nach den Verbalnoten aus dem Jahr 2008 dürften einige (europäische) Staaten zwar ein Verhalten in diesem Sinn gesetzt haben. Demgegenüber ist aus dem Verhalten der besonders betroffenen Staaten – den Nachfolgestaaten der UdSSR, die ihre Anteile am Auslandsvermögen gegen Übernahme der Auslandsschulden durch die Russische Föderation auch noch nach dem Präsidialdekret vom 8. Februar 1993 an letztere übertrugen – ein gegenteiliges Verhalten ersichtlich, wäre eine solche Vorgehensweise doch ansonsten nicht zu erklären. Die grundsätzliche Anerkennung der Russischen Föderation als „Fortsetzerstaat“ im Bereich des Völkervertragsrechts oder der Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen durch weitere Staaten oder einzelne Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs ist dafür – wie ausgeführt – nicht aussagekräftig. Eine allgemein als Recht anerkannte, das heißt vom Rechtsbewusstsein getragene Übung ist daher nicht ersichtlich.

[51] Selbst wenn man aber von einer solchen Übung ausginge und darüber hinaus annähme, dass die damals bestehenden völkervertragsrechtlichen Regelungen durch eine nachfolgende Staatenpraxis (völkergewohnheitsrechtlich) überhaupt geändert werden könnten (ablehnend etwa Doehring, Völkerrecht2 [2004] Rz 295), ist jedenfalls zu berücksichtigen, dass die Ukraine auch dieser Staatenpraxis (weiterhin) konsequent widersprach, was von der Klägerin im Revisionsverfahren auch gar nicht bestritten wird.

[52] 3.10.1. Das Präsidialdekret vom 8. Februar 1993, in dem seitens der Russischen Föderation erklärt wurde, das Auslandsvermögen als Fortsetzerstaat der UdSSR zur Gänze zu übernehmen, erwähnt selbst das Abkommen vom 30. Dezember 1991 (nach dem jeder beteiligte Staat das Recht auf einen entsprechenden fixierten und gerechten Anteil am Eigentum der ehemaligen UdSSR im Ausland hatte) und trägt der Regierung der Russischen Föderation eine Entscheidung der damit zusammenhängenden Fragen in bilateralen Abkommen auf. Es ist daher schon fraglich, ob es von einer hinreichenden Überzeugung geleitet ist, die bisher getroffenen Regelungen (einseitig) abzuändern. Die Ukraine lehnte den Standpunkt der Russischen Föderation aber jedenfalls konsequent ab (Kembayev, ArchVR 2008, 106 [125]). Es handelte sich damit um einen einseitigen innerstaatlichen Akt ohne völkerrechtliche Auswirkungen (Schweisfurth, VIZ 1998, 57 [62]; unklar – aber in der offensichtlichen Annahme, dass kein Protest erhoben worden sei – noch Schweisfurth, ArchVR 1994, 99 [121]).

[53] 3.10.2. Die Verbalnoten des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten aus 2008 könnten zwar grundsätzlich Teil einer Staatenpraxis sein, die zur Bildung von (bestehendes Völkergewohnheitsrecht änderndem) Völkergewohnheitsrecht führen kann. Auch einer allenfalls solcherart gebildeten Staatenpraxis widersprach die Ukraine jedoch weiterhin konsequent (vgl die im Akt befindlichen Nachweise und zB Artikel vom 1. Juni 2010 „Ukraine besteht auf Anteil an UdSSR-Vermögen“ [abrufbar unter p.dw.com/p/NdoP], Artikel „A pause in talks on Soviet property in The Ukrainian Weekly vom 6. Februar 2011 [abrufbar unter www.ukrweekly.com/archive/pdf3/2011/The_Ukrainian_Weekly_2011-06.pdf ]) oder Artikel von Alexey Uvarov vom 29. November 2022 auf ridl.io [abrufbar unter ridl.io/the-heavy-legacy-of-the-soviet-regime]. Eine völkerrechtliche Wirkung gegenüber der Ukraine kommt daher insofern auch nicht in Betracht. Dafür, dass das Verhalten der Russischen Föderation in Bezug auf Auslandsvermögen der UdSSR fast einheitlich von der übrigen Staatengemeinschaft getragen wurde, was trotz des ständigen Protests zur Bindung auch des persistent objector an Völkergewohnheitsrecht führen könnte (Herdegen, Völkerrecht21 [2022] § 16 Rz 24), finden sich keine Hinweise und es werden auch im Revisionsverfahren keine entsprechenden Behauptungen aufgestellt.

[54] 4. Aus diesen Gründen kam es aufgrund der genannten Verträge und Abkommen in Bezug auf das Eigentum am Auslandsvermögen (letztlich) zu einer Fortsetzung der Rechtsstellung der UdSSR (zumindest) durch die Russische Föderation und die Ukraine (so auch Schweisfurth, VIZ 1998, 57 [63 und 64]). Ob und aufgrund welcher Umstände überdies noch andere Staaten in diese Rechtsstellung eintraten (und diese Rechtsstellung noch innehaben), ist mangels entsprechenden Vorbringens der Parteien nicht zu prüfen (vgl zur allfälligen Relevanz noch unten ErwGr 6.3. und 7.1.). In welchem konkreten Ausmaß die jeweiligen Staaten die Rechtsstellung der UdSSR fortsetzen, ist hingegen irrelevant, weil die Beantwortung der gegenständlichen Rechtsfragen nicht vom jeweiligen Ausmaß des Miteigentumsanteils abhängt.

[55] Den jeweiligen im Revisionsverfahren vertretenen Standpunkten der Streitteile ist darüber hinaus Folgendes zu erwidern:

[56] 4.1.1. Die Klägerin setzt sich mit den geschilderten völkerrechtlichen Verträgen und Abkommen und den daraus ableitbaren Wirkungen nicht näher auseinander, sondern stützt sich im Wesentlichen auf die weitläufig und wiederholt vorgetragene Behauptung, dass der „Zerfall“ der UdSSR nicht als dismembratio, sondern die Russische Föderation vielmehr als mit der UdSSR ident („Fortsetzerstaat“) anzusehen sei. Auf die Qualifikation der Ereignisse nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht kommt es aufgrund der spezifisch das Auslandseigentum getroffenen Regelungen zwischen den betroffenen Staaten aber nicht entscheidend an, sodass insofern auch keine sekundäre Feststellungsmängel vorliegen.

[57] Nicht ersichtlich ist die Relevanz der Frage, ob die Russische Föderation (auch) die Auslandsschulden „übernommen“ und gezahlt hat, die nach dem Aufteilungsschlüssel auf die Ukraine entfielen. Soweit die Klägerin ihre Relevanz aus den Verbalnoten aus dem Jahr 2008 ableitet (weil die darin geäußerte Rechtsansicht auf die gänzliche Zahlung der Auslandsschulden der ehemaligen UdSSR gestützt werde) ist der Grund für diese – ohnedies nicht mit völkerrechtlichen Wirkungen verbundene (oben ErwGr 3.10.2.) – Äußerung nicht erheblich. Auch insofern ist die Feststellungsgrundlage daher nicht mangelhaft.

[58] Eine (formelle) Bindung der Gerichte an die genannten Verbalnoten vertritt auch die Klägerin in der Revision nicht. Soweit sie darüber hinaus auch ein einseitiges Rechtsgeschäft in Form einer völkerrechtlichen Anerkennung annimmt, die alle Organe eines Staats binde, steht dies im Widerspruch zum Inhalt dieser Verbalnoten. Darin werden lediglich (geänderte) völkerrechtliche Einschätzungen mitgeteilt, sodass ein für das Entstehen völkerrechtlicher Pflichten erforderlicher Verpflichtungswille Österreichs darin nicht zum Ausdruck kommt. Es besteht daher auch keine „faktische Bindung“ an diese Verbalnoten.

[59] 4.1.2. Die von der Beklagten behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[60] In der Rechtsrüge macht die Beklagte geltend, dass die gegenständliche Liegenschaft nicht als „echtes“ Auslandsvermögen anzusehen sei, weil es einem Unternehmen gedient habe, das seinen Sitz in der Ukraine gehabt habe. Als solches Vermögen sei es nach dem Abkommen vom 15. Jänner 1993 zur Gänze Eigentum der Ukraine geworden. Dieses Abkommen nimmt – wie ausgeführt (oben ErwGr 3.8.) – jene Aktiva der UdSSR vom Anwendungsbereich aus, die im Vertrag vom 4. Dezember 1991 angegeben sind. Dieser Vertrag bezeichnet als Aktiva allerdings das „unbewegliche und bewegliche staatliche Eigentum“ der UdSSR außerhalb der Staatsgrenzen ihres Territoriums (Art 1 Abs 2). Nach der (im vorliegenden Verfahren mittels Sachverständigen-gutachten ermittelten) Rechtslage der UdSSR, die von der Beklagten nicht in Frage gestellt wird, fiel darunter auch die streitgegenständliche Liegenschaft. Die von der Beklagten vertretene Einschränkung bloß auf solches Eigentum der UdSSR, das nicht einem bestimmten Unternehmen zugeordnet ist, lässt sich dem Vertrag vom 4. Dezember 1991 nicht entnehmen.

[61] Auch „Billigkeitserwägungen“ nach Art 18 Abs 1 lit b der Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Staatsvermögen, ‑archive und ‑schulden von 1983 führen nicht zum alleinigen Eigentum der Ukraine, weil die beteiligten Staaten vertragliche Regelungen trafen, die dem – mit der Konvention kodifizierten – Völkergewohnheitsrecht vorgehen (vgl auch Art 14 Abs 1, Art 15 Abs 4, Art 17 Abs 1 und Art 18 Abs 1 der Konvention).

[62] 4.2. Als Zwischenergebnis lässt sich daher festhalten, dass infolge der völkervertraglich vereinbarten anteiligen Fortsetzung der Eigentümerstellung der ehemaligen UdSSR (jedenfalls) die Russische Föderation und die Ukraine Miteigentümer der streitgegenständlichen Liegenschaft sind.

[63] 4.3. Die Beklagte zog die Beurteilung des Erstgerichts, die SDP habe weder durch Bauführung noch auf andere Art Eigentum erworben, zwischen der UdSSR und der SDP habe kein Rechtsverhältnis wie ein Treuhand- oder Mietvertrag bestehen können und die Beklagte habe auch keinen Anspruch auf Ersatz der eingewendeten Gegenforderungen, schon in der Berufung nicht in Zweifel und thematisiert diese Fragen auch im Revisionsverfahren nicht weiter, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

[64] 5. Für die von der Beklagten gestellten Zwischenanträge auf Feststellung folgt daraus:

[65] 5.1. Ausgehend von diesem Ergebnis ist die Abweisung des Zwischenfeststellungsantrags der Beklagten auf Feststellung, dass die Klägerin nicht Eigentümerin der Liegenschaft sei, zu bestätigen, weil letztere jedenfalls als (Mit-)Eigentümerin anzusehen ist.

[66] Da sie jedoch nicht Alleineigentümerin ist, kommt dem hilfsweise gestellten Zwischenantrag Berechtigung zu. Eine solche Feststellung ist nach der Rechtsprechung zulässig (RS0010338); dabei nicht über eine (Rechts-)Tatsache entschieden wird, sondern Rechtsverhältnisse zwischen den Parteien klargestellt werden (10 Ob 36/16s [ErwGr 4.2]).

[67] Da der weitere Zwischenantrag auf Feststellung hilfsweise gestellt wurde, ist demnach über ihn nicht mehr zu entscheiden.

6. Für das Klagebegehren folgt daraus:

[68] 6.1. Jedem Teilhaber einer Gemeinschaft steht das Recht zu, die zur Wahrung des Gesamtrechts erforderlichen Rechtsbehelfe zu ergreifen, deren es zur Wahrung seines Anteilsrechts bedarf; der Gegner kann sich einer derartigen Klage gegenüber nicht darauf berufen, dass der Kläger allein zur Geltendmachung dieser Ansprüche nicht befugt sei (RS0013417; siehe auch RS0013226). Die Aktivlegitimation der Klägerin ist daher gegeben.

[69] 6.2. Aus einer Berechtigung der Klägerin zur Erhebung der Räumungsklage folgt aber nicht, dass in allen Fällen auch die Übergabe des geräumten Objekts an sie allein zu erfolgen hat. Dazu bedürfte es eines Rechtstitels ihrerseits, der hier weder behauptet wird, noch sonst ersichtlich ist, stützte die Klägerin ihr Begehren doch lediglich auf ihr Alleineigentum. Fehlt ein solcher besonderer Rechtstitel sind vielmehr die Miteigentümer insgesamt berechtigt, weshalb im Übergabebegehren sämtliche Miteigentümer als daraus Berechtigte zu nennen wären (RS0013226 [T4]). Da die Klägerin nicht Alleineigentümerin der Liegenschaft ist, kann sie die begehrte Übergabe an sich selbst somit nicht verlangen. Die Abweisung des von der Klägerin gestellten Hauptbegehrens durch die Vorinstanzen ist daher im Ergebnis zu bestätigen.

[70] 6.3. Die Klägerin erkannte dieses Problem auch und stellte hilfsweise ein Begehren auf Räumung schlechthin. Einem solchen Begehren steht nach der gefestigten Rechtsprechung aber entgegen, dass die Räumung im Sinn des § 349 EO von der Übergabe der geräumten Liegenschaft an den betreibenden Gläubiger nicht getrennt werden kann (RS0013226 [T2]).

[71] Eine Abweisung des Eventualbegehrens kommt in diesem Stadium jedoch nicht in Betracht, weil die Klägerin diese Rechtslage erkennbar übersehen hat und sie mit ihr bislang auch nicht erörtert wurde. Ihr ist somit zunächst Gelegenheit zu geben, Tatsachenvorbringen zu den (neben der Russischen Föderation und der Ukraine) allenfalls weiteren vorhandenen Berechtigten zu erstatten und das Eventualbegehren dementsprechend zu modifizieren (vgl 10 Ob 53/08d). Zu diesem Zweck sind die Entscheidungen der Vorinstanzen, soweit sie das Eventualbegehren betreffen, aufzuheben.

[72] 7.1. Im fortgesetzten Verfahren wird daher eine entsprechende Erörterung zu den insgesamt Berechtigten und der Formulierung des Eventualbegehrens stattzufinden haben. Aufgrund des dann allenfalls erstatteten Tatsachenvorbringens der Klägerin zu den vorhandenen Berechtigten wird das Erstgericht Feststellungen darüber zu treffen haben, welche Staaten – allenfalls über die Russische Föderation und die Ukraine hinaus – als (Mit‑)Eigentümer der streitgegenständlichen Liegenschaft anzusehen sind. Abhängig von einer Modifizierung des Klagebegehrens durch die Klägerin ist sodann zu prüfen, ob darin alle materiell Berechtigten genannt sind, in welchem Fall dem Klagebegehren stattgegeben werden kann. Werden nicht alle Berechtigten genannt, wird auch dieses Begehren abzuweisen sein.

[73] 7.2. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 3 ZPO.

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