OGH 10ObS33/23k

OGH10ObS33/23k25.4.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Dr. Annerl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Maria Buhr (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. E*, vertreten durch Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1030 Wien, Haidingergasse 1, vertreten durch die Dr. Modelhart & Partner Rechtsanwälte GesbR in Linz, wegen Kostenerstattung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Dezember 2022, GZ 11 Rs 78/22 b‑57, womit das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 1. August 2022, GZ 14 Cgs 199/19z‑52, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:010OBS00033.23K.0425.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Sozialrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 418,78 EUR (darin 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Gegenstand des Verfahrens ist der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Kosten einer Behandlung mit dem Medikament „Ig VENA“.

[2] Nach insgesamt vier fehlgeschlagenen Versuchen einer In-vitro-Fertilisation wurde der Klägerin Ig VENA verordnet.

[3] Ig VENA ist ein wissenschaftlich anerkanntes und regulatorisch gut positioniertes Präparat, das in Österreich zur Anwendung im Rahmen einer Substitutionsbehandlung bei primären Immunmangelkrankheiten mit eingeschränkter Antikörperproduktion sowie sekundären Immunmangelerkrankungen und zur Immunmodulation bei primärer Immunthrombozytopenie, Erkrankungen des peripheren Nervensystems sowie dem Kawasaki‑Syndrom zugelassen ist. Diese Krankheiten liegen bei der Klägerin nicht vor. Es liegt keine Zulassung für Autoimmunerkrankungen und alloreaktive Situationen sowie für die Verbesserung von Fertilität und Schwangerschaftsverlauf vor.

[4] Bei der Klägerin lagen eine primäre Sterilität, eine latente humorale, isoliert das Mannose bindende Lectin (MBL) betreffende, primäre Immundefizienz sowie eine autoimmune Hyperthyreose vor, weiters hinsichtlich einer möglichen Schwangerschaft die Neigung zu habituellem Abort. Bei primärer Sterilität, wie bei der Klägerin vorgelegen, wurde zudem eine latente humorale primäre Immundefizienz Lectin betreffend festgestellt, aber auch eine erhöhte Anzahl von uterinen natürlichen Killerzellen. In der Literatur werden diese Auffälligkeiten mit wiederkehrendem Implantationsversagen assoziiert. Wissenschaftliche Studien liefern Hinweise, dass eine intravenöse Behandlung mit Ig VENA eine immunmodulierende Funktion hat und die Aktivität der uterinen natürlichen Killerzellen in der Gebärmutterschleimhaut abschwächt. Aufgrund dieser Erkenntnisse ist die Anwendung von Ig VENA bei rekurrentem Implantationsversagen und wiederholtem Abortusgeschehen eine seit Jahren gelebte Praxis in sehr vielen Fertilitätszentren national und international. Da die bisherige wissenschaftliche Datenlage jedoch kontroversiell ist, hat die systematische Anwendung von Ig VENA bei rekurrentem Implantationsversagen und wiederholtem Abortusgeschehen noch nicht Eingang in die Leitlinien zu deren Behandlung gefunden.

[5] Aufgrund der klinisch nur latent ausgeprägten (MBL-)Immundefizienz und der autoimmunen Hyperthyreose bestand bei der Klägerin keine Behandlungsnotwendigkeit.

[6] Aufgrund der immunologischen Abweichungen war bei der Klägerin trotz guter Eizellqualität eine Schwangerschaft allein mit In-vitro-Fertilisation nicht zu erzielen. Wegen der immunologischen Abweichungen war die bei der Klägerin konkret durchgeführte Behandlung mit Ig VENA aus medizinischer Sicht indiziert und gerechtfertigt. Diese Behandlung führte auch zu einer insgesamt erfolgreichen Schwangerschaft. Erfolgversprechende (zulässige) alternative Behandlungsmethoden bestanden keine.

[7] Sämtliche Behandlungen erfolgten nach dem positiven Schwangerschaftstest vom 10. Jänner 2019.

[8] Mit Bescheid vom 26. Juli 2019 lehnte die beklagte Österreichische Gesundheitskasse den Antrag der Klägerin vom 16. Mai 2019 auf Erstattung der Kosten für die Behandlung mit dem Präparat Ig VENA im Zeitraum Jänner bis Mai 2019 ab.

[9] Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Erstattung des Kostenbetrags von insgesamt 5.448 EUR. Der Versicherungsfall der Krankheit liege vor, weil durch die Behandlung mit Ig VENA einer bei der Klägerin vorliegenden Antikörperstörung begegnet worden sei. Die Kriterien des § 133 ASVG für eine Kostenerstattung seien erfüllt, zumal die Behandlung alternativlos und auch erfolgreich gewesen sei.

[10] Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die Gabe von Ig VENA stelle hier bloß eine Vorbereitungs- und Begleitbehandlung zur In-vitro-Fertilisation dar; dies sei jedoch keine Krankenbehandlung. Zudem erfülle die Therapie mit Ig VENA aus medizinischer Sicht nicht die Vorgaben des § 133 ASVG. Der Höhe nach stehe der Klägerin jedenfalls nur eine Kostenerstattung von insgesamt 2.357,88 EUR zu.

[11] Das Erstgericht wies die Klage ab. Die In-vitro-Fertilisation sei keine Krankenbehandlung. Dies müsse umso mehr für die diese vorbereitenden und begleitenden Maßnahmen gelten. Die Leiden der Klägerin selbst seien zwar als Krankheit zu qualifizieren. Durch die Behandlung mit Ig VENA sei es aber zu keiner Besserung des Gesundheitszustands der Klägerin gekommen und sei keines der in § 133 Abs 2 Satz 2 ASVG genannten Ziele erreicht worden, weshalb streng genommen bereits die Behandlungsfähigkeit zu verneinen sei. Bejahe man hingegen die Behandlungsbedürftigkeit, lägen die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme in Bezug auf die gewählte Außenseitermethode nicht vor. Die letzte In-vitro-Fertilisation sei zwar erfolgreich gewesen; es stehe aber insbesondere nicht fest, dass die Gabe von Ig VENA tatsächlich kausal für die Schwangerschaft gewesen sei oder ob sie die Zeit zum Behandlungserfolg verkürzt habe.

[12] DasBerufungsgericht sprach die Wirkungslosigkeit des Ersturteils im Umfang der abweislichen Entscheidung über das in der Berufungsverhandlung eingeschränkte Kostenerstattungsbegehren von 3.090,12 EUR aus und änderte das Ersturteil im Übrigen dahin ab, dass es die Beklagte zur Erstattung der Kosten der Behandlung mit dem Medikament Ig VENA im Ausmaß von insgesamt 2.357,88 EUR verpflichtete.

[13] Es ging – zum Teil abweichend von den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen – vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt aus.

[14] Grund für die Behandlung mit Ig VENA sei nicht die bei der Klägerin vorgenommene In-vitro-Fertilisation als solche gewesen, sondern deren immunologische Abweichungen und damit ein regelwidriger Körperzustand. Sämtliche Behandlungen mit Ig VENA seien nach dem positiven Schwangerschaftstest durchgeführt worden und hätten daher zwangsläufig den Zweck gehabt, eine Abstoßung des Embryos infolge des regelwidrigen Körperzustands der Klägerin zu verhindern. Diese seien auch erfolgreich gewesen und hätten im Ergebnis zur Geburt eines (gesunden) Kindes geführt. Da eine erfolgversprechende alternative Behandlungsmethode nicht zur Verfügung gestanden und die grundsätzliche Wirtschaftlichkeit der Behandlung von der Beklagten im gesamten Verfahren (zu Recht) nicht in Zweifel gezogen worden sei, lägen alle Voraussetzungen für eine Kostenerstattung dem Grunde nach vor. Das von der Klägerin im Berufungsverfahren aufrecht erhaltene Kostenerstattungsbegehren von 2.357,88 EUR sei der Höhe nach unstrittig, weshalb ihr in diesem Umfang eine Kostenerstattung zustehe.

[15] Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil eine aufgrund eines regelwidrigen Körperzustands erforderliche medikamentöse Behandlung im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation noch nicht Gegenstand höchstgerichtlicher Rechtsprechung gewesen sei.

[16] Dagegen richtet sich die Revisionder Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[17] In der Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[18] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

[19] 1.1. Als aktenwidrig sieht die Beklagte die vom Berufungsgericht getroffene Feststellung an, dass sämtliche Behandlungen nach dem positiven Schwangerschaftstest vom 10. Jänner 2019 erfolgten. Diese Feststellung entspreche nicht dem vom Berufungsgericht zur Begründung herangezogenen Beweisergebnis. Dem angeführten Gutachten sei gerade nicht zu entnehmen, dass am 10. Jänner 2019 bereits ein positiver Schwangerschaftstest bei der Klägerin und nunmehrigen Revisionsgegnerin vorgelegen ist, sondern dass am 10. Jänner 2019 erst der Embryotransfer im Zuge der In-Vitro-Fertilisation erfolgt sei.

[20] 1.2. Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn der Akteninhalt in einem wesentlichen Punkte unrichtig wiedergegeben wird, nicht aber dann, wenn das Gericht aufgrund richtig dargestellter Beweisergebnisse zu Feststellungen oder rechtlichen Schlussfolgerungen in eine bestimmte Richtung gelangt (RS0043324). Abgesehen davon, dass – wie bei der Behandlung der Rechtsrüge zu zeigen sein wird (unten Punkt 2.3.3.) – für das vorliegende Verfahren nicht relevant ist, ob im Zeitpunkt der ersten Infusionsbehandlung bereits ein positiver Schwangerschaftstest vorlag und der Revisionsgrund des § 503 Z 3 ZPO schon aus diesem Grund nicht vorliegt (RS0043265), stützte das Berufungsgericht die als aktenwidrig bezeichnete Feststellung auf die Ausführungen des Sachverständigen im Gutachten ON 16. Damit meinte es erkennbar die Angabe, nach der die erste Infusionsbehandlung mit Ig VENA (am 11. Jänner 2019) nach dem Embryotransfer (am 10. Jänner 2019) in der ersten „Schwangerschaftswoche auf Basis des positiven Schwangerschaftstests“ erfolgt sei. Eine unrichtige Wiedergabe des Akteninhalts ist dabei nicht ersichtlich, sondern handelt es sich dabei und bei der darauf aufbauenden und von der Beklagten ebenfalls bestrittenen Feststellung, dass Zweck der Behandlung gewesen sei, eine Abstoßung des Embryos infolge des regelwidrigen Körperzustands der Klägerin zu verhindern, vielmehr um eine Schlussfolgerung, die den Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit nicht bilden kann (RS0043256).

[21] 1.3. Erwägungen der Tatsacheninstanzen, weshalb ein Sachverhalt als erwiesen angenommen wird, fallen in das Gebiet der – im Revisionsverfahren nicht überprüfbaren (RS0043371) – Beweiswürdigung (RS0043298 [T10]), sodass der Oberste Gerichtshof von den vom Berufungsgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen zum Zweck der Behandlung auszugehen hat.

[22] 2.1. In der Rechtsrüge steht die Beklagte auf dem Standpunkt, dass eine In-vitro-Fertilisation keine Krankenbehandlung iSd § 133 ASVG darstelle und die vorliegende Behandlung eine Vorbereitungshandlung zur anschließenden In-Vitro-Fertilisation gewesen sei. Das werde nicht nur aus dem zeitlichen Ablauf deutlich (Verabreichung von Ig VENA zum Embryotransfer am 10. Jänner 2019), sondern auch daraus, dass eine isolierte Gabe von Ig VENA, also ohne In-vitro-Fertilisation, um damit auf natürlichem Wege eine Empfängnis und eine nachfolgende Schwangerschaft zu bewirken, bei der Klägerin weder angezeigt noch ratsam gewesen wäre.

[23] 2.2.1. Voraussetzung für einen Anspruch aus der Krankenversicherung ist der Eintritt des Versicherungsfalls. Das ist im Versicherungsfall der Krankheit ihr Beginn; Krankheit definiert das Gesetz dabei als regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, der die Krankenbehandlung notwendig macht (§ 120 Z 1 ASVG), durch die wiederum nach § 133 Abs 2 ASVG die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederhergestellt, gefestigt oder gebessert werden sollen. Eine notwendige Krankenbehandlung und damit eine Krankheit in sozialversicherungsrechtlichem Sinn ist nach der Rechtsprechung auch dann anzunehmen, wenn die Behandlung geeignet erscheint, eine Verschlechterung des Zustandsbildes hintanzuhalten (RS0106403). Eine notwendige Krankenbehandlung muss daher nicht die endgültige und vollständige Heilung des Patienten zum Ziel haben; es genügt vielmehr, wenn sie die Besserung des Leidens oder die Verhütung von Verschlimmerungen bezweckt (RS0106245 [T1]).

[24] 2.2.2. Ausgehend davon wurde in der (älteren) Rechtsprechung ein Kostenerstattungsanspruch für die Vornahme einer extrakorporalen Fertilisation (In-vitro-Fertilisation) verneint: Der regelwidrige Körperzustand einer sterilen Frau bestehe nicht im Fehlen einer Schwangerschaft, sondern in der Unfähigkeit zur Empfängnis. Die Behandlung mit dem Zweck der Behebung des medizinischen Konzeptionshindernisses müsse grundsätzlich als Krankenbehandlung im Sinne der Sozialversicherungsgesetze betrachtet werden, was freilich voraussetze, dass es mit begründeter Aussicht auf Erfolg im Sinne einer Wiederherstellung der Konzeptions- bzw Zeugungsfähigkeit behandelbar sei. Der regelwidrige Körperzustand werde durch die In-vitro-Fertilisation aber nicht beeinflusst. Insbesondere würde sich der Gesundheitszustand der Betroffenen – anders als bei der Behandlung eines Zuckerkranken mit Insulin, bei einer Dialysebehandlung bei Niereninsuffizienz, bei Anwendung von Brillen, orthopädischen Schuheinlagen oder Bruchbändern – auch ohne die außerkörperliche Befruchtung nicht verschlechtern (10 ObS 247/98s; 10 ObS 193/98z SSV‑NF 12/153; vgl auch 10 ObS 115/98d SSV‑NF 12/82 [Vorliegen psychischer Probleme infolge auf Zeugungsunfähigkeit des Gatten zurückgehender Kinderlosigkeit] und 10 ObS 2371/96s SSV‑NF 11/2 [von der Betroffenen geltend gemachte Kosten für Fertilisationsmaßnahme als Behandlung des zeugungsunfähigen Mannes]).

[25] 2.2.3. Daraus kann aber – entgegen der von der Beklagten in der Revision vertretenen Rechtsauffassung – nicht geschlossen werden, dass ein Anspruch auf Kostenerstattung bloß deswegen ausscheidet, weil eine Behandlung in einem (zeitlichen oder ursächlichen) Zusammenhang mit einer In-vitro-Fertilisation steht. Ein Kostenersatz ist in diesen Fällen vielmehr nur ausgeschlossen, soweit damit kein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand beeinflusst wird.

[26] 2.2.4. Daran ändert auch das IVF-Fonds-Gesetz nichts, das zwar (unter bestimmten Voraussetzungen) einen Anspruch auf Tragung (von 70 %) der Kosten einer In-vitro-Fertilisation durch den IVF-Fonds regelt. Dieser Anspruch soll erkennbar der Überbrückung einer Deckungslücke in der Krankenversicherung dienen, ging der Gesetzgeber doch davon aus, dass für eine In-vitro-Fertilisation kein Anspruch auf Kostenerstattung aus der Krankenversicherung bestehe (AB 2010 BlgNR 20. GP  2). Dabei legte er der Regelung allerdings die zitierte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zugrunde, sodass daraus kein genereller, über diese Rechtsprechung hinausgehender Ausschluss eines Kostenersatzes abgeleitet werden kann. Vom IVF-Fonds-Gesetz sind vielmehr – entsprechend der zitierten Rechtsprechung nur jene Kosten einer In-vitro-Fertilisation erfasst, die nicht als Krankenversicherungsleistung erstattungsfähig sind, weil dadurch ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand nicht beeinflusst wird.

[27] 2.3. Die vorliegenden Behandlungen beeinflussten jedoch einen regelwidrigen Körperzustand der Klägerin.

[28] 2.3.1. Nach dem vom Berufungsgericht angenommenen Sachverhalt bestand bei der Klägerin (ua) eine immunologische Abweichung, aufgrund derer die Klägerin hinsichtlich einer möglichen Schwangerschaft die Neigung zu habituellem Abort aufwies. Dass (auch) dies ein regelwidriger Körperzustand ist, wird von der Beklagten in der Revision zu Recht nicht in Frage gestellt.

[29] 2.3.2. Das Berufungsgericht ging auf Tatsachenebene weiters davon aus, dass sämtliche gegenständlichen Behandlungen den Zweck hatten, eine Abstoßung des Embryos infolge dieses regelwidrigen Körperzustands der Klägerin zu verhindern. Dies steht im Einklang mit der (weiteren) Feststellung, nach der bei der Klägerin eine erhöhte Anzahl von uterinen natürlichen Killerzellen festgestellt wurde, und der ebenso festgestellten Studienlage, wonach die Behandlung eine immunmodulierende Funktion hat und die Aktivität der uterinen natürlichen Killerzellen in der Gebärmutterschleimhaut abschwächt. Die Behandlung wirkte somit unmittelbar auf den regelwidrigen Körperzustand ein, indem sie die Auswirkungen der immunologischen Abweichungen der Klägerin milderte und der Neigung zum habituellen Abort entgegenwirkte. Die von der zitierten Rechtsprechung bei einer extrakorporalen Befruchtung vermisste Beeinflussung des regelwidrigen Körperzustands ist hier also zu bejahen. Soweit die Revision der Behandlung andere Zwecke oder Wirkungen (Verhinderung eines Einnistungsversagens und Verhinderung von bzw Vorbeugung vor Infekten) zugrunde legt, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

[30] 2.3.3. Entgegen der in der Revision vertretenen Rechtsauffassung kommt es dabei auch nicht darauf an, ob bei Beginn der Behandlung bzw bei der ersten Behandlung bereits ein positiver Schwangerschaftstest oder überhaupt eine Schwangerschaft vorlag, ist damit doch nicht gesagt, dass diese Behandlung nicht gleichermaßen dem Zweck dienen hätte können, einen späteren Abort zu verhindern. Tatsächlich erfolgte die erste Behandlung der Klägerin aber ohnedies – auch nach dem von der Beklagten für die Begründung ihrer Rechtsansicht ins Treffen geführten Sachverständigengutachten – erst nach dem Embryotransfer.

[31] 2.4. Die weitere Beurteilung des Berufungsgerichts, nach dem die vorliegende Behandlung einer zweckmäßigen Krankenbehandlung entsprochen habe und das Maß des Notwendigen nicht überschritten habe, weil eine zumutbare erfolgversprechende Behandlung nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst nicht zur Verfügung gestanden sei, während die hier vorliegende Außenseitermethode bei der Klägerin erfolgreich gewesen sei (vgl dazu RS0102470 [T6]), zieht die Beklagte in der Revision nicht in Zweifel.

[32] 3.1. Die Bejahung des Anspruchs der Klägerin auf Erstattung der geltend gemachten und in ihrer Höhe unstrittigen Kosten durch das Berufungsgericht erfolgte somit frei von Rechtsirrtum. Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

[33] 3.2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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