OGH 4Ob46/23b

OGH4Ob46/23b28.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K* Gesellschaft m.b.H. & Co. KG., *, vertreten durch Gheneff – Rami – Sommer Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei M* GmbH, *, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 34.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 14. Februar 2023, GZ 2 R 9/23t‑11, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00046.23B.0328.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin und die Beklagte sind Medieninhaberinnen von periodischen Druckwerken.

[2] Die Beklagte veröffentlichte auf Seite 19 ihrer Tageszeitung anlässlich der Neugestaltung ihrer Wochenendausgabe eine zweiseitige Eigenwerbung. Mitten in einem Block von Fließtext findet sich der Absatz: In der Mitte zum Herausnehmen gibt es die eigene Sport-Zeitung fürs Wochenende. Mit allen Tabellen und Ergebnissen, den spannendsten Storys und Kommentatoren“.

[3] Die Beklagte veröffentlicht im herausnehmbaren mehrseitigen Sportteil aktuelle Ergebnisse, Tabellen, Rankings, Gesamtwertungen, Berichte über mehrere Sportarten, wie etwa Fußball, Motorsport, Tennis, Schi Alpin, Eishockey, sowie Analysen, Vorberichte, Interviews und Kommentare zu Sportereignissen. Die Tabellen und Ergebnisse decken aber nicht sämtliche Sportarten, Ligen und Länder weltweit ab.

[4] Die Klägerin wollte gemäß § 2 UWG die falsche Behauptung verbieten lassen, dass die Beklagte in Bezug auf Sport alle Tabellen und/oder alle Ergebnisse veröffentliche. Zugleich stellte sie einen Sicherungsantrag zum Unterlassungsbegehren.

[5] Die Vorinstanzen wiesen den Sicherungsantrag ab. Der Durchschnittsadressat erwarte sich von der Beklagten keine vollständige Berichterstattung über sämtliche Ergebnisse von Sportwettbewerben aller Disziplinen weltweit. Vielmehr verstehe er den Tatsachenkern der klar marktschreierischen Behauptung als Hinweis auf eine ausführliche Sportberichterstattung, die die Beklagte nach den bisherigen Ergebnissen des Bescheinigungsverfahrens tatsächlich biete.

[6] Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs will die Klägerin die Erlassung der einstweiligen Verfügung erreichen. Sie zeigt jedoch keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

[7] 1. Die Frage, wie die angesprochenen Verkehrskreise eine Werbeaussage verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist daher nicht erheblich iSd § 528 Abs 1 ZPO, soweit nicht eine krasse Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RS0107771).

[8] 2. Nach Ansicht der Klägerin sind die Vorinstanzen mit ihrer Falllösung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen. Dies trifft jedoch nicht zu.

[9] 2.1. Die Klägerin rügt, dass der Umfang der erwartbaren Sportberichterstattung notorisch sei und vom Rekursgericht bei seiner Entscheidung auch ohne entsprechende Tatsachfeststellungen hätte berücksichtigt werden müssen.

[10] Soweit die Klägerin im Revisionsrekurs konkret mit fehlender Berichterstattung zu Golf und American Football argumentiert, verstößt sie gegen das Neuerungsverbot.

[11] Dass die Beklagte im Sportteil weder die französische Fußballliga Ligue 1 noch Handball abdecke, brachte die Klägerin im Provisorialantrag zwar vor. Die Wirkung einer Reklame auf die breite Masse ist nach ständiger Rechtsprechung aber eine Rechtsfrage (RS0039926). Das Rekursgericht kam in seiner rechtlichen Beurteilung zum Schluss, dass die vom Erstgericht als bescheinigt angesehene Gestaltung des Sportteils der Beklagten die durch ihre Werbung hervorgerufene Erwartung einer ausführlichen Sportberichterstattung erfülle.

[12] 2.2. Die Klägerin argumentiert außerdem, dass der Durchschnittsadressat bei bloß flüchtiger Aufmerksamkeit sehr wohl eine vollständige Berichterstattung über alle Sportereignisse weltweit erwarte. Diese könnte nämlich mit einem erheblichen Aufwand geboten werden.

[13] Zwar ist bei Prüfung der Irreführungseignung jener Eindruck maßgeblich, der sich bei auch nur flüchtigem Lesen für den Durchschnittsinteressenten ergibt, wobei der Ankündigende bei Mehrdeutigkeit der Ankündigung auch die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen muss (RS0043590, vgl auch RS0078624, RS0078428). Jedoch kennt die Rechtsprechung auch marktschreierische Anpreisungen, die von niemandem ernst genommen werden (RS0078301, RS0078274). Voraussetzung ist, dass das Publikum sofort erkennt, dass sie nicht ernst gemeint ist (RS0078248).

[14] Die Vorinstanzen kamen zum Ergebnis, dass kein Leser sich nach Lektüre des Fließtextes erwarte, die Ergebnisse sämtlicher Wettbewerbe aller denkbaren Sportdisziplinen weltweit würden in der wenige Seiten starken Beilage einer Tageszeitung Raum finden. Triftige Gründe, wieso diese Einschätzung verfehlt sei, nennt der Revisionsrekurs nicht.

[15] 2.3. Schließlich vertritt die Klägerin die Ansicht, dass die Vorinstanzen für die Prüfung der Irreführungseignung den falschen Adressatenkreis herangezogen hätten.

[16] Richtig ist zwar, dass sich eine Werbung ausschließlich oder überwiegend an bestimmte Fachkreise wenden kann, sodass es auf deren Verkehrsauffassung ankommt (RS0078425 [T2]). Im vorliegenden Fall spricht die Beklagte mit ihrer Reklame aber nicht gezielt sportbegeisterte Personen an, die Sportereignisse auf der ganzen Welt im Detail mitverfolgen. Sie bewirbt nämlich nicht ein Sportmagazin, sondern eine Tageszeitung, die unter anderem eine Sportbeilage enthält.

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