OGH 10ObS20/23y

OGH10ObS20/23y21.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Schober sowie die fachkundigen Laienrichter Prof. Franz Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Alfred Iser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei B*, vertreten durch Mag. Stephanie Psick‑Göls, Rechtsanwältin in St. Pölten, diese vertreten durch die Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Jänner 2023, GZ 7 Rs 102/22 d‑63, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:010OBS00020.23Y.0321.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Sozialrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen wiesen das Begehren der Klägerin, ihr ab 1. September 2021 die Invaliditätspension in gesetzlichem Ausmaß, in eventu Rehabilitationsgeld zu gewähren, ab.

[2] Die Klägerin genieße keinen Berufsschutz. Da es ihr trotz gesundheitlicher Einschränkungen möglich sei, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (etwa als Hilfskraft in der Textilbranche oder der industriellen Serienfertigung, als Kuvertiererin, Adressenverlagsarbeiterin oder Archivkraft) nachzugehen, liege vorübergehende oder dauernde Invalidität nicht vor.

[3] In ihrer außerordentlichen Revision macht die Klägerin geltend, dass das Berufungsgericht eine Verpflichtung des Erstgerichts, aufgrund eines von ihr vorgelegten Befundberichts die Ergänzung des Gutachtens des unfallchirurgischen Sachverständigen zu veranlassen oder ein Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der inneren Medizin einzuholen, zu Unrecht verneint habe. Zudem hätte das Berufungsgericht den mit ihrer Berufung vorgelegten Ambulanzbrief des orthopädischen Spitals Speising vom 25. Oktober 2022 nicht als unzulässige Neuerung qualifizieren dürfen.

Rechtliche Beurteilung

[4] Damit zeigt die Klägerin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

[5] 1. Den behaupteten Verstoß des Erstgerichts gegen seine Pflicht zur amtswegigen Beweisaufnahme (vgl RIS‑Justiz RS0042477) hat bereits das Berufungsgericht verneint. Der aus einer vermeintlichen Verletzung des § 87 Abs 1 ASGG abgeleitete Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens kann daher nicht neuerlich an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (RS0042963; RS0043061). Anderes könnte nur gelten, wenn das Berufungsgericht die Mängelrüge infolge einer unrichtigen Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften nicht erledigt (RS0043086 [T8]; RS0043144) oder mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte (RS0043086 [T4, T7]; RS0043166). Ein solcher Ausnahmefall lässt sich der Revision nicht entnehmen.

[6] 2. Nach § 482 Abs 2 ZPO sind nur solche Neuerungen zulässig, die sich auf die Berufungsgründe selbst beziehen, nicht aber auf die behaupteten Ansprüche und Gegenansprüche als solche (RS0041812; RS0041965). Das ist bei einer erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz erfolgten Vorlage neuer Befunde über den Gesundheitszustand des Versicherten aber in der Regel der Fall (RS0041812 [T16]; 10 ObS 130/19v; vgl RS0105484). Die Ansicht des Berufungsgerichts, die mit der Berufung erfolgte Vorlage des Ambulanzbriefs vom 25. Oktober 2022 verstoße gegen das Neuerungsverbot, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung. Selbst die Klägerin bringt in der Revision – so wie in der Berufung – vor, dass sich daraus ergebe, ihr sei „nunmehr nach der Operation eine körperliche Arbeit nicht mehr zumutbar“.

[7] 3. Insgesamt wird somit keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt, weshalb die außerordentliche Revision zurückzuweisen ist.

Stichworte