European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0110OS00131.22G.0314.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Suchtgiftdelikte
Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Unterbleiben der Subsumtion des festgestellten Erwerbs und nachfolgender Innehabung von THCA‑ und Delta‑9‑THC‑hältigem Cannabiskraut sowie Amphetamin „für den Eigenkonsum“ (US 9) der Angeklagten * F* und * Fi* auch als Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG und demzufolge auch in den Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnungen) zu diesen Angeklagten sowie der zugleich gefasste, * F* betreffende Beschluss auf Erteilung einer Weisung und Anordnung von Bewährungshilfe aufgehoben und das Verfahren in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Mit der Berufung in Betreff dieser Angeklagten wird die Staatsanwaltschaft auf die Kassation verwiesen.
Der Berufung in Ansehung der Angeklagten N* und P* wird nicht Folge gegeben.
Den Angeklagten * F* und * Fi* fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * F* des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 4 SMG (I./A./) und des „Verbrechens“ (richtig [RIS‑Justiz RS0089903; 12 Os 21/17f vS]: Vergehens; vgl dazu US 23) des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 3 erster Fall SMG (I./B./), * Fi* des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall (I./A./) und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (I./B./), * P* des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit psychotropen Stoffen nach § 30 Abs 1, Abs 2 SMG (II./A./), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 4 SMG (II./B./1./), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3, Abs 3 zweiter Fall SMG (II./B./2./) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 (richtig:) Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (II./B./3./) und * N* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 sechster Fall SMG (III./) schuldig erkannt.
[2] Danach haben – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – * F*, * Fi* und P* zwischen November 2020 und 29. Juni 2021 in G* und andernorts
I./ * F* und * Fi* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter vorschriftswidrig Suchtgift,
A./ zumindest 5,39 Gramm Cannabiskraut (mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 8 % THCA und 0,7 % Delta-9-THC) und 347,1 Gramm Amphetamin (beinhaltend 53,8 Gramm Reinsubstanz) mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt wird, in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge erworben, indem sie es von P* kauften,
wobei * F* an Suchtmittel gewöhnt war und die Tat vorwiegend deshalb beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen;
B./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem sie insgesamt zumindest 392 Gramm Cannabiskraut (mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 8 % THCA und 0,7 % Delta-9-THC) und 492 Gramm Amphetamin (mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 12 %) an zahlreiche im Urteil namentlich genannte sowie unbekannt gebliebene Abnehmer überwiegend gewinnbringend verkauften;
II./ P*
A./ ...
B./ vorschriftswidrig Suchtgift
1./ ...
2./ in einer nicht mehr festzustellenden Zahl an Angriffen anderen in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) um das Fünfzehnfache übersteigenden Menge überlassen, und zwar
a./ zwischen November 2020 und 29. Juni 2021 im Durchschnitt zwei Mal pro Monat * F* und * Fi* insgesamt 1.340 Gramm Cannabiskraut (mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 8 % THCA und 0,7 % Delta-9-THC) und 1.340 Gramm Amphetamin (mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 12 %), indem er die angeführten Suchtmittel um 6 Euro pro Gramm an die Genannten verkaufte;
b./ eine nicht mehr feststellbare Menge Cannabiskraut (mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 8 % THCA und 0,7 % Delta-9-THC), Amphetamin (mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 12 %) und Kokain (mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 30 %), indem er diese an eine unbekannte Anzahl namentlich nicht bekannter Abnehmer verkaufte,
wobei er an Suchtmittel gewöhnt war und die Tat vorwiegend deshalb beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen;
3./ ...
III./ * N* anderen in einer zumindest die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Suchtmittel verschafft, und zwar Cannabiskraut (mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 8 % THCA und 0,7 % Delta‑9‑THC) und Amphetamin (mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 12 %), indem er in Kenntnis des beabsichtigten Suchtgifterwerbs von einer die Grenzmenge übersteigenden Menge den Kontakt zwischen * F*, * Fi* und * P* vermittelte und sie teilweise bei den Beschaffungsfahrten begleitete.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die aus Z 5 und 7 des § 281 Abs 1 StPO zum Nachteil der Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.
[4] Diese blieb den Angeklagten N* betreffend zur Gänze unausgeführt (vgl die in Ansehung der Angeklagten nicht differenzierende Anmeldung des Rechtsmittels sowie den Antrag [ON 207 S 12], „das angefochtene Urteil zu beheben“), in Betreff des P* zu II./A./, II./B./1./ und II./B./3./ und war demgemäß in diesem Umfang schon aus diesem Grund zurückzuweisen (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO). Überdies gehen Unklarheiten des Rechtsmittels in Ansehung der Angeklagten * F*, * Fi* und * P* zu Lasten der Beschwerdeführerin (vgl RIS-Justiz RS0100183).
[5] Soweit hinreichend deutlich („… der Erst-, die Zweit- und der Viertangeklagte durch das Überlassen einer das 25‑fache der Grenzmenge übersteigenden Menge …“; ON 207 S 9), ist dem Rechtsmittel zu erwidern:
[6] Nach seit Jahren gefestigter ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bedarf es für den Erfolg einer gegen einen Freispruch oder (wie hier) die Nichtannahme einer Qualifikation erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde – neben der (zutreffenden) Geltendmachung von Begründungsmängeln zu (sämtlichen) verneinten oder der begehrten rechtlichen Beurteilung entgegenstehenden Tatbestandselementen – auch der (erfolgreichen) Reklamation von Feststellungsmängeln (vgl dazu RIS-Justiz RS0118580) zu jenen Tatbestandsmerkmalen, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält (Z 9 lit a; vgl RIS-Justiz RS0127315).
[7] Diesen Kriterien wird die Beschwerde nicht gerecht, weil sie es unterlässt, einen Feststellungsmangel in Ansehung der für die angestrebte Subsumtion nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG erforderlichen Konstatierungen zu einer auf ein Überschreiten des Fünfundzwanzigfachen der Grenzmenge bezogenen (jeweiligen) Täterintention prozessordnungsgemäß geltend zu machen (vgl erneut RIS-Justiz RS0118580; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600; Hager/Meller/Hetlinger, Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung5 S 80 f [insb 12.a, c, d]). Das – überdies weil Obiges verkennend bloß im Rahmen der Mängelrüge erstattete – Vorbringen, das Erstgericht hätte die jeweiligen Suchtgiftmengen (demgemäß die objektiven Tatbestandsmerkmale) laut („modifizierter“ [vgl ON 204 S 2]) Anklageschrift feststellen „müssen“, genügt diesen Anforderungen nicht.
[8] Eine Erörterung der Mängelrüge (Z 5) erübrigt sich damit (RIS-Justiz RS0130509, RS0117499).
[9] Entgegen der in Ansehung von * F* und * Fi* eine Nichterledigung der Anklage (Z 7) behauptenden Rüge stellt die Nichtannahme des Überlassens größerer Suchtgiftmengen im Zuge ein und desselben Tatgeschehens, wovon mit Blick auf die Feststellungen zur kontinuierlichen Tatbegehung und zum vom Vorsatz umfassten Übersteigen der Grenzmenge auszugehen ist (US 10), den Nichtigkeitsgrund der Z 7 des § 281 Abs 1 StPO nicht her (vgl 11 Os 5/16v; vgl auch RIS‑Justiz RS0117261).
[10] Zudem verkennt die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang, dass § 28 Abs 1 (und Abs 2) SMG eine selbstständig vertypte Vorbereitungshandlung zum Überlassen derselben Suchtgiftmenge nach § 28a Abs 1 fünfter Fall (Abs 2 Z 3) SMG darstellt (siehe dazu die ausdrücklich nach „zum Verkauf bestimmtes Suchtgift“ [US 9] differenzierenden Konstatierungen der Tatrichter in Ansehung des Schuldspruchs zu I./) und in diesem Verhältnis daher stillschweigend subsidiär ist (RIS-Justiz RS0113820 [T7]; zum Ganzen Schwaighofer in WK2 SMG § 28 Rz 28 ff).
[11] Gleiches gilt für den Einwand, das Erstgericht habe die Anklage in Ansehung von I./B./4./ des Anklagetenors (Überlassen einer nicht mehr feststellbaren Menge Cannabiskraut an * G*, ON 150 S 2) nicht erledigt. Gegenstand des Punkts I./B./ der Anklage ist der Vorwurf, die dort genannten Angeklagten hätten „insgesamt zumindest“ 1.877 Gramm Cannabiskraut und 1.928 Gramm Amphetamin an zahlreiche (in den Unterpunkten 1./ bis 7./ teils namentlich genannte) Abnehmer durch gewinnbringenden Verkauf überlassen. Die Anklage wurde diesbezüglich durch den Schuldspruch I./B./ sehr wohl einer vollständigen Erledigung zugeführt (vgl US 2, 9 f). Ein bloß einen Teilakt dieser tatbestandlichen Handlungseinheit (vgl erneut die Feststellungen auf US 10 zur kontinuierlichen Tatbegehung und zum vom Vorsatz umfassten Übersteigen der Grenzmenge) betreffender Freispruch wäre prozessual verfehlt (vgl Lendl, WK‑StPO § 259 Rz 2; RIS-Justiz RS0127374; RS0117261).
[12] Hingegen ist das Vorbringen (der Sache nach aber Z 9 lit a) berechtigt, wonach angesichts des zu * F* und * Fi* konstatierten (von der Anklage umfassten – das Erstgericht ist bloß hinsichtlich geringerer Mengen von auf Inverkehrsetzung gerichtetem Vorsatz ausgegangen) Erwerbs und Besitzes von Amphetamin und Cannabiskraut zum persönlichen Gebrauch (US 9 ff) ein Schuldspruch nach § 27 Abs 1 Z 1 (zu ergänzen: erster und zweiter Fall, Abs 2) SMG zu fällen gewesen wäre.
[13] Eine – aufgrund der Urteilsfeststellungen (ausdrücklich zum „Eigenkonsum“ in objektiver Hinsicht US 9, zur subjektiven Tatseite US 10 f) prinzipiell mögliche – Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst hatte nicht zu erfolgen, weil den genannten Angeklagten im Fall der (intendierten) gesonderten Subsumtion dieser von Punkt I./A./ des Anklagetenors (mit‑)umfassten Taten – dem Schutzzweck des § 262 StPO folgend – zur Sicherung des durch Art 6 Abs 3 lit b MRK garantierten Rechts auf effiziente Verteidigung nach entsprechender Information ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Stellungnahme und allfälligen prozessualen Reaktion einzuräumen ist (RIS-Justiz RS0113755).
[14] Demgemäß war diese Angeklagten betreffend wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.
[15] Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten N* eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten, wovon gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Strafteil von 12 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde und über P* eine (unbedingte) Freiheitsstrafe in Dauer von drei Jahren. Dabei wertete es bei ersterem die einschlägigen Vorstrafen als erschwerend, als mildernd die lange Verfahrensdauer und den untergeordneten Tatbeitrag. Bei P* sah es die einschlägigen Vorstrafen, den raschen Rückfall, die Tatbegehung bei anhängigem Verfahren und das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen als erschwerend, als mildernd das reumütige Geständnis, die lange Verfahrensdauer und das Bemühen um eine Therapie an.
[16] Der Oberste Gerichtshof sieht sich zu der von der Staatsanwaltschaft zu den genannten Angeklagten geforderten Erhöhung der Freiheitsstrafen nicht veranlasst. Die Anklagebehörde kritisiert allgemein die Gewichtung der vom Erstgericht herangezogenen Strafzumessungsgründe, die insoweit einer Korrektur bedürfen, als keine (über‑)lange, im Sinn des § 34 Abs 2 StGB berücksichtigungswürdige Verfahrensdauer zu erkennen ist, und bei P* auch die Sicherstellung von Suchtgift mildernd zu werten ist, verweist auf die Vorstrafenbelastung und die „Vielzahl“ der Angriffe und vermeint überdies, der geständigen Verantwortung P*s dürfe „nur ein sehr geringes Gewicht beigemessen“ werden, weil er „im Lauf des Verfahrens die erworbenen Mengen immer weiter reduzierte[n]“; damit bringt sie kein taugliches Argument für eine Verschärfung des Strafmaßes vor. Auch unter Berücksichtigung generalpräventiver Erwägungen erweisen sich die vom Erstgericht ausgesprochenen Freiheitsstrafen durchaus als angemessen. Angesichts des untergeordneten Tatbeitrags und des längeren Zurückliegens der letzten Verurteilung des N* bedarf es auch nicht der Ausschaltung der diesem gewährten teilbedingten Strafnachsicht.
[17] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)