OGH 11Os125/22z

OGH11Os125/22z31.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kastner als Schriftführer in der Strafsache gegen A* B* und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und Z 2, Abs 4 erster Fall FPG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten E* K* gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 27. Juli 2022, GZ 28 Hv 1/22a‑26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0110OS00125.22Z.0131.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Schlepperei/FPG

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten K* fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen – ua auch einen unbekämpft gebliebenen Schuldspruch des Mitangeklagten B* enthaltenden – Urteil wurde E* K* des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 4 erster Fall FPG (I./), des Verbrechens der Schlepperei nach § 15 StGB, § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall StGB (II./) und des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall StGB (III./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er von März 2022 bis 12. April 2022 in L* und an anderen Orten als Mitglied einer kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Ein- und Durchreise von Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, und zwar die Republiken Österreich und Ungarn (US 5: aus Richtung Serbien), mit dem Vorsatz gefördert bzw zu fördern versucht, A* B* (US 7, 10: und andere Mitglieder der kriminellen Vereinigung) durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, indem B* die Fremden im Auftrag von K* in einem Waldstück in der Nähe von Budapest in sein Fahrzeug aufnahm bzw aufnehmen wollte, um diese bis zur österreichisch-ungarischen Grenze zu transportieren, damit sie diese zu Fuß überqueren, und zwar

I./ Anfang März 2022 einen türkischen Staatsangehörigen,

II./ am 31. März 2022 fünf Fremde, wobei es aufgrund ihres Nichterscheinens am vereinbarten Treffpunkt in Ungarn beim Versuch blieb, und

III./ am 12. April 2022 acht türkische Staatsangehörige.

Rechtliche Beurteilung

 

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*.

[4] Die Mängelrüge macht eine fehlende oder offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der vom Erstgericht zur Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung getroffenen Feststellungen geltend. Indem sie zwar die in den Entscheidungsgründen (US 10) hiefür ins Treffen geführten Beweisergebnisse (nämlich die Aussagen der [geständigen] Angeklagten und geschleppter Personen sowie die professionelle arbeitsteilige Vorgangsweise bei den Schleppungen [US 10]) wiedergibt, sich aber dennoch auf den Standpunkt stellt, es handle sich bei den getroffenen Feststellungen „lediglich um Vermutungen“, spricht sie der Sache nach keinen der Fälle der Z 5 an, sondern wendet sich bloß nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter (§ 258 Abs 2 StPO). Im Übrigen übergeht sie insbesondere den in US 6 konkret dargelegten, arbeitsteiligen Ablauf der Schleppungen und auch dazu konkret angeführte Aussagen und orientiert sich daher nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370).

[5] Der Beschwerde (Z 5 vierter Fall) zuwider sind auch die zur subjektiven Tatseite betreffend die Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung getroffenen Feststellungen durch Verweis auf das äußere Tatgeschehen in Zusammenhalt mit der geständigen Verantwortung (US 9 f) mängelfrei begründet (vgl RIS-Justiz RS0116882).

[6] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) wendet mangelnde Ausführungsnähe der zu II./ inkriminierten Handlung des Mitangeklagten B* (Anfahrt bis zum Treffpunkt in Ungarn zwecks Abholung der zur Schleppung avisierten Fremden) ein. Weiters behauptet sie, dessen „vergebliches Warten“ auf die (tatplangemäß) zur österreichisch-ungarischen Grenze zu befördernden Personen würde einen (bloß) absolut untauglichen Versuch darstellen, zumal nicht bekannt sei, aus welchem Grund die Fremden letztlich nicht am vereinbarten Treffpunkt eingetroffen seien, sie sich (zwischenzeitig) also auch gegen eine Weiterreise entschieden haben könnten. Darauf aufbauend tritt der Beschwerdeführer für die Straflosigkeit seiner „Bestimmung zu dieser [straflosen] Vorbereitungshandlung“ ein (erkennbar gemeint: der Weitergabe des konkreten Transportauftrags und der Koordinaten des Treffpunkts an B* vor dessen Anfahrt von Österreich zum Treffpunkt in Ungarn; vgl US 5 f).

[7] Er erklärt jedoch nicht, weshalb – ausgehend vom konkreten Tatplan (US 5 ff: Schleppung von einreisewilligen, aber nicht zur Einreise nach Österreich berechtigten [zu II./ fünf] Fremden von Serbien über Ungarn nach Österreich auf einer Teilstrecke bzw Etappe im Auftrag einer Schlepperverbindung; vgl dazu etwa 13 Os 27/21a) – die inkriminierte Handlung des Beschwerdeführers die Einreise oder Durchreise der (später) nicht am vereinbarten Treffpunkt in Ungarn angetroffenen Fremden nicht hätte ermöglichen oder erleichtern sollen und weshalb es für die Strafbarkeit des Verhaltens des Rechtsmittelwerbers (oder des Mitangeklagten) darauf ankommen sollte, ob die tatsächliche rechtswidrige Ein‑ oder Durchreise der Fremden (bis nach Österreich oder Ungarn) gelingt (vgl aber RIS‑Justiz RS0127813).

[8] Mit Blick auf § 290 StPO (zur Bekämpfung des Urteils hinsichtlich des Mitangeklagten B* ist der Beschwerdeführer schließlich nicht befugt; Ratz, WK‑StPO § 282 Rz 27) sei zudem angemerkt, dass die Handlung des Mitangeklagten bei wertender Betrachtung ex ante und unter Berücksichtigung der konkreten Vorstellungen des Täters ohne weitere selbständige Zwischenakte (essentielle zeitliche, örtliche oder manipulative Etappen) unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung (Befördern der avisierten Fremden vom Treffpunkt in Ungarn bis zur österreichisch-ungarischen Grenze) hätte einmünden sollen (RIS‑Justiz RS0124906, RS0087986; sachverhaltsmäßig anders gelagert: 12 Os 115/21k, wo auf dem Weg zum Treffpunkt mit den Fremden erst noch Schlepperfahrzeuge anzuschaffen gewesen wären, als das Vorhaben abgebrochen wurde). Aus welchem Grund die Handlung des Mitangeklagten – gemessen am Tatplan und unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls – unter keinen (wie immer gearteten) Umständen zu einer rechtswidrigen Einreise der bereits konkret avisierten Fremden hätte beitragen können (vgl § 15 Abs 3 StGB; RIS‑Justiz RS0098852, RS0090148), ist gleichfalls nicht erkennbar.

[9] Die Sanktionsrüge erblickt in der Verweigerung bedingter Strafnachsicht einen unvertretbaren Verstoß gegen Bestimmungen über die Strafbemessung (Z 11 dritter Fall). Die Nichtgewährung (teil‑)bedingter Strafnachsicht stellt allerdings bloß einen Berufungsgrund dar, sofern die Anwendbarkeit des § 43 (beziehungsweise § 43a) StGB nicht grundsätzlich verneint wurde (RIS‑Justiz RS0099865). Fallkonkret ging das Erstgericht mit dem Hinweis auf die durch Schlepperei bewirkte gesellschaftliche Destabilisierung keineswegs von bei Schlepperei stets unzulässiger bedingter Strafnachsicht aus, sondern verneinte „im gegenständlichen Fall eine (teil‑)bedingte Strafnachsicht sowohl aus spezial- als auch generalpräventiven Gründen“ (US 11).

[10] Dem weiteren Einwand (Z 11 zweiter Fall) zuwider verstößt die erschwerende Wertung des Zusammentreffens dreier Verbrechen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) nicht gegen das Verbot der Doppelverwertung, weil der Umstand mehrfacher Tatbegehung (gerade) kein Tatbestandselement der herangezogenen Qualifikation nach § 114 Abs 4 erster Fall FPG (zu I./ bis III./) oder etwa nach § 114 Abs 3 Z 2 FPG (zu II./ und III./) darstellt, die „Strafdrohung“ (§ 32 Abs 2 StGB; dazu RIS‑Justiz RS0130193) also in keiner Weise bestimmt (15 Os 2/19m).

[11] Mit der Forderung nach Berücksichtigung weiterer Milderungsgründe oder Kritik an unzureichender Gewichtung einzelner Strafzumessungsgründe werden lediglich im Rahmen der Berufung zu behandelnde Bedenken gegen die Sanktionsfindung geltend gemacht (RIS‑Justiz RS0099920; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 728).

[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[13] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte