OGH 13Os104/22a

OGH13Os104/22a21.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Dezember 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Seidenschwann in der Strafsache gegen * W*wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 4. Mai 2022, GZ 50 Hv 7/21p‑166, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00104.22A.1221.000

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen der von A II, III und IV umfassten Taten sowie in den Schuldsprüchen wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB (B) sowie der Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB (C) und des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 StGB (D), in der Subsumtion der vom Schuldspruch A umfassten Taten nach § 148 zweiter Fall StGB sowie in der zum Schuldspruch A gebildeten Subsumtionseinheit, demzufolge auch im Strafausspruch und in den Zusprüchen an die Privatbeteiligten R* M*, * Me* und * F*, soweit der Zuspruch an Letzteren 30.000 Euro übersteigt, aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * W* jeweils eines Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (A) und der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB (B) sowie jeweils eines Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB (C) und des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 StGB (D) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in L* und anderen Orten

(A) mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese um insgesamt mehr als 300.0000 Euro am Vermögen schädigten, und zwar

I) als Geschäftsführer der K* GmbH durch die Vorspiegelung, ein leistungswilliger und leistungsfähiger Bauunternehmer zu sein und diverse Bauwerke zu errichten,

1) vom 13. April 2018 bis zum 19. April 2018 M* und Ma* M* zur Vorauszahlung von insgesamt 241.598,96 Euro, wobei ein Schaden von zumindest 150.000 Euro entstand,

2) vom 10. August 2018 bis zum 31. Oktober 2018 B* und D* L* zur Vorauszahlung von insgesamt 189.725,50 Euro, wobei ein Schaden von zumindest 100.000 Euro entstand,

3) vom 18. Oktober 2017 bis zum 9. April 2019 Mag. * R* zur Vorauszahlung von insgesamt 337.085,58 Euro, wobei ein Schaden von zumindest 150.000 Euro entstand,

4) vom Jahresanfang 2018 bis zum 1. Februar 2019 * F* zur Vorauszahlung von insgesamt 54.600 Euro, wobei ein Schaden von zumindest 30.000 Euro entstand,

5) vom 14. Februar 2018 bis zum 13. März 2018 * K* zur Zahlung von insgesamt 80.000 Euro,

6) C* und R* J* am 20. Februar 2018 und am 26. Juni 2018 zu Vorauszahlungen sowie am 24. Oktober 2018 zur Übernahme von Wechselverbindlichkeiten im Gesamtwert von 207.656,99 Euro, wobei ein Schaden von zumindest 145.000 Euro entstand, und

7) vom 28. Februar 2018 bis zum 18. Februar 2019 * S* zur Zahlung von insgesamt 197.000 Euro, wobei ein Schaden von zumindest 43.000 Euro entstand,

II) durch die Vorspiegelung seiner Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit zur Gewährung von Darlehen, und zwar

1) am 19. Juni 2018 R* M* im Betrag von 3.000 Euro,

2) vom Februar 2019 bis zum 31. Mai 2019 * F* im Betrag von insgesamt 40.747 Euro und

3) im Juli 2018 * Me* im Betrag von 10.000 Euro,

III) als Geschäftsführer der K* GmbH durch Vorspiegelung deren Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit zur Erbringung unternehmerischer Leistungen, nämlich

1) im Herbst 2018 * H* als Verfügungsberechtigten der D* KG zur Errichtung eines Blechdaches im Wert von 3.000 Euro,

2) vom Juli 2018 bis zum Dezember 2018 * B* als Verfügungsberechtigten der Bö* GmbH im Gesamtwert von 21.453 Euro,

3) Ende 2018 * T* zu Elektroarbeiten im Wert von 1.740 Euro und

4) Verfügungsberechtigte einer Werkstätte zur Reparatur eines Fahrzeugs der Type Fiat Ducato im Wert von 1.200 Euro sowie

IV) * Rö* als Verfügungs-berechtigten der Rö* GmbH

a) durch die Vorspiegelung, seine Befugnis als Dienstnehmer zum Wohl der vertretenen Gesellschaft auszuüben, zur Einräumung von Vertretungsmacht für die Rö* GmbH, in deren Namen er sich inkassierte Geldbeträge und Maschinen zueignete und privat verwendete und die er zur unentgeltlichen Verrichtung von Bauarbeiten oder zur Fertigstellung bereits bezahlter Bauvorhaben gegen kein oder ein bloß geringes Entgelt verpflichtete, und zwar

1) am 24. April 2019 durch Zueignung von Akontozahlungen des * S* von zumindest 3.500 Euro,

2) am 17. und am 18. Juni 2019 durch Zueignung von Akontozahlungen der * E* von insgesamt 3.800 Euro,

3) vom März 2019 bis Anfang Juni 2019 durch Errichtung eines Zaunes, einer Dusche und einer Rampe für * Wi* im Gesamtwert von 19.162 Euro,

4) durch Zueignung angemieteter Baumaschinen der Marke Hilti im Gesamtwert von zumindest 6.500 Euro,

5) vom 8. April 2019 bis zum 21. Juni 2019 durch Errichtung einer Stützmauer für die S* GmbH im Wert von 17.820 Euro,

6) am 9. April 2019 durch die Verpflichtung zur Fertigstellung des Bauvorhabens der Mag. * R* im Wert von zumindest 130.000 Euro gegen Zahlung von 30.000 Euro,

7) am 11. April 2019 durch die Verpflichtung zur Fertigstellung des Bauvorhabens von C* und R* J* im Wert von zumindest 220.000 Euro gegen Zahlung von 182.000 Euro und

8) am 13. März 2019 durch die Verpflichtung zur Fertigstellung des Bauvorhabens von * S* im Wert von zumindest 160.000 Euro gegen Zahlung von 46.890 Euro, zudem

b) durch die Vorspiegelung, ein technisch mängelfreies, zum Verkehr zugelassenes Fahrzeug zu verkaufen, zur Überweisung von 5.000 Euro für ein Fahrzeug der Type Fiat Ducato,

wobei er den im Sinn des § 147 Abs 2 StGB schweren Betrug gewerbsmäßig beging,

B) als Geschäftsführer der K* GmbH, mithin als leitender Angestellter (§ 74 Abs 3 StGB) einer juristischen Person, Bestandteile deren Vermögens beiseite geschafft und deren Vermögen wirklich verringert und dadurch die Befriedigung zumindest eines deren Gläubiger vereitelt oder geschmälert, indem er

1) vom Oktober 2017 bis zum 29. Mai 2019 betriebliche Bargeldzahlungen von Kunden von insgesamt 532.000 Euro unter Nichtaufnahme ins buchhalterische Rechenwerk für private Zwecke verwendete,

2) am 31. Dezember 2017 durch Umbuchung von Kundengeld im buchhalterischen Rechenwerk von 106.600 Euro seine bestehenden Gesellschafterschulden verringerte,

3) am 18. Februar 2019 an * Mi* Büromöbel und Geräte um 5.500 Euro veräußerte und den Erlös einbehielt sowie

4) am 21. Jänner 2019 an * Ju* ein Fahrzeug der Type Renault Megane um 5.000 Euro und am 18. Februar 2019 diverse Baustelleneinrichtungen um 4.500 Euro veräußerte und den Erlös für sich behielt,

wobei er durch die Tat einen 300.000 Euro übersteigenden, 653.600 Euro betragenden Schaden herbeiführte,

C) als Geschäftsführer der K* GmbH, mithin als leitender Angestellter (§ 74 Abs 3 StGB) einer juristischen Person, vom März 2017 bis zum 31. Dezember 2017 grob fahrlässig (§ 6 Abs 3 StGB) dadurch, dass er kridaträchtig handelte, die Zahlungsunfähigkeit der K* GmbH herbeigeführt, indem er durch Anstellung des Ing. * We* übermäßigen, mit deren Vermögensverhältnissen oder ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand trieb (§ 159 Abs 5 Z 3 StGB) und Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen zu führen unterließ oder so führte, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erheblich erschwert wurde, und sonstige geeignete und erforderliche Kontrollmaßnahmen, die ihm einen solchen Überblick verschaffen, unterließ (§ 159 Abs 5 Z 4 StGB), und

D) vom Jahresende 2018 bis zum März 2019 als Geschäftsführer der K* GmbH der N* als berechtigtem Versicherungsträger Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung von insgesamt 30.962,21 Euro vorenthalten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, „9“ und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der – wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – teilweise Berechtigung zukommt.

[4] Der Einwand der Verfahrensrüge (Z 3), das Gericht habe für die Hauptverhandlung am 13. April 2021 keine Vorkehrungen getroffen, um potentiellen Zuhörern nach 15:30 Uhr den Zutritt zum Verhandlungssaal zu ermöglichen, entfernt sich von der Aktenlage, wonach das Landesgericht Wiener Neustadt (auch) an diesem Tag von 8:30 Uhr bis 16:00 Uhr geöffnet und in dieser Zeit die Sicherheitsschleuse durch eine Sicherheitskraft besetzt war (ON 1 S 47). Der diesbezügliche Aktenvermerk wurde dem Verteidiger vom Obersten Gerichtshof zur Äußerung zugestellt. Im Rahmen dieser Äußerung wurde die inhaltliche Richtigkeit des Vermerks nicht bestritten. Hinsichtlich der Zeit vom Versperren des Gerichtsgebäudes bis zum Verhandlungsende (16:05 Uhr) fehlt es der Beschwerde schon an einem Vorbringen, wonach es potentiellen Zuhörern möglich gewesen sei, innerhalb dieser minimalen Zeitspanne die obligatorische Sicherheitskontrolle zu absolvieren und den Verhandlungssaal zu erreichen.

[5] Die Vorsitzende hielt (nach Einsichtnahme in die von der Hauptverhandlung angefertigten Aufzeichungen) im angesprochenen Aktenvermerk auch fest, dass sowohl nach den Verhandlungspausen als auch zur Urteilsverkündung die Sache jeweils neu aufgerufen (vgl Danek/Mann, WK‑StPO § 239 Rz 8/1)worden war. Soweit die Rüge ihre Argumentation auf Basis eines anderen Sachverhalts entwickelt, entzieht sie sich demnach einer inhaltlichen Erwiderung. Eine – hier im Rahmen der Äußerung zum in Rede stehenden Teil des Aktenvermerks der Vorsitzenden vorgenommene – Antragstellung einer Prozesspartei an den Obersten Gerichtshof ist der Prozessordnung insoweit fremd.

[6] Im bisher behandelten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher – im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[7] Zutreffend macht hingegen die Rechtsrüge (der Sache nach Z 9 lit a) in Bezug auf die Schuldsprüche B, C und D Rechtsfehler mangels Feststellungen geltend:

[8] Vorweg ist dazu festzuhalten, dass die Tatbeschreibung im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) zwar zur Verdeutlichung der Feststellung entscheidender Tatsachen herangezogen werden, diese aber nicht ersetzen kann (RIS‑Justiz RS0114639).

[9] Nach den Feststellungen zum Schuldspruch wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB (B) wusste der Angeklagte, dass er zahlreiche Gläubiger hatte und dass er durch die Tathandlungen die Befriedigung seiner Gläubiger vereitelte oder schmälerte (US 22).

[10] Der Tatbestand des § 156 Abs 1 StGB setzt aber im Fall einer – wie hier angenommenen – Verantwortlichkeit im Sinn des § 161 Abs 1 StGB in subjektiver Hinsicht (unter anderem) einen auf das Vorhandensein von (hier) Gesellschaftsgläubigern und einen auf deren Schädigung gerichteten Vorsatz voraus, der den Entscheidungsgründen (wie dargestellt) nicht zu entnehmen ist.

[11] In Bezug auf den Schuldspruch wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB (C) traf das Erstgericht keine Feststellungen zur wirtschaftlichen Situation der K* GmbH vor dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Ob der bis zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit getriebene Aufwand durch Anstellung des Ing. * W* zu einem Gehalt von „zumindest“ 2.500 Euro brutto monatlich (US 21) übermäßig war (§ 159 Abs 5 Z 3 StGB), also zu Einkommen und Vermögen des Unternehmens in auffallendem Missverhältnis stand (RIS‑Justiz RS0119792; Kirchbacher in WK2 StGB § 159 Rz 50; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 159 Rz 14; vgl auch RIS‑Justiz RS0118310), lässt sich solcherart nicht beurteilen. Die Urteilsaussage, der Angeklagte habe (als Geschäftsführer der K* GmbH) die „ordentliche Führung einer Buchhaltung“ unterlassen (US 21 [§ 159 Abs 5 Z 4 StGB]), bleibt ohne jeden Sachverhaltsbezug und stellt solcherart ebenfalls keine taugliche Subsumtionsbasis für den Schuldspruch C dar.

[12] Die Subsumtion eines Verhaltens unter § 153c StGB setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass dem Dienstgeber in den betreffenden Beitragszeiträumen überhaupt die jeweiligen Nettolöhne übersteigende Mittel zur Verfügung standen (RIS‑Justiz RS0084575 [T2]; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 153c Rz 14 und 18 f). Dazu trifft das Gericht hinsichtlich des Schuldspruchs D keine Feststellungen.

[13] Hinzugefügt sei, dass eine allfällige Begehung der insoweit in Rede stehenden strafbaren Handlung als Verantwortlicher einer juristischen Person (vgl US 6) rechtsrichtig einen Schuldspruch nach § 153c Abs 1 StGB iVm § 153c Abs 2 StGB nach sich ziehen müsste.

 

Zur amtswegigen Maßnahme:

[14] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem angefochtenen Urteil, wie auch die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend aufzeigt, in den Schuldsprüchen A II bis IV (Z 9 lit a) und in der Subsumtion des zu I festgestellten Sachverhalts (auch) nach § 148 zweiter Fall StGB (Z 10) materielle Nichtigkeit anhaftet, die zum Nachteil des Angeklagten wirkt und daher von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

[15] Nach § 146 StGB ist strafbar, wer mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, jemanden durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet, die diesen oder eine anderen am Vermögen schädigt.

[16] Zum Tatbestandselement der Täuschung einer natürlichen Person (vgl dazu die Konstatierungen auf US 14 [„die Rückzahlung in monatlichen Raten ... zusicherte. Tatsächlich leistete er ...“] und US 18 [„borgte er sich“]) sind den Entscheidungsgründen in Bezug auf den Schuldspruch A II und A III keine Feststellungen zu entnehmen.

[17] Die Feststellungen zum Schuldspruch A IV lassen die erforderliche Verknüpfung zwischen täuschungsbedingtem Irrtum und vermögensschädigendem Verhalten (dazu Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 55) nicht erkennen:

[18] Der Grundtatbestand des Betrugs (§ 146 StGB) setzt voraus, dass der Täter durch Täuschung über Tatsachen auf den Willen des Opfers einwirkt und es durch den solcherart hervorgerufenen Irrtum veranlasst, selbst eine schädigende Vermögensverfügung vorzunehmen. Die Vermögensverschiebung beruht hier also auf einer Handlung des Getäuschten („Selbstschädigungsdelikt“), welche er ohne Täuschung nicht vorgenommen hätte (Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 1 f), wobei die – vom Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz getragene – Täuschungshandlung das für den Taterfolg entscheidende kriminelle Verhalten des Täters ist.

[19] Als Resultat der Täuschungshandlung stellte das Erstgericht die Erwirkung der Vertretungsbefugnis fest (US 21). Diese bedingt aber noch keine (selbstschädigende) Vermögensverfügung des Getäuschten, mag sie dem Angeklagten auch die Gelegenheit zu künftigen (eigenmächtig vorgenommenen) Vermögenstransaktionen geboten haben (vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 54).

[20] Auf der Basis des Urteilssubstrats ist somit eine abschließende rechtliche Beurteilung des dem Angeklagten zu A IV angelasteten Verhaltens nicht möglich.

[21] Die mit Hilfe der verba legalia getroffenen Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit weisen keinen im Sinn der Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0119090) ausreichenden Sachverhaltsbezug auf. Solcherart begründet die Subsumtion des zu A festgestellten Sachverhalts auch unter § 148 zweiter Fall StGB Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO.

[22] Die vom Angeklagten zutreffend geltend gemachte Nichtigkeit und die amtswegige Maßnahme führten – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO, § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

[23] Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.

[24] Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12), gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Für den zweiten Rechtsgang sei hinzugefügt:

[25] Zum Wesen des Betrugs als sogenanntes Selbstschädigungsdelikt wird auf die Darlegungen zur amtswegigen Maßnahme verwiesen.

[26] Keine Vermögensverfügung im dort angesprochenen Sinn stellen Verhaltensweisen dar, die nur ein schädigendes Verhalten erleichtern, aber sonst ohne Auswirkung auf das Vermögen bleiben, auch wenn sie auf einer Täuschung beruhen (Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 54 mwN).

[27] Die Tathandlung (des Sonderdelikts) der Untreue (§ 153 StGB) liegt in einer missbräuchlichen Vornahme oder Unterlassung eines Rechtsgeschäfts oder einer sonstigen Rechtshandlung als Ausübung der dem Machthaber eingeräumten Befugnis (RIS‑Justiz RS0095943). Ein rein faktisches Handeln zum Nachteil des Machtgebers ohne rechtlichen Charakter kommt als Tathandlung der Untreue, selbst wenn es durch einen Machthaber erfolgt, nicht in Betracht (RIS‑Justiz RS0094733 und RS0094545 [T8 und T9], Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 153 Rz 20 und 24).

[28] Das Tatbild der Veruntreuung (§ 133 StGB) ist erfüllt, wenn ein Gut einem anderen ohne Irrtum anvertraut wurde und dieser danach eine Zueignungshandlung setzt (Fremdschädigungsdelikt), während Betrug – wie dargelegt – durch ein täuschungsbedingtes Selbstschädigungsverhalten gekennzeichnet ist. Entscheidend für die diesbezügliche Abgrenzung ist somit, ob der Vermögenswert durch Täuschung erlangt wurde (RIS‑Justiz RS0094589 und RS0094372; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 § 146 StGB Rz 140).

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