OGH 5Ob193/22a

OGH5Ob193/22a21.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W* GmbH, *, vertreten durch Freimüller Obereder Pilz Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei D* AG, *, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, sowie die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. S*, 2. S* GmbH, *, beide vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in Wien, 3. T*, 4. M*, 5. M* GmbH, *, Dritt‑ bis Fünftneben-intervenienten vertreten durch bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH in Wien, 6. V*, 7. R*, 8. V* GmbH, *, 9. A*, Sechts‑ bis Neuntnebenintervenienten vertreten durch die E+H Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.280.864,92 EUR sA über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 26. Juli 2022, GZ 12 R 17/22i‑61, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 26. April 2022, GZ 5 Cg 128/20b‑54, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00193.22A.1221.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen der beklagten Partei die mit 4.283,46 EUR (darin 683,91 EUR USt), der Erst‑ und Zweitnebenintervenientin die mit 4.948,91 EUR (darin 989,78 EUR USt), den Dritt‑ bis Fünftnebenintervenientinnen die mit 4.925,60 EUR (darin 786,44 EUR USt) und den Sechst- bis Neuntnebenintervenientinnen die mit 4.318,86 EUR (darin keine USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrt Schadenersatz aus einem Kartellverstoß der Beklagten. Dem liegt der Beschluss der Europäischen Kommission vom 19. Juli 2016, AT.39824 – Trucks, zugrunde, mit dem ausgesprochen wurde, dass die Beklagte, die Dritt- bis Fünftnebenintervenientin und die Sechst- bis Neuntnebenintervenientin sowie zwei weitere Hersteller – in näher bezeichneten Zeiträumen – durch Absprache der Preisbildung und von Bruttopreiserhöhungen im EWR für LKW der Gewichtsklasse zwischen 6 und 16 Tonnen („mittelschwere LKW“) und über 16 Tonnen („schwere LKW“) den Art 101 AEUV und Art 53 EWR‑Vertrag zuwidergehandelt haben. Das Verfahren betraf Glieder‑ und Sattelzugmaschinen, nicht aber den „After‑Sales‑Bereich“, andere Dienstleistungen und Garantien für LKW, den Verkauf gebrauchter LKW oder sonstiger anderer Güter oder Dienstleistungen. Auch (weiterverkaufte) Aufbauten waren nicht erfasst.

[2] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur die Schlüssigkeit des Klagebegehrens.

[3] Das Erstgericht wies die Klage als unschlüssig ab. Zwischen dem Klagevorbringen, dem Privatgutachten, auf das sich die Klägerin zur Berechnung ihres Schadens berufe, und den weiteren von ihr vorgelegten Urkunden bestünden Widersprüche. Das Privatgutachten habe den tatsächlichen Nettoeinkaufspreis angekaufter LKW herangezogen, nicht hingegen – wie in der Klage behauptet – Gutschriften, Rabatte, zukünftige Servicedienstleistungen, Sonderausstattungen oder etwaige Kosten für Aufbauten herausgerechnet. Diese Daten seien jedoch entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob der Klägerin und der Spedition, die ihr ihre Ersatzansprüche zediert habe, durch das kartellrechtswidrige Verhalten der Beklagten überhaupt ein Schaden entstanden sei. Diese Daten hätte die Klägerin mit zumutbarem Aufwand erheben können.

[4] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es erörterte ausführlich die Schlüssigkeit des (ursprünglichen) Klagebegehrens. Das Vorbringen der Klägerin zu den finalen Nettoeinkaufspreisen sei widersprüchlich. Sie habe zunächst behauptet, gewährte Gutschriften und Rabatte sowie vereinbarte zukünftige Servicedienstleistungen ebenso herausgerechnet zu haben wie die Kosten für Aufbauten. Zu den finalen Nettoeinkaufspreisen habe sie sich auf den Datenanhang 2 zu den eingeholten Privatgutachten berufen. Die dort zu den Fahrzeugen angegebenen finalen Nettoeinkaufspreise seien identisch mit den in den korrespondierenden Originalurkunden ersichtlichen Nettopreisen, obwohl in diesen Originalurkunden Aufbauten und eine Garantieerweiterung enthalten gewesen seien. Damit sei das Vorbringen in sich widersprüchlich, woran auch § 37j KartG in der Fassung des KaWeRÄG 2017 nichts ändern könne. Selbst wenn man von einer Schlüssigkeit des ursprünglichen Klagevorbringens ausgehen wollte, wäre es nachträglich unschlüssig geworden. Das Erstgericht habe dessen Widersprüchlichkeit erörtert, die Klägerin habe dann vorgebracht, „dass die Schadensschätzung durch das Gutachten [...] dergestalt vorgenommen wurde, dass bei LKW, die möglicherweise Aufbauten erhalten haben und bei denen der Preis der Aufbauten nicht gesondert ausgewiesen wurde, der Schaden in Form einer Hochrechnung durch Heranziehung eines bauartgleichen LKW bei einem anderen vergleichbaren Käufer ermittelt wurde und dieser Schadensbetrag in absoluten Euro‑Beträgen in das Gutachten aufgenommen wurde“. Damit habe die Klägerin einen mit statistischen Methoden ermittelten (Durchschnitts‑)Preis bzw den von anderen Kunden bezahlten Preis behauptet, wobei auch diese Behauptung durch den Inhalt der Privatgutachten widerlegt und unschlüssig sei. Auf welche konkreten LKW sich diese Behauptung beziehe, sei nicht ausreichend erkennbar. Damit fehle die Behauptung des für die Berechnung der Schadenshöhe wesentlichen Bezugspunktes des für die vom Kartell betroffenen LKWs tatsächlich aufgewendeten Betrags.

[5] Die Revision ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, zum Einfluss von Urkunden und zur Grenzziehung der Zulässigkeit der Verwendung von Schätzungen bei der Ermittlung des tatsächlich bezahlten Kaufpreises bei der schadenersatzrechtlichen Beurteilung von Kartellverstößen sei eine Klarstellung des Obersten Gerichtshofs geboten.

[6] Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, in der sie die Abänderung im Sinn einer vollinhaltlichen Klagestattgebung, hilfsweise eine Aufhebung und Zurückverweisung an das Erstgericht anstrebt.

[7] Die Beklagte sowie die Nebenintervenientinnen beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die Revision ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts – nicht zulässig, sie kann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen.

[9] 1. Die Schlüssigkeit einer Klage kann nur anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden; ob eine Klage schlüssig ist, sich also der Anspruch aus dem behaupteten Sachverhalt ergibt, kann daher grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO sein (RIS‑Justiz RS0037780). Nur eine auffallende Fehlbeurteilung der Schlüssigkeit durch das Berufungsgericht könnte die Zulässigkeit der Revision begründen (RS0116144; RS0037780 [T4]). Eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor. Die vom Berufungsgericht in der Zulassungsbegründung angesprochenen Rechtsfragen sind durch höchstgerichtliche Rechtsprechung bereits geklärt.

[10] 2. Schlüssig ist eine Klage, wenn sich aus den behaupteten Tatsachen die begehrte Rechtsfolge ableiten lässt. Auch ein ursprünglich schlüssiges Klagevorbringen kann durch eine unsubstanziierte Klageeinschränkung, aufgrund derer die geltend gemachten näheren Ansprüche nicht mehr im Einzelnen ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sind, unschlüssig werden (RS0037780 [T6]). Zu Schadenersatzansprüchen aus Kartellverstößen hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Wettbewerbsregeln des nationalen Rechts und des Unionsrechts neben wettbewerbsrechtlichen Zwecken auch den Zweck haben, Übervorteilungen von Marktteilnehmern durch Absprachen von Kartellanten zu verhindern, weshalb sie Schutzgesetze im Sinn des § 1311 ABGB sind (8 Ob 81/13i mwN). Auch bei Verletzung eines Schutzgesetzes hat der Geschädigte aber den Eintritt des Schadens und dessen Höhe zu behaupten und zu beweisen (3 Ob 1/12m; 8 Ob 81/13i).

[11] 3. Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung ist die Frage nach einer allfälligen Beweiserleichterung für die Klägerin von der Notwendigkeit zu trennen, schlüssige Behauptungen über den anspruchsbegründenden Sachverhalt aufzustellen (3 Ob 1/12m mwN). Zur Feststellung und Ermittlung eines in Geld zu ersetzenden Vermögensschadens ist die Vermögenslage, in der sich der Beschädigte infolge der erlittenen Beschädigung befindet, mit jener Lage zu vergleichen, in der er sich ohne das schädigende Ereignis befände (RS0022818; RS0022834). Dazu bedarf es daher entsprechender Behauptungen. Eine objektiv‑abstrakte Schadensberechnung bei einem auf Kartellverstoß gestützten Schadenersatzanspruchs scheidet jedenfalls dann aus, wenn der Schaden nicht als Sachschaden auftritt, sondern im Entstehen einer Verbindlichkeit besteht (3 Ob 1/12m mwN).

[12] 4. Zu der vom Berufungsgericht genannten Frage des Einflusses von Urkunden auf die Schlüssigkeit des Klagevorbringens ist auf die Rechtsprechung zu verweisen, wonach Urkunden bloße Beweismittel sind. Sie sind kein Prozessvorbringen und können ein solches nicht ersetzen (RS0037915). Im Einzelfall kann der Verweis auf vorgelegte Urkunden (wie etwa Honorarnoten eines Rechtsanwalts) im Vorbringen ausreichend sein, die einzelnen Positionen und die ihnen zugeordneten Beträge müssen dann nicht in der Klageerzählung ziffernmäßig angeführt werden (RS0037915 [T4]). Urkunden können dann von Einfluss auf die Schlüssigkeit des Parteivorbringens sein, wenn ihr Inhalt damit in unlösbarem Widerspruch steht (vgl RS0017844; 7 Ob 148/08b). Dies muss insbesondere für den Fall gelten, in dem ein Verweis auf vorgelegte Urkunden im Vorbringen (wie hier auf das Privatgutachten) im Einzelfall als ausreichend gewertet wird. Warum diese allgemeingültigen Grundsätze – die das Berufungsgericht zutreffend referierte – auf Schadenersatzansprüche wegen Verstoßes gegen das KartG nicht anzuwenden sein sollten, ist nicht zu erkennen. Auf § 37j Abs 1 KartG idF KaWeRÄG 2017, wonach es in Verfahren, die Ersatzansprüche aus einer Wettbewerbsrechtsverletzung zum Gegenstand haben, ausreicht, wenn die Klage zumindest soweit substanziiert ist, als diejenigen Tatsachen und Beweismittel enthalten sind, die dem Kläger mit zumutbarem Aufwand zugänglich sind und die die Plausibilität eines Schadenersatzanspruchs ausreichend stützen, geht die Revision nichtein.

[13] 5.1. Auch zur weiteren Zulassungsfrage der Zulässigkeit der Verwendung von Schätzungen bei der Ermittlung des tatsächlich bezahlten Kaufpreises bei schadenersatzrechtlicher Beurteilung von Kartellverstößen, liegt höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. In der Entscheidung 3 Ob 1/12m hat der Oberste Gerichtshof – ebenso bei auf Kartellverstöße gestützten Schadenersatzansprüchen – die Auffassung der Vorinstanzen, die Schadensberechnung verlange die Behauptung der „historischen“ von der Klägerin bezahlten Preise, als nicht korrekturbedürftig angesehen und daher die – vom dortigen Berufungsgericht mit ähnlicher Begründung zugelassene – Revision zurückgewiesen. Erst diese Preise können die Grundlage für die Berechnung des absoluten Betrags eines Kartellaufschlags bilden. Auch dort hatte sich die Klägerin auf eine Schätzung der Errichtungs‑ und Wartungspreise im Zusammenhang mit dem zu beurteilenden Aufzugskartell als Grundlage für die Berechnung ihres Schadens berufen.

[14] 5.2. In der ebenfalls Kartellschadenersatz betreffenden Entscheidung 8 Ob 81/13i nahm der 8. Senat darauf Bezug, erachtete das Vorbringen aber als ausreichend schlüssig, weil die Klägerinnen die „historischen“ von ihnen bezahlten Preise bestimmt behauptet hatten.

[15] 5.3. Der 9. Senat befasste sich zu 9 Ob 86/19s mit einer ebenfalls auf einen Verstoß im Zusammenhang mit dem Aufzugskartell gestützten Schadenersatzklage. Dort wurde der Schadenersatzanspruch des klagenden Bundeslandes daraus abgeleitet, dass es Gesamtbaukosten der jeweiligen Projekte mit einem bestimmten Prozentsatz gefördert habe, die Förderdarlehen seien um den Kartellzuschlag überhöht gewesen. Der 9. Senat verlangte – neben der Aufschlüsselung der Lieferkosten der einzelnen Anlagen – konkretes Vorbringen zur Höhe der jeweiligen Förderung und erachtete den Verweis auf die jeweiligen Landesgesetze als unzureichend, weil entgegen der Behauptung der Erstklägerin die Höhe der Förderung daraus nicht eindeutig abzuleiten war. Konkretes Vorbringen wurde auch zur Höhe des geltend gemachten Zinsschadens ausgehend vom überhöhten Förderbetrag gefordert.Indem der 9. Senat präzise aufgeschlüsseltes Vorbringen zur Schadenshöhe verlangte und sich nicht mit einem Verweis auf die Bandbreite laut Fördergesetzen begnügte, orientierte sich auch diese Entscheidung an den zu 3 Ob 1/12m aufgestellten Voraussetzungen für eine schlüssige Schadensbehauptung im Fall bloßen Vermögensschadens bei einem Kartellverstoß.

[16] 6.1. Die Entscheidung des Berufungsgerichts folgt diesen in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung vorgegebenen Grundsätzen und bedarf daher keiner Korrektur im Einzelfall. Nach dem (ursprünglichen) Klagevorbringen hat die Klägerin insgesamt (richtig) 52 LKW bei Vertriebsgesellschaften der Kartellanten erworben, die Speditions‑GmbH, die ihre Ansprüche der Klägerin nachträglich abgetreten hatte, weitere 34 LKW. Die Klägerin spezifizierte die erworbenen LKW mit Datum des Erwerbs, Herstellername, Fahrzeugidentifikationsnummer, Finanzierungsart und „finalem Nettokaufpreis“, behauptete, gewährte Gutschriften und Rabatte sowie vereinbarte zukünftige Servicedienstleistungen und Kosten für Aufbauten herausgerechnet zu haben, und errechnete aufgrund des in zwei Privatgutachten ermittelten „hypothetischen Wettbewerbspreises“ für jeden LKW den eingetretenen Schaden der Klägerin von (rechnerisch richtig) insgesamt 728.524,14 EUR und der Zedentin von insgesamt 552.340,78 EUR. Bei der Beurteilung der Schlüssigkeit dieser (ursprünglichen) Behauptungen verwies das Berufungsgericht auf den dazu teils im Widerspruch stehenden Inhalt der vorgelegten Urkunden und folgte insoweit dem Erstgericht, das diese Widersprüchlichkeiten zum Anlass für Erörterung und Anleitung der Klägerin genommen hatte. Als Ergebnis dieser Anleitung brachte die Klägerin (Tagsatzung ON 49) zur Berücksichtigung von Aufbauten ergänzend vor, die Schadensschätzung durch das Gutachten der Privatgutachterin sei dergestalt vorgenommen worden, dass bei LKW, die möglicherweise Aufbauten enthalten haben und bei denen der Preis der Aufbauten nicht gesondert ausgewiesen wurde, der Schaden in Form einer Hochrechnung durch Heranziehung eines bauartgleichen LKW bei einem anderen vergleichbaren Käufer ermittelt wurde und dieser Schadensbetrag in absoluten Euro‑Beträgen in das Gutachten aufgenommen wurde. Dass spätestens mit diesem ergänzenden Vortrag die Aufschlüsselung des konkreten Schadens der Klägerin, der sich auf insgesamt 86 Ankaufsvorgänge unterschiedlicher LKW mit unterschiedlichen Ausstattungen, Aufbauten, Serviceleistungen etc bezog, nicht mehr nachvollziehbar wurde, ist keine aufzugreifende Fehlbeurteilung. Einerseits nahm die Klägerin dabei nicht mehr auf die für die Berechnung ihres Vermögensschadens relevanten, tatsächlich bezahlten Nettoeinkaufspreise Bezug, sondern auf einen mit statistischen Methoden ermittelten Durchschnittspreis oder sogar auf von anderen Kunden bezahlte Preise, was dem Inhalt des Privatgutachtens widersprach, auf das sie sich ursprünglich in ihrem Vorbringen bezogen hatte. Andererseits ist die Behauptung unklar, weil ihr nicht zu entnehmen ist, auf welche konkreten Erwerbsvorgänge der insgesamt 84 LKW sie sich beziehen sollte, hatten doch nach der Behauptung der Klägerin selbst nicht alle LKWs Aufbauten erhalten. Auch die – bereits in der ursprünglichen Klage enthaltene – Behauptung der Klägerin, sie mache ihren durch die überhöhten Preise entstandenen Finanzierungsschaden von 33.427,34 EUR „vorerst nicht gesondert geltend, sondern (verstehe sie) als Teil des eingeklagten Anspruchs“, macht die ziffernmäßige Aufschlüsselung ihrer Schadenersatzansprüche aus den einzelnen Erwerbsvorgängen unschlüssig, weil die geltend gemachten Ansprüche (die aus nur gleichartigen Verträgen abgeleitet werden, die für sich unterschiedlich beurteilt werden könnten [vgl 8 Ob 81/13i mwN]) damit weder ausreichend individualisiert noch spezifiziert sind. Die Auffassung des Berufungsgerichts, es fehle die als erster Bezugspunkt für die Schadensberechnung notwendige Behauptung des für die vom Kartell betroffenen LKW tatsächlich aufgewendeten Betrags und damit an ausreichendem Vorbringen zur Vermögenslage, in der sich die Klägerin (und die Zedentin) infolge der erlittenen Beschädigung befunden haben, ist daher nicht zu beanstanden.

[17] 6.2. Auf § 37j Abs 1 KartG und die dort genannte Privilegierung bei der Prüfung der Schlüssigkeit der Klage kommt die Revision nicht mehr zurück. Die Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit dieser Bestimmung auch ohne Offenlegungsantrag nach § 37j Abs 2 KartG (vgl hiezu ErläutRV 1522 BlgNR 25. GP  11; Brand, Schadenersatz im Kartellrecht [2017] 9.3.1.2., 257; Guggerbauer, KartG und WettbG3 [2017] § 37j KartG Rz 2) bedarf daher keiner weiteren Erörterung. Im Übrigen gingen beide Vorinstanzen – von der Revision unbeanstandet – davon aus, die Klägerin hätte sich betreffend die von ihr bzw der Zedentin erworbenen LKWs und deren historische Ankaufspreise die Kenntnis der erforderlichen Tatsachen und die erforderlichen Beweismittel mit zumutbarem Aufwand verschaffen können.

[18] 6.3. Der in der Revision als erheblich erachteten Rechtsfrage der Verwendung von Schätzgutachten bei Ausmittlung von Schäden nach einem Kartellverstoß im Allgemeinen kommt für die Lösung des konkreten Falls keine Bedeutung zu. Die Vorinstanzen stützten die Abweisung der Klage ja nicht darauf, dass die Klägerin versuchte, die Höhe des auf den Kartellverstoß gestützten Schadenersatzanspruchs durch Privatgutachten nachzuweisen, auch der nach diesem Gutachten geschätzte „hypothetische Wettbewerbspreis“ floss in die Beurteilung nicht ein. Die Abweisung der Klage beruhte vielmehr darauf, dass das Klagevorbringen in Bezug auf die historischen Einkaufspreise mit diesen Privatgutachten und den dort zitierten und von der Klägerin selbst vorgelegten Originalurkunden in Widerspruch stand und der für die LKW tatsächlich aufgewendete Betrag letztlich nicht mehr (und zwar auch nicht unter Bezugnahme auf diese Gutachten) nachvollziehbar behauptet wurde. Diese im Einzelfall vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des klägerischen Vorbringens ist nicht zu beanstanden, zumal auch der Frage, wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen ist, keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RS0042828 [T3]). Wenn die Revisionswerberin erstmals in der Revision versucht, ihr Vorbringen durch (weitere) Modifikationen oder Erläuterungen schlüssig zu stellen, widerspricht dies dem im Revisionsverfahren geltenden Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO).

[19] 7. Das Berufungsgericht vermischte die Frage der Schlüssigkeit des Vorbringens mit der nach der Beweisbarkeit der behaupteten Tatsachen nicht, sondern nahm bei seiner Schlüssigkeitsprüfung auf die zur Grundlage der Klageerzählung gemachten Privatgutachten und die dort genannten Urkunden Bezug, was nicht zu beanstanden ist. Eine Überprüfung der Behauptungen der Klägerin auf ihre inhaltliche Richtigkeit nahm das Berufungsgericht nicht vor, es glich das Vorbringen nur mit dem Inhalt jener Urkunden ab, auf die sich die Klägerin selbst berufen hatte. Dies stand ihm im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung nach der bereits zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu. Fragen nach der Methodik der Schadensberechnung laut Privatgutachten stellen sich nicht und wurden vom Berufungsgericht auch nicht beantwortet.

[20] 8. Warum der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz durch diese Entscheidung verletzt werde, ist nicht nachvollziehbar. Der von der Revisionswerberin „zur Vermeidung von Wiederholungen“ getätigte Verweis auf ihre Berufungsschrift dazu ist unzulässig und unbeachtlich (RS0043616). Im Übrigen ist nicht erkennbar, weshalb es dem Effektivitätsgrundsatz widersprechen sollte, von einer durch ein Kartell geschädigten Klägerin zu verlangen, als Grundlage für eine Schadensberechnung Behauptungen zu den von ihr selbst bezahlten Kaufpreisen zu verlangen.

[21] 9. Eine Vermischung von Schlüssigkeit und Verteilung von Beweis‑ und Behauptungslast hinsichtlich der Frage, ob die erworbenen LKW aufgrund ihrer Tonnage von der Kommissionsentscheidung umfasst seien, liegt nicht vor. Eine inhaltliche Aussage zu dieser Problematik traf das Berufungsgericht nicht.

[22] 10. Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Die unrichtige Wiedergabe oder unzutreffende Auslegung des Parteivorbringens ist keine Aktenwidrigkeit (RS0041814 [T8]). Dass die Auslegung des Klagevorbringens im Einzelfall nicht korrekturbedürftig ist, wurde bereits ausgeführt.

[23] 11. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Die ergänzenden Ausführungen des Berufungsgerichts in Bezug auf die von ihm (allenfalls) als Negativfeststellung zum Vorliegen eines Schadens gewerteten Ausführungen des Erstgerichts waren nicht relevant für die Berufungsentscheidung, sodass es auf deren Überraschungseignung nicht ankommt. Die hilfsweise behauptete Mangelhaftigkeit wegen Nichteinholung des „beantragten Gutachtens“ betrifft einen angeblichen Mangel des Verfahrens erster Instanz, der nicht Gegenstand der Berufung war und schon deshalb nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann (RS0043111).

[24] 12. Der angeregten Einholung eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH bedarf es nicht. Weder haben die Vorinstanzen bei der Prüfung des notwendigen Klageinhalts auf Schlüssigkeit jene Maßstäbe angelegt, die für die Beweisbarkeit dieser Ansprüche gelten, noch gingen sie davon aus, dass eine „fundierte“ Schätzung des hypothetischen Wettbewerbspreises unmöglich wäre. Die Frage des hypothetischen Wettbewerbspreises erörtertendie Vorinstanzen bei ihrer Entscheidung gar nicht. Auf die Beurteilung dieser Frage kommt es daher nicht an (vgl RS0109025).

[25] 13. Damit war die Revision zurückzuweisen.

[26] 14. Gemäß §§ 41, 50 ZPO hat die Klägerin der Beklagten und den Nebenintervenienten die Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen zu ersetzen, in denen sie auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen haben. Leistungen eines österreichischen Rechtsanwalts für einen ausländischen Unternehmer unterliegen allerdings nicht der österreichischen Umsatzsteuer. Verzeichnet der österreichische Anwalt im Prozess – kommentarlos – 20 % Umsatzsteuer, wird im Zweifel nur die österreichische Umsatzsteuer angesprochen. Ist die Höhe des ausländischen Umsatzsteuersatzes nicht allgemein bekannt, kann die zu entrichtende ausländische Umsatzsteuer nur zugesprochen werden, wenn Entsprechendes behauptet und bescheinigt wird (§ 54 Abs 1 ZPORS0114955). Angesichts des Sitzes der Beklagten sowie der Dritt‑ bis Fünftnebenintervenienten in Deutschland war diesen die in Deutschland zu entrichtende Umsatzsteuer (19 %) zuzusprechen (RS0114955 [T12]). Die Erst‑ und Zweitnebenintervenienten haben auf die Leistungsempfängerschaft der Erstnebenintervenientin in Schweden und die dortige Umsatzsteuer von 25 % verwiesen, sodass diese zuzusprechen war. Vergleichbare Behauptungen hinsichtlich der Sechst‑ bis Neuntnebenintervenienten (teils mit Sitz in Schweden, teils in Frankreich, teils in Deutschland) fehlen, diese haben kommentarlos 20 % (somit die österreichische) Umsatzsteuer verzeichnet. Fürderen Revisionsbeantwortung scheidet ein Zuspruch von Umsatzsteuer daher aus.

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