European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00138.22F.1122.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz
Spruch:
DemRevisionsrekurswird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts zur Gänze mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass er insgesamt lautet:
„Der Antrag der klagenden Partei, zur Sicherung ihres Begehrens auf Unterlassung für die Dauer des Verfahrens bis zur Rechtskraft des in diesem Verfahren ergehenden Urteils eine einstweilige Verfügung des Inhalts zu erlassen,
1. die beklagten Parteien seien schuldig, es ab sofort bei sonstiger Exekution zu unterlassen, folgende Aussagen bzw sinngleiche Behauptungen zu verbreiten:
– die klagende Partei bzw MitarbeiterInnen der klagenden Partei, insbesondere deren Bereichsleiterin Einkauf, würden im geschäftlichen Verkehr erpresserische Methoden anwenden und/oder dreist vorgehen,
– die klagende Partei bzw MitarbeiterInnen der klagenden Partei, insbesondere deren Bereichsleiterin Einkauf, würden Geschäftspartner, insbesondere die erstbeklagte Partei bzw die zweitbeklagte Partei enorm unter Druck setzen,
– die klagende Partei bzw MitarbeiterInnen der klagenden Partei, insbesondere deren Bereichsleiterin Einkauf, hätten bei der zweitbeklagten Partei einen psychologischen Schaden verursacht;
2. die beklagten Parteien seien schuldig, es ab sofort bei sonstiger Exekution zu unterlassen, zu Zwecken des Wettbewerbs in nachstehender Weise und/oder sinngleicher Weise die klagende Partei herabzusetzen:
– die klagende Partei bzw MitarbeiterInnen der klagenden Partei, insbesondere deren Bereichsleiterin Einkauf, würden im geschäftlichen Verkehr erpresserische Methoden anwenden und/oder dreist vorgehen,
– die klagende Partei bzw MitarbeiterInnen der klagenden Partei, insbesondere deren Bereichsleiterin Einkauf, würden Geschäftspartner, insbesondere die erstbeklagte Partei bzw die zweitbeklagte Partei enorm unter Druck setzen,
– die klagende Partei bzw MitarbeiterInnen der klagenden Partei, insbesondere deren Bereichsleiterin Einkauf, hätten bei der zweitbeklagten Partei einen psychologischen Schaden verursacht,
wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien deren Kosten des erstinstanzlichen Provisorialverfahrens in der Höhe von 4.921,44 EUR (darin 820,24 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 4.004,94 EUR (darin 540,32 EUR USt und 763 EUR Gerichtsgebühren) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin betreibt eines der größten österreichischen Lebensmittel-Einzelhandelsunternehmen mit rund 1.100 Filialen und über 20.000 Mitarbeitern. Sie ist Teil eines größeren Einzelhandelskonzerns, der in Österreich und Deutschland verschiedene Nahversorgungsketten betreibt.
[2] Die Erstbeklagte betreibt ein Fleisch- und Wurstwaren-Erzeugungsunternehmen mit rund 140 Mitarbeitern; der Zweitbeklagte ist ihr einziger Geschäftsführer.
[3] Die Erstbeklagte beliefert die Klägerin mit Almochsenfleisch unter der (Wort- und Wortbild‑)Marke „*“, zu deren Nutzung sie lizenziert wurde. Markeninhaber und primärer Lizenzgeber ist ein Verein, dem hunderte Landwirte angehören, die Fleisch unter einem besonders hohen Tierwohl-Standard erzeugen und der Erstbeklagten verkaufen. Die Erstbeklagte setzte im Herbst 2021 ca 34 Mio EUR um, davon ca 20 Mio EUR mit Gesellschaften des Konzerns, dem die Klägerin angehört, nämlich rund 14 Mio EUR mit dem Lebensmittel-Diskontableger des Konzerns, 3,5 Mio EUR mit einer deutschen Konzerngesellschaft und 3–3,2 Mio EUR mit der Klägerin selbst. Bereits vor dem 26. 11. 2021 vereinbarte die Erstbeklagte mit dem Diskontableger eine zusätzliche Fleischbelieferung, wobei sich die Erstbeklagte gegen einen anderen (dem Konzern der Klägerin angehörenden) Fleischlieferanten durchsetzte. Diese zusätzliche Liefermenge bedeutete einen zusätzlichen Umsatz von 4–5 Mio EUR pro Jahr. Die Erstbeklagte vertreibt das „*“-Fleisch auch über einen eigenen Onlineshop für Letztverbraucher, mit dem sie rund 360.000 EUR umsetzt.
[4] Bei einem Besuch der Einkaufs-Bereichsleiterin der Klägerin im Betrieb der Erstbeklagten im Herbst 2021 wurde vorerst ein unkonkretes Gespräch über die weitere Geschäftsbeziehung geführt. Dabei erklärte die Bereichsleiterin, dass es zukünftig um eine Ausrichtung auf mehr „Tierwohl“ ginge. Die Erstbeklagte wurde daraufhin zu einer Besprechung am 26. 11. 2021 eingeladen. Der Zweitbeklagte erwartete, dass es bei diesem Gespräch einzig darum gehen werde, welche Mengen an „*“-Fleisch er für das Tierwohlkonzept der Klägerin werde liefern können.
[5] Die Bereichsleiterin legte im Gespräch am 26. 11. 2021 aber zunächst dar, dass die Klägerin das „*“-Fleisch gerne im eigenen Betrieb zerlegen würde, die Erstbeklagte sollte zu diesem Zweck die ganzen Ochsenhälften liefern. Die Zerlegung im Betrieb der Klägerin war schon in der Vergangenheit thematisiert, aber vom Zweitbeklagten stets abgelehnt worden. Er antwortete, dass dieser Vorschlag für die Erstbeklagte wirtschaftlich nicht tragbar wäre. Die Bereichsleiterin nannte aus ihrer Sicht mögliche Kompensationsgeschäfte, insbesondere eine Ausweitung der Abnahme von Wurstwaren und die Möglichkeit für den Zweitbeklagten, die Mitarbeiter der Klägerin zu schulen. Der Zweitbeklagte empfand dies als Kränkung und lehnte ab; das Geschäft mit Wurstwaren ist zudem nicht so lukrativ für die Erstbeklagte. Die Bereichsleiterin stellte daraufhin in den Raum, dass die Erstbeklagte das Geschäft mit dem „*“‑Fleisch verlieren könnte. Der Zweitbeklagte nahm dies bloß zur Kenntnis. Die Bereichsleiterin wollte den Druck erhöhen, um den Zweitbeklagten umzustimmen, und sprach in weiterer Folge das „Gesamtgeschäft“ der Erstbeklagten im Konzern, dem die Klägerin angehört, an und dabei insbesondere auch jenen Umsatz, den die Erstbeklagte mit dem Diskontableger des Konzerns erwirtschaftet. Die Bereichsleiterin der Klägerin stellte die Frage, was denn wäre, wenn die Erstbeklagte auch den Umsatz mit dem Diskontableger verlieren würde; sie wusste zu diesem Zeitpunkt, dass die Erstbeklagte wirtschaftlich vom Umsatz mit dem Diskontableger abhängig war. Der Zweitbeklagte antwortete darauf, dass die Erstbeklagte dann tot wäre.
[6] Die Bereichsleiterin drohte der Erstbeklagten den Entzug des gesamten Geschäftes mit dem Konzern an, sollte der Zweitbeklagte (als Geschäftsführer der Erstbeklagten) den Standpunkt der Klägerin zur zukünftigen Geschäftsbeziehung nicht übernehmen – dies, obwohl der Verhandlungsgegenstand bloß das „*“‑Fleischgeschäft betraf. Sie bemühte daher ein außerhalb ihrer Kompetenz stehendes Geschäft der Erstbeklagten mit dem Diskontableger, um eine Drohkulisse aufzubauen, wobei sie um die wirtschaftliche Abhängigkeit der Erstbeklagten insbesondere vom Umsatz mit dem Diskontableger wusste.
[7] Der Zweitbeklagte dachte sich zwar zunächst, dass die Bereichsleiterin als Einkäuferin der Klägerin nicht die Befugnisse hätte, der Erstbeklagten das Geschäft mit dem Diskontableger wegzunehmen. Jedoch sagte sie weiters, nachdem der Zweitbeklagte sie gefragt hatte, ob ihr bewusst sei, was sie da machen würde und dies eine Drohung wäre, dass ihr dies bewusst und das Vorgehen mit dem Vorstand auch abgesprochen sei.
[8] Der Zweitbeklagte stand schockiert auf, war perplex und verließ das Treffen. Nach dem Gespräch vom 26. 11. 2021 waren die Fronten zwischen den Streitteilen verhärtet.
[9] Der Zweitbeklagte übermittelte in der Folge der Bereichsleiterin zwischen Ende November 2021 bis Mitte 2022 zahlreiche erboste, sie auch persönlich attackierende SMS-Nachrichten.
[10] Der Zweitbeklagte suchte die Kommunikation direkt mit dem Vorstand der Gruppe, der die Klägerin angehört. Die Streitteile verhandelten über die weitere Belieferung mit „*“-Fleisch durch die Erstbeklagte und die Übertragung des Lizenzrechts an der Marke „*“ an die Klägerin. Unter anderem war dabei auch eine von der Erstbeklagten bereits im November geforderte Preiserhöhung Thema. Dem Zweitbeklagten gelang es, diese Preiserhöhung auch durchzusetzen. Schon Mitte 2019 bis Anfang 2020 hatten die Klägerin und die Erstbeklagte intensive Preisverhandlungen geführt. „Es kann nicht festgestellt werden, ob die Klägerin die Erstbeklagte im Jänner 2022 hinsichtlich der Fleischpreise enorm unter Druck setzte oder nicht.“
[11] Am 11. 1. 2022 informierte der Zweitbeklagte ein Vorstandsmitglied der Großmuttergesellschaft der Klägerin, er habe sich „nach dem Ereignis beim Termin mit der [Bereichsleiterin]“ entschieden, die Belieferung mit „*“-Fleisch mit 31. 3. 2022 einzustellen. „Wir sollten uns bis 28.1.2022 einigen und solange gilt mein Angebot, die Lizenz zu verkaufen.“
[12] Am 21. 1. 2022 übermittelte der Zweitbeklagte an die Vorstände des markenlizenzgebenden Vereins ein E‑Mail, in denen er die Bereichsleiterin und andere Mitarbeiter der Klägerin als hohle Nüsse, inkompetent und bösartig bezeichnete; diesem E‑Mail schloss er ein E-Mail an die Bereichsleiterin bei, in dem er bekanntgab, die Belieferung der Klägerin mit „*“-Fleisch ab 31. 3. 2022 einzustellen, als „Hauptgrund [den] Erpressungsversuch beim Termin vom 26.11.2021“ nannte und unter anderem ausführte, ihm sei noch nie in der bald hundertjährigen Geschichte seiner Firma als Lieferant „nur annähernd eine so dreiste Vorgehensweise von einer Einkäuferin […] passiert“.
[13] Am selben Tag übermittelte die Erstbeklagte ein Rundschreiben an die 400 bis 450 Mitgliedsbetriebe des Vereins mit unter anderem folgendem Inhalt:
„Außerdem möchte ich Euch aus gegebenem Anlass informieren, dass ich von der Einkäuferin […] bezüglich Fleischpreise enorm unter Druck gesetzt werde und mit 'erpresserischen' Methoden versucht wird, mir einen Teil des Ochsengeschäftes wegzunehmen. Aus diesem Grund werde ich mit 31.3.2022 die Belieferung der […] Märkte [der Klägerin] mit *-Fleisch einstellen.“
[14] Die Klägerin versuchte durch unmittelbare Kontaktaufnahme mit dem Verein das „*“-Fleisch direkt (also nicht über die Erstbeklagte) zu beziehen. Dieses ist für die Klägerin – unabhängig vom Lizenzrecht – nicht leicht möglich, weil die „*“-Bauern den Beklagten treu sind und nicht dem Verein. Die Bauern liefern das „*“-Fleisch nämlich direkt und nicht über den Verein an die Erstbeklagte. Diese bezahlt die Bauern seit jeher auch direkt.
[15] Auf nicht näher feststellbaren Wegen erlangte die Presse aufgrund der Schreiben vom 21. 1. 2021 Kenntnis vom Konflikt zwischen den Parteien; es war jedenfalls nicht die Klägerin, die die Presse informierte. Daher gab es in der Folge viele Anfragen von Journalisten bei der ihnen aufgrund früherer wirtschaftlicher Schwierigkeiten schon bekannten Erstbeklagten und auch direkt beim Zweitbeklagten. Die Beklagten äußerten sich inhaltlich zum Konflikt gegenüber der Presse aber zunächst nicht. In Zeitungen erschienen in der Folge Ende Jänner 2022 Berichte, wonach die Erstbeklagte der Klägerin „erpresserische Methoden“ vorwerfe; weiters wurde über eine zurückweisende Reaktion der Gruppe, der die Klägerin angehört, sowie über eine Stellungnahme der für Landwirtschaft zuständigen Bundesministerin zum Konflikt berichtet. In der Folge bedankte sich der Zweitbeklagte bei einzelnen Medien für die Berichterstattung und übergab mehreren Medien Unterlagen für eine weitere Berichterstattung über den Konflikt.
[16] Am 27. 1. 2022 sah sich die Großmuttergesellschaft der Klägerin zu einer Presseaussendung veranlasst, in der sie unter anderem den Vorwurf der Erpressung zurückwies und die Geschehnisse aus ihrer Sicht darlegte.
[17] Der Zweitbeklagte lässt sich sich seitder Besprechung vom 26. 11. 2021 regelmäßig psychotherapeutisch coachen. Die Drohung mit dem Umsatzverlust und dem – aus Sicht der Beklagten damit verbundenen – wirtschaftlichen Ruin der Erstbeklagten belasteten den Zweitbeklagten nämlich psychisch.
[18] Die Klägerin begehrte, gestützt sowohl auf § 1330 Abs 2 ABGB als auch auf §§ 1, 7 UWG, die Beklagten zu verpflichten, es zu unterlassen, die – als Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens verbliebenen – aus dem Spruch ersichtlichen Äußerungen zu verbreiten (Pkt 1 des Klagebegehrens) bzw die Klägerin mit diesen Äußerungen zu Zwecken des Wettbewerbs herabzusetzen (Pkt 2 des Klagebegehrens); neben dem mit insgesamt 60.000 EUR bewerteten Unterlassungsbegehren erhob die Klägerin noch ein mit 10.000 EUR bewertetes Veröffentlichungsbegehren.
[19] Zur Sicherung des Unterlassungsbegehrens stellte die Klägerin einen inhaltsgleichen Sicherungsantrag.
[20] Die inkriminierten Äußerungen seien, soweit sie Tatsachenbehauptungen seien, allesamt unwahr, sie seien kreditschädigend und setzten das Unternehmen der Klägerin lauterkeitswidrig herab. Im Übrigen seien die inkriminierten Äußerungen beleidigender Natur, es lägen rechtswidrige, exzessive Werturteile vor. Vor dem Hintergrund, dass der Zweitbeklagte der Klägerin die Lizenzrechte für die Marke angeboten habe und er eine von ihm verlangte Preiserhöhung auch erhalten habe, sei der Vorwurf einer Erpressung oder Unterdrucksetzung absurd.
[21] Die Beklagten wandten ein, die Äußerungen seien aufgrund des öffentlichen Interesses, der damit verbundenen weiten Meinungsäußerungsfreiheit, der jedenfalls im Kern vorliegenden Wahrheit der beanstandeten Äußerungen, sowie letztlich aufgrund des Umstands, dass keine exzessiven Wertungen vorlägen, gerechtfertigt und daher zulässig. Das Verhalten der Klägerin und ihrer Bereichsleiterin dürfe insgesamt als erpresserische Methode bewertet werden, ohne dass der Durchschnittsleser vom Vorwurf eines strafrechtlich relevanten Handelns ausgehe. Als „dreist“ werde allgemein ein Verhalten bezeichnet, das „ungeniert“, „frech“, allenfalls „unverschämt“ sei, jedoch sei dies kein Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens, sondern nach allgemeinem Sprachverständnis eine harmlose Bewertung, die rechtlich weder herabsetzend (§ 7 UWG) noch kreditschädigend (§ 1330 Abs 2 ABGB), sittenwidrig oder sonst unlauter sei. Der Vorwurf, in einer harten über mehrere Jahre währenden Verhandlungssituation jemanden „enorm unter Druck zu setzen“, sei eine zulässige, weder nach UWG noch nach ABGB tatbestandsmäßige Wertung. Mit den Bezeichnungen „hohle Nüsse; inkompetent; bösartig“ gehe es ausschließlich darum, das Verhalten der Bereichsleiterin und die sich daraus ergebenden langfristigen Konsequenzen für hunderte Landwirtschaftsbetriebe aufzuzeigen. Dies sei aufgrund der Meinungsäußerungsfreiheit sowie aufgrund der (harten) Bewertung eines im Kern wahren Sachverhalts gerechtfertigt. Der Vorwurf, die Bereichsleiterin hätte dem Zweitbeklagten einen psychologischen Schaden verursacht, sei eine rein auf den Zweitbeklagten bezogene Bewertung, die „ihn selbst belastet, da er den Schaden hat“; im Übrigen sei dies eine zulässige Wertung.
[22] Nachdem die Parteien einen rechtswirksamen Teilvergleich über die zwei Unterlassungsbegehren betreffend „hohle Nüsse, inkompetent, bösartig“ (samt diesbezüglichem Veröffentlichungsbegehren) geschlossen hatten, wies das Erstgericht den restlichen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung in Ansehung der aus dem Spruch ersichtlichen verbleibenden Punkte erkennbar zur Gänze ab.
[23] Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss teilweise dahin ab, dass es eine einstweilige Verfügung erließ, und zwar in Ansehung der Teile der Begehren, die sich auf „erpresserische Methoden“ beziehen, nach § 7 UWG und § 1330 ABGB (Antragspunkte 1. und 2., jeweils im ersten Anstrich), sowie des sich auf das Unterdrucksetzen– klargestellt ausdrücklich nur in Ansehung von Fleischpreisen – beziehenden Begehrens nach § 7 UWG (Antragspunkt 1, zweiter Anstrich). Im Übrigen bestätigte das Rekursgericht die Abweisung des Sicherungsantrags.
[24] Zur Begründung der Antragsstattgebung führte es zusammengefasst aus, § 7 UWG unterscheide sich von der Kreditschädigung nach § 1330 ABGB durch die Beschränkung auf die Behauptung und Verbreitung von Tatsachen zu „Zwecken des Wettbewerbs“ und die ausschließlich unternehmensbezogenen Ziele sowie die unterschiedliche Beweislast: Nach der Bestimmung zur Kreditschädigung müsse der Kläger grundsätzlich die Unrichtigkeit beweisen, es sei denn, eine Rufschädigung sei gleichzeitig Ehrenbeleidigung iSd § 1330 Abs 1 ABGB, dann habe der Betroffene bezüglich der Ansprüche nach Abs 2 nur die Tatsachenverbreitung zu beweisen. § 7 Abs 1 UWG sehe dagegen eine generelle Umkehr der Beweislast vor: Der Beklagte müsse beweisen, dass seine Behauptungen wahr sind.
[25] Bei der Beurteilung der Frage, ob „Tatsachen“ verbreitet würden, komme es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerungen an und bei deren Auslegung sei das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder -hörers, nicht aber der subjektive Wille des Erklärenden maßgebend. Dennoch müsse jede der beanstandeten Behauptungen für sich darauf geprüft werden, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1330 ABGB und/oder § 7 UWG gegeben seien.
[26] Den Vorwurf der Anwendung erpresserischer Methoden würden die Empfänger der Äußerung als Vorwurf eines strafrechtswidrigen Fehlverhaltens und nicht in einem verharmlosenden „landläufigen“ Sinne verstehen. Die Behauptungen hätten einen massiv nachteiligen Einfluss auf die zukünftigen geschäftlichen Verhältnisse der Klägerin. Ihr eile der Ruf einer Erpresserin voraus, der ihr unmittelbar wirtschaftliche Nachteile bringe. Aufgrund der umfassenden medialen Berichterstattung würden andere Lieferanten der Klägerin vorurteilsbehaftet begegnen. Gerade im geschäftlichen Kontext sei ein Vorwurf eines strafrechtswidrigen Fehlverhaltens besonders schwerwiegend. Die Beklagten hätten auch klar darauf abgezielt, den Ruf der Klägerin zu beeinträchtigen. Diesbezüglich sei den Beklagten die ihnen sowohl nach § 1330 Abs 2 ABGB wie auch nach § 7 UWG obliegende Bescheinigung der Wahrheit der beanstandeten Behauptung nicht gelungen. Wer eine mehrdeutige Äußerung mache, habe die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten zu lassen. Dabei seien auch die nicht zum Gegenstand des Unterlassungsbegehrens gemachten Teile der Tatsachenbehauptung mitzuberücksichtigen, insbesondere wenn es an einem sonst maßgeblichen Gesamtzusammenhang fehle, in dem die Äußerung gefallen sei, wenn also kein den Inhalt der Äußerung aufhellender weiterer Text dem angesprochenen Publikum zur Verfügung stehe. Die Unrichtigkeit einer Tatsachenbehauptung könne sich auch aus einer Unvollständigkeit des bekanntgegebenen Sachverhalts ergeben, die das dem Betroffenen vorgeworfene Verhalten in einem ganz anderen Licht erscheinen lasse.
[27] Welches konkrete Verhalten der Klägerin die Grundlage für die Aufstellung dieser Behauptung liefere, führen die Beklagten in den beanstandeten Mitteilungen nicht näher aus. Nach der für die Beklagten ungünstigsten Auslegung der Äußerung werde dem adressierten Empfängerkreis der Eindruck vermittelt, die Klägerin hätte gegen Strafgesetze verstoßen (Verbrechen der Erpressung nach § 144 StGB). Nach § 144 Abs 2 StGB sei eine Tat jedoch nicht rechtswidrig, wenn die Anwendung der Gewalt oder Drohung als Mittel zu dem angestrebten Zweck nicht den guten Sitten widerstreite; darunter seien die Fälle zu verstehen, in denen mit etwas rechtlich Erlaubtem oder jedenfalls nicht Verbotenem gedroht wird. Dazu gehöre auch die Drohung mit dem Abbruch geschäftlicher Beziehungen, selbst wenn dies für den Geschäftspartner existenzbedrohend wäre. Aus den getroffenen Feststellungen lasse sich demnach kein strafbares Verhalten im Sinne einer Erpressung ableiten, da zumindest die Rechtswidrigkeit der der Klägerin zuzuordnenden Handlungen nicht bescheinigt worden sei. Die Behauptung, die Klägerin würde erpresserische Methoden im Sinne einer Verwirklichung des Tatbestands nach § 144 StGB anwenden, sei mangels eines sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergebenden rechtswidrigen Verhaltens unwahr. Diese Äußerung sei auch rufschädigend iSd § 1330 Abs 2 ABGB und geschäftsschädigend nach § 7 UWG.
[28] Zum Vorwurf des enormen Unter-Druck-Setzens habe das Erstgericht zwar mangels Bescheinigung der Unwahrheit der inkriminierten Behauptung durch die Klägerin das Unterlassungsbegehren nach § 1330 ABGB zutreffend abgewiesen. Die diesbezügliche Negativfeststellung gehe auf Grundlage des § 7 UWG jedoch zu Lasten der Beklagten. Für die Schädigungseignung der Behauptung genüge, dass die Äußerung objektiv geeignet sei, das Unternehmen der Klägerin und deren Geschäftsbetrieb zu schädigen oder auf irgendeine Weise zu erschweren oder dass sonst eine nachteilige Meinung vermittelt werde. Ebenso reiche ein nachteiliger Einfluss auf die zukünftigen geschäftlichen Verhältnisse des herabgesetzten Unternehmens und dessen Entwicklungsmöglichkeiten, wobei es nur einer abstrakten Betriebsgefährdung und Kreditgefährdung bedürfe. Die tatbestandsmäßige Schädigungseignung einer Äußerung sei anzunehmen, wenn Tatsachen behauptet würden, die beim Publikum eine nachteilige Meinung vom Geschäftsbetrieb eines Unternehmens bzw seiner Waren und seiner Kreditwürdigkeit erweckten, zumal dies üblicherweise dazu führe, dass der betroffene Betrieb Schaden erleide oder der Kredit seines Inhabers erschüttert werde. Für die Schädigungseignung reiche es dabei aus, dass nur aufmerksame Betrachter eine Angabe als herabsetzend empfänden, selbst wenn dies flüchtige Betrachter nicht so wahrnähmen. Die Behauptung der Beklagten, die Klägerin hätte sie bezüglich Fleischpreise „enorm unter Druck gesetzt“, sei mit Bedacht auf den sich aus Landwirten zusammengesetzten Adressatenkreis der Mitteilung objektiv geeignet, das Unternehmen der Klägerin und deren Geschäftsbetrieb zu schädigen. Die einstweilige Verfügung sei mit dem sich aus dem Vorbringen der Klägerin ergebenden klarstellenden Bezug auf die Fleischpreise zu erlassen.
[29] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand 30.000 EUR übersteigt, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
[30] Während der antragsabweisende Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung unangefochten in Rechtskraft erwuchs, erheben die Beklagten gegen die einstweilige Verfügung außerordentlichen Revisionsrekurs und beantragen die gänzliche Abweisung des Sicherungsantrags; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
[31] Die Klägerin beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
[32] Der Revisionsrekurs ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und berechtigt.
[33] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens sind die Unterlassungsbegehren der Klägerin in Ansehung
– der Verbreitung der Behauptung (§ 7 UWG), die Klägerin bzw deren Mitarbeiter, insbesondere deren Bereichsleiterin Einkauf, würden die Beklagten bezüglich Fleischpreisen enorm unter Druck setzen;
– der Verbreitung der Behauptung (§ 7 UWG), die Klägerin bzw deren Mitarbeiter, insbesondere deren Bereichsleiterin Einkauf, würden im geschäftlichen Verkehr erpresserische Methoden anwenden; und
– der Herabsetzung der Klägerin zu Zwecken des Wettbewerbs durch die Äußerung (§ 1330 Abs 2 ABGB), die Klägerin bzw deren Mitarbeiter, insbesondere deren Bereichsleiterin Einkauf, würden im geschäftlichen Verkehr erpresserische Methoden anwenden.
[34] Die Beklagten vertreten in ihrem Rechtsmittel zusammengefasst, unwahr sei eine Äußerung nicht schon dann, wenn nicht jede einzelne Facette mit der Wirklichkeit übereinstimme, sondern erst dann, wenn ihr sachlicher Kern unwahr sei; liege die Annahme eines bestimmten Tatsachenkerns nahe, der wahr sei und die damit verbundenen Werturteile als nicht exzessiv rechtfertige, so müsse die entfernte Möglichkeit einer den Kläger noch stärker belastenden Deutung unbeachtlich bleiben. „Erpresserische Methoden“ sei nicht im Sinn des Strafgesetzes zu verstehen. „Unterdrucksetzen“ sei ein geläufiger Begriff und insinuiere überhaupt nichts Verwerfliches.
Dazu wurde erwogen:
Rechtliche Beurteilung
[35] 1.1. Gemäß § 7 Abs 1 UWG ist es verboten, zu Zwecken des Wettbewerbs über das Unternehmen eines anderen, über die Person des Inhabers oder Leiters des Unternehmens, über die Waren oder Leistungen eines anderen Tatsachen zu behaupten oder zu verbreiten, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Inhabers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind (4 Ob 181/12i). Unwahr ist eine Äußerung dann, wenn ihr sachlicher Kern im Zeitpunkt der Äußerung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt (RS0115694). Nach § 7 UWG zu beurteilende Mitteilungen sind so auszulegen, wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen bei ungezwungener Auslegung verstanden werden, nicht aber so, wie sie gemeint waren oder verstanden werden sollten (RS0079648 [T3, T7, T10]). Dabei ist eine Äußerung nach ihrem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck zu beurteilen (RS0079648 [T14]).
[36] Bei abfälligen Äußerungen eines im Wettbewerb stehenden Unternehmens ist die – im vorliegenden Zusammenhang nach wie vor erforderliche – Wettbewerbsabsicht grundsätzlich zu vermuten; sie braucht nicht das einzige oder auch nur das wesentliche Ziel der beanstandeten Äußerungen zu sein, sie fehlt nur dann, wenn sie gegenüber anderen Motiven ganz in den Hintergrund tritt (vgl 4 Ob 43/18d mwN).
[37] Nach § 7 UWG trägt der Beklagte die Beweislast für die Wahrheit seiner Mitteilung; im Provisorialverfahren trifft den Mitteilenden damit die Bescheinigungslast für die Wahrheit einer Tatsachenbehauptung (vgl RS0079738 [T3, T4, T10, T11]). Der Wahrheitsbeweis ist schon dann als erbracht anzusehen, wenn er den Inhalt der Mitteilung im Wesentlichen bestätigt (RS0079738 [T5]).
[38] 1.2. § 1330 Abs 2 ABGB ist erfüllt, wenn jemand Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines Anderen gefährden und deren Unwahrheit er kannte oder kennen musste. Nicht erforderlich ist, dass der Betroffene durch die Äußerungen einen konkreten Schaden erlitten hat; ausreichend ist daher der Nachweis der Eignung der Äußerung, solche Nachteile herbeizuführen (RS0032410; RS0032294). Der „Erwerb“ betrifft die gegenwärtige wirtschaftliche Lage des Betroffenen, das „Fortkommen“ hingegen seine zukünftige wirtschaftliche Entwicklung. Darunter ist die Möglichkeit zu verstehen, eine bestimmte Position zu erreichen bzw eine Aufstiegschance wahrzunehmen oder zu verbessern. Der Begriff des „Fortkommens“ darf nicht zu eng verstanden werden (RS0120862). Der Betroffene muss aber zumindest eine abstrakte Gefährdung seines Fortkommens dartun (6 Ob 53/09a).
[39] Ein auf § 1330 Abs 2 ABGB gestützter Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass der in Anspruch Genommene unwahre Tatsachen verbreitet hat (4 Ob 142/99g), deren sachlicher Kern im Zeitpunkt der Äußerung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt (RS0115694). Für eine Tatsachenbehauptung ist wesentlich, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist, sodass sie nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann (RS0031815 [T19]). Sofern ihre objektive Richtigkeit überprüfbar ist, sind auch bewertende Einschätzungen Tatsachenbehauptungen gleichzusetzen (RS0032270). Die Auslegung des Bedeutungsinhalts einer Äußerung hat auch hier nach dem Verständnis eines durchschnittlich qualifizierten Erklärungsempfängers zu erfolgen (RS0115084).
[40] Wenn die Rufschädigung – wie hier – nicht gleichzeitig auch eine Ehrenbeleidigung iSd § 1330 Abs 1 ABGB umfasst, trifft den Kläger die Beweislast nach allgemeinen Regeln, das heißt er hat die Tatsachenverbreitung und deren Ursächlichkeit für die Gefährdung oder Verletzung zu beweisen und darüber hinaus auch die Tatsachenunrichtigkeit (vgl RS0031798 [insb T8]).
[41] 1.3. Für die Ermittlung des relevanten Tatsachenkerns ist somit entscheidend, wie die Aussagen im Gesamtzusammenhang von einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Personen bei ungezwungener Auslegung verstanden werden (RS0031883). Wer eine mehrdeutige Äußerung macht, muss zwar die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen (RS0079648), sofern diese Auslegung noch ernstlich in Betracht kommt (4 Ob 127/15b mwN). Auch die Anwendung der Unklarheitenregel ist aber am Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung zu messen. Liegt die Annahme eines bestimmten Tatsachenkerns nahe, der wahr ist und die damit verbundenen Werturteile als nicht exzessiv rechtfertigt, so muss die entfernte Möglichkeit einer den Kläger noch stärker belastenden Deutung unbeachtlich bleiben (RS0121107; vgl RS0077899). Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung schließt es aus, eine entferntere, bloß mögliche Deutung der beanstandeten Formulierungen zur Ermittlung des für ihre rechtliche Beurteilung relevanten Tatsachenkerns heranzuziehen (RS0121107 [T4]; 6 Ob 209/17d mwN).
[42] 2. Da Lauterkeitsrechtund allgemeines bürgerliches Recht selbständig nebeneinanderstehen, ohne sich gegenseitig auszuschließen, kann ein konkreter Sachverhalt sowohl einem Tatbestand des UWG als auch einem des ABGB unterstellt werden, sodass grundsätzlich beide Rechtsfolgen nebeneinander eintreten (vgl RS0008888). Die noch Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens bildenden Ansprüche sind daher gesondert zu prüfen.
2.1. Zum Unterdrucksetzen nach § 7 UWG:
[43] Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, die Negativfeststellung, wonach nicht festgestellt werden könne, ob die Klägerin die Erstbeklagte im Jänner 2022 hinsichtlich der Fleischpreise enorm unter Druck gesetzt habe oder nicht, gehe auf Grundlage des § 7 UWG zu Lasten der Beklagten.
[44] In einer Gesamtwürdigung der Aussage und des als bescheinigt festgestellten Geschehensablaufs trägt diese Begründung jedoch nicht. Einerseits hat der Zweitbeklagte nicht auf Handlungen der Klägerin im Jänner 2022 Bezug genommen, sodass der einschränkenden Feststellung insofern kein entscheidendes Gewicht zukommt. Andererseits steht als bescheinigt fest, dass die Bereichsleiterin der Klägerin am 26. 11. 2021 den Zweitbeklagten gezielt und bewusst unter Druck gesetzt hat, indem sie das für die Beklagten zentrale Geschäft mit dem Diskontableger des Konzerns der Klägerin in Frage stellte; dies geschah zum Zweck, die Beklagten dazu zu bringen, einen lukrativen Teil ihres Geschäfts – die Zerlegung – der Klägerin künftig selbst zu überlassen. Die Aussage des Zweitbeklagten wird im Gesamtzusammenhang von einem nicht unerheblichen Teil der von ihm damit angesprochenen Almbauern bei ungezwungener Auslegung so verstanden, dass die Klägerin anstrebt, einen größeren Teil der Wertschöpfung aus der Fleischvermarktung bei sich zu erzielen. Dies ist im Tatsachenkern zutreffend, sodass – ungeachtet dessen, dass es den Beklagten nach dem bescheinigten Sachverhalt gelang, für laufende Lieferungen einen höheren Abnahmepreis zu erzielen – der Wahrheitsbeweis als gelungen anzusehen ist.
[45] Zudem weist der Revisionsrekurs zutreffend darauf hin, dass sich aus der Aussage, ein Einkäufer übe Druck auf Lieferanten mit dem Ziel niedrigerer Preise aus, noch keine objektive Eignung ableiten lässt, das Unternehmen der Einkäuferin und deren Geschäftsbetrieb zu schädigen. Die Preisbildung erfolgt in einer marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaftsordnung frei nach Marktgegebenheiten, wozu auch unterschiedliche Marktmacht von Marktteilnehmern zählt. Die Äußerung des Zweitbeklagten ist nicht dahin zu verstehen, dass der Klägerin damit mehr als marktkonform hartes Verhandeln, sondern ein im Konkreten unlauterer und unfairer Missbrauch ihrer Marktmacht vorgeworfen würde. Dass das Aufzeigen von Marktmacht sowie das Ansprechen ihrer Ausübung an sich unzulässig wären, ließe sich letztlich auch mit einem angemessenen Verständnis des Grundrechts auf Freiheit der Meinungsäußerung nicht vereinbaren (vgl RS0121107; RS0077899). Seinen Geschäftspartnern die Motive für eigenes geschäftliches Handeln – hier die Klägerin nicht mehr mit dem von den angesprochenen Bauern produzierten Fleisch zu beliefern – zu erläutern, ist daher im vorliegenden Zusammenhang auch dann zulässig, wenn die Verantwortung dafür bei der Ausübung von Marktmacht der Marktgegenseite gesehen und dies so wie hier kommuniziert wird.
2.2. Zu „erpresserischen“ Methoden nach § 7 UWG:
[46] Das Rekursgericht hat diese Äußerung iSd § 144 StGB ausgelegt, wobei es zwar die Verwirklichung des Tatbilds bejahte, jedoch die Auffassung vertrat, die Handlungen der Klägerin seien iSd § 144 Abs 2 StGB nicht rechtswidrig.
[47] Der Revisionsrekurs weist dagegen zutreffend darauf hin, dass der Begriff eine Vielzahl von Bedeutungsnuancen annehmen kann. Nach „Duden“ (https://www.duden.de/rechtschreibung/ [Abfrage 7. 11. 2022]) ist „Erpressung“ eine „von Drohungen oder Gewaltmaßnahmen begleitete oder damit durchgesetzte Forderung“; das Verb „erpressen“ meint nach dem Österreichischen Wörterbuch43 [2018] 218: „durch Drohung erzwingen“, nach dem „Duden“: „durch Drohungen oder mit Gewalt unter Druck setzen und zu etwas zwingen, nötigen“ oder etwas „durch Drohungen oder Gewalt erlangen“. Nach derselben Quelle sind Synonyme von „erpressen“ unter anderem „Druck ausüben“, „unter Druck setzen“, „bedrängen“, „bedrohen“, „fordern“, „gefügig machen“, „nötigen“, „zusetzen“, „zwingen“ oder „drangsalieren“, aber auch – bildhaft – [die] „Daumenschrauben anlegen/ansetzen/anziehen“, „das Messer an die Kehle“ oder „die Pistole auf die Brust setzen“.
[48] Der Zweitbeklagte äußerte im Mail an die Almbauern, die Klägerin wende „'erpresserische' Methoden“ an, wobei er selbst das Adjektiv unter Anführungszeichen setzte. Diese Äußerung wird nicht zuletzt dadurch von einem Durchschnittsleser auch im Gesamtzusammenhang mit dem diesem Mail angeschlossenen Mail an die Bereichsleiterin (in dem von einem Erpressungsversuch die Rede ist) nicht dahin verstanden, dass der Klägerindie Verwirklichung eines strafrechtlichen Delikts bzw die konkrete Strafbarkeit ihres Verhaltens iSd § 144 StGB vorgeworfen würde, sondern zwanglos dahin, dass sie sich Methoden bediente, die Beklagten durch Inaussichtstellung von anderweitigen schwerwiegenden Nachteilen dazu zu bringen, ihr zu ihrem eigenen Vorteil einen Teil des lukrativen Fleischgeschäfts abzutreten. Damit sind aber diese Äußerungen als zulässig wertende Äußerungen anzusehen, die auf einem mehr als nur im Kern wahren Sachverhalt beruhen, zumal die Bereichsleiterin der Klägerin nach dem als bescheinigt festgestellten Sachverhalt eben diese Handlungen und Zielsetzungen verfolgt hatte (vgl 6 Ob 32/21f; RS0054817; RS0082182).
2.3. Zu „erpresserischen“ Methoden nach § 1330 Abs 2 ABGB:
[49] Im Ergebnis dasselbe wie das zu 2.2. Gesagte gilt für die Beurteilung im Lichte des § 1330 Abs 2 ABGB; den Beklagten ist nicht das Verbreiten unwahrer Tatsachen, deren sachlicher Kern im Zeitpunkt der Äußerung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmte, vorzuwerfen, weil die Bereichsleiterin der Klägerin jenes Verhalten setzte, das die Beklagten für einen durchschnittlich qualifizierten Erklärungsempfänger verständlich ansprachen.
[50] 3. Auf die im Revisionsrekurs mehrmals angesprochene Frage, ob hier eine öffentliche Interessen betreffende Debatte stattfand, bei der die Freiheit der Meinungsäußerung bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Aussagen ein höheres Gewicht als bei rein unternehmensbezogenen Äußerungen zukäme (vgl RS0122468), muss damit hier nicht näher eingegangen werden.
[51] 4.1. Zusammengefasst war daher der antragsabweisende Beschluss des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederherzustellen.
[52] 4.2. Entscheidungswille des Erstgerichts war es eindeutig, das gesamte Antragsbegehren abzuweisen; dies wird von den Parteien auch nicht in Frage gestellt. Der diesem erkennbaren Entscheidungswillen entsprechende Beschlusstenor war durch eine sich am Wortlaut des klägerischen Begehrens orientierende Fassung als Maßgabe zu verdeutlichen.
[53] 5. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.
[54] Das ursprüngliche, pauschal mit 60.000 EUR bewertete Unterlassungsbegehren bestand aus acht Einzelbegehren (Anstrichen), die mangels näherer Aufschlüsselung mit 7.500 EUR je Einzelbegehren (Anstrich) anzusetzen sind.
[55] Gegenstand des Rekursverfahrens waren sechs der acht Begehren (Anstriche) im Wert von somit 45.000 EUR (Ansatz TP 3B: 1.027 EUR).
[56] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens waren in den Antragspunkten 1. und 2., jeweils im ersten Anstrich nur eine von zwei dort inkriminierten Äußerungen – was einem anteiligen Streitwert von 2 x 3.750 EUR entspricht – und weiters Antragspunkt 2., zweiter Anstrich, mit einem anteiligen Streitwert von 7.500 EUR. Daher ergibt sich für die Kosten des Revisionsrekursverfahrens ein Streitwert von 15.000 EUR und ein Ansatz TP 3C von 607,80 EUR; bei den Gerichtsgebühren ergab sich dadurch kein Tarifsprung (763 EUR).
[57] Insgesamt haben die Beklagten für das Rekursverfahren (richtig verzeichnete) 2.035,98 EUR und für das Revisionsrekursverfahren 1.968,96 EUR ersetzt zu erhalten.
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