European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00119.22S.1121.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Wurde ein Verfahrensmangel erster Instanz in der Berufung geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint, kann der Mangel nach ständiger Rechtsprechung in der Revision nicht mehr gerügt werden (RIS‑Justiz RS0042963; RS0106371).
[2] 2. Ob ein weiteres Gutachten notwendig ist oder aber das schon erstattete die Feststellungen der Vorinstanzen rechtfertigt, sind Fragen der irrevisiblen Beweiswürdigung, wie auch die Notwendigkeit weiterer Beweisaufnahmen allgemein (RS0043320; RS0043414 [T6, T17, T18]). Die Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird (RS0043371 [T28]). Eine inhaltliche Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof hat insoweit aber nicht zu erfolgen.
[3] 3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Mängel- oder Beweisrüge ist mängelfrei, wenn es sich mit diesen überhaupt befasst, das Verfahren des Erstgerichts überprüft, nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (RS0043144; RS0043150). Das ist hier der Fall.
[4] Der Vorwurf, dass die Behandlung der Beweisrüge nur floskelhaft erfolgte, ist nicht berechtigt. Das Berufungsgericht hat sich sowohl mit den Argumenten in der Beweisrüge des Klägers als auch den verschiedenen Beweisergebnissen, insbesondere der Aussage des Klägers, ausführlich auseinandergesetzt und dargelegt, weshalb es die Beweiswürdigung des Erstgerichts für überzeugend erachtet. Von einer bloßen Scheinbegründung kann daher keine Rede sein.
[5] 4. Wucher iSd § 879 Abs 2 Z 4 ABGB ist gegeben, wenn 1. ein auffallendes Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung und der Gegenleistung besteht, 2. der durch das Geschäft Begünstigte dieses Missverhältnis kennt, und 3. bei dem durch das Geschäft Benachteiligten gewisse Verhältnisse und Eigenschaften vorhanden sind, die ihn hindern, sein Interesse gehörig zu wahren; fehlt nur eine dieser Voraussetzungen, unterliegt ein Geschäft nicht der Beurteilung als eines wucherischen (RS0016864).
[6] Ob die Voraussetzungen des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0016861 [T1]; RS0016864 [T6]).
[7] 5. Wucher erfordert als objektives Merkmal eine grobe, leicht erkennbare Äquivalenzstörung, wobei die gesamten beiderseitigen Leistungen in ein Verhältnis zu setzen sind (RS0016947). In die Gegenüberstellung sind alle objektiv bewertbaren Vorteile einzubeziehen (9 Ob 20/10x mwN).
[8] Auffallend ist das Missverhältnis der Leistungswerte dann, wenn die Gegenleistung den Wert der Leistung bedeutend übersteigt, ohne dass die Übermäßigkeit durch besondere Umstände des Falls, etwa die Gewagtheit des Geschäfts, sachlich gerechtfertigt wäre (vgl RS0104128). Bloßes Fehlen der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit reicht nicht aus (RS0104128 [T1]).
[9] 6. Von diesen Grundsätzen ausgehend ist die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass auch die Vorteile, die dem Kläger aufgrund der Benützungsvereinbarung zukommen, im Rahmen der Beurteilung der gegenseitigen Leistungen zu bewerten sind, nicht zu beanstanden. Nach den Feststellungen hat der Kläger aufgrund der Benutzungsvereinbarung für die nächsten 30 Jahre Anspruch auf 62 % des Ertrags der Liegenschaft bei einem ihm gehörenden Liegenschaftsanteil von nur einem Drittel. Der Kläger bekommt über 30 Jahre mehr als ihm nach seinem Eigentumsanteil zusteht. Auch wenn diese Erträgnisse, wie die Revision ausführt, „nicht Teil des Kaufpreises“ sind, bildeten der Kaufvertrag und die Benutzungsvereinbarung eine Einheit und stellen daher auch die Vorteile des Klägers aus der Benützungsvereinbarung einen im Rahmen der Gesamtvereinbarung wertbestimmenden Faktor und damit eine Gegenleistung für den Erwerb der Liegenschaftsanteile dar (vgl etwa 3 Ob 62/20v zu zusätzlich zum Kaufpreis lukrierten Mietzinsen).
[10] 7. Dass bei Berücksichtigung der Ertragswerte – wie vom Erstgericht festgestellt – kein auffallendes grobes Missverhältnis vorliegt, wird von der Revision nicht konkret bestritten.
[11] Entgegen den Ausführungen in der Revision ist das Berufungsgericht auch nicht davon ausgegangen, dass die Beurteilung des Werts der gegenseitigen Leistungen durch Sachverständige der Annahme einer relevanten Äquivalenzstörung grundsätzlich entgegensteht, sondern hat es nur darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Einzelfall aufgrund der selbst von Sachverständigen schwer zu bestimmenden Wertverhältnisse nicht von einem auffallenden Missverhältnis gesprochen werden könne.
[12] 8. Warum auf Basis der getroffenen Feststellungen entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanzen von Arglist oder Wucher auszugehen sein sollte oder der Tatbestand des § 1371 ABGB erfüllt ist, wird in der Revision nicht näher begründet. Darauf ist daher nicht weiter einzugehen.
[13] 9. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
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