OGH 11Os56/22b

OGH11Os56/22b15.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kornauth als Schriftführer in der Strafsache gegen * A* wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 3. November 2021, GZ 39 Hv 82/21g‑30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0110OS00056.22B.1115.000

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, im Schuldspruch, demzufolge auch in den Aussprüchen über die Strafe, den Verfall und die privatrechtlichen Ansprüche aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

Mit seinen Rechtsmitteln wird der Angeklagte auf die Aufhebung verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde * A* des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in P* seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch folgende Personen um einen (somit 5.000 Euro übersteigenden) Betrag von zusammen 60.602,42 Euro am Vermögen geschädigt, und zwar

(I) „als Mehrheitseigentümer und Verwalter“ einer Liegenschaft deren weiteren Miteigentümer, * B*, indem er am 20. Jänner 2020 von einem Girokonto, „auf welches die Einnahmen der Vermietung der Liegenschaft überwiesen werden“, im Wissen, keinen Anspruch auf ein „entsprechendes Verwaltungsentgelt“ zu haben, 19.050 Euro auf sein „Privatkonto“ überwies, um 5.715 Euro sowie

(II) „als Gesellschafter-Geschäftsführer“ der S* GmbH diese Gesellschaft, indem er sein monatliches Geschäftsführergehalt „eigenmächtig erhöhte“, und zwar

(a) von April 2014 bis Februar 2016 von 2.700 Euro auf 3.750 Euro („Vermögensschaden EUR 24.150“),

(b) im März 2016 von 2.700 Euro auf 3.959,24 Euro einschließlich Sachbezüge („Vermögensschaden EUR 1.259,24“) und

(c) von April 2016 bis Februar 2018 von 2.700 Euro auf 3.981,66 Euro einschließlich Sachbezüge („Vermögensschaden EUR 29.478,18“).

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

 

[4] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass das angefochtene Urteil – im gesamten Schuldspruch – mit (nicht prozessförmig geltend gemachter) dem Angeklagten zum Nachteil gereichender Nichtigkeit (aus Z 9 lit a) behaftet ist.

Zum Schuldspruch zu I:

[5] § 153 StGB verlangt den Fehlgebrauch einer Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen (oder einen anderen zu verpflichten). Bei der Beurteilung, ob fremdes, also nicht dem Täter allein zuzuordnendes, Vermögen vorliegt, ist – entsprechend dem Schutzzweck des § 153 StGB – eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten (RIS‑Justiz RS0094171 [T3]; dazu näher Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 153 Rz 2/9 ff mwN).

[6] Das Erstgericht trifft zwar Feststellungen (US 4) zum Verhältnis der Miteigentumsanteile (Angeklagter: 7/10; B*: 3/10) an der Liegenschaft (welches – mangels abweichender Vereinbarung – als Verteilungsschlüssel für deren Nutzungen und Lasten heranzuziehen ist [§ 839 ABGB]); ebenso (US 4) zur faktischen Ausübung der Verwaltung überwiegend durch den Angeklagten (zur Verwaltungsbefugnis der Miteigentümer mangels abweichender [einstimmiger] Vereinbarung der Verwaltung durch einen bestellten Verwalter vgl Egglmeier‑Schmolke in Schwimann, ABGB‑TaKomm5 § 833 Rz 8 und § 836 Rz 1; zur Vertretungsbefugnis der Mehrheit vgl Tanczos/Eliskases in Rummel/Lukas, ABGB4 § 833 Rz 21).

[7] Weiters ging das Erstgericht davon aus, dass der Angeklagte die inkriminierte Überweisung von jenem Bankkonto vornahm, auf welches die Mieterin der Liegenschaft den (deren Miteigentümern anteilig zukommenden) Mietzins überwies (US 4).

[8] Daraus ergibt sich zwar mit hinreichender Deutlichkeit, dass der Saldo jenes Girokontos (auch) dem wirtschaftlichen Vermögen des B* zuzurechnen war. Dies aber nur insoweit, als sich darin der ihm nach seiner Miteigentumsquote (30 %) gebührende Anteil an den darauf eingegangenen Nutzungen (abzüglich der anteiligen Lasten) verkörperte.

[9] Hiervon ausgehend bleibt nach dem (in dieser Hinsicht unklar bleibenden) Urteilssachverhalt schon offen, ob der Angeklagte mit der inkriminierten Überweisung (ganz oder zum Teil) über fremdes Vermögen verfügte. Ebenso, ob dadurch B* ein Vermögensschaden entstanden wäre (zu diesem Tatbestandsmerkmal eingehend Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 153 Rz 36 ff [im gegebenen Zusammenhang insbesondere Rz 39 und 40] mwN).

[10] Einen solchen hat das Erstgericht ohne Weiteres in Höhe von 3/10 des überwiesenen Geldbetrags – also im Ausmaß der Miteigentumsquote des B* – bejaht; dies im Hinblick darauf, dass der Angeklagte als „Verwendungszweck“ bei der Überweisung „Abrechnung Verwaltung MEG‑2015‑2019“ angab, obwohl er „[z]uvor“ „kein Entgelt für seine Verwaltungstätigkeiten“ „begehrt“ hatte (US 4 und 6).

[11] Noch ungeachtet allfälliger Gebührlichkeit eines „Verwaltungshonorars“ (vgl US 4, 5 und 6; zur Aufrechenbarkeit eines durch die Missbrauchshandlung entstehenden Vermögensvorteils, der auch in einer Reduktion von Verbindlichkeiten bestehen kann, vgl RIS‑Justiz RS0094810 und RS0094565, insbesondere 17 Os 8/18g mwN) könnte ein Untreue‑Schaden aber (fallkonkret) überhaupt nur dann anzunehmen sein, wenn der überwiesene Geldbetrag den dem Angeklagten aus seiner Miteigentumsquote gebührenden (und von diesem noch nicht zuvor vereinnahmten) Anteil an den Nutzungen (abzüglich der anteiligen Lasten) überstiegen hätte.

[12] Eine Feststellungsgrundlage, die diese Beurteilung ermöglichen würde, enthält das Ersturteil nicht.

Zum Schuldspruch zu II:

[13] Auch Untreue zu Lasten einer GmbH setzt Missbrauch – also vorsätzlichen Fehlgebrauch – einer Befugnis, über deren Vermögen zu verfügen (oder sie zu verpflichten), und einen dadurch bei der Gesellschaft eingetretenen Vermögensschaden voraus (vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 153 Rz 37; RIS‑Justiz RS0094723 [T3]).

[14] Nach den Urteilsfeststellungen (US 4) war der Angeklagte zur Tatzeit nicht nur (alleiniger) Geschäftsführer, sondern auch (Mehrheits-)Gesellschafter der S* GmbH, deren (einziger) weiterer Gesellschafter B* war.

[15] Bei Geschäftsführern einer GmbH ist zwischen ihrer (auf Gesellschafterbeschluss oder Gesellschaftsvertrag beruhenden) Bestellung und ihrem Anstellungsvertrag zu unterscheiden. Erstere verleiht die körperschaftsrechtliche Funktion als vertretungsbefugtes Organ, Letzterer regelt die schuldrechtlichen Beziehungen im Innenverhältnis zur Gesellschaft (vgl RIS‑Justiz RS0027940).

[16] Die Parteien des Geschäftsführungsvertrags sind die Gesellschaft und der Geschäftsführer, nicht der Gesellschafter und der Geschäftsführer (RIS‑Justiz RS0059354). Seitens der Gesellschaft erfolgen Abschluss, Abänderung und Beendigung dieses Anstellungsvertrags (sofern der Gesellschaftsvertrag oder ein vorangehender Gesellschafterbeschluss nichts anderes regelt) durch Beschluss der Generalversammlung (Gesellschafterbeschluss). An einem diesbezüglichen Gesellschafterbeschluss kann zwar auch der Gesellschafter-Geschäftsführer ohne Verstoß gegen die Regeln über das In-Sich-Geschäft (§ 39 Abs 4 GmbHG) mitwirken. In dieser Angelegenheit zur Vertretung der Gesellschaft befugt ist aber (mangels einer davon abweichenden Regelung) die Generalversammlung, nicht also der Geschäftsführer selbst in dieser Eigenschaft (zum Ganzen Ratka/Stöger/Straube/Völkl in Straube/Ratka/Rauter, WK‑GmbHG § 15 Rz 66, 72 und 73 mwN; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 15 Rz 18 ff mwN).

[17] Das Erstgericht hat dazu nur festgestellt, dass der Angeklagte sein Geschäftsführergehalt „eigenmächtig“ und „ohne die Zustimmung der Generalversammlung der Gesellschaft einzuholen“ „erhöhte“, woraufhin ein entsprechender „Mehrbezug“ des Angeklagten „zu verzeichnen“ war (US 4).

[18] Welche seiner Befugnisse der Angeklagte – der als (zu 70 %) Mehrheitsgesellschafter jederzeit einen wirksamen (wenn auch im Fall der Gesetz- oder Satzungswidrigkeit anfechtbaren) Gesellschafterbeschluss entsprechenden Inhalts hätte herbeiführen können (vgl Kodek/Csoklich in WK2 Wirtschaftsstrafrecht Rz 142 ff) – durch welches konkrete Verhalten „wissentlich“ „in unvertretbarer Weise missbraucht“ (US 5) haben soll, bleibt auf dieser Sachverhaltsbasis offen:

[19] Jene („als Gesellschafter“, somit Teil) der Generalversammlung, die GmbH zu verpflichten, indem er (unter Missachtung organisationsrechtlicher Regeln über deren Willensbildung) aufseiten der Gesellschaft – solcherart in deren Namen mit sich selbst kontrahierend – seinen Anstellungsvertrag im Sinn einer Erhöhung der Geschäftsführerbezüge abänderte (zu einer vergleichbaren Konstellation 14 Os 172/13w, 173/13t) oder

jene als Geschäftsführer, über das Vermögen der GmbH zu verfügen, indem er sich – ohne Vertragsänderung – ein (gegenüber dem im Anstellungsvertrag vereinbarten) erhöhtes Gehalt anwies.

[20] Dies kann jedoch dahinstehen, weil die Urteilsfeststellungen schon nicht ausreichen, um das weitere Tatbestandsmerkmal eines (der Gesellschaft durch den Fehlgebrauch einer Befugnis entstandenen) Vermögensschadens zu bejahen.

[21] Sie erschöpfen sich insoweit in der Konstatierung, dass eine „Erhöhung“ der Bezüge (resp ein entsprechender „Mehrbezug“) in einem betraglich konkretisierten Ausmaß stattgefunden hat (US 4).

[22] Die Annahme eines Vermögensschadens aber würde (in der vorliegenden Konstellation) jedenfalls voraussetzen, dass Leistung („erhöhtes“ Gehalt) und Gegenleistung (Geschäftsführungstätigkeit des Angeklagten) zueinander in einem wirtschaftlichen Missverhältnis stehen (vgl zur Schadensberechnung RIS‑Justiz RS0094836 und 14 Os 172/13w, 173/13t; vgl auch RS0130726). Dazu sagt das angefochtene Urteil in tatsächlicher Hinsicht nichts aus.

[23] Die unter Verwendung von verba legalia getroffene Urteilsaussage zu einem bedingten Vorsatz des Beschwerdeführers, dass B* (Schuldspruch zu I) und die S* GmbH (Schuldspruch zu II) „in ihrem Vermögen geschädigt werden“ (US 5), bleibt insofern ohne Sachverhaltsbezug, somit zirkulär (RIS‑Justiz RS0119090).

[24] Hätte die Verwirklichung des vom Täter angestrebten Sachverhalts in rechtlicher Hinsicht keinen Vermögensschaden bedeutet, kann auch kein strafbarer Versuch (§ 15 StGB) vorliegen.

 

[25] Die aufgezeigten Rechtsfehler mangels Feststellungen führten – im Wesentlichen in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[26] Mit seinen Rechtsmitteln war der Angeklagte auf die Aufhebung zu verweisen.

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