European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00086.22M.1025.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * D*, * Ma*, * P*, * S* (jeweils zu A/1 und B/1) und * M* (zu A/2 und B/2) jeweils zweier (vgl aber RIS‑Justiz RS0121981) Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach haben als Mitglieder des als Baubehörde zweiter Instanz befassten Gemeinderats der Gemeinde B*, mithin als Beamte, mit dem Vorsatz, dadurch die Allgemeinheit (zu A/ ersichtlich gemeint [US 28]) an ihrem Recht auf Erreichung des Schutzzwecks von ihnen anzuwendender baurechtlicher Vorschriften, nämlich die Gewährleistung der Gebäudesicherheit bei Neubauten (vgl § 5 Steiermärkisches Baugesetz [kurz BauG]), und (zu B/) auf Beseitigung rechtswidrig errichteter Bauwerke (vgl § 41 Abs 3 BauG) sowie (richtig: zu B/) * L* an dessen Recht auf Entscheidung über eine von ihm erhobene Berufung (vgl § 73 AVG sowie Art 130 Abs 1 Z 3 B‑VG und § 8 Abs 1 VwGVG) zu schädigen, ihre Befugnis, als Organ der Gemeinde B*, in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, und zwar
A/ entgegen ihrer Verpflichtung zur (nach Maßgabe des BauG gebotenen) Abweisung der von L* gegen den abweisenden Bescheid des Bürgermeisters dieser Gemeinde vom 29. November 2016 über einen Antrag des L* auf Bewilligung eines im angefochtenen Urteil näher bezeichneten Bauvorhabens erhobenen Berufung, indem
1/ D*, Ma*, P* und S* am 27. September und am 23. Oktober 2018 eine (neuerliche) Beschlussfassung des Gemeinderats über die genannte Berufung durch ihr Votum für eine Absetzung des entsprechenden Tagesordnungspunktes verhinderten und am 22. November 2018 gegen einen auf Abweisung der Berufung zielenden Antrag stimmten;
2/ M* am 27. September und am 23. Oktober 2018 eine (neuerliche) Beschlussfassung des Gemeinderats über die genannte Berufung durch sein Votum für eine Absetzung des entsprechenden Tagesordnungspunktes verhinderte;
B/ entgegen ihrer Verpflichtung zur Entscheidung über die von L* gegen den Bescheid des Bürgermeisters dieser Gemeinde vom 18. August 2017, mit welchem L* der Auftrag zur Beseitigung einer im angefochtenen Urteil näher bezeichneten Ankündigungseinrichtung (vgl § 20 Z 3 lit a BauG idF LGBl 2015/34) erteilt worden war, erhobene Berufung, indem
1/ D*, Ma*, P* und S* am 27. September und am 23. Oktober 2018 eine Beschlussfassung des Gemeinderats über die genannte Berufung durch ihr Votum für eine Absetzung des entsprechenden Tagesordnungspunktes verhinderten und am 22. November 2018 gegen einen auf Abweisung der Berufung zielenden Antrag stimmten;
2/ M* am 27. September und am 23. Oktober 2018 eine Beschlussfassung des Gemeinderats über die genannte Berufung durch sein Votum für eine Absetzung des entsprechenden Tagesordnungspunktes verhinderte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die von den Angeklagten D*, M*, Ma*, P* und S* gemeinsam ausgeführten, aus den Gründen der Z 4, 5, 5a sowie 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden sind nicht im Recht.
[4] Das Erstgericht ging in objektiver Hinsicht im Wesentlichen von folgendem Urteilssachverhalt aus (US 6 ff):
[5] L* ist Eigentümer zweier – ursprünglich als Freiland gewidmeter (§ 33 Steiermärkisches RaumordnungsG 2010 [kurz: StROG]) – Grundstücke in der Gemeinde R* (die seit 2015 Teil der Gemeinde B* ist), 2011 erteilte ihm die zuständige Bezirkshauptmannschaft die wasserrechtliche Bewilligung für eine Geländeanschüttung zur „Hochwasserfreistellung“ von Teilen dieser Grundstücke, um ein Einfamilienhaus samt Nebengebäude errichten zu können. Über sein Ersuchen beschloss der Gemeinderat der Gemeinde R* die Änderung des örtlichen Entwicklungskonzepts und des Flächenwidmungsplans „vorbehaltlich der Umsetzung erforderlicher Hochwasserschutzmaßnahmen“, wobei sich die Lage der L* betreffenden „Baulandausweisung“ aus nicht festgestellten Gründen deutlich weiter westlich befand als in der wasserrechtlichen Bewilligung. Mit Bescheid vom 16. April 2015 stellte die Bezirkshauptmannschaft die Übereinstimmung der mittlerweile vorgenommenen Geländeanschüttung zur Errichtung eines Einfamilienhauses samt Nebengebäude mit der wasserrechtlichen Bewilligung aus 2011 fest; nachträgliche „geringfügige Abweichungen“ wurden genehmigt.
[6] Nach Bewilligung der Teilung der beiden Grundstücke wies der Bürgermeister der Gemeinde B* * Sc* mit Bescheid vom 29. November 2016 den Antrag des L* auf Erteilung der Baubewilligung ab, weil sich im Zuge eines Ortsaugenscheins herausgestellt hatte, dass sich die vorgenommene Geländeanschüttung nicht mit dem für die Bebauung vorgesehenen Bereich deckte und „eine Errichtung des eingereichten Bauprojektes nicht den Anforderungen der Standsicherheit entsprechen kann“. Auf Grund der Böschungsneigung im westlichen Bereich des Grundstücks wurde kein Nachweis für die „Standhaftigkeit des Bauplatzes“ erbracht. Gegen diesen Bescheid erhob L* fristgerecht Berufung, in welcher er darauf hinwies, dass die vom Gemeinderat beschlossene Änderung des Flächenwidmungsplans ein Gebiet als Bauland ausweist, das nicht den Erfordernissen der „Hochwasserfreistellung“ laut Bescheid der Wasserrechtsbehörde aus 2011 entsprach.
[7] In der Sitzung des Gemeinderates vom 30. März 2017 stimmten die Beschwerdeführer gegen den Antrag auf Abweisung dieser Berufung und fassten den Beschluss, dieser stattzugeben, weil sie der Ansicht waren, dass es an der Bauplatzeignung nur wegen – von der Gemeinde zu verantwortenden – Fehlern bei der „Baulandausweisung“ mangle. Diese Fehler seien durch Neuvermessung auf Kosten der Gemeinde und „Richtigstellung der Baulandgrenze auf Basis des bewilligten Wasserrechtsbescheides“ zu korrigieren. Eine Begründung dahingehend, dass der Bauplatz des L* eine Eignung im Sinn des BauG aufgewiesen habe, enthielt dieser Beschluss nicht.
[8] Da der Bürgermeister Bedenken gegen den Vollzug dieses seiner Ansicht nach rechtswidrigen Beschlusses hatte, holte er die Rechtsauskunft der Gemeindeaufsichtsbehörde ein.
[9] „Im Zusammenhang“ mit dem genannten Bauverfahren wurde auf einem Grundstück des L* ein etwa ein mal sechs Meter großes Transparent mit der Aufschrift „Sc*, B*, Ba* – falsche Baulandausweisung im Hochwassergebiet!“ aufgestellt. Sc* trug als Bürgermeister und Baubehörde erster Instanz L* mit Bescheid vom 18. Oktober 2017 auf, diese „Werbe- bzw. Ankündigungseinrichtung“ (vgl § 20 Z 3 lit a BauG idF LGBl 2015/34) „samt Befestigungs- und Aufstellungsteilen“ binnen acht Tagen zu beseitigen. Auch gegen diesen Bescheid erhob L* fristgerecht Berufung.
[10] Am 16. November 2017 brachte unter anderem Sc* beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz eine Klage gegen L* auf Unterlassung, Widerruf und Feststellung in Bezug auf den von diesem in einem an alle Haushalte der Gemeinde B* versandten Flugblatt erhobenen Vorwurf, Sc* und der Stadtamtsdirektor würden Gemeinderatsbeschlüsse nicht vollziehen und „Amtsmissbrauch“ begehen, ein.
[11] Zu Punkt A/ des Schuldspruchs wird den Beschwerdeführern im Wesentlichen vorgeworfen, trotz mehrfachen Hinweises auf die Rechtsauskünfte der Gemeindeaufsichtsbehörde und des (ebenfalls von Sc* kontaktierten) Gemeindebundes Steiermark, dass der Gemeinderat neuerlich über die Berufung des L* gegen die Abweisung seines Bauansuchens zu entscheiden und diese ausschließlich nach den (nicht erfüllten) Kriterien des BauG zu beurteilen habe, eine solche Beschlussfassung im Gemeinderat zunächst mehrfach verhindert und (außer M*) in der Sitzung vom 22. November 2018 (erfolglos) gegen den Antrag auf Abweisung der Berufung gestimmt zu haben.
[12] Zu B/ wiederum liegt den Beschwerdeführern zur Last, eine Beschlussfassung im Gemeinderat über die von L* gegen den Beseitigungsauftrag erhobene Berufung wiederholt unterbunden und (außer M*) schließlich in der Sitzung vom 22. November 2018 (erfolglos) gegen den Antrag auf Abweisung der Berufung votiert zu haben. Dies unter anderem mit der Begründung, dass sie einen „Eingriff“ in das zwischen Sc* und L* geführte Zivilverfahren ablehnten.
[13] Die gegen die Abweisung mehrerer Beweisanträge (ON 97 S 41 ff) ergriffene Verfahrensrüge (Z 4) bleibt erfolglos.
[14] Der Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung des späteren Bürgermeisters der Gemeinde B* zum Thema, dass das Bauansuchen des L* nach Änderung des Flächenwidmungsplans „wie von den Angeklagten vorgeschlagen“ erledigt werden konnte, ließ nämlich kein (für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage) erhebliches Beweisthema erkennen (vgl aber RIS-Justiz RS0118319).
[15] Gleiches gilt für den Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung des L*, wobei das Erstgericht im Übrigen einen Großteil der zu beweisenden Tatsachen (insbesondere hinsichtlich des Verlaufs des baurechtlichen Verfahrens, des Inhalts der seine Grundstücke betreffenden Bescheide, des Ablaufs der Gemeinderatssitzungen und einer Besprechung des Bürgermeisters mit der Aufsichtsbehörde) zugunsten des Beschwerdeführers als erwiesen annahm (US 6 ff; RIS-Justiz RS0099135). Nicht erheblich waren auch Aussagen zur politischen Ausrichtung des L*, zu dessen persönlichem Verhältnis zu Sc* und dem zwischen diesen beiden geführten Zivilverfahren.
[16] Die beantragte zeugenschaftliche Vernehmung des DI * Ba* dazu, ob die Beschwerdeführer „aufgrund der unklaren Rechtslage im Zusammenhang mit dem Wasserrechtsbescheid eine vertretbare Entscheidung“ getroffen haben, hatte zu unterbleiben, weil derartige Einschätzungen (hier nach Art einer rechtlichen Beurteilung) nicht Gegenstand des Zeugenbeweises sind (RIS‑Justiz RS0097540) und Rechtsfragen überhaupt als Gegenstand der Beweisaufnahme ausscheiden (RIS-Justiz RS0130194).
[17] Die Mängelrüge verfehlt mit dem zu A/ erhobenen Vorwurf eines Widerspruchs (Z 5 dritter Fall), weil das Erstgericht einerseits festgestellt habe (US 9), dass der Gemeinderat am 30. März 2017 mit den Stimmen der Beschwerdeführer beschlossen habe, der Berufung des L* Folge zu geben, und andererseits ausgeführt habe, die Beschwerdeführer hätten (ersichtlich gemeint: durch Verhinderung einer neuerlichen Beschlussfassung über seine Berufung) „zum Nachteil des Bauwerbers L*“ gehandelt, die gebotene Bezugnahme auf die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370). Nach dem Urteilssachverhalt bezog sich der Schädigungsvorsatz der Beschwerdeführer dabei nämlich unter anderem auch darauf, den Anspruch der „örtlichen Gemeinschaft“ auf eine „der Gebäudesicherheit entsprechende Bebauung des Landes- bzw Gemeindegebietes“ zu beeinträchtigen (US 28; vgl RIS‑Justiz RS0096816; Nordmeyer in WK2 § 302 Rz 163 f [zur Vereitelung des von der missachteten Vorschrift verfolgten Regelungszwecks als tauglichem Bezugspunkt des Schädigungsvorsatzes]). Davon ausgehend betrifft die Frage, ob auch eine Schädigung des Bauwerbers an dessen (Verfahrens‑)Rechten intendiert war, keine entscheidende Tatsache, die allein den gesetzlichen Bezugspunkt des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes bildet (RIS‑Justiz RS0117499; vgl im Übrigen RS0096386).
[18] Nominell geltend gemachte Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) begründet nur die erheblich unrichtige Wiedergabe des Inhalts eines Beweismittels im Urteil (RIS‑Justiz RS0099431). Eine solche behaupten die Beschwerdeführer in Bezug auf das im oben angeführten Verfahren des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz ergangene Urteil gar nicht. Da die von der Rüge referierten Passagen aus dieser Entscheidung im Wesentlichen mit dem vom Erstgericht zugrunde gelegten Sachverhalt übereinstimmen, wird zudem nicht klar, welche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen damit überhaupt bekämpft werden sollen. Mit diesem Vorbringen allenfalls gemeinte Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) liegt ebenso wenig vor, weil eine Erörterung von Feststellungen, Beweiswürdigung und rechtlicher Beurteilung einer anderen Entscheidung unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit nicht geboten ist (12 Os 29/17g; 14 Os 19/18b; vgl auch Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 430).
[19] Nicht entscheidend und solcherart einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ist auch der Umstand, „aufgrund welcher Grundlagen“ die Gemeindeaufsichtsbehörde ein (im angefochtenen Urteil angesprochenes [US 20 f]) E‑Mail mit der Einschätzung der Rechtswidrigkeit des Vorgehens der Beschwerdeführer verfasste. Gleiches gilt für die – ohnehin festgestellte (US 13) – Nichtbeiziehung des L* zu einer Besprechung von Vertretern der Gemeinde B* mit der Gemeindeaufsichtsbehörde.
[20] Dass die Tatrichter der – Wissentlichkeit in Bezug auf den Befugnismissbrauch in Abrede stellenden – Verantwortung der Beschwerdeführer keinen Glauben schenkten (vgl US 30 ff), ist als solches nicht Gegenstand der Mängelrüge (RIS‑Justiz RS0106588). Die in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, die Beschwerdeführer seien weder vom Bürgermeister noch vom Stadtamtsdirektor auf die Rechtswidrigkeit ihres am 30. März 2017 gefassten Beschlusses hingewiesen worden, ist urteilsfremd (vgl US 10 f).
[21] Die gebotene Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370) verfehlt auch die Kritik, das Erstgericht habe nicht „dargelegt, weshalb die Angeklagten ihre[r] Entscheidungspflicht nicht nachgekommen sein sollten“ (vgl hingegen US 33 und 44). Die als fehlend reklamierte Begründung der Feststellungen zur Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs findet sich – von den Beschwerdeführern erneut übergangen – auf US 47 f. Eine Begründung der mit diesem Vorbringen allenfalls angesprochenen rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts durch das Erstgericht ist abermals nicht gesetzlicher Bezugspunkt der Mängelrüge (RIS‑Justiz RS0130194).
[22] Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) zunächst auf die Ausführungen der Mängelrüge verweist, verkennt sie den wesensmäßigen Unterschied der Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO und das daraus folgende Gebot zu deren gesonderter Ausführung (RIS‑Justiz RS0115902).
[23] Davon abgesehen unterlässt sie es, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen „aus den Akten“, also unter Bezugnahme auf konkrete Beweismittel darzutun (RIS‑Justiz RS0117446).
[24] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nimmt mit dem zu A/ vorgetragenen Einwand, die Beschwerdeführer seien an die rechtskräftigen Bescheide der Bezirkshauptmannschaft im wasserrechtlichen Verfahren gebunden gewesen, nicht Maß an der Gesamtheit des Urteilssachverhalts (vgl aber RIS‑Justiz RS0099810), demzufolge Abweichungen des Flächenwidmungsplans bei der „Baulandausweisung“ samt darauf aufbauender Grundstücksteilung von der wasserrechtlichen Bewilligung der (vorgenommenen) „Geländeanschüttung“ zur fehlenden Bauplatzeignung geführt hätten (US 6 f). Inwieweit der wasserrechtliche Bescheid „Bindungswirkung“ im Verfahren zur Erteilung einer Baubewilligung habe und der Bürgermeister in diesem erst „nach Behebung“ jenes Bescheides hätte entscheiden dürfen, wird im Übrigen nicht klar.
[25] Weshalb eine von den Beschwerdeführern dem Bürgermeister vorgeworfene Nichteinhaltung der in § 46 Abs 1 Steiermärkische Gemeindeordnung (kurz: GemO) normierten Frist in Bezug auf den (rechtswidrigen) Beschluss des Gemeinderates vom 30. März 2017 entscheidend für die strafrechtliche Beurteilung ihres Verhaltens sei, wird nicht dargetan. Dass der Gemeinderat außerhalb der in dieser Bestimmung genannten Frist von zwei Wochen keine Befugnis zu neuerlicher Beschlussfassung habe, bringt die Rüge zu Recht nicht (deutlich und bestimmt) vor. Ohne methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz bleibt die Behauptung, „die Zustellung dieses Beschlusses“ (gemeint offenbar: eines darauf basierenden Bescheides) spiele (für die Frage der Bindung des Gemeinderats) „keine Rolle“ (vgl hingegen zur ständigen Rechtsprechung des VwGH [derzufolge Bindungswirkung erst mit Zustellung eines auf Beschlussfassung des Kollegialorgans basierenden Bescheids eintritt, davor somit „Abänderung nach den Grundsätzen des AVG“ zulässig ist] 91/10/0252; 95/09/0062; 2007/05/0139 [dass das Kollegialorgan nach dieser Entscheidung bei nachträglichen Änderungen der Sach- und Rechtslage zu neuerlicher Beschlussfassung nicht verpflichtet ist, hat für die vorliegende Konstellation eines ursprünglich rechtsfehlerhaften Beschlusses keine Bedeutung]; ebenso VfSlg 7613 und 8386; Hengstschläger/Leeb, AVG § 18 Rz 5 und § 62 Rz 2; Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahren11 Rz 413 und 426; aA offenbar Jantschgi/Jantschgi, Steiermärkische GemO § 46 Rz 8 [ohne darzulegen, dass es sich bei der dort genannten Frist um eine Fallfrist handle, wobei insbesondere die systematische Stellung dieser Bestimmung außer Acht gelassen wird, die eine Ausnahme von der Vollzugspflicht des Bürgermeisters normiert und keine Kompetenzvorschrift für den Gemeinderat darstellt]).
[26] Ebenso unklar bleibt, welche Bedeutung das Unterbleiben eines Devolutionsantrags (vgl § 73 Abs 2 AVG) seitens des Bauwerbers L* vor dem hier gegenständlichen Tatzeitraum für die strafrechtliche Beurteilung des den Beschwerdeführern vorgeworfenen Verhaltens habe.
[27] Die Kritik zu B/, die als Befestigung des Transparents dienenden „Wäscheständer“ seien „bereits Jahrzehnte an Ort und Stelle vorhanden“ gewesen, entfernt sich prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) vom gegenteiligen Urteilssachverhalt (vgl US 14).
[28] Nach diesem liegt den Beschwerdeführern zudem ersichtlich (vgl US 26 ff) zur Last, das zu A/ und B/ inkriminierte Verhalten jeweils im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit gezeigt zu haben. Davon ausgehend stellt sich die Frage nach der inhaltlichen Berechtigung der von L* gegen den Beseitigungsauftrag (vgl § 41 Abs 3 BauG) ergriffenen Berufung nicht, weil die Beschwerdeführer (auch) zu B/ mehrfach eine Entscheidung über dieses Rechtsmittel und solcherart eine Klärung der in diesem aufgeworfenen Fragen (nach dem Zeitpunkt der Errichtung der „Steher, an denen das Transparent befestigt sei“ und ob es sich überhaupt um eine „vorschriftswidrige bauliche Anlage“ im Sinn des BauG handle [vgl US 14]) verhinderten (vgl RIS‑Justiz RS0127374 [zur Irrelevanz des Wegfalls einzelner, im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit gesetzter Ausführungshandlungen für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage]).
[29] Dass es sich bei diesem Bescheid (vom 18. Oktober 2017) um einen „absolut nichtigen“ Verwaltungsakt gehandelt habe, wird abermals (zu Recht) nicht deutlich und bestimmt behauptet (vgl im Übrigen Hengstschläger/Leeb, AVG § 63 Rz 62 [zur Unzuständigkeit als Berufungsgrund] sowie § 56 Rz 6 ff und § 68 Rz 102 ff; Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahren11 Rz 433 ff; Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 23 ff [jeweils zu den Voraussetzungen absoluter Nichtigkeit und deren Unterschiede zur Fehlerhaftigkeit von Bescheiden]).
[30] Mit dem weiteren Vorbringen, welches auf das Motiv der Beschwerdeführer für ihr Verhalten („in das anhängige Zivilverfahren“ zwischen dem damaligen Bürgermeister und L* „nicht einzugreifen“) verweist und daraus eine „vertretbare Rechtsauffassung“ ableitet, werden im Ergebnis (wie teils auch zu A/) die Feststellungen zur Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs (unter anderem US 19 f und 26 f) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung bekämpft.
[31] Gleiches gilt für das aus Z 9 lit b erstattete Vorbringen, welches – im Übrigen ohne einen Feststellungsmangel durch entsprechenden Hinweis auf indizierende Verfahrensergebnisse geltend zu machen (vgl RIS‑Justiz RS0118580) – irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts (§ 8 StGB) oder das Vorliegen eines Rechtsirrtums (§ 9 StGB) reklamiert, im Ergebnis jedoch einen Irrtum der Beschwerdeführer über den sozialen Bedeutungsgehalt des normativen Tatbestandsmerkmals des (aus der Verletzung der sie treffenden Entscheidungspflicht resultierenden) Befugnismissbrauchs meint, dessen Annahme jedoch die zuvor genannten (nicht erfolgreich bekämpften) Feststellungen zur subjektiven Tatseite entgegenstehen (RIS‑Justiz RS0088950 [T3]; Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 136).
[32] Der Einwand (nominell Z 9 lit b, inhaltlich lit a), dem Urteil sei nicht zu entnehmen, „in welcher Form eine Beeinträchtigung von Rechten bewirkt wurde“, leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl aber RIS‑Justiz RS0116565), weshalb Missbrauch der Amtsgewalt eine tatsächliche Schädigung an Rechten voraussetze (erneut RIS‑Justiz RS0096386).
[33] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[34] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO). Dieses wird dabei zu berücksichtigen haben, dass das Erstgericht verfehlt sämtliche Angeklagte jeweils zweier Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannte (US 3) und solcherart die zu bildende Subsumtionseinheit (erneut RIS‑Justiz RS0121981) aufspaltete. Zu amtswegiger Wahrnehmung dieses Subsumtionsfehlers (Z 10) sah sich der Oberste Gerichtshof mangels konkret nachteiliger Wirkung für die Angeklagten nicht veranlasst. Der vom Erstgericht (in Form des Zusammentreffens „mehrerer Verbrechen“ [US 54]) angenommene Erschwerungsgrund nach § 33 Abs 1 Z 1 StGB war zufolge Tatwiederholung ohnehin gegeben, weshalb Nichtigkeit aus Z 11 zweiter Fall nicht vorliegt (17 Os 12/18w; vgl RIS‑Justiz RS0116878, RS0096654). Angesichts dieses Hinweises ist das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung nicht an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).
[35] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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