OGH 9Ob78/22v

OGH9Ob78/22v28.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DDr. B*, vertreten durch Arnold Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch Dr. Sebastian Lenz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 13. Juli 2022, GZ 40 R 332/21a‑52, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00078.22V.0928.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung nach § 833 ABGB sind Maßnahmen, die der Erhaltung und Verwaltung des gemeinsamen Gutes dienen, die sich im gewöhnlichen Verlauf der Dinge als notwendig oder zweckmäßig erweisen, im Interesse aller Miteigentümer liegen und keine besonderen Kosten verursachen (RS0013573 [T4, T13, T19]).

[2] 2. Der Abschluss eines Mietvertrags mit einem Dritten ist eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung (RS0013564), sofern er auf ortsübliche Zeit und zu ortsüblichen Bedingungen erfolgt (RS0013564 [T9]). Die ordentliche Verwaltung des gemeinschaftlichen Objekts durch die Mehrheit hat aber auch die Interessen der überstimmten Minderheit einzubeziehen (RS0013561). Daher ist der Abschluss eines Mietvertrags, der gegen die den Mehrheitseigentümern bekannten Interessen des Minderheitseigentümers verstößt, eine außerordentliche Verwaltungsmaßnahme im Sinn einer wichtigen Veränderung nach § 834 ABGB (RS0013589 [T2]; vgl auch RS0013584). Dieser – nach den Umständen des Einzelfalls vorzunehmenden (RS0013564 [T11]) – Abgrenzung zwischen ordentlicher und außerordentlicher Verwaltung sind wirtschaftliche Gesichtspunkte zugrundezulegen (RS0041383).

[3] 3. Die hier von den Vorinstanzen getroffene Beurteilung, der Mietvertrag sei derart unüblich, dass sein Abschluss eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung dargestellt habe, ist nicht korrekturbedürftig.

[4] Der Mietvertrag wurde für eine unüblich lange Dauer von 15 Jahren befristet vermietet. Entgegen der Revision ist in diesem Zusammenhang nicht zu beurteilen, ob der Schutzzweck des MRG erfüllt wurde, sondern ob diese Befristung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten den Interessen der Miteigentümer entsprochen hat (vgl 9 Ob 61/21t). Zu Recht hat schon das Erstgericht darauf hingewiesen, dass damit der Nachteil eines unbefristeten Mietverhältnisses, nämlich die lange Bindung, mit dem Nachteil eines befristeten Mietverhältnisses, dem Befristungsabschlag, kombiniert wird.

[5] 4. Richtig ist, dass sich der Mietzins nach der Ausstattung bei Vermietung richtet. Allerdings kann, wenn eine höhere Ausstattung mit minimalem Aufwand hergestellt werden kann (hier die Beseitigung des Verschlusses der Entlüftung der Badezimmern), die Vermietung ohne vorhergehender Durchführung der entsprechenden Arbeiten eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung darstellen, sofern damit gegen schutzwürdige Interessen des Minderheitseigentümers verstoßen wird.

[6] 5. Auch die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass der Verzicht auf eine Kaution im konkreten Fall eine unübliche Vertragsbedingung darstellt, ist nicht zu beanstanden. Wenn die Beklagte demgegenüber auf die von ihr übernommenen Sanierungsarbeiten als gleichwertige Verpflichtung hinweist, verkennt sie den wirtschaftlichen Zweck einer Kaution, nämlich eine Sicherstellungsfunktion gegenüber zukünftigen Schäden und Mietzinsausfällen.

[7] 6. Bei der, wie die Beklagte richtig geltend macht, gebotenen Gesamtbetrachtung der getroffenen Vereinbarung hält sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Mietvertrag nicht auf ortsübliche Zeit und zu ortsüblichen Bedingungen abgeschlossen wurde und daher als Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung nicht von der Mehrheit der Miteigentümer alleine hätte abgeschlossen werden dürfen, im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums.

[8] 7. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Stichworte