OGH 14Os44/22k

OGH14Os44/22k27.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. September 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Buttinger in der Strafsache gegen * P* wegen Verbrechen nach § 3b VG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 8. November 2021, GZ 607 Hv 5/21x‑23, sowie über deren Beschwerde gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofs vom 15. Februar 2022, GZ 607 Hv 5/21x‑31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00044.22K.0927.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * P* zweier Verbrechen nach § 3b VG (1 und 2) schuldig erkannt.

[2] Danach hat sie in W* eine Verbindung der in § 3a VG bezeichneten Art, nämlich die „E*“, einer vor allem in Deutschland, der Schweiz und in Österreich auftretenden Verbindung, die sich als auf längere Zeit angelegter Zusammenschluss von mehr als zehn Personen unter einer hierarchisch strukturierten Organisation mit einem als „Europäische Tagsatzung“ bezeichneten Leitungsorgan sowie diesem untergeordneten „Landes-, Gebiets- und Stützpunktleitern“ darstellt und deren Zweck es ist, durch Betätigung ihrer Mitglieder im nationalsozialistischen Sinn die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Österreich zu untergraben, indem sie – zumindest auf längere Sicht – die Beseitigung der auf der Verfassung beruhenden demokratischen Rechtsordnung der Republik Österreich, die Einsetzung einer „Reichsregierung“ sowie die Einbindung Österreichs in ein wieder zu errichtendes „Großdeutsches Reich“ anstrebt, in anderer Weise unterstützt, indem sie Dr. * B* als „Landesleiter Österreich“

(1) vom 7. März 2013 bis Juli 2013 anbot, Vorschläge für den verbesserten Aufbau einer Homepage auszuarbeiten, und organisatorische Tätigkeiten als Mitglied des Stützpunkts W*, und zwar Verlautbarungen von Zeitpunkt und Örtlichkeit von Stützpunkttreffen, Erstellen von Kontaktlisten der Mitglieder und Erarbeitung eines Konzepts für die Erstellung eines Schulungsvideos für „Neueinsteiger“ ausübte, sowie

(2) am 29. Juni 2016 unter Anfügen eines Zitats Martin Bormanns, „Wir kommen wieder, aber in einer Form, die die Welt nie vergessen wird“, Unterlagen zur besseren Durchsetzung der Ziele dieser Verbindung per E-Mail übermittelte, und zwar „131 Grundsätze für eine Wiedererrichtung eines DEUTSCHEN REICHES“, verbunden mit einem Link zu einer (im Urteil bezeichneten) Internetseite.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 4, 10 „lit“ a und 11 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Weiters bekämpft die Angeklagte mit Beschwerde (ON 32) den Beschluss des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofs vom 15. Februar 2022 (ON 31), mit dem ihr Antrag auf Protokollberichtigung (ON 26) abgewiesen worden ist.

[5] Die Beschwerdeführerin begehrte zunächst die Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls (ON 22, § 271 Abs 7 StPO) mit der Behauptung, entgegen der Protokollierung habe es eine „Anregung“ ihrerseits zur Beischaffung eines (näher bezeichneten) Urteils nicht gegeben; dieses sei auch weder verlesen noch als Beilage dem Protokoll angeschlossen worden. Weiters habe siesich gegen die „Verlesung des Aktes […] mit Ausnahme der fünf Aussagen des Dr. * B*“ ausgesprochen und auf „eine wortwörtliche Verlesung“ nicht verzichtet.

[6] Indem pauschal „dieser Umstand als Nichtigkeitsgrund geltend gemacht“ wird, macht die Verfahrensrüge (Z 4) die Verletzung einer Bestimmung, deren Einhaltung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit anordnet (vgl etwa § 252 Abs 1 und 4 StPO), nicht deutlich und bestimmt geltend (vgl aber §§ 344, 285a Z 2 StPO; vgl auch RIS-Justiz RS0098665).

[7] Die Tatsachenrüge (Z 10a) zu Punkt 2/ des Schuldspruchs vermag mit dem Hinweis auf eine Passage aus dem Inhalt des inkriminierten E-Mails vom 29. Juni 2016 (ON 3 S 5), wonach die Angeklagte „heute mit * S* telefoniert“ und „ihm einige Infos versprochen“ habe, und daran anknüpfenden beweiswürdigenden Überlegungen, keine erheblichen Bedenken(RIS-Justiz RS0119583 [T7]) gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen (implizit) festgestellten entscheidenden Tatsachen (zur subjektiven Tatseite) zu wecken (zum Umfang der Eingriffsbefugnisse des Höchstgerichts siehe RIS-Justiz RS0118780 [T17]).

[8] Gleiches gilt für das auf der aktenkundigen Antwort des Dr. B* auf diese Nachricht (ON 3 S 2 f) aufbauende Vorbringen, es könne „von einer Unterstützung im Sinne des § 3b VerbotsG 1947 … keinesfalls gesprochen werden“, da seitens des Empfängers „kein Interesse bestand, die […] übermittelten Informationen weiterzugeben“, diese vielmehr „unerwünscht waren“ und „nicht verwendet oder weitergeleitet wurden“, womit „eine Förderung der Ziele der Verbindung … nicht möglich war“, das zudem von der Prämisse ausgeht, § 3b VG setze einen Erfolgseintritt (also eine tatsächliche Auswirkung der Unterstützungshandlung) voraus, wofür die Formulierung des Tatbestands keine Grundlage bietet.

[9] Inwiefern aus weiters ins Treffen geführtem Schriftverkehr aus dem Jahr 2013 Rückschlüsse auf das hier inkriminierte Verhalten der Angeklagten zu ziehen sein sollten, bleibt unklar.

[10] Die Rechtsrüge (Z 11 lit a) bestreitet zu Punkt 1/ und 2/ des Schuldspruchs die Tatbestandsmäßigkeit, weil sich der Wahrspruch betreffend das Tatbildmerkmal der „Verbindung“ auf die „bloße Aufzählung der Voraussetzungen gemäß § 3a Z 2 VerbotsG 1947“ beschränke und sich „in keiner Weise“ ergebe, „wie die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Österreich untergraben werden sollte“. Diese Argumentation übergeht den (durch den Wahrspruch der Geschworenen) gerade dazu festgestellten Urteilssachverhalt (US 2, insb zum zeitlichen und personellen Element, zu der aus Organen und mehreren „Leitern“ bestehenden Organisationsstruktur sowie zu deren Zweck und zu im einzelnen angeführten Mitteln der Zielerreichung). Damit verfehlt sie die prozessförmige Darstellung des herangezogenen materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0099810, RS0101403).

[11] Die Forderung nach einer Begründung der Feststellung, in der „E*“ hätten sich „mehr als zehn Personen“ zusammengeschlossen (US 2; vgl dazu Lässig in WK² VerbotsG § 3a Rz 4 mwN), verkennt das Wesen geschworenengerichtlicher Urteile (vgl Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 11 und 71). Dass es dieser Urteilsannahme am notwendigen Sachverhaltsbezug mangle (vgl RIS-Justiz RS0119090), wird abermals nicht deutlich und bestimmt dargelegt.

[12] Weshalbdas im Wahrspruch zu Punkt 2/ des Schuldspruchs unter anderem festgestellte Übermitteln von Unterlagen mit der Bezeichnung „131 Grundsätze für eine Wiedererrichtung eines DEUTSCHEN REICHES“ zum Zweck der „besseren Durchsetzung der Ziele der“ genannten Verbindung, die wie zu Punkt 1 des Wahrspruchs (zur Maßgeblichkeit dessen Gesamtheit als Bezugspunkt materieller Nichtigkeit vgl RIS-Justiz RS0101016) ausgeführt, unter anderem in der (dessen Unabhängigkeit untergrabenden) „Einbindung Österreichs in ein wieder zu errichtendes Großdeutsches Reich“ bestanden, keinen ausreichenden Sachverhaltsbezug zur Beurteilung des Tatbildmerkmals „Unterstützen“ (worunter – ohne Erheblichkeitsschwelle – jeder Beitrag, der dazu dient, die Vereinigung selbst zu stärken oder das Verfolgen ihrer Ziele zu fördern, verstanden wird [Lässig in WK² VerbotsG § 3 Rz 2]) aufweise (vgl RIS‑Justiz RS0100780), wird nicht erklärt.

[13] Aus welchem Grund der Wahrspruch der Geschworenen ausdrückliche Aussagen zur subjektiven Tatseite hätte enthalten müssen, obwohl § 3b VG keine von den Mindesterfordernissen des § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB abweichende Vorsatzform verlangt und eine am Tatbestand orientierte Formulierung der Frage – mit Blick auf die (auch im Nebenstrafrecht anzuwendende [Art I Abs 1 des StrafrechtsanpassungsG BGBl 1974/422]) gesetzliche Anordnung des § 7 Abs 1 StGB – bedingten Vorsatz unmissverständlich zum Ausdruck bringt (RIS-Justiz RS0113270; Lässig,WK-StPO § 312 Rz 10), lässt die Rechtsrüge gleichfalls offen.

[14] Das weitere Vorbringen, die Tatbestände des § 3a Z 2 VG und des § 3g VG seien nicht erfüllt, bleibt angesichts des Schuldspruchs nach § 3b VG unverständlich.

[15] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§§ 344, 285i StPO).

[16] Die gegen die Nichtstattgebung (vgl Danek/Mann, WK-StPO § 270 Rz 54) des Protokollberichtigungsantrags (ON 31) gerichtete Beschwerde (ON 32) ist (ohne inhaltliche Erwiderung) durch die Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde erledigt, weil sie sich auf keine für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde wesentlichen Umstände bezog (vgl RIS‑Justiz RS0126057 [T2, T5]).

[17] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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