OGH 7Ob74/22s

OGH7Ob74/22s29.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofrätin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Mag. Pertmayr, und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.‑Ing. H* K*, vertreten durch Mag. Markus Freilinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R* eGen, *, vertreten durch die Puttinger Vogl Rechtsanwälte OG in Ried im Innkreis, wegen 14.093,08 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Berufungsgericht vom 3. Dezember 2021, GZ 6 R 135/21a‑18, womit das Urteil des Bezirksgerichts Ried im Innkreis vom 16. August 2021, GZ 2 C 48/21m‑14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00074.22S.0629.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Dieklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.017,90 EUR (darin enthalten 169,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger wandte sich im Jahr 2016 an die Beklagte, weil er aufgrund eines anstehenden Wohnungswechsels seine bisherige Haushaltsversicherung auf die neue Wohnung „umschreiben“ wollte. Ein Mitarbeiter der Beklagten sagte ihm, dass dies nicht möglich sei, sondern eine Anpassung an die geänderte Wohnungsgröße erfolgen müsse. In diesem Gespräch gab der Kläger an, dass aufgrund der äußerst einfach eingerichteten Wohnung eine Versicherungssumme von 20.000 EUR wie bis dahin auch unter Berücksichtigung der größeren Fläche der neuen Wohnung ausreichend und ihm eine günstige Prämie wichtig sei. Er erwähnte nicht, dass er in der Wohnung besondere Wertgegenstände aufbewahrte. Daraufhin übermittelte die Beklagte dem Kläger ein Angebot der H* Versicherung mit einer Versicherungssumme von 50.400 EUR und einer jährlichen Prämie von 113 EUR, das (unter anderem) den Hinweis enthielt, dass der Versicherer auf den Einwand der Unterversicherung verzichtet, wenn die Unterversicherung 20 % des tatsächlichen Versicherungswerts nicht übersteigt sowie ein Angebot der O* Versicherung, das „Haushalt daheim Prämie mit Unterversicherungsverzicht“ lautete, mit einer Versicherungssumme von 73.440 EUR und einer jährlichen Prämie von 169,82 EUR. Der Kläger entschied sich für das erstgenannte Angebot.

[2] Der Klägermacht einen Schadenersatzanspruch gegen die beklagte Vermittlerin geltend, weil sich nach einem Wohnungseinbruch herausstellte, dass eine Unterversicherung (§ 56 VersVG) vorlag.

[3] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

[4] Der Kläger begründet die Zulässigkeit der Revision damit, dass zum Umfang der Beratungs- und Aufklärungspflichten eines echten Mehrfachagenten höchstgerichtliche Judikatur fehle. Da der Klägerdamit das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. Der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[6] 2. Soweit der Kläger die Beweiswürdigung des Erstgerichts bekämpft, ist ihm entgegenzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof ausschließlich als Rechtsinstanz zur Überprüfung von Rechtsfragen und nicht als Tatsacheninstanz tätig wird (vgl RS0042903 [T5, T7]).

[7] 3.1. Im vorliegenden Fall ist die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Versicherungsvertriebsrechts-Änderungsgesetzes 2018 (BGBl I 2018/16) anzuwenden, weil die vom Kläger behauptete Fehlberatung im Jahr 2016 stattgefunden hat.

[8] 3.2. Ein Mehrfachagent, der seinem Kunden gegenüber innerhalb einer Versicherungssparte mehrere Versicherer ins Spiel bringt, missachtet nach der dazu ergangenen Rechtsprechung das Trennungsgebot und steht nicht mehr eindeutig auf der Seite der Versicherungsunternehmen. Wenn daher der Versicherungskunde beim Mehrfachagenten nicht nur materiellen Rat in Bezug auf Versicherungsschutz bei einem bestimmten, für den Kunden von vorhinein feststehenden Versicherer sucht, sondern dem Mehrfachagenten auch die Auswahl des Versicherers überlässt, ist der Agent Versicherungsmakler (7 Ob 92/15b mwN; kritisch Kath in Fenyves/Perner/Riedler § 43 VersVG Rz 46). Da die Beklagte dem Kläger im vorliegenden Fall Haushaltsversicherungen von zwei unterschiedlichen Versicherern anbot, war sie somit im Sinn dieser Judikatur Versicherungsmaklerin.

[9] 3.3. Als Fachmann auf dem Gebiet des Versicherungswesens ist es Hauptaufgabe des Versicherungsmaklers, den Klienten mit Hilfe seiner Kenntnisse und Erfahrung bestmöglichen, den jeweiligen Bedürfnissen und Notwendigkeiten entsprechenden Versicherungsschutz zu verschaffen (RS0118893). Aus dem Treueverhältnis zwischen Auftraggeber und Makler ergeben sich für Letzteren Schutzpflichten, Sorgfaltspflichten und Beratungspflichten (§ 28 MaklerG; RS0061254). Er haftet als Sachverständiger iSd § 1299 ABGB, muss einschlägige Probleme erkennen und dazu richtige Auskünfte erteilen (7 Ob 183/18i mwN). Die Beurteilung einer Pflichtverletzung ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der vom Makler erkennbaren Interessen des Auftraggebers vorzunehmen (4 Ob 245/15f mwN). Erhält der Versicherungsmakler von seinem Kunden Informationen, so ist er grundsätzlich nicht zu weiteren Nachforschungen verpflichtet, wenn es für ihn keine Gründe gibt, an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Information zu zweifeln (vgl RS0112587 [T3]; 7 Ob 156/14p; Perner, Privatversicherungsrecht Rz 2.169). Die Kasuistik des Einzelfalls schließt in der Regel eine beispielgebende Entscheidung aus, steht also der Erheblichkeit der Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO entgegen (vgl RS0111165; RS0042405).

[10] 3.4. Die Entscheidungen der Vorinstanzen, wonach eine Pflichtverletzung der Beklagten zu verneinen ist, bedürfen keiner Korrektur, gab es doch angesichts der festgestellten Umstände für die Beklagte keinerlei Hinweise, dass die Informationen des Klägers unrichtig oder unvollständig gewesen wären oder der im neuen Vertrag enthaltene eingeschränkte Verzicht auf den Einwand der Unterversicherung den Interessen des Klägers zuwiderlaufen würde. Dass die Tatsache, dass im ursprünglichen Versicherungsvertrag ein gänzlicher Verzicht auf den Einwand der Unterversicherung vereinbart war und der Kläger diesen Vertrag bloß „umschreiben“ wollte, hier die Vorinstanzen zu keiner abweichenden Beurteilung führte, weil die Beklagte dem Kläger auch ein Angebot mit einem (vollständigen) Unterversicherungsverzicht machte und die (effektive) Versicherungssumme des vom Kläger gewählten Angebots – das einen Hinweis auf den eingeschränkten Unterversicherungsverzicht enthielt – rund das Dreifache dessen betrug, das der Kläger gegenüber der Beklagten als ausreichend angab, ist unbedenklich. Ebenso, dass es der Beklagten bei den vorliegenden Umständen nicht zum Vorwurf gemacht wurde, dass der Kläger die Variante mit dem eingeschränkten Verzicht auf den Einwand der Unterversicherung wegen der günstigeren Prämie auswählte.

[11] 3.5. Die vom Kläger geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor, weil die geforderten Feststellungen entweder rechtlich nicht relevant sind oder sich ohnehin aus dem Sachverhalt ergeben.

[12] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.

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