OGH 4Ob245/15f

OGH4Ob245/15f23.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch MMMag. Dr. Franz Josef Giesinger Rechtsanwalt GmbH in Götzis, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gernot Murko und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 24.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 2. September 2015, GZ 5 R 27/15w‑37, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 7. Dezember 2014, GZ 29 Cg 17/13p‑33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00245.15F.0223.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.400,04 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 233,34 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Kläger war während zur Beklagten aufrecht bestehenden Maklerverhältnisses unfallversichert. Er erlitt am 27. 2. 2009 unfallbedingt eine Schultergelenksluxation, die reponiert und anschließend für drei Wochen mit einem Schulterverband ruhig gestellt wurde. Am 27. 12. 2009 kam es zu einem weiteren Unfall, bei dem sich der Kläger im Bereich des rechten Kniegelenks einen Riss des vorderen Kreuzbands und einen Riss des Außenmeniskus zuzog. Am 1. 2. 2010 erfolgte eine Ersatzoperation des vorderen Kreuzbands nach Sehnenentnahme am Unterschenkel und Teilmeniskusentfernung außenseitig am Kniegelenk rechts.

Bei Schultererstluxationen ist grundsätzlich keine Dauerinvalidität anzunehmen, weil neuerliche Luxationen in der Altersgruppe des Klägers nur mit einer Häufigkeit von 10 bis 15 % auftreten. Bei einem Riss des vorderen Kreuzbands und notwendiger Sehnenersatzoperation ist grundsätzlich von Dauerinvalidität auszugehen, weil auch durch eine optimal gelungene Bandersatzoperation eine exakte anatomische und funktionelle Wiederherstellung nicht möglich ist. Bei einer Teilentfernung des Meniskus ist überdies mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer vorzeitigen Arthrose mit folglicher funktioneller Beeinträchtigung auszugehen.

Der bei der Beklagten für die Betreuung des Klägers zuständige Innendienstangestellte erhielt vom Kläger zum Unfall vom 27. 2. 2009 am 12. 3. 2009 eine Ambulanzkarte, aus der die Diagnose „Schulterluxation rechts (Erstluxation)“ ersichtlich war. Er leitete eine entsprechende Schadensmeldung an die Versicherung des Klägers weiter. Am 4. 3. 2010 telefonierte er mit dem Kläger und machte ihn darauf aufmerksam, dass Dauerfolgen anzumelden seien und wies ihn auf die 15‑Monats‑Frist hin. Dies war der Grund seines Anrufs. In den Unterlagen vermerkte der Mitarbeiter der Beklagten, dass Dauerfolgen nicht zu erwarten seien, weil ihn der Kläger entsprechend informiert habe.

Am 5. 3. 2010 erhielt derselbe Mitarbeiter der Beklagten vom Kläger auch eine Information zum Unfall vom 27. 12. 2009, aus der die Diagnose hervorging: Vordere Kreuzbandzerreissung und eine Außenmenikuszerreissung rechts von Ende Dezember 2009. Auch diese Information leitete der Mitarbeiter der Beklagten umgehend an die Versicherung des Klägers weiter.

Am 25. 11. 2010 telefonierte der Mitarbeiter der Beklagten neuerlich wegen der Dauerfolgen und der bezughabenden Frist mit dem Kläger. Auch hier teilte der Kläger mit, dass keine Dauerfolgen zu erwarten seien. Dies vermerkte der Mitarbeiter entsprechend in seinen Akten.

Der Kläger war überdies bereits am 2. 4. 2009 zum Unfall vom 27. 2. 2009 und mit Schreiben vom 19. 3. 2010 zum Unfall vom 27. 12. 2009 von seiner Versicherung ausdrücklich auf die 15‑Monate‑Frist für die Geltendmachung von Dauerfolgen und das in diesem Zusammenhang bestehende Erfordernis hingewiesen worden, der Versicherung einen entsprechenden ärztlichen Befund vorlegen zu müssen.

Die vom Kläger gegen seine Unfallversicherung nach Ablauf der 15‑Monate‑Frist erhobene Klage auf Leistung einer Versicherungsentschädigung infolge bei den genannten Unfällen erlittener Dauerfolgen wurde rechtskräftig abgewiesen.

Die vom Kläger auf die Verletzung aus dem Maklervertrag abzuleitender Schutz‑ und Sorgfaltspflichten gestützte Schadenersatzklage wiesen die Vorinstanzen mit der übereinstimmenden Begründung ab, der Mitarbeiter der Beklagten habe den Kläger nach beiden Unfällen über die 15‑Monats‑Frist für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Dauerfolgen ausreichend aufgeklärt. Der Kläger habe gegenüber der Beklagten auf entsprechende Nachfrage ausdrücklich ausgeschlossen, aufgrund der Unfälle Dauerfolgen erlitten zu haben. Die Beklagte habe angesichts der deutlichen Aussage des Klägers und der übermittelten medizinischen Unterlagen, aus denen sich keine Hinweise auf (dennoch) zu erwartende Dauerfolgen ergaben, keine Nachforschungspflicht getroffen. Die für die Geltendmachung der vom Kläger angestrebten Versicherungsleistungen erforderlichen ärztlichen Befunde hätte die Beklagte nicht selbständig einholen können. Sie habe auch in dieser Richtung keine vertraglichen Pflichten verletzt.

Das Berufungsgericht sprach über Antrag des Klägers (nachträglich) aus, dass die ordentliche Revision (doch) zulässig sei, weil Privatunfallversicherungen mit mitversicherter Dauerinvalidität weit verbreitet seien und Rechtsprechung zur Abgrenzung der den Versicherungsmakler treffenden Verpflichtungen zur sachgerechten Aufklärung fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers, mit der er sein Schadenersatzbegehren weiter verfolgt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Der Makler hat die Interessen des Auftraggebers redlich und sorgfältig zu wahren (§ 3 Abs 1 MaklerG). Makler und Auftraggeber sind verpflichtet, einander die erforderlichen Nachrichten zu geben (§ 3 Abs 3 MaklerG). Gemäß § 28 Z 6 MaklerG umfasst die eben erwähnte Interessenwahrung insbesondere auch die Unterstützung des Versicherungskunden bei der Abwicklung des Versicherungsverhältnisses vor und nach Eintritt des Versicherungsfalls, namentlich auch bei Wahrnehmung aller für den Versicherungskunden wesentlichen Fristen. Als Fachmann auf dem Gebiet des Versicherungswesens ist es Hauptaufgabe des Versicherungsmaklers, dem Klienten mit Hilfe seiner Kenntnisse und Erfahrung bestmöglichen, den jeweiligen Bedürfnissen und Notwendigkeiten entsprechenden Versicherungsschutz zu verschaffen (RIS‑Justiz RS0118893). Aus dem Treueverhältnis zwischen Auftraggeber und Makler ergeben sich für letzteren Schutzpflichten, Sorgfaltspflichten und Beratungspflichten, besonders dann, wenn es sich beim Auftraggeber um eine geschäftlich ungewandte und unerfahrene Person handelt oder wenn entsprechende Vereinbarungen über eine über die eigentliche Vermittlungstätigkeit hinausgehende Tätigkeit des Maklers getroffen wurden (RIS‑Justiz RS0061254). Der Haftungsmaßstab des Versicherungsmaklers ist jener des § 1299 ABGB (10 Ob 89/04t mwN). Die Beurteilung einer Pflichtverletzung ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der vom Makler erkennbaren Interessen des Auftraggebers vorzunehmen (10 Ob 89/04t; 4 Ob 242/01v, je mwN). Mehrfach hat der Oberste Gerichtshof auch bereits ausgesprochen, dass eine besondere Nachforschungspflicht des Maklers nicht besteht, wenn er keine Veranlassung hat, an der Richtigkeit einer Information zu zweifeln. In diesem Fall ist der nicht zu Nachforschungen verpflichtete Makler auch berechtigt, eine Information weiterzugeben. Er darf in diesem Fall lediglich nicht den Eindruck erwecken, er habe den Wahrheitsgehalt überprüft. Eine Aufklärungspflicht, die einer anwaltlichen Beratungstätigkeit gleichkommt, trifft den Makler nicht (RIS‑Justiz RS0112587).

Auch wenn die bisher in der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang behandelten Fälle nicht unmittelbar mit dem Anlassfall vergleichbar sind und noch kein Fall die erforderliche Aufklärung im Zusammenhang mit der Befristung der Geltendmachung von Dauerfolgeschäden im Rahmen der privaten Unfallversicherung betraf, ist die Lösung der Frage, inwieweit einen Makler im konkreten Fall die Pflicht trifft, aufgrund des Inhalts der an ihn übermittelten medizinischen Unterlagen allenfalls doch weitere Nachforschungen oder zumindest Rückfragen anzustellen, von den Umständen des Einzelfalls abhängig und entzieht sich daher einer generalisierenden Beantwortung. Die Kasuistik des Einzelfalls schließt in der Regel eine beispielgebende Entscheidung aus, steht also der Erheblichkeit der Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO entgegen (vgl RIS‑Justiz RS0042405).

Die berufungsgerichtliche Verneinung einer Nachforschungspflicht in diesem Fall ist im Hinblick auf die eindeutige Aussage des Klägers, es seien keine Dauerfolgen zu erwarten, nachdem er ausdrücklich über die Befristung der entsprechenden Geltendmachung von Versicherungsleistungen belehrt worden war, jedenfalls vertretbar. Den vom Kläger übermittelten medizinischen Unterlagen waren zwar jeweils exakte Diagnosen, aber keinerlei Beurteilung dahin zu entnehmen, ob mit Dauerfolgen zu rechnen sei oder ob diese eher auszuschließen seien. Ein entsprechendes medizinisches Fachwissen des Versicherungsmaklers hat das Berufungsgericht gleichfalls vertretbarerweise nicht vorausgesetzt.

Schließlich liegt auch keine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung vor, wenn das Berufungsgericht eine unmittelbare Handlungs‑/Vertretungspflicht der beklagten Maklerin bei Einholung ärztlicher Befundberichte verneint, die ohne Mitwirkung des Klägers selbst nicht eingeholt und an die Unfallversicherung übermittelt werden können. Auch diese vom Kläger ergänzend vorgebrachte Anspruchsgrundlage wurde daher vertretbar verneint.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die klägerische Revision daher zurückzuweisen.

Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hinwies, hat ihr der Kläger gemäß §§ 41, 50 ZPO die zur notwendigen Rechtsverteidigung erforderlichen Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen,

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