OGH 1Ob83/22w

OGH1Ob83/22w18.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*, vertreten durch die Weinhäupl Edtbauer Treml Anwälte GmbH, Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei *verband, *, vertreten durch Dr. Gerhard Jöchl ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen 7.299,70 EUR, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom 22. November 2021, GZ 2 R 51/21g-12, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Steyr vom 15. Juli 2021, GZ 10 C 198/21w-8, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00083.22W.0518.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der beklagte Verein hielt – nachdem dies von mehreren seiner Mitglieder mit einstweiliger Verfügung durchgesetzt worden war – eine außerordentliche Generalversammlung ab. Zu diesem Zweck mietete der damalige rechtsanwaltliche Vertreter der die Versammlung anstrebenden Vereinsmitglieder ein Veranstaltungslokal an, beauftragte ein Cateringunternehmen und bezahlte (vorerst) selbst die dafür angefallenen Kosten.

[2] Der Kläger ist weder Mitglied der beklagten Partei selbst noch eines Vereins, der bei dieser Mitglied ist. Er behauptet, er habe dem Rechtsanwalt die von ihm aufgewendeten Kosten ersetzt und damit die diesem gegenüber der beklagten Partei zustehende Forderung auf Ersatz seiner Aufwendungen eingelöst, die dadurch auf den Kläger übergegangen sei. Er begehrt nunmehr die Erfüllung dieser Forderung durch den beklagten Verein.

[3] Die beklagte Partei wandte unter anderem ein, dass das Begehren auf Abgeltung der Aufwendungen für die Abhaltung der Generalversammlung eine vereinsrechtliche Streitigkeit begründe, für die mangels vorhergehender Befassung der vereinsrechtlichen Schlichtungseinrichtung der Rechtsweg unzulässig sei.

[4] Das Erstgericht wies die Klage aus diesem Grund zurück. Da der Rechtsstreit „Kosten aus dem Vereinsverhältnis“ betreffe und der vereinsinterne Instanzenzug vom Kläger nicht eingehalten worden sei, sei das Gericht nicht zur Entscheidung über den von ihm geltend gemachten Anspruch berufen.

[5] Das Rekursgericht hob den Zurückweisungsbeschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über den Anspruch unter Abstandnahme vom angezogenen Zurückweisungsgrund auf. Die Geltendmachung des nach den Klagebehauptungen auf den Kläger übergegangenen Anspruchs auf Aufwandsersatz begründe keine Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis, vielmehr sei nach dem Vorbringen des Klägers ein von diesem unabhängiger Anspruch zu beurteilen, der – wie hier – in gleicher Weise von einem Nichtmitglied erhoben werden könne. Der Revisionsrekurs sei „aus Gründen der Rechtssicherheit“ zulässig, weil das Klagevorbringen auch dahin verstanden werden könnte, dass ein aus dem Vereinsverhältnis resultierender Anspruch geltend gemacht werde.

[6] Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der beklagten Partei ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch nicht zulässig, weil darin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird.

Rechtliche Beurteilung

[7] 1.1. Gemäß § 8 Abs 1 VerG 2002 haben die Statuten eines Vereins vorzusehen, dass Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis vor einer Schlichtungseinrichtung auszutragen sind. Sofern das Verfahren vor dieser nicht früher beendet ist, steht erst nach Ablauf von sechs Monaten ab Anrufung der Schlichtungseinrichtung der ordentliche Rechtsweg offen. Wird das vereinsinterne Verfahren nicht eingehalten, steht einer Klage die (temporäre) Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen (RIS‑Justiz RS0114603 [T3, T10]; 8 Ob 138/08i ua).

[8] 1.2. Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis sind solche, die ihre Wurzel in der Vereinsmitgliedschaft haben (RS0122425). Erfasst werden alle privatrechtlichen Streitigkeiten zwischen Vereinsmitgliedern und dem Verein oder zwischen Vereinsmitgliedern, sofern sie mit dem Vereinsverhältnis im Zusammenhang stehen (RS0119982 [T15]; RS0122425 [T6]). Maßgeblich ist, ob sich der geltend gemachte Anspruch auf die Verletzung von Pflichten aus dem Vereinsverhältnis stützt und die Mitgliedschaft notwendige Voraussetzung für das Bestehen des Anspruchs ist, oder ob ein vom Vereinsverhältnis unabhängiger Anspruch geltend gemacht wird, der ebenso von einem Nichtmitglied erhoben werden könnte (RS0119982 [T20]; RS0122425 [T11]). Die Prüfung der Rechtswegzulässigkeit hat aufgrund der Angaben der klagenden Partei zu erfolgen (RS0124983). Ob demnach eine Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis vorliegt, ist jeweils aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und begründet typischerweise keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO (vgl RS0122425 [T16]).

[9] 2.1. Der Kläger leitet seinen Anspruch daraus ab, dass der Rechtsvertreter jener Vereinsmitglieder, welche die außerordentliche Generalversammlung anstrebten, dafür Aufwendungen getragen habe, die der beklagte Verein machen hätte müssen. Dem Rechtsanwalt wäre daher gegen diesen ein Aufwandersatzanspruch „nach § 1041 ABGB bzw nach § 1042 ABGB“ zugestanden. Da der Kläger, der sich „zum Zeitpunkt der EV“ zur Zahlung des anwaltlichen Honorars verpflichtet habe, dem Rechtsanwalt dessen Aufwendungen ersetzt habe, sei dieser Anspruch gemäß § 1422 ABGB auf ihn übergegangen. Hilfsweise stütze sich der Kläger auch auf Geschäftsführung ohne Auftrag.

[10] 2.2. Dass das Rekursgericht auf Basis dieses Klagevorbringens keine Streitigkeit aus dem – zwischen dem Kläger bzw dem Rechtsanwalt einerseits und der beklagten Partei andererseits unstrittig nicht bestehenden – Vereinsverhältnis annahm, begegnet keinen vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Bedenken. Die Klagebehauptungen lassen sich dahin zusammenfassen, dass ein Dritter im Interesse des Vereins dessen Geschäfte geführt und gegen diesen einen (auf den Kläger übergegangenen) Aufwandersatzanspruch habe. Ein solcher Anspruch wurzelt nicht im Vereinsverhältnis und setzt keine Mitgliedschaft des (geschäftsführenden) Dritten (oder des Klägers selbst) voraus.

[11] 2.3. Die materielle Berechtigung des behaupteten Anspruchs ist im Rahmen der Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs nicht zu prüfen (vgl RS0045491; RS0045584). Mit seiner Behauptung, es wären allenfalls jene Vereinsmitglieder, welche die außerordentliche Generalversammlung anstrebten, zum Aufwandersatz gegenüber ihrem Rechtsvertreter (aufgrund des mit ihm bestehenden Mandatsvertrags) verpflichtet gewesen, wobei ihnen – soweit sie ihm seine Aufwendungen ersetzt hätten – ihrerseits ein (aus dem Vereinsverhältnis resultierender) Aufwandersatzanspruch gegen den beklagten Verein zustünde, übergeht der Revisionsrekurswerber, dass solche Pflichten oder Ansprüche der Vereinsmitglieder vom Kläger nicht behauptet wurden und die Frage der Rechtswegzulässigkeit nur auf Grundlage der Klagebehauptungen zu beurteilen ist. Soweit damit die mangelnde Berechtigung bzw Schlüssigkeit (vgl 5 Ob 241/08i; 9 ObA 121/12b) des Klageanspruch aufgezeigt werden soll, ist diese hier – wie dargelegt – nicht zu prüfen.

[12] 3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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