OGH 5Ob241/08i

OGH5Ob241/08i25.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers Alfred M*****, vertreten durch Kreuzberger‑Stranimaier‑Köstner OEG, Rechtsanwälte in Bischofshofen, gegen die Antragsgegnerin B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Christian Kuhn, Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 26. August 2008, GZ 54 R 85/08a‑13, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Zell am See vom 14. April 2008, GZ 28 Msch 1/08b‑8, abgeändert und der verfahrenseinleitende Antrag zurückgewiesen wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs des Antragstellers wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Überweisungs- bzw Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Begründung

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag vom 23. 1. 2008 begehrt der Antragsteller festzustellen, dass er gegenüber der Antragsgegnerin zur Anhebung des Hauptmietzinses für die von ihr gemieteten Objekte auf den nach § 16 Abs 1 MRG angemessenen Betrag berechtigt sei. Weiters begehrt er, den angemessenen Hauptmietzins per 1. 8. 1996 (mit 6.034 EUR netto zuzüglich USt und Betriebskosten) festzustellen. Dies für den Zeitraum 1. 8. 1996 bis 30. 9. 2005.

Er sei Eigentümer von 7411/14.949‑Anteilen an der Liegenschaft EZ 200 Grundbuch ***** gewesen, mit welchen Anteilen Wohnungseigentum an den Wohnungseigentumsobjekten W 21 bis 21/33 verbunden sei. Darüber hinaus sei er Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 1952 Grundbuch ***** mit dem Grundstück 124/3. Mit Kaufvertrag vom 21. 9. 2005 habe er seine Liegenschaftsanteile bzw die bezeichnete Liegenschaft mit Wirkung vom 1. 10. 2005 verkauft.

Die Antragsgegnerin habe mit Mietvertrag vom 14. 5. 1981 vom Antragsteller die oben bezeichneten Geschäftsräumlichkeiten mit Nebenräumen und Parkflächen gemietet.

Erst im Zuge seiner Einvernahme in einem von den neuen Eigentümern gegen die Antragsgegnerin geführten Verfahren habe er von einer entscheidenden Änderung der Gesellschaftsverhältnisse der Antragsgegnerin mit Wirkung vom 23. 7. 1996 erfahren. In der Mietergesellschaft der Antragsgegnerin habe sich dadurch eine Änderung im Sinn des § 12a Abs 3 MRG ergeben, dass im Juli 1996 die R***** Gruppe ***** die B*****‑Gruppe, zu der auch die Antragsgegnerin zähle durch Erwerb von 100 % der Anteile an der B***** AG, nunmehr R***** AG, übernommen habe. Letztere sei Alleingesellschafterin der R*****gesellschaft mbH, welche wiederum Alleinaktionärin der Antragsgegnerin sei.

Diese entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Mietergesellschaft berechtigte den Antragsteller als vormaligen Vermieter, für die Zeit vom 1. 8. 1996 bis zur Veräußerung der Liegenschaft am 1. 10. 2005 die Anhebung des Hauptmietzinses auf den angemessenen Betrag im Sinn des § 16 Abs 1 MRG zu verlangen.

Die Antragsgegnerin habe dem Antragsteller niemals eine Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten angezeigt.

Im Zeitpunkt der Änderung habe der Hauptmietzins 3.342,70 EUR betragen, der im Sinn des § 16 Abs 1 MRG angemessene Hauptmietzins betrage zumindest monatlich 6.034 EUR netto zuzüglich USt und Betriebskosten.

Die Antragsgegnerin bestritt das Begehren des Antragstellers und begehrte, seinen Antrag als unzulässig zurückzuweisen, da er nicht mehr Vertragspartner der Antragsgegnerin sei. Das Begehren des ehemaligen Vermieters auf Nachzahlung von Differenzbeträgen für die Vergangenheit sei nicht im Verfahren nach § 37 MRG geltend zu machen, sondern stelle in Wahrheit einen Schadenersatzanspruch wegen der behaupteten Unterlassung der Anzeige der wesentlichen Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten dar, der nur im streitigen Verfahren geltend gemacht werden könnte.

Im Weiteren bestritt die Antragsgegnerin die Aktivlegitimation des Antragstellers, weil sämtliche Mietzinsbeträge nur mehr den neuen Eigentümern zustünden.

Neben einem weiteren Vorbringen dahin, dass der Antragsteller tatsächlich über die Änderungen der Antragsgegnerin informiert worden sei, der Beklagten ein Weitergaberecht eingeräumt worden sei, das die Anhebung des Hauptmietzinses verhindere, und einer Bestreitung der Angemessenheit des vom Antragsteller verlangten Hauptmietzinses beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag zurückzuweisen, hilfsweise ihn abzuweisen, und wendete in der Folge ausdrücklich Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs ein. Der Antrag sei gemäß § 40a JN ins streitige Verfahren zu verweisen.

Das Erstgericht hielt den Einwand der Beklagten, zur Verfolgung des geltend gemachten Anspruchs sei nicht das außerstreitige Verfahren, sondern das streitige Verfahren zulässig, für zutreffend. Dem Antragsteller komme im Außerstreitverfahren keine Parteistellung zu, weil er nicht mehr Vertragspartner der Antragsgegnerin sei. Diese hafte ihm allenfalls nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen wegen Nichtanzeige der Unternehmensveräußerung, welcher Anspruch im Streitverfahren geltend zu machen sei.

Gemäß § 40a JN überwies das Erstgericht die Rechtssache ins streitige Verfahren.

Einem dagegen vom Antragsteller erhobenen Rekurs, mit dem beantragt wurde, den erstinstanzlichen Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Außerstreitverfahrens unter Abstandnahme vom Verweisungsgrund des § 40a JN aufzutragen sowie die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen, gab das Rekursgericht nicht Folge. Es änderte den erstinstanzlichen Beschluss dahin ab, dass der verfahrenseinleitende Antrag zurückgewiesen wurde.

Der Antragsteller sei als ehemaliger Vermieter zur Beschreitung des außerstreitigen Rechtswegs zur Anhebung des Hauptmietzinses auf den nach § 16 Abs 1 MRG angemessenen Betrag nicht legitimiert. Im mietrechtlichen Außerstreitverfahren könne grundsätzlich nur ein antragstellender Mieter einen auf Zahlung gerichteten Exekutionstitel nach § 37 Abs 4 MRG erlangen, niemals jedoch der Vermieter. Nur ein solcher Titel auf Leistung des Differenzbetrags zwischen dem vereinbarten und dem angemessenen Hauptmietzins könne aber für den Antragsteller von Interesse sein. Eine bloße Feststellung, dass die Anhebung des Hauptmietzinses berechtigt sei, scheide deshalb aus, weil der Antragsteller nicht mehr Vermieter des Bestandgegenstands sei. Das führe für den Antragsteller im Ergebnis zu keinem Leistungstitel, weshalb kein greifbares Rechtsschutzinteresse an der Lösung dieser hypothetischen Rechtsfrage zu erkennen sei. Überhaupt sei die Antragslegitimation eines ehemaligen Vermieters gegen seinen ehemaligen Mieter der Aufzählung des § 37 MRG nicht zu entnehmen. Nur in bestimmten Fällen, nämlich bei umgekehrter Parteienkonstellation werde die Zulässigkeit einer Antragstellung nach Beendigung eines Mietverhältnisses bejaht und mit der Möglichkeit der Schaffung eines Rückforderungstitels für den Mieter in einem solchen Verfahren begründet.

Entgegen der Auffassung des Erstgerichts sei aber der verfahrenseinleitende Antrag nicht gemäß § 40a JN ins streitige Verfahren zu überweisen. Der Antragsteller habe nämlich sein Feststellungsbegehren nicht selbständig, sondern in Verbindung mit einem Begehren auf Überprüfung des Hauptmietzinses verfolgen wollen. Dafür wiederum sei aber der streitige Rechtsweg unzulässig. Überdies habe der Antragsteller durch Rückziehung seines Antrags auf Überweisung nach § 40a JN und seine Rekursausführungen darauf beharrt, seinen Anspruch im außerstreitigen Verfahren durchzusetzen. Gegen seinen erklärten Willen komme aber eine Überweisung nicht in Betracht.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob ein ehemaliger Vermieter im außerstreitigen Rechtsweg nach Beendigung des Bestandverhältnisses ein Begehren auf Mietzinsanhebung unter Bezugnahme auf § 12a MRG stellen könne, noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses und Erteilung eines Auftrags an das Erstgericht, das gesetzmäßige Verfahren unter Abstandnahme vom herangezogenen Überweisungsgrund fortzusetzen. Hilfsweise wird der Antrag gestellt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Antragsgegnerin beantragte, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig, weil das Rekursgericht die Zulässigkeit der Verfolgung des Antragsbegehrens im außerstreitigen Verfahren unrichtig beurteilt hat.

Der Revisionsrekurs ist im Sinn des in ihm gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Die Frage, ob ein Rechtsschutzantrag im außerstreitigen Verfahren nach § 37 MRG oder im Streitverfahren zu erledigen ist, muss nach dem Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und den zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen beurteilt werden (RIS‑Justiz RS0005896), was durch den allgemeinen Grundsatz zu ergänzen ist, dass Rechtssachen, die nicht ausdrücklich oder doch wenigstens unzweifelhaft schlüssig ins Außerstreitverfahren nach § 37 MRG verwiesen sind, auf den streitigen Rechtsweg gehören (vgl RIS‑Justiz RS0005948).

Der verfahrenseinleitende Antrag ist nicht nur ausdrücklich, sondern auch inhaltlich auf § 37 Abs 1 Z 8 MRG gegründet. Aus § 12a Abs 3 MRG wird mit entsprechenden Sachverhaltsbehauptungen das Begehren abgeleitet, festzustellen, dass der Antragsgegner zur Zahlung eines angemessenen Hauptmietzinses verpflichtet sei. Überdies soll der demnach angemessene Hauptmietzins der Höhe nach festgestellt werden. Beide Begehren sind unter § 37 Abs 1 Z 8 MRG (Zulässigkeit des begehrten Hauptmietzinses) zu subsumieren.

Grundsätzlich ist der Wegfall eines Mietverhältnisses für die Zulässigkeit des Verfahrens außer Streit ohne Bedeutung, soweit es um noch bestehende Ansprüche aus dem beendeten Mietverhältnis zwischen den früheren Vertragsparteien geht (vgl Würth/Zingher/Kovanyi Wohnrecht91 Rz 13 zu § 37 MRG; 5 Ob 72/83 = SZ 56/183 = MietSlg 35.422/35; vgl 5 Ob 150/86 = SZ 59/158 = MietSlg 38.516/38; RIS‑Justiz RS0108811). Insofern ist dem Revisionsrekurswerber zuzustimmen, als solche Ansprüche grundsätzlich auch vom ehemaligen Vermieter noch geltend gemacht werden können, wenn sie Zeiträume betreffen, in denen er Vermieter war und Mietzinsvorschreibungen vorgenommen hat.

Eine Hauptmietzinsanhebung nach § 12a Abs 3 MRG tritt aber - zum Unterschied vom Mietrechtsübergang - nicht ex lege mit dem Anhebungstatbestand bzw der ihm folgenden Zinsfälligkeit ein, sondern setzt ein „Verlangen" des Vermieters innerhalb der Präklusivfrist nach § 12a Abs 2 MRG voraus (vgl MietSlg 53.289; RIS‑Justiz RS0113457).

Dieses rechtsgestaltende, weil leistungsbestimmende (vgl grundlegend P. Bydlinski, Die Übertragung von Gestaltungsrechten 263 [FN 13]) Anhebungsbegehren kann aber jeweils nur derjenige stellen, dem zu diesem Zeitpunkt die Vermieterposition zukommt, weil diese Befugnis zur Rechtsgestaltung streng akzessorisch, also unmittelbar mit der Stellung als Gläubiger verbunden ist (vgl grundlegend P. Bydlinski aaO 266).

Nach ganz herrschender Ansicht wird durch § 1120 ABGB eine gesetzliche Vertragsübernahme bewirkt (vgl Klang²V 129f; Würth in Rummel³Rz 1 zu § 1120 ABGB; P. Bydlinski aaO181f).

Weil dem Antragsteller nach seiner Behauptung während des mit ihm bestandenen Mietverhältnisses der die Anhebung rechtfertigende Umstand niemals angezeigt wurde und ihm damit die Möglichkeit eines Anhebungsbegehrens genommen war, bliebe ihm nur die Möglichkeit, Schadenersatzansprüche wegen Verletzung der Anzeigepflicht des § 12a Abs 1 zweiter Satz MRG geltend zu machen. Die Unterlassung der Anzeige ändert nämlich nichts am Mietrechtsübergang (vgl 5 Ob 111/89 = wobl 1990/30 = MietSlg 41.237), macht jedoch für die aus der mangelnden Information des Vermieters entstehende Folgen schadenersatzpflichtig (vgl 7 Ob 636/85 = JBl 1986, 314 = MietSlg 37.277/47; 7 Ob 636/88 = SZ 61/240 = wobl 1989/25 ua). Solche Ansprüche sind aber ausschließlich im streitigen Rechtsweg zu verfolgen (vgl RIS‑Justiz RS0070312). Ob ein Anhebungstatbestand überhaupt vorliegt, ob auf eine Anhebung des Hauptmietzinses verzichtet wurde bzw eine solche verfristet oder verjährt wäre, wäre dann als Vorfrage im streitigen Verfahren zu klären.

Schadenersatzansprüche hat der Antragsteller aber mit dem verfahrenseinleitenden Antrag nicht geltend gemacht. Die Argumentation der Vorinstanzen, dass ihm nur solche zustünden und daher die Sache gemäß § 40a JN ins streitige Verfahren zu überweisen sei, erweist sich daher als verfehlt. Für die Zulässigkeit der Verfahrensart kommt es, wie oben dargestellt, auf das konkrete Rechtsschutzbegehren an, nicht aber darauf, welches Rechtsschutzziel der Antragsteller tatsächlich erreichen könnte.

Auch die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags durch das Rekursgericht, weil dem Antragsteller die Legitimation zur Durchsetzung dieses Anspruchs im außerstreitigen Verfahren fehle, ist rechtsirrig. Materiellrechtlich trifft zu, dass dem Antragsteller die Legitimation fehlt, das aus § 12a Abs 3 MRG resultierende Anhebungsrecht geltend zu machen, weil aus dem beendeten Mietverhältnis kein solcher offen gebliebener Anspruch besteht.

Fragen der Sachlegitimation oder der Schlüssigkeit eines Rechtsschutzbegehrens haben mit der zulässigen Verfahrensart oder überhaupt der Zulässigkeit des Rechtsschutzantrags aber nichts zu tun (vgl 1 Ob 135/07w), sie sind nur (materielle) Bedingungen der Begründetheit des Begehrens. Das Fehlen der Sachlegitimation ist keine Prozessvoraussetzung (vgl etwa 4 Ob 165/07d) und führt nach ständiger Rechtsprechung zur Abweisung des Rechtsschutzantrags wegen materieller oder formeller (unschlüssiger) Begründetheit (vgl RIS‑Justiz RS0035170). Das gilt auch im Verfahren nach § 37 MRG (vgl 5 Ob 125/08f).

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren in der Sache über den vom Antragsteller zulässigerweise im außerstreitigen Verfahren erhobenen Antrag zu entscheiden haben. Dem vermochte der Oberste Gerichtshof nicht vorzugreifen, weil bisher durch die Vorinstanzen keine Sachentscheidung getroffen wurde.

Eine Aufhebung erweist sich damit als unumgänglich.

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