OGH 9Ob46/21m

OGH9Ob46/21m27.1.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*, vertreten durch die Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei W* GmbH, *, vertreten durch die hba Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Unterlassung (Streitwert: 30.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert: 5.500 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. April 2021, GZ 6 R 42/21w‑14, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels vom 25. Jänner 2021, GZ 2 Cg 71/20y‑10, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00046.21M.0127.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.197,60 EUR (darin enthalten 366,30 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger ist ein für Unterlassungsklagen nach § 28 KSchG legitimierter Verband.

[2] Die Beklagte ist ein Energieversorgungsunternehmen, das in ganz Österreich Leistungen anbietet. Unter den ca 70.000 Kunden befinden sich ca 45.000 Privathaushalte, darunter etwa 28.000 im Raum W*. Die Beklagte verwendet laufend im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern die „Allgemeinen Bedingungen für die Lieferung von Strom im Zusammenhang mit Produkten der Marke V* […] Gültig ab 1. April 2020“ (AGB).

[3] Der Kläger wendet sich gegen die Zulässigkeit von drei der verwendeten Klauseln zur Zulässigkeit von Preisänderungen.

[4] Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren zu sämtlichen Klauseln statt und verpflichtete die Beklagte zur Urteilsveröffentlichung.

[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, die Auslegung von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die regelmäßig für eine größere Anzahl von Kunden von Bedeutung seien, sei eine erhebliche Rechtsfrage, sofern solche Klauseln bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht zu beurteilen gewesen seien.

[6] In ihrer Revision strebt die Beklagte die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn einer Klageabweisung an, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

[7] Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[8] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[9] 1. Der Oberste Gerichtshof hat auch zu Verbandsklagen mehrfach ausgesprochen (6 Ob 179/20x; 6 Ob 139/16h; 3 Ob 73/16f), dass er zur Auslegung von AGB-Klauseln nicht „jedenfalls“, sondern nur dann berufen ist, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind. Wenn die aufgeworfenen Fragen zur Zulässigkeit von Klauseln in AGB bereits durch höchstgerichtliche Entscheidungen geklärt sind, dann werfen unterschiedliche Formulierungen nicht per se eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Die bloße Häufigkeit der verwendeten Klauseln allein vermag die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen (RS0121516 [T27, T38]).

[10] Der Beklagten gelingt es jedoch nicht eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO im Hinblick auf die von ihr verwendeten und hier zu beurteilenden Klauseln aufzuzeigen, die von der Rechtsprechung noch nicht beantwortet wäre. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[11] 2. Unter der Überschrift „6. PREISE / PREISÄNDERUNGEN“ finden sich in den AGB der Beklagten die Punkte „6.1. Preise“, „6.2. Preisänderungen“ und „6.3. Produktwechsel“. Punkt 6.2. lautet wie folgt:

6.2. Preisänderungen

Im Falle gesetzlicher oder sonst hoheitlich bedingter Änderungen der Umsatzsteuer, der Gebrauchsabgabe oder der Elektrizitätsabgabe, welche die Lieferung von elektrischer Energie betreffen, ist der Stromlieferant zu einer entsprechenden Anpassung des vereinbarten Energiepreises berechtigt. Dies gilt auch bei Neueinführungen von Steuern, Abgaben, Zuschlägen und Förderverpflichtungen, die direkt an den Kunden gerichtet sind und welche die Lieferung von elektrischer Energie betreffen. Diese Änderungen werden dem Kunden durch ein individuell adressiertes Schreiben oder auf dessen Wunsch elektronisch mitgeteilt.

Durch derartige Anpassungen entsteht dem Kunden kein Recht auf Kündigung des Energieliefervertrages. Entsprechende Senkungen sind an den Kunden weiterzugeben.

Gegenüber Unternehmern im Sinne des KSchG ist der Stromlieferant berechtigt, auch bei nicht gesetzlich oder sonst hoheitlich bedingten Änderungen (z.B. Einstandspreise von elektrischer Energie, Primärenergiepreise, kollektivvertraglich bedingte Änderung der Lohnkosten, Lizenzgebühren für Software und Entgelte für EDV‑Wartungsverträge, die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Kunden notwendig sind), welche die Lieferung von elektrischer Energie betreffen, den Energiepreis nach billigem Ermessen anzupassen. Preiserhöhungen werden dem Kunden zeitgerecht in schriftlicher Form vor dem Wirksamwerden der Änderung bekannt gegeben. Preisänderungen aufgrund derartiger Kostensteigerungen oder -senkungen berechtigen den Kunden nicht zur Vertragsauflösung.

[Klausel 1] Der Stromlieferant ist unter den nachfolgend angeführten Umständen berechtigt, Änderungen der Preise für die Lieferung elektrischer Energie vorzunehmen, wenn dies durch objektive, vom Stromlieferanten nicht beeinflussbare Gründe sachlich gerechtfertigt ist.

Diese Gründe sind:

a. Zur Wertsicherung des vereinbarten Verbrauchs- bzw. Arbeitspreises: Wenn sich der auf dem österreichischen Strompreisindex der österreichischen Energieagentur (ÖSPI; abrufbar unter https://www.energy -agency.at/fakten-service/energie-in-zahlen/strompreisindex.html) basierende Referenzwert im Vergleich zum jeweils geltenden Index-Ausgangswert erhöht.

b. Zur Wertsicherung des vereinbarten Grundpreises und Nebenleistungen: Wenn sich der auf dem österreichischen Verbraucherpreisindex 2015 (VPI) basierende Referenzwert im Vergleich zum jeweiligen Index-Ausgangswert erhöht.

c. ...

[Klausel 2]  Im Falle von lit a. (ÖSPI) ist der Stromlieferant zur Preiserhöhung berechtigt, wenn sich der Referenzwert gegenüber dem lndex-Ausgangswert um mehr als 4 Indexpunkte erhöht. Der Referenzwert ist der Durchschnittswert der zwölf aufeinanderfolgenden ÖSPI‑Monatswerte vom 15. bis 4. Monat, welche der Preisanpassung vorangehen. Als Index-Ausgangswert für den ÖSPI gilt der auf dem aktuell gültigen Produktblatt angeführte Indexwert, welcher der letzten Preisänderung zu Grunde gelegt wurde. Wurde noch keine Preisanpassung nach dieser Bestimmung durchgeführt, errechnet sich der Index-Ausgangswert aus dem Durchschnitt der zwölf aufeinanderfolgenden ÖSPI-Monatswerte vom 15. bis zum 4. Monat, welche dem Gültigkeitsbeginn des aktuell gültigen Produktpreises vorangehen. Der der Preisanpassung zu Grunde liegende Referenzwert bildet den neuen Index‑Ausgangswert. Der Stromlieferant erhöht den Verbrauchs- bzw. Arbeitspreis im Zuge einer solchen Preiserhöhung höchstens im Ausmaß der Indexsteigerung zuzüglich maximal 1 Cent/kWh. Wird eine Preisanpassung durchgeführt, die nicht der vollen Indexsteigerung entspricht, wird der neue Index-Ausgangswert auch nur um den geringeren Prozentsatz der Preisänderung angepasst.

Im Falle von lit b. (VPI) ist der Stromlieferant zur Preiserhöhung berechtigt, wenn sich der Referenzwert gegenüber dem lndex-Ausgangswert um mehr als 4 Indexpunkte erhöht. Als Referenzwert für den VPI gilt jener Monatsindex, welcher der aktuellen Preisanpassung 3 Monate vorausgeht. Als Index-Ausgangswert für den VPI gilt jener Monatsindex, welcher der letzten Grundpreisänderung 3 Monate vorausgeht. Wurde noch keine Preisanpassung nach dieser Bestimmung durchgeführt, gilt als Index-Ausgangswert der VPI Monatsindex des Monats, welches dem Gültigkeitsbeginn des aktuell gültigen Produktpreises 3 Monate vorausgeht. Der der Preisanpassung zu Grunde liegende Referenzwert bildet den neuen Index-Ausgangswert. Der Stromlieferant erhöht den Grundpreis und die Preise der Nebenleistungen im Zuge einer solchen Preiserhöhung höchstens im Ausmaß der Indexsteigerung. Wird eine Preisanpassung durchgeführt, die nicht der vollen Indexsteigerung entspricht, wird der neue Index-Ausgangswert auch nur um den geringeren Prozentsatz der Preisänderung angepasst.

Der jeweils geltende Index-Ausgangswert (für ÖSPI und VPI) ist für alle Kunden, die von einem Stromlieferanten dasselbe Produkt beziehen, einheitlich anzuwenden und wird dem Kunden vom Stromlieferanten im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oder im Zuge einer Preisänderung aufgrund von Änderungen der in lit a und b angeführten Indizes schriftlich mitgeteilt und zusätzlich jeweils auf dessen Homepage veröffentlicht. Index‑Erhöhungen bis zu 4 Indexpunkte bleiben unberücksichtigt (der Index-Ausgangswert bleibt diesfalls unverändert).

[Klausel 3] Preisänderungen aufgrund von Änderungen der in lit a und b angeführten Indizes erfolgen nicht öfter als einmal im Kalenderjahr. […] Bei Änderungen der Preise für die Lieferung von elektrischer Energie aufgrund von Änderungen der in lit a und b angeführten Indizes wird der Stromlieferant den Kunden darin auch über die Anpassungen (aktueller Veränderungswert, neuer Index-Ausgangswert, die konkrete Höhe der angepassten Preise) informieren. Der Kunde kann dann einer auf diese Weise erklärten Preisänderung dem Stromlieferanten innerhalb einer Frist von 4 Wochen ab Zugang zustimmen oder widersprechen. Sofern der Kunde den mitgeteilten Preisänderungen nicht innerhalb einer Frist von 4 Wochen ab Zugang der Preisänderungserklärung schriftlich widerspricht, werden nach Ablauf dieser Frist die Preisänderungen zu dem vom Stromlieferanten mitgeteilten Zeitpunkt, der nicht vor dem Zeitpunkt der Versendung der Preisänderungserklärung liegen darf, wirksam. Widerspricht der Kunde den Änderungen binnen einer Frist von 4 Wochen ab Zugang der Preisänderungserklärung schriftlich, endet der Vertrag unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 3 Monaten, gerechnet ab Zugang der Preisänderungserklärung, zum Monatsletzten. Der Stromlieferant wird den Kunden im Rahmen der Mitteilung der Preiserhöhung darauf hinweisen, dass das Stillschweigen des Kunden bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist als Zustimmung zur Preisänderung gilt und ein Widerspruch gegen die Preisänderung zur Vertragsauflösung führt.“

[12] 3. Die Beklagte macht in ihrer Revision geltend, dass aus Art 10 Abs 4 der Elektrizitätsbinnenmarkt RL 2019/944/EU iVm § 80 EIWOG 2010 ein einseitiges Recht des Energielieferanten zur Anpassung seiner Preise folge. Die Regelung entspreche weitgehend Art 20 Abs 2 der UniversaldienstRL 2002/22/EG , die in Österreich in § 25 Abs 2 und 3 TKG 2003 umgesetzt sei. Nach der Judikatur ergebe sich daraus ein einseitiges Änderungsrecht, eine vertragliche Vereinbarung eines Änderungsrechts sei nicht vorausgesetzt.

[13] 4. Dazu hat der Oberste Gerichtshof erst kürzlich in der Entscheidung 5 Ob 103/21i unter Bezugnahme auf 3 Ob 139/19s ausgeführt:

Zu 3 Ob 139/19s hatte der Oberste Gerichtshof eine nahezu wortgleiche Klausel eines Energielieferunternehmens zu beurteilen. Ein Unterschied bestand nur darin, dass dort eine Preisänderung im Weg einer Änderungskündigung zu prüfen war. (...)

Der 3.  Senat setzte sich ausführlich mit dem auch dort vorgetragenen Argument, ein „Sonderprivatrecht im Energieversorgungssektor“ schließe die Prüfung einer AGB‑Klausel nach § 879 Abs 3 AGB und/oder § 6 Abs 3 KSchG aus, auseinander und erteilte dem eine Absage. § 80 Abs 2 ElWOG 2010 hält fest, dass Änderungen der (Allgemeinen) Geschäftsbedingungen und der vertraglich vereinbarten Entgelte nur nach Maßgabe des ABGB und des KSchG zulässig sind. Die Bestimmung lässt in ihrem letzten Satz zwar erkennen, dass eine Regelung, nach der ein Widerspruch des Kunden zur Vertragsbeendigung führt, zulässig ist; über die Zulässigkeit einer Vertragsänderung im Weg einer Zustimmungsfiktion und deren Voraussetzungen sagt § 80 Abs 2 ElWOG 2010 im Gegensatz zur Auffassung der Revisionswerberin aber nichts aus. Dafür sind die eingangs ausdrücklich erwähnten Gesetze (ABGB und KSchG) relevant. Die Argumentation der Beklagten bietet keinen Anlass hievon abzugehen. Ein einseitiges Recht zur Entgelt- und Vertragsänderung räumt § 80 Abs 2 ElWOG 2010 nicht ein. Ebensowenig ist dieser Bestimmung zu entnehmen, dass sie spezielle Bedingungen umschreiben hätte wollen, die den allgemeinen Transparenzerfordernissen des ABGB und KSchG 'vorgehen'. Dem steht nicht nur der klare Gesetzeswortlaut, sondern auch der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers entgegen, der die Stärkung und Absicherung der Verbraucherrechte hervorhob (ErlRV 994 BlgNR XXIV. GP  1).

Soweit die Beklagte mit einem in den RL 2009/72/EG (Elektrizitätsbinnenmarkt), ihrer Vorgängerregelung RL 2003/55/EG und der in Österreich (Anm.: damals) noch nicht umgesetzten RL 2019/944/EU (Elektrizitätsbinnenmarkt) angeblich anerkannten Preisänderungsrecht des Energieversorgers argumentiert, übersieht sie, dass – wie beide Vorinstanzen zutreffend hervorgehoben haben – dem nationalen Gesetzgeber ausdrücklich freigestellt wurde, strengere Verbraucherschutzregeln zu treffen (Art 3 Abs 7 der RL 2009/72/EG [Elektrizitätsbinnenmarkt]). Dies hat er mit § 80 ElWOG getan. (…) Der von der Beklagten daraus offenbar gezogene Schluss, im Energiesektor reiche es für eine Preisänderung im Weg der Zustimmungsfiktion bereits aus, wenn dafür überhaupt eine nationale Regelung (wie § 80 Abs 2 ElWOG 2010) vorliege und der Verbraucher nicht schon bei Vertragsabschluss, aber während laufendem Vertragsverhältnis rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der Preisänderung über deren Anlass, Voraussetzung und Umfang informiert werde, ist aus dieser Entscheidung nicht ableitbar. Die nationale Regelung (§ 80 Abs 2 ElWOG) stellt vielmehr ausdrücklich auf das KSchG und damit das Transparenzgebot nach § 6 Abs 3 KSchG ab, das daher nach Gesetzeswortlaut und Willen des historischen Gesetzgebers auch für Energielieferanten gelten soll. Mit einer derartigen Bestimmung hatte sich der EuGH zu C-350/11 und C-400/11 nicht auseinanderzusetzen.

Soweit die Beklagte sich unter Hinweis auf § 25 Abs 2 und 3 TKG 2003 und die zugrunde liegende unionsrechtliche Regelung (Art 20 Abs 2 RL 2002/22/EG [Universaldienstrichtlinie]) auf eine im Weg verfassungskonformer Interpretation gebotene Gleich-behandlung berufen will, übersieht sie, dass die Verbraucherschutzrichtlinien nach europäischem Recht nur Mindeststandards sind und es dem nationalen Gesetzgeber frei steht, strengere Verbraucherschutzregeln zu treffen. Dass sich der nationale Gesetzgeber entschieden hat, die Regelungen des § 80 ElWOG verbraucherfreundlicher zu gestalten als jene des § 25 TKG, wirft keine verfassungsrechtlichen Bedenken auf, steht es dem Gesetzgeber doch im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums grundsätzlich offen, sich in – hier bei Telekommunikationsdienstleistungen einerseits und Energieversorgung andererseits jedenfalls unterschiedlichen – Regelungsbereichen für unterschiedliche Ordnungssysteme zu entscheiden.“

[14] Entgegen der Revision ist daher die Frage, ob auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Vereinbarungen über ein Preisanpassungsrecht von Energieversorgungsunternehmen den Bestimmungen des ABGB und KSchG unterliegen, in der Rechtsprechung bereits beantwortet. Davon ausgehend ist der Argumentation der Beklagten, dass die von ihr verwendete Klauseln schon deshalb nicht (gröblich) benachteiligend sein könnten, weil sie gegenüber einem unbeschränkten Preisanpassungsrecht jedenfalls konsumentenfreundlicher seien, die Grundlage entzogen.

[15] 5. Nach § 864a ABGB werden Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern, die ein Vertragsteil verwendet hat, nicht Vertragsbestandteil, wenn sie dem anderen Teil nachteilig sind und er mit ihnen auch nach den Umständen, vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen brauchte, es sei denn, der eine Vertragsteil hat den anderen besonders darauf hingewiesen. Als objektiv ungewöhnlich wird eine Klausel beurteilt, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, sodass er mit ihr nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte. Der Klausel muss also ein Überrumpelungs- oder gar Übertölpelungseffekt innewohnen (RS0014646). Bei der Beurteilung der Ungewöhnlichkeit eines Inhalts iSd § 864a ABGB ist ein objektiver Maßstab anzulegen (RS0014627). Der Inhalt der Klausel, auf den es dabei alleine nicht ankommt, spielt vor allem im Zusammenhang mit der Stellung im Gesamtgefüge des Vertragstextes eine Rolle, denn das Ungewöhnliche einer Vertragsbestimmung ergibt sich insbesondere aus der Art ihrer Einordnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (RS0014659). § 864a ABGB erfasst alle dem Kunden nachteilige Klauseln, eine grobe Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB wird nicht vorausgesetzt (RS0123234).

[16] Ausgehend von dieser Rechtsprechung hat das Berufungsgericht nicht allgemein eine Vordatierung der Wertsicherung auf einen Zeitpunkt vor Vertragsabschluss als gegen § 864a ABGB verstoßend angesehen, sondern darauf hingewiesen, dass im konkreten Fall die Vordatierung in Klausel 2 hinsichtlich ihres zeitlichen Ausmaßes nicht konkretisiert oder eingegrenzt werde. Damit seien Preisanpassungen sofort nach Vertragsabschluss möglich. Da die Klausel auch keine betragliche Deckelung beinhalte, könne sie auch beträchtlich ausfallen. Damit müsse ein Stromkunde nicht rechnen.

[17] Demgegenüber argumentiert die Beklagte, dass sie ein Interesse an der Anpassung des Preises an geänderte Marktverhältnisse und der Kunde ein Interesse an längerfristigen stabilen und einheitlichen Preisen habe. Daher müsse bei manchen Kunden der Referenzwert vor dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses liegen.

[18] Richtig ist, dass sich die beanstandeten Klauseln thematisch richtig im Abschnitt „Preisänderungen“ finden. In einem Unterpunkt dieses Abschnittes zählt Klausel 1 als sachlich gerechtfertige Gründe für eine Anhebung die Wertsicherung der vereinbarten Verbrauchs- und Arbeitspreise sowie die Wertsicherung des vereinbarten Grundpreises auf. In Klausel 2 wird diese „Wertsicherung“ näher ausgeführt. In diesem Abschnitt der Geschäftsbedingungen findet sich jedoch keine Regelung einer Wertsicherung im herkömmlichen Sinn, also eine Preisanpassung an geänderte Verhältnisse nach Vertragsabschluss (pro futuro), sondern die Bezugnahme auf einen allenfalls schon lange vor Vertragsabschluss liegenden Ausgangswert, wodurch der Beklagten das Recht eingeräumt wird, auch bereits kurz nach Vertragsabschluss gegebenenfalls auch beträchtliche Preiserhöhungen vorzunehmen. Die Beurteilung, dass der durchschnittliche Konsument mit einer solchen Klauselgestaltung nach der Einleitung „Wertsicherung“ nicht rechnet, hält sich im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessenspielraums. Vergleichbar hat der Oberste Gerichtshof in 10 Ob 50/11t eine Klausel in einem Wärmelieferungsvertrag, die schon nach wenigen Monaten Laufzeit infolge Heranziehung eines weit vor Vertragsabschluss liegenden Index als Ausgangsbasis eine fast 14%ige Preissteigerung enthielt, als ungewöhnlich und angesichts der Überschrift „Wertsicherung“ nicht der Erwartungshaltung eines durchschnittlichen Kunden entsprechend beurteilt. Die Nachteiligkeit der überraschenden Klausel sei auch nicht allein deshalb zu verneinen, weil der Kläger einen gleich hohen Preis wie alle anderen Kunden in derselben Region bezahlen solle. Die für den Kläger nachteiligen Folgen ergeben sich vielmehr aus einem Vergleich der Rechtsposition, die ihm ohne die Klausel (bzw unter Zugrundelegung einer dem Vertragsabschluss zeitlich nahe gelegenen Indexzahl) zukäme, mit jener Rechtsposition, die er unter Miteinbeziehung der Klausel habe.

[19] 6. Genauso wenig rechnet der durchschnittliche Kunde damit, dass bei einer „Wertsicherung“ nach Belieben des Unternehmens – die in der Revision genannten angeblich kostenrelevanten Faktoren finden in den AGB keine Erwähnung – die Erhöhung des Verbrauchs‑ bzw Arbeitspreises um bis zu 20 % höher ausfallen kann als es der Indexveränderung entspricht. Auch gegen die Beurteilung der Vereinbarung dieser zusätzlichen Erhöhung von 1 Cent/kwh als überraschend iSd § 864a ABGB bestehen daher keine Bedenken.

[20] 7. Da die Vorinstanzen bereits vertretbar von einer Nichtigkeit der Klausel nach § 864a ABGB ausgegangen sind, kommt es darauf, ob diese einer Inhaltskonktrolle standhält oder dem Transparenzgebot entspricht, nicht mehr an. Der Vollständigkeit halber kann jedoch dazu auf die Entscheidung 5 Ob 103/21i [Rz 16] verwiesen werden, in der dargelegt wurde, dass nach § 6 Abs 1 Z 5 und Abs 2 Z 3 KSchG unangemessene einseitige Preis- und Leistungsänderungsklauseln auch nicht über den Umweg einer vereinbarten vertraglichen Zustimmungsfiktion wirksam vereinbart werden könnten. Dass die Beklagte nach § 6 Abs 1 Z 5 KSchG auch zu einer entsprechenden Preissenkung verpflichtet wäre, lässt sich der beanstandeten Klausel gerade nicht entnehmen.

[21] 8. Die Vorinstanzen haben – bei kundenfeinlichster Auslegung – die sich auf Klausel 2 beziehende Klausel 3 unter Hinweis darauf als intransparent angesehen, dass laut dem letzten Absatz der Klausel 2 der Index‑Ausgangswert für alle Kunden einheitlich anzuwenden sei und sich aus ihr daher nicht eindeutig ableiten lasse, welcher Preis für die Dauer der Kündigungsfrist verrechnet wird. Die Frage der Vertretbarkeit dieser Auffassung kann dahingestellt bleiben, weil die Klausel 3 nicht nur auf die Klausel 2 verweist, sondern mit dieser auch in einem untrennbaren inhaltlichen Zusammenhang steht (dient sie doch lediglich der Umsetzung der in Klausel 2 vorgesehenen Änderungen des Entgelts), sodass die Unzulässigkeit der Klausel 2 auch auf die Klausel 3 durchschlägt (RS0122040 letzter Satz).

[22] 9. Dass die Unwirksamkeit der Klauseln 2 und 3 auch die Unwirksamkeit der mit diesen in untrennbaren Zusammenhang stehenden Klausel 1 zur Folge hat, wird in der Revision nicht mehr angezweifelt.

[23] 10. Voraussetzung für die Urteilsveröffentlichung ist das „berechtigte Interesse“ an der Urteilsveröffentlichung (§ 25 Abs 3 UWG iVm § 30 Abs 1 KSchG). Dieses liegt bei der Verbandsklage nach dem KSchG darin, dass der Rechtsverkehr bzw die Verbraucher als Gesamtheit das Recht haben, darüber aufgeklärt zu werden, dass bestimmte Geschäftsbedingungen gesetz- bzw sittenwidrig sind.

[24] Gemessen an diesem Zweck ist über die Rechtsverletzungen aufzuklären und den beteiligten Verkehrskreisen – also nicht nur den unmittelbar betroffenen Geschäftspartnern – Gelegenheit zu geben, sich entsprechend zu informieren und vor Nachteilen zu schützen (vgl RS0121963). Durch die Aufklärung wird die Aufmerksamkeit der Verbraucher für die Unzulässigkeit von Vertragsbestandteilen geschärft und es wird ihnen damit erleichtert, ihre Rechte gegenüber dem Unternehmer wahrzunehmen (RS0121963 [T5]). Dies gilt nach der Rechtsprechung insbesondere, aber nicht nur für jene Verbraucher, deren Verträgen mit der Beklagten noch die klagsgegenständlichen Klauseln zugrunde gelegt worden sind (2 Ob 153/08a).

[25] Ausgehend davon, dass nach den eigenen Angaben der Beklagten etwa ein Viertel ihrer Kunden nicht nur in der Region W* lebt und darüber hinaus vergleichbare Klauseln auch von anderen Energieunternehmen verwendet werden, ist der Auftrag der Vorinstanzen zur Veröffentlichung der Entscheidung in einem überregionalen Printmedium nicht korrekturbedürftig, sondern entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (6 Ob 169/15v [Pkt 2.3] mwN).

[26] 11. Da zu vergleichbaren Klauseln daher bereits mehrere höchstgerichtliche Entscheidungen vorliegen, ist die Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[27] 12. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, weshalb ihm die Beklagte die Kosten seiner Revisionsbeantwortung zu ersetzen hat (§§ 41, 50 ZPO).

Stichworte