OGH 21Ds3/20h

OGH21Ds3/20h15.12.2021

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 15. Dezember 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als weiteren Richter sowie die Rechtsanwälte Univ.‑Prof. Dr. Harrer und Dr. Pressl als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Frank in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 DSt über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats des Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 25. Juni 2020, GZ DISZ/28‑19‑950.13‑24, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, sowie des Beschuldigten und seines Verteidigers Dr. Hirsch zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0210DS00003.20H.1215.001

 

Spruch:

 

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde * des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 DSt schuldig erkannt.

[2] Danach hat er als Zulassungsbesitzer des PKW Marke Mercedes Benz mit dem polizeilichen Kennzeichen * vom 22. Februar 2019 bis zum 18. November 2019 wiederholt das bezeichnete Fahrzeug mit einem gelben, den Schriftzug „Taxi“ aufweisenden Dachschild versehen und damit am öffentlichen Verkehr teilgenommen (ES 2) und hiedurch gegenüber einem größeren Kreis von Personen, nämlich Passanten sowie Verkehrsteilnehmern, den Eindruck des Anbietens einer den Gegenstand des Taxi‑Gewerbes bildenden Tätigkeit erweckt, ohne über eine entsprechende Konzession zu verfügen. Zudem hat dieses Verhalten aufgrund der beharrlichen Weigerung des Beschuldigten, es einzustellen, sowohl bei Mitgliedern der Salzburger Funktaxi‑Vereinigung als auch bei Polizeibeamten erheblichen Unmut erzeugt (ES 2 bis 4).

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen wegen Vorliegens der Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 5 sowie (gemeint) 9 lit a StPO und wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung des Beschuldigten geht fehl.

[4] Soweit die Mängelrüge (Z 5) die Frage releviert, ob der Beschuldigte die ihm angelasteten Tathandlungen als Zulassungsbesitzer oder als Halter des gegenständlichen PKW gesetzt hat, bezieht sie sich nicht auf schuld‑ oder subsumtionsrelevante Umstände (siehe dazu RIS‑Justiz RS0106268).

[5] Hinzugefügt sei, dass die beiden Begriffe einander – wie die Beschwerde im Übrigen selbst zugesteht – in weiten Teilen überdecken (Danzl, EKHG10 § 5 Anm 3), womit die Annahmen des Disziplinarrats, der Beschuldigte sei einerseits Zulassungsbesitzer (ES 1) und andererseits Halter (ES 2) des gegenständlichen PKW gewesen, einander gerade nicht widersprechen (Z 5 dritter Fall). Widersprüchlich sind Aussagen eines Disziplinarerkenntnisses nämlich nur dann, wenn sie nach den Denkgesetzen oder der allgemeinen Lebenserfahrung nicht nebeneinander bestehen können (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 438).

[6] Demzufolge wird auch mit der Behauptung, Teile der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) seien im Tenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) des Disziplinarerkenntnisses nicht enthalten, kein Fehler in der Bedeutung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes geltend gemacht.

[7] Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn – nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, somit aus objektiver Sicht – nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, also für den Beschwerdeführer und das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) festgestellt worden oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (RIS‑Justiz RS0117995 [insb T3 und T4]). Diese Erkennbarkeit kann auch durch die gebotene Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe und des Tenors in Frage gestellt werden (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 419). Der Beschwerde zuwider trifft dies hier nicht zu, weil die Entscheidungsgründe, wonach der Beschuldigte mit dem mit dem Dachschild versehenen PKW wiederholt am öffentlichen Verkehr teilgenommen hat (ES 2), und der Tenor, nach dem das inkriminierte Verhalten einem größeren Kreis von Personen, nämlich Verkehrsteilnehmern und Passanten, zur Kenntnis gelangt ist, auch in ihrer Gesamtheit keinen Zweifel an der insoweit relevierten Feststellung der Teilnahme am öffentlichen Verkehr aufkommen lassen.

[8] Die vermisste Begründung (Z 5 vierter Fall) für die Feststellung der wiederholten Teilnahme am öffentlichen Verkehr findet sich auf den Seiten 2 bis 4 des Disziplinarerkenntnisses.

[9] Indem die Beschwerde kritisiert, dass der festgestellte Tatzeitraum (ES 2) im Tenor des Disziplinarerkenntnisses nicht wiedergegeben wird (der Sache nach Z 3), entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung, weil sie nicht darlegt, weshalb der gerügte Umstand der Individualisierung der Tat entgegenstehen soll (RIS‑Justiz RS0117498). Hinzugefügt sei, dass allenfalls aus dem Wortlaut des Tenors resultierende Zweifel im Fall einer nachfolgenden Verurteilung für die Annahme von Tatidentität und damit das Vorliegen des Verfolgungshindernisses der rechtskräftig entschiedenen Sache streiten (RIS‑Justiz RS0120226 [T3]).

[10] Soweit die Beschwerde vorbringt, der Tenor des Disziplinarerkenntnisses trage die vorgenommene Subsumtion nicht (der Sache nach Z 9 lit a, nominell verfehlt Z 5), verkennt sie, dass Rechtsrüge und Subsumtionsrüge auf einen Vergleich des Schuldspruchs (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) mit den Festellungen der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und nicht mit dem Referat der entscheidenden Tatsachen im Tenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) abstellen (RIS‑Justiz RS0118775 [T3 und T4]).

[11] Mit dem Einwand, der Disziplinarrat habe den Tatzeitraum nicht festgestellt, und dem Vorbringen, das Abstellen des mit dem in Rede stehenden Dachschild versehenen PKW auf einem Privatgrundstück stelle kein Disziplinarvergehen dar, entfernt sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) prozessordnungswidrig vom festgestellten Sachverhalt (RIS‑Justiz RS0099810). Der erstgenannte Einwand bezieht sich überdies nicht auf einen schuld‑ oder subsumtionsrelevanten Umstand.

[12] Ob der Beschuldigte wegen des inkriminierten Verhaltens auch verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann, ist unter dem Aspekt der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes im Sinn des § 1 Abs 1 DSt irrelevant. Mit Blick auf § 10 Abs 2 RAO stellt vielmehr jedes subjektiv vorwerfbare Verhalten, das geeignet ist, die Wertschätzung und das Ansehen, die der Stand als solcher und jeder Rechtsanwalt vermöge seiner Standeszugehörigkeit zu beanspruchen befugt ist, zu beeinträchtigen, ein nach § 1 Abs 1 DSt standeswidriges Verhalten dar (zum Ganzen RIS‑Justiz RS0056396 sowie Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 [2018] § 1 DSt Rz 10 ff).

[13] Hievon ausgehend ist auf der Basis der Feststellungen des Disziplinarrats, wonach der Beschuldigte ohne entsprechende Konzession über einen Zeitraum von mehreren Monaten schuldhaft und beharrlich im öffentlichen Verkehr den Anschein der Ausübung des Taxi‑Gewerbes erweckt hat und wonach sein Fehlverhalten aufgrund seiner beharrlichen Weigerung, es einzustellen, überdies Mitgliedern der Salzburger Funktaxi‑Vereinigung sowie Polizeibeamten zur Kenntnis gelangt ist, die vorgenommene Subsumtion nicht zu beanstanden.

[14] Sofern die Ausführungen zu vorliegenden Nichtigkeitsgründen auch als Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld zu verstehen sind, vermögen sie keine Bedenken an der Lösung der Schuldfrage zu wecken.

[15] Der Disziplinarrat verhängte über den Beschuldigten nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 500 Euro und wertete dabei den langen Deliktszeitraum als erschwerend, keinen Umstand als mildernd.

[16] Bei der Strafbemessung sind im anwaltlichen Disziplinarverfahren die entsprechenden Bestimmungen des Strafgesetzbuchs (§§ 32 ff StGB) sinngemäß anzuwenden (RIS‑Justiz RS0054839).

[17] Zutreffend wendet die Berufung ein, dass die lange Verfahrensdauer mildernd hinzutritt (§ 34 Abs 2 StGB).

[18] Demgegenüber kann mit Blick auf das mehrmonatige, beharrliche Fehlverhalten, von dem sich der Beschuldigte nach den Feststellungen des Disziplinarrats weder durch ein Schreiben des Rechtsanwalts der Salzburger Funktaxi‑Vereinigung noch durch eine polizeiliche Anzeige abbringen ließ (ES 3), von einem atypisch geringen Schuldgehalt keine Rede sein.

[19] Ausgehend von den dargelegten Erschwerungs- und Milderungsgründen erweist sich auf der Grundlage der Schuld (§ 32 Abs 1 StGB) sowie unter Berücksichtigung der Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten (§ 16 Abs 6 DSt) die ausgesprochene Sanktion einer Reduktion keinesfalls zugänglich.

[20] Hinzugefügt sei, dass sich die Behauptung, der Antrag auf Berichtigung des Protokolls über die Disziplinarverhandlung (ON 25 S 2) sei unerledigt geblieben, von der Aktenlage entfernt. Vielmehr ist der Disziplinarrat diesem Antrag mit Beschluss vom 25. März 2021 uneingeschränkt gefolgt (ON 37). Unter dem Aspekt der Anfechtung des Disziplinarerkenntnisses (vgl hiezu RIS‑Justiz RS0126057) hat das diesbezügliche Vorbringen daher auf sich zu beruhen.

[21] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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