OGH 2Nc30/21s

OGH2Nc30/21s25.11.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Musger und Dr. Nowotny, die Hofrätin Mag. Malesich sowie den Hofrat MMag. Sloboda als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** 2021 verstorbenen Gerhard V*****, über das Ersuchen um eine Entscheidung im Zuständigkeitsstreit zwischen den Bezirksgerichten Innere Stadt Wien und Murau, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0020NC00030.21S.1125.000

 

Spruch:

Zur Führung der Verlassenschaftssache ist das Bezirksgericht Murau zuständig.

 

Begründung:

[1] Der Erblasser starb im Jahr 2021 in einem Krankenhaus in Wien 14. Während das Spital das Bezirksgericht Innere Stadt Wien unter Hinweis auf einen letzten Wohnsitz des Erblassers in Wien 4 vom Todesfall verständigte, informierte das Standesamt Wien‑Hietzing das Bezirksgericht Murau unter Hinweis auf einen letzten Wohnsitz des Erblassers in der Steiermark von dessen Ableben. Da der Erblasser seit Juli 2020 an der Adresse in der Steiermark, nicht mehr aber an jener in Wien 4 gemeldet war, überwies das Bezirksgericht Innere Stadt Wien den Akt mit „Verfügung“ vom 1. 6. 2021 „gemäß §§ 44, 105 JN“ dem Bezirksgericht Murau „zuständigkeitshalber“.

[2] Der Erblasser hinterließ keine Pflichtteilsberechtigten und keine letztwillige Verfügung; gesetzlicher Alleinerbe ist nach der Aktenlage der Bruder des Erblassers, der bisher keine Erbantrittserklärung abgegeben hat.

[3] Nachdem der Bruder des Erblassers mitgeteilt hatte, dass der Erblasser bis zuletzt in einer Wohnung in Wien 4, aber nicht in der Steiermark gelebt habe, sondern dort nur pro forma gemeldet gewesen sei, sprach das Bezirksgericht Murau mit Beschluss vom 28. 9. 2021 seine Unzuständigkeit aus und überwies das Verfahren gemäß § 44 JN an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien.

[4] Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien verweigerte die Übernahme des Akts.

[5] Nunmehr legt das Bezirksgericht Murau den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt vor. Es weist auf „die Mitteilung des präsumtiven Erben“ und das in Wien anhängige Insolvenzverfahren über das Vermögen des Erblassers hin.

Rechtliche Beurteilung

[6] 1. Die Anrufung des gemeinsam übergeordneten Gerichtshofs in einem negativen Kompetenzkonflikt (§ 47 JN) setzt nach der Rechtsprechung grundsätzlich voraus, dass die konkurrierenden Beschlüsse rechtskräftig sind (RS0046374). Eine Zustellung der Unzuständigkeitsbeschlüsse kommt aber dann nicht in Betracht, wenn noch keine Partei bekannt ist, der Rekurslegitimation zukäme. Zur Vermeidung eines faktischen Verfahrensstillstands ist in solchen Fällen eine sofortige Entscheidung im Kompetenzkonflikt geboten (2 Nc 47/19p mwN).

[7] 2. Gemäß § 44 Abs 1 JN hat das unzuständige Gericht in den dort genannten Verfahren die Sache nach Möglichkeit an das zuständige Gericht zu überweisen. Auch in einer Überweisung nach § 44 JN ohne ausdrücklichen Ausspruch der Unzuständigkeit liegt eine (im Fall der Rechtskraft bindende) Entscheidung über die Zuständigkeit (RS0046346). Nach ständiger Rechtsprechung bleibt der Überweisungsbeschluss für das Adressatgericht so lange maßgebend, als er nicht in höherer Instanz rechtskräftig abgeändert wurde (RS0081664). Das Adressatgericht kann seine Unzuständigkeit daher nicht mit der Begründung aussprechen, dass doch das überweisende Gericht zuständig sei (RS0002439). Bei der Entscheidung nach § 47 Abs 1 JN ist auf eine Bindungswirkung des ersten Beschlusses auch dann Bedacht zu nehmen, wenn dieser (vielleicht) unrichtig war (RS0046391).

[8] 3. Aus diesen Gründen obliegt dem Bezirksgericht Murau die (weitere) Durchführung des Verlassenschaftsverfahrens.

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