OGH 2Nc47/19p

OGH2Nc47/19p17.12.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** 2019 verstorbenen H***** J*****, über das Ersuchen um eine Entscheidung im Zuständigkeitsstreit zwischen dem Bezirksgericht Steyr und dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien, in nichtöffentlicher Sitzung den,

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0020NC00047.19P.1217.000

 

Spruch:

Zur Führung der Verlassenschaftssache ist das Bezirksgericht Steyr zuständig.

 

Begründung:

H***** J***** verstarb am ***** 2019. Am 6. 9. 2019 langte beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien die Mitteilung vom Todesfall ein, in der die Anschrift des Verstorbenen mit „unbekannt“ angeführt wurde.

Der vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien betraute Gerichtskommissär holte eine Auskunft vom Zentralen Melderegister ein, in der als letzter Wohnsitz des Verstorbenen die Justizanstalt G*****, aufscheint. Daraufhin überwies das Bezirksgericht Innere Stadt Wien die Verlassenschaftssache gemäß § 44 JN an das Bezirksgericht Steyr.

Der dortige Gerichtskömmissär erhob, dass H***** J***** in einem Spital in Wien verstorben ist. Eine in Salzburg bestehende Adresse stellte sich als Postadresse des Verstorbenen bei der Bewährungshilfe heraus. Im Beschluss über die bedingte Entlassung des Verstorbenen aus der Freiheitsstrafe wurde ihm die Weisung erteilt, an einer dort angeführten Adresse in Steyr Wohnung zu nehmen und jeden Wohnungswechsel dem Gericht zu melden. Diese Adresse existiert allerdings nach den Nachforschungen des Gerichtskommissärs nicht.

Daraufhin hielt das Bezirksgericht Steyr in einem Aktenvermerk seine Unzuständigkeit fest und legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung „über den negativen Kompetenzkonflikt zwischen dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien und dem Bezirksgericht Steyr“ vor.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Anrufung des gemeinsam übergeordneten Gerichtshofs in einem negativen Kompetenzkonflikt nach § 47 JN setzt grundsätzlich voraus, dass die konkurrierenden Gerichte rechtskräftig ihre Unzuständigkeit zur Entscheidung über die gleiche Rechtssache ausgesprochen haben (RS0046374; 2 Nc 4/15h; 4 Nc 2/13a). Eine Zustellung des Unzuständigkeitsbeschlusses kommt allerdings dann nicht in Betracht, wenn eine Partei, der eine Rekurslegitimation zukäme, nicht vorhanden ist. Zur Vermeidung eines faktischen Verfahrensstillstands ist in diesen Fällen eine sofortige Entscheidung über den Kompetenzkonflikt geboten (vgl 2 Nc 4/15h mwN; 2 Nc 11/15p; 2 Nc 5/16g). Diese Voraussetzungen lägen nach der Aktenlage hier vor.

Allerdings hat weder das Bezirksgericht Innere Stadt Wien seine Unzuständigkeit ausgesprochen, sondern nur einen Überweisungsbeschluss gefasst, noch hat das Bezirksgericht Steyr bisher überhaupt irgendeinen Beschluss gefasst. Es liegen daher nicht zwei, die eigene Zuständigkeit verneinende und daher einen negativen Kompetenzkonflikt nach § 47 JN auslösende Gerichtsbeschlüsse vor (vgl 2 Nc 11/15p).

2. Unter den gegebenen Umständen kann jedoch eine Rückstellung des Akts an das Bezirksgericht Steyr zur Nachholung des eigenen Unzuständigkeitsbeschlusses unterbleiben. Nach ständiger Rechtsprechung bleibt der Überweisungsbeschluss unabhängig von seiner Zustellung an die Parteien für das Adressatgericht so lange maßgebend, als er nicht in höherer Instanz rechtskräftig abgeändert wurde, sodass das Adressatgericht seine Unzuständigkeit nicht mit der Begründung aussprechen kann, das überweisende Gericht sei zuständig, wobei es grundsätzlich nicht auf die Richtigkeit des Überweisungsbeschlusses ankommt (RS0046391 [T8]; 2 Nc 11/15p mwN).

3. Es hat daher bei der Zuständigkeit des Bezirksgerichts Steyr zu bleiben. Diesem Ergebnis steht auch die Entscheidung 4 Ob 7/18v (Aktenrückstellung mangels rechtskräftiger Unzuständigkeitsbeschlüsse) nicht entgegen, die keinen vergleichbaren Fall zum Gegenstand hatte. Im Übrigen bestehen, wie eine kurze Rückfrage des Obersten Gerichtshofs bei der Bewährungshilfe ergab, Anhaltspunkte dafür, dass die letzte Adresse des Verstorbenen in Steyr im Beschluss über die bedingte Entlassung aufgrund eines Schreibfehlers bloß unrichtig wiedergegeben wurde.

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