OGH 6Ob65/21h

OGH6Ob65/21h15.11.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W* GmbH, *, vertreten durch Dr. Peter Gatternig und Mag. Karl Gatternig, LL.M., Rechtsanwälte in Wien gegen die beklagte Partei T* AG, *, vertreten durch DORDA Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 381.993,91 EUR sA und Bewirkung einer Pfandfreistellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Februar 2021, GZ 4 R 108/20m‑50, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00065.21H.1115.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die behauptete Aktenwidrigkeit und die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurden geprüft, sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[2] 2.1 Beim echten Garantievertrag übernimmt der Garant gegenüber dem Begünstigten die Haftung für den noch ungewissen Erfolg eines Unternehmens im weitesten Sinn oder für den durch ein Unternehmen entstehenden Schaden (RS0017001). Zweck dieses Vertrags ist, dass der Garant dem Begünstigten für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs einzustehen hat; dabei soll der Garant nicht etwa den von ihm garantierten Erfolg selbst herbeiführen, sondern lediglich im Fall des Nichteintritts den wirtschaftlichen Ausfall des Begünstigten decken, das heißt sein Interesse ersetzen (10 Ob 20/20v [ErwGr 2.]).

[3] 2.2 Eine dreipersonale Garantie liegt vor, wenn die Verpflichtung des Garanten gegenüber dem Begünstigten ihren Rechtsgrund in seiner Beziehung zu einem Dritten hat. Die Leistung des Garanten findet dabei ihre Rechtfertigung einerseits in seinem Deckungsverhältnis zum Dritten, andererseits in dem zwischen dem Dritten und dem Begünstigten bestehenden Valutaverhältnis. Unter einer zweipersonalen Garantie ist hingegen eine solche zu verstehen, bei der die Zuwendung des Garanten an den Begünstigten ihre causa, ihren Grund, allein in der Beziehung zwischen diesen beiden Beteiligten findet (10 Ob 20/20v [ErwGr 3.1., 4.1.]).

[4] 2.3 Da ein abstraktes Verpflichtungsgeschäft dem österreichischen Recht außerhalb des Wertpapier‑ und Anweisungsrechts grundsätzlich fremd ist (10 Ob 20/20v [ErwGr 4.3.]; vgl RS0014027 [T2]), bedürfen zweipersonale Garantien zu ihrer Gültigkeit der Anführung der causa, die sie erklärt. Wenn eine entsprechende causa besteht, kann nach österreichischem Recht über den Wortlaut des § 880a ABGB hinaus jede sonstige Erfolgshaftung, und jede Haftung für einen Schaden, mittels Garantievertrags übernommen werden. Zweipersonale Garantien dürfen daher nicht als isoliert bestehende Rechtsgeschäfte betrachtet werden, sondern sind vielmehr ihrem Zweck entsprechend als Teil einer geschlossenen Vertragskette anzusehen. Eine entgeltliche causa kann bei einer zweipersonalen Garantie darin bestehen, dass der Garantiebegünstigte durch die Garantie zu einer bestimmten Tätigkeit oder zur Beteiligung an einer Unternehmung animiert wird (10 Ob 20/20v [ErwGr 4.4., 5.1.]).

[5] 3.1 Die Abgrenzung der Garantie von anderen Vertragstypen erfolgt durch Auslegung (vgl 4 Ob 200/20w). Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt aber nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936), wobei eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO selbst dann nicht vorliegt, wenn (auch) die vom Rechtsmittelwerber angestrebte Vertragsauslegung vertretbar ist (6 Ob 52/12h; 6 Ob 105/05t). Auch die im Rahmen eines Garantievertrags abgegebenen Erklärungen des Garanten unterliegen den Auslegungsregeln der §§ 914, 915 ABGB (RS0033002), sodass deren Interpretation regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen aufwirft (RS0017670 [T15]).

[6] 3.2 Im vorliegenden Fall wollten die Streitteile das Fortbestehen eines von ihnen gesponserten, vor der Insolvenz stehenden Fußballvereins erreichen. Dazu vereinbarten sie im Oktober 2007 miteinander, dass die Klägerin auf eine Forderung gegen die Managementgesellschaft dieses Vereins verzichtet und die Beklagte künftig Sponsorgelder in bestimmter Höhe zusichert, ihr dafür aber die gesamte werbliche Nutzung des Vereins zustehen sollte. Da es der Klägerin dabei ein Anliegen war, nicht ganz leer auszugehen und zumindest ein für einen Bankkredit der Managementgesellschaft verpfändetes Wertpapierdepot nicht auch noch aufgeben zu müssen, sondern dieses wieder (pfand-)frei zu bekommen, verpflichtete sich die Beklagte gegenüber der Klägerin, die Freiwerdung dieses Wertpapierdepots durch kurzfristige Abdeckung des Kredits zu erwirken.

[7] 3.3 Das Berufungsgericht legte die Vereinbarung über die Pfandfreimachung als zweipersonale Garantie aus und begründete dies damit, dass die Beklagte nicht eine Haftung oder Bürgschaft für einen allfälligen Regressanspruch der Klägerin gegenüber der Hauptschuldnerin des Kreditvertrags übernommen, sondern für einen bestimmten Erfolg, nämlich das Unterbleiben der Pfandverwertung einzustehen gehabt habe. Dieses Auslegungsergebnis hält sich im Rahmen der erörterten Rechtsprechung, zumal die festgestellte und von der Klägerin als „tauschähnlich“ bezeichnete Vereinbarung als eine der zweipersonalen Garantie zugrundeliegende entgeltliche causa angesehen werden kann. Die außerordentliche Revision wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[8] 4.1 Liegt eine dreipersonale Garantieerklärung vor, kommt generell die Verjährungsregelung des § 1489 ABGB zur Anwendung. Denn Garantien haben regelmäßig die Funktion, einen Schaden, den der Begünstigte durch den Nichteintritt eines Erfolgs erleidet, auszugleichen, auch wenn sie nicht Schadenersatzansprüche im eigentlichen Sinn sind, weil sie losgelöst von Verursachung, Rechtswidrigkeit und Verschulden sind (4 Ob 200/20w; 5 Ob 215/08s). Diese Verjährungsregelung wurde auch im Fall einer zweipersonalen Garantie mit Schadenersatzfunktion angewendet (1 Ob 138/05h).

[9] 4.2 Die Verjährungsfrist beginnt zwar nicht vor dem tatsächlichen Eintritt der Rechtsgutsverletzung (also des „Primärschadens“) zu laufen. Mit dessen positiver Kenntnis wird sie aber nach ständiger Rechtsprechung auch schon dann in Gang gesetzt, wenn der Geschädigte die Höhe seines Schadens noch nicht beziffern kann, ihm noch nicht alle Schadensfolgen bekannt bzw diese noch nicht zur Gänze eingetreten sind. Der drohenden Verjährung muss der Geschädigte mit einer Feststellungsklage begegnen (vgl RS0087615; zur Garantie: 5 Ob 7/06z;1 Ob 138/05h). Wann in einem konkreten Fall die Verjährungsfrist zu laufen beginnt, hängt von dem Umständen des Einzelfalls ab (RS0044464 [T7]).

[10] 4.3 Nach den Feststellungen musste die Klägerin nach Stundung der an sich bereits im Februar 2009 fälligen Kreditschuld der Managementgesellschaft erstmals im Oktober 2009 und danach wiederholt bestimmte Beträge (in Summe den Klagsbetrag) an die kreditgebende Bank zahlen, um die Verwertung des verpfändeten Wertpapierdepots zu vermeiden. Am 15. 1. 2010 hatte die Bank über den Ablauf des Kredits mit 31. 12. 2009 informiert und den offenen Betrag fällig gestellt.

[11] Das Berufungsgericht war der Ansicht, es liege eine Garantie mit Schadenersatzfunktion vor. Die Beklagte als Garantin hafte allerdings gegenüber der Bank nicht für die Kreditschuld, weshalb ein Regress unter Interzedenten nicht in Betracht komme. Der Beginn der Verjährungsfrist sei spätestens mit Fälligstellung des Kredits im Jänner 2010 anzunehmen, weil damit für die Klägerin festgestanden sei, dass die Beklagte ihr Garantieversprechen nicht erfüllt habe und die Pfandverwertung drohe. Die Ansprüche der Klägerin seien daher bei Klagseinbringung im Jahr 2016 bereits verjährt gewesen. Darin ist keine aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.

[12] 5. Mangels zu beurteilender erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Stichworte