Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss aufgehoben.
In der Sache selbst wird zu Recht erkannt, dass das erstinstanzliche Urteil dahingehend abgeändert wird, dass es zu lauten hat wie folgt:
„Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin EUR 36.023,92 samt 4 % Zinsen seit 5. Dezember 1999 zu bezahlen und die Prozesskosten zu ersetzen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 5.789,64 (darin enthalten EUR 964,94 an USt) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 5.041,22 (darin enthalten EUR 848 an Barauslagen und EUR 698,87 an USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin schrieb der Bauwerberin und nunmehrigen Gemeinschuldnerin mit Bescheid vom 17. 12. 1997 die Bezahlung einer Ausgleichsabgabe in der Höhe von S 480.000 = EUR 34.882,96 gemäß § 40a Wiener Garagengesetz vor, wonach eine Abgabe zu entrichten ist, wenn die Anzahl der laut Baubewilligungsbescheid vorgesehenen Stellplätze hinter dem gesetzlich geforderten oder dem sich aus dem Stellplatzregulativ ergebenden Ausmaß zurückbleibt. Der Abgabenbescheid wurde rechtskräftig.
Mit Schreiben vom 22. 1. 1998 ersuchte die Bauwerberin um Stundung der Ausgleichsabgabe bis Ende Juli 1998, weil sich der beabsichtigte Baubeginn verzögere und deshalb die Bezahlung eine außerordentliche Härte darstellen würde.
Die Magistratsabteilung MA 6 (Rechnungsamt) forderte mit Schreiben vom 28. 1. 1998 die Vorlage einer Bankgarantie, damit dieses Anliegen positiv erledigt werden könne.
Die von der Beklagten am 25. 2. 1998 gegebene Bankgarantie lautet:
„Bankgarantie
Wir haben zur Kenntnis genommen, dass bei ... (Bauwerberin) ... für
Abgabenschuldigkeiten von S 480.000 zuzüglich Nebengebührenkaution
... wegen Bewilligung einer Zahlungserleichterung Sicherstellungen
(Pfandrechte) erworben werden sollen.
Da uns die genannte Firma mitteilt, dass auf den Erwerb von Pfandrechten verzichtet wird, wenn eine Sicherstellung durch Beibringung einer Bankgarantie geleistet werde, verpflichten wir uns, falls die Stadt Wien aus diesem Geschäftsfalle gegen ... (Bauwerberin) ... oder deren Rechtsnachfolger Forderungen erheben sollte, den uns namhaft gemachten Betrag, höchstens jedoch S 495.700 (in Worten ...) ohne Überprüfung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses binnen drei Geschäftstagen nach Zustellung der Aufforderung an die Abgabenhauptverrechnung zu bezahlen. Unsere Haftung ist bis 31. 10. 1998 befristet. Sie erlischt jedoch ohne Rücksicht auf den vorstehenden Termin endgültig erst durch die Rückstellung der Bankgarantie an uns. Wir sind jedoch berechtigt, nach Ablauf des oben kalendermäßig bezeichneten Endtermins unsere Haftung mit dreimonatiger Wirkung zu kündigen."
Nachdem die Bauwerberin die Bankgarantie vorgelegt hatte, entsprach die Magistratsabteilung MA 6 mit Bescheid vom 3. 3. 1998 dem Ansuchen und gewährte Stundung bis zum 31. 7. 1998 gegen jederzeitigen Widerruf.
Mit Schreiben vom 17. 8. 1998 beantragte die Bauwerberin eine weitere Stundung bis 31. 10. 1998 und mit Schreiben vom 22. 10. 1998 eine weitere bis 31. 10. 1999. Entsprechend verlängerte die Beklagte die Laufzeit der ausgestellten Bankgarantie bis zum 31. 10. 1999, wobei alle übrigen Bedingungen und sonstigen Modalitäten unverändert aufrecht blieben.
Mit Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 15. 4. 1999 wurde das Konkursverfahren über die Bauwerberin und ihre persönlich haftende Gesellschafterin eröffnet. Am 3. 12. 1999 rief die Klägerin (durch die Magistratsabteilung MA 5 Finanzwirtschaft und Haushaltswesen) die Bankgarantie in der Höhe von S 495.700 = EUR 36.023,92 ab. Die Beklagte erwiderte darauf, dass über das Vermögen der Bauwerberin der Konkurs eröffnet und das Unternehmen geschlossen worden sei. Es übe keine Bautätigkeiten mehr aus. Die Beklagte ersuchte um Mitteilung, ob die Klägerin weiter auf die Auszahlung des Garantiebetrages bestehe, zumal die Baubewilligung somit nicht mehr in Anspruch genommen werde.
Mit Schreiben vom 10. 1. 2000 der Magistratsabteilung MA 6 (Rechnungsamt) wurde darauf verwiesen, dass die Gemeinschuldnerin nach wie vor über die Baubewilligung für das Bauvorhaben verfüge und deshalb der Haftbrief bei der Beklagten realisiert werden müsste. Nur für den Fall des Verzichtes auf die erteilte und nicht ausgenützte Baubewilligung könnten die Haftungssummen an die Beklagte „refundiert" werden.
Mit Schreiben vom 24. 3. 2000 wies die Beklagte die Magistratsabteilung MA 6 darauf hin, dass der Masseverwalter auf die Baubewilligung hinsichtlich des Bauvorhabens verzichtet habe und ersuchte die Klägerin um die Ausfolgung des Haftbriefes im Original. Erst mit Schreiben vom 11. 6. 2003 wandte sich die Magistratsabteilung MA 5 (Finanzwirtschaft und Haushaltswesen) neuerlich an die Beklagte und erklärte, dass die Haftung aus der Bankgarantie in Anspruch genommen werde, da weder auf die Baubewilligung verzichtet (der Bau wurde nach Weiterverkauf der Liegenschaft aufgrund der der Gemeinschuldnerin erteilten Baubewilligung fertig gestellt), noch die Ausgleichsabgabe entrichtet worden sei.
Die Klägerin begehrt nun in ihrer am 11. 3. 2004 bei Gericht eingelangten Klage die Bezahlung aus der Bankgarantie. Die Beklagte beantragt Klagsabweisung mit der allein noch für das Revisionsverfahren relevanten Begründung, dass die Klagsforderung verjährt sei, da die Klägerin die garantierte Summe erstmals mit Schreiben vom 3. 12. 1999 angefordert und damit fällig gestellt habe. Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin den Klagsbetrag zu zahlen. Nach § 184 Abs 1 WAO verjähre das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden sei. Die Verjährung werde durch nach außen erkennbare Amtshandlungen, wie durch Mahnung oder Bewilligung von Zahlungserleichterungen unterbrochen. Die Verjährung sei gehemmt, solange die Einhebung einer Abgabe ausgesetzt sei. Die vorliegenden Garantieansprüche verjährten überdies erst innerhalb der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 1479 ABGB. Die Ansprüche aus dem Garantievertrag hätten nicht ausschließlich Schadenersatzfunktion.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, dass die Garantieverpflichtung der Beklagten zwar schadenersatzrechtlicher Natur sei, weil durch sie ein allfälliger Schaden der Klägerin durch eine während der Zeit der Stundung eingetretene Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung gesichert habe werden sollen, der Anspruch aber dennoch nicht verjährt sei, da auf die Verjährungsfrist des garantierten Anspruches abzustellen sei. Der garantierte Anspruch sei eine Abgabenforderung der Klägerin nach dem Wiener Garagengesetz. Nach § 184 Abs 1 WAO verjähre das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden sei. Nach § 184 Abs 2 WAO werde durch die Bewilligung einer Zahlungserleichterung die Verjährungsfrist unterbrochen und beginne nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten sei, neu zu laufen. Eine Stundung könne nur auf Antrag und mit Bescheid erfolgen. Es fehle die rechtserhebliche Feststellung, wann über den letzten Stundungsantrag der Klägerin entschieden worden sei, damit beurteilt werden könne, ob die Klagsforderung innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist geltend gemacht worden sei.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil die höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Verjährung von Garantieansprüchen uneinheitlich sei, da einerseits auf die Natur der Pflicht des Garanten und andererseits auf jene des garantierten Anspruches abgestellt werde. Da die Verjährung von Garantieansprüchen gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt sei, komme der Lösung dieser Rechtsfrage für die Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zu. Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
Die Beklagte beantragt in der Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig und er ist auch berechtigt, weil bereits eine abschließende Sachentscheidung über das gesamte Klagebegehren möglich ist.
Vorweg sei hervorgehoben, dass im Rekursverfahren gegen einen Aufhebungsbeschluss nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO das Verbot der reformatio in peius nicht gilt. Anstelle des Aufhebungsbeschlusses kann daher auch über Rekurs des Klägers ein Urteil im klagsabweisenden Sinn gefällt werden (6 Ob 130/05v; RIS-Justiz RS0043853).
Im echten Garantievertrag nach § 880a ABGB verpflichtet sich jemand, für den Eintritt eines bestimmten Erfolges einzustehen oder die Gefahr eines künftigen, noch nicht entstandenen Schadens zu übernehmen (RIS-Justiz RS0017001). Unter ausdrücklicher Auseinandersetzung mit der älteren Lehre und Rechtsprechung, die für Forderungen aus einem Garantievertrag von einer dreißigjährigen Verjährungsfrist ausgingen (vgl Klang in Klang² VI, 634; Ehrenzweig, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts² II/1, 78;
Schinnerer/Avancini, Bankverträge³ II 320 FN 191; ua), ist der
Oberste Gerichtshof den Lehrmeinungen (Koziol, Garantievertrag, 50 f,
Koziol in Avancini/Iro/Koziol II, Rz 3/119; Reidinger, Rechtsprobleme
der Garantieabrede, 65 f, Apathy in Schwimann, Praxiskommentar³, §
880a ABGB, Rz 13; ua), wonach § 1489 ABGB zur Anwendung gelangt, sodass der Anspruch gegen den Garanten in drei Jahren ab Kenntnis des Schadens und des Schädigers verjährt, in den Fällen gefolgt, in denen die Garantie Schadenersatzfunktion hat (SZ 61/232; 1 Ob 138/05h mwN; RIS-Justiz RS0017007). In der Entscheidung 5 Ob 18/01k wurde in diesem Zusammenhang ausgesprochen, dass Entschädigungsansprüche, die gemäß § 1489 ABGB in drei Jahren verjähren, nicht nur Schadenersatzansprüche wegen deliktischer Schädigung, sondern auch Ansprüche auf Ersatz, die aus der Verletzung von vertraglichen Verpflichtungen abgeleitet würden, seien. Insbesondere seien auch alle Ersatzforderungen wegen Nichterfüllung oder mangelhafter Erfüllung eines Vertrages, möge der Erfüllungsanspruch selbst auch der dreißigjährigen Verjährung unterliegen, unter § 1489 ABGB zu subsumieren.
Das Berufungsgericht hat idS zutreffend erkannt, dass im vorliegenden Fall die von der Beklagten übernommene Garantieverpflichtung jedenfalls Schadenersatzfunktion hat, da der Schaden der Klägerin gesichert werden sollte, der dadurch entstehen könnte, dass die Bauführerin die ihr bescheidmäßig auferlegte Ausgleichsabgabe nach der Stundung nicht bezahlt. Eine Auseinandersetzung mit Garantieansprüchen nicht schadenersatzrechtlicher Natur hat daher hier mangels Relevanz zu unterbleiben, wenngleich schon beachtliche Argumente zur generellen Schadenersatzfunktion echter Garantien vorgetragen wurden (P. Bydlinski zu 2 Ob 585/94 = ÖBA 1997/620). Ausgehend davon, kann aber der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes nicht gefolgt werden. Die Verjährungsfrist beginnt zwar nicht vor dem tatsächlichen Eintritt der Rechtsgutsverletzung (also des „Primärschadens") zu laufen, mit dessen positiver Kenntnis wird sie aber nach ständiger Rechtsprechung auch schon dann in Gang gesetzt, wenn der Geschädigte die Höhe seines Schadens noch nicht beziffern kann, ihm noch nicht alle Schadensfolgen bekannt bzw diese noch nicht zur Gänze eingetreten sind. Der drohenden Verjährung müsste der Geschädigte mit einer Feststellungsklage begegnen. Die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem dem Geschädigten sowohl der Schaden und die Person des Schädigers als auch die Schadensursachen bekannt geworden sind (1 Ob 138/05h mwN). Dies bedeutet, dass sowohl das Recht auf Inanspruchnahme als auch der Zahlungsanspruch ab jenem Zeitpunkt zu verjähren beginnt, zu dem die Abrufung der Garantie erstmals - ohne Rechtsmissbrauch - möglich gewesen wäre (Koziol in Avancini/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht II, Rz 3/122; P. Bydlinski zu 2 Ob 585/94 in ÖBA 1997, 384).
Die vorliegende Garantie diente - wie bereits dargestellt - der Sicherung der Bezahlung der Abgabenschuld nach Bewilligung einer Zahlungserleichterung und war zuletzt bis zum 31. 10. 1999 befristet. Die Beklagte verpflichtete sich, ohne Überprüfung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses binnen drei Geschäftstagen nach Zustellung der Aufforderung an die Abgabenhauptverrechnung zu bezahlen. Es oblag daher nach der Garantievereinbarung der Klägerin, die Bankgarantie entsprechend den bewilligten Zahlungserleichterungen zu verlangen. Die Klägerin rief auch die Bankgarantie am 3. 12. 1999 nach Konkurseröffnung ab und erachtete damit den Garantiefall als eingetreten. Trotzdem blieb die Klägerin (abgesehen von der Korrespondenz im Jänner 2000) aus unbekannten Gründen bis zum 23. 6. 2003 untätig. Da die Verjährungsfrist mit Kenntnis des Schadens und des Schädigers, im vorliegenden Fall also mit Abruf der Bankgarantie durch die Klägerin, begann, war die Klagsforderung im Zeitpunkt der Klagseinbringung am 11. 3. 2004 bereits verjährt, und zwar unabhängig davon, ob die Abgabenforderung gegenüber dem Bauführer im Sinne der WAO bereits verjährt ist (Vollstreckungsverjährung) oder nicht. Die Kostenentscheidung gründet sich im erstinstanzlichen Verfahren auf § 41 ZPO.
Die Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren basiert auf §§ 50, 41 ZPO.
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