European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E133214
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass es lautet:
„Urkunden:
1 Einantwortungsbeschluss vom 03.06.2007
2 Beschluss vom 18.06.2019
Bewilligt wird
1 in EZ * KG *
die Löschung C-LNR 7
7 auf Anteil B-LNR 8
a 6054/2002
FRUCHTGENUSSRECHT für Dr. M*
2 in EZ * KG *
die Löschung C-LNR 8
8 auf Anteil B-LNR 9
a 6054/2002
FRUCHTGENUSSRECHT für Dr. P*
3 in EZ * KG *
die Löschung C-LNR 9
9 auf Anteil B-LNR 9
a 6054/2002
BELASTUNGS- UND VERÄUSSERUNGSVERBOT für Dr. P*
Verständigt wird:
Dr. Michael Umfahrer, öffentlich Notar,
* Wien
Der Vollzug und die Verständigung obliegen dem Erstgericht.“
Begründung:
[1] Die Antragsteller sind Miteigentümer einer Liegenschaft. Sie begehren unter Vorlage des rechtskräftigen Einantwortungsbeschlusses vom 3. 6. 2007 und einer beglaubigten Kopie des ebenfalls rechtskräftigen Beschlusses des Verlassenschaftsgerichts vom 18. 6. 2019, mit dem die Überlassung von Vermögenswerten an Zahlung statt an die Söhne des Verstorbenen angeordnet wird, die Berichtigung des Grundbuchs durch Löschung des unter C‑LNR 7 und C- LNR 8 jeweils zugunsten eines der beiden Verstorbenen einverleibten Fruchtgenussrechts und die Löschung des unter C‑LNR 9 für einen der beiden Verstorbenen eingetragenen Belastungs- und Veräußerungsverbots.
[2] Das Erstgericht wies diese Begehren ab. Bei den vorgelegten Beschlüssen des Verlassenschaftsgerichts handle es sich zwar um öffentliche Urkunden; diese seien aber zum Nachweis für das Ableben der beiden Buchberechtigten nicht ausreichend.
[3] Dem dagegen erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Wenn es die wirkliche Rechtslage nicht wiedergebe, sei das Grundbuch zu berichtigen,sofern die Unrichtigkeit offenkundig oder durch öffentliche Urkunden nachgewiesen sei. Die Rechte der Fruchtgenussberechtigten sowie des aus dem Belastungs- und Veräußerungsverbot Berechtigten würden als höchstpersönliche Rechte zwar mit dem Tod des jeweiligen Berechtigten erlöschen; die Urkundenvorlage an das Grundbuchsgericht erfülle (Anm: anders als noch vom Erstgericht angenommen) auch alle formellen Voraussetzungen. Fraglich sei aber, ob die vorgelegten Urkunden, die in ihrer Qualität zweifellos öffentliche Urkunden seien, ausreichten, inhaltlich den Tod der Berechtigten nachzuweisen. Der zum Nachweis einer bestimmten Tatsache vorgelegten Urkunde komme nur dann ausreichende Beweiskraft zu, wenn sich diese aus ihr explizit ergebe. Der Nachweis des Todes einer natürlichen Person erfolge durch die öffentliche Urkunde über Todesfälle (Sterbeurkunde) gemäß § 57 PStG, nicht aber durch dievorgelegten Beschlüssen aus den jeweiligen Verlassenschaftsverfahren, weil aus ihnen das Ableben der Buchberechtigten lediglich indirekt erschlossen werden könne. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob Urkunden (Beschlüssen) aus Verlassenschaftsverfahren ausreichende Beweiskraft zum Nachweis der Unrichtigkeit iSd § 136 Abs 1 GBG zukomme.
Rechtliche Beurteilung
[4] Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist zur Klarstellung zulässig; er ist auch berechtigt.
[5] 1.1 Das Fruchtgenussrecht und das Veräußerungs- und Belastungsverbot sind nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs höchstpersönliche Rechte, die mit dem Tod des Berechtigten ex lege erlöschen (zum Fruchtgenussrecht: RIS‑Justiz RS0011619; RS0014673; zum Veräußerungs- und Belastungsverbot: RS0010805 [T2; T3]; RS0010810 [T1]). Das Ableben des Buchberechtigten hat daher in diesen Fällen zur Folge, dass die außerbücherliche Rechtslage nicht mehr dem Grundbuchstand entspricht.
[6] 1.2 Liegt – wie hier – ein Fall der nachträglichen außerbücherlichen Rechtsänderung vor, erfolgt die Angleichung des Grundbuchs an die wahre Rechtslage nach den Regeln über die Grundbuchsberichtigung gemäß § 136 Abs 1 GBG. Eine danach erwirkte Eintragung hat, weil lediglich die tatsächliche Rechtslage nachvollzogen wird, bloß deklarative Bedeutung und erfordert den Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchstands. Dieser Nachweis tritt an die Stelle der sonst (§§ 31 ff GBG) geforderten urkundlichen Unterlagen und ist dann erbracht, wenn die Unrichtigkeit offenkundig oder durch öffentliche Urkunden nachgewiesen ist (RS0061010).
[7] 1.3 Die für eine Berichtigung nach § 136 GBG erforderliche (öffentliche) Urkunde muss nicht den Erfordernissen zur Einverleibung (§ 33 GBG) entsprechen und auch nicht im Original vorgelegt werden. Die Bestimmung des § 87 GBG gilt für eine Berichtigung nach § 136 GBG nicht (RS0061070 [T1]; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 136 GBG Rz 19).
[8] 1.4 Der im Grundbuchsgesetz verwendete Begriff der öffentlichen Urkunde deckt sich grundsätzlich mit dem Urkundenbegriff der §§ 292, 293 ZPO (Bittner in Fasching/Konecny 3 III/1 § 292 ZPO Rz 14). Danach begründen öffentliche Urkunden „vollen Beweis dessen, was darin von der Behörde amtlich verfügt oder erklärt, oder von der Behörde oder der Urkundsperson bezeugt wird“ (§ 292 Abs 1 Satz 1 ZPO). Die formelle Beweiskraft einer solchen Urkunde erfasst daher jede Tatsache oder jeden Vorgang, der darin (öffentlich) beurkundet wurde (Bittner aaO Rz 32). Sie bezeugt, dass der Aussteller der Urkunde die darin beurkundete Erklärung tatsächlich abgegeben hat (Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 292 ZPO Rz 1).
[9] 2.1 Die Antragsteller haben zum Nachweis, dass der Grundbuchstand die tatsächliche Rechtslage nicht (mehr) richtig wiedergibt, den im Verlassenschaftsverfahren nach dem Fruchtgenuss- und Verbotsberechtigten ergangenen (rechtskräftigen) Beschluss des Verlassenschaftsgerichts, mit dem die Überlassung von Vermögenswerten an Zahlung statt angeordnet wurde, sowie den im Verlassenschaftsverfahren nach der weiteren Fruchtgenussberechtigten ergangenen (rechtskräftigen) Einantwortungsbeschluss vorgelegt. Zutreffend hat dazu bereits das Rekursgericht festgehalten, dass es sich dabei um öffentliche Urkunden im dargestellten Sinn handelt, deren Vorlage in formeller Hinsicht den Erfordernissen für eine Grundbuchsberichtigung nach § 136 Abs 1 GBG entspricht.
[10] 2.2 Liegt eine geringfügige Verlassenschaft vor, hat das Gericht nach § 155 AußStrG vorzugehen. Danach sind einzelne Vermögensgegenstände ohne weiteres Verfahren den Gläubigern der Verlassenschaft, die dies beantragt haben, an Zahlung statt zu überlassen. Nach dem dritten Absatz dieser Bestimmung muss ein solcher Beschluss neben den Gegenständen, die überlassen werden, auch Vornamen, Familiennamen und Anschrift der Personen, denen überlassen wird (Z 2), und welche Forderungen dadurch berichtigt werden sollen (Z 3) nennen. Nach § 798 Satz 1 ABGB idF ErbRÄG 2015 bildet ein solcher Beschluss einen Erwerbstitel (näheres siehe bei Sailer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 155).
[11] 2.3 Der rechtskräftige Beschluss über die Einantwortung beendet die Verlassenschaftsabhandlung und bewirkt die Universalsukzession nach dem Erblasser (Bittner/Gruber in Rechberger/Klicka, AußStrG³ § 177 Rz 5). Er hat nach § 178 AußStrG zwingend die Bezeichnung der Verlassenschaft durch Vor- und Familiennamen des Verstorbenen, den Tag seiner Geburt und seines Todes und seinen letzten Wohnsitz zu enthalten.
[12] 2.4 Als öffentliche Urkunden bewirken sowohl der Beschluss nach § 155 AußStrG, mit dem Vermögensgegenstände des Verstorbenen an Zahlung statt überlassen werden, als auch die Einantwortung „vollen Beweis“ über die darin beurkundeten Gerichtsentscheidungen, die als Folge des Ablebens einer natürlichen Person getroffen wurden. Sie setzen das Ableben einer natürlichen Person zwar voraus, bezeugen diesen Umstand aber nicht selbst. Da sich der für eine Berichtigung des Grundbuchs erforderliche Nachweis des Todes der Buchberechtigten aus diesen Urkunden nur mittelbar ergibt, sind sie keine öffentlichen Urkunden über den Tod der Buchberechtigten. Anders als bei Urkunden über Todesfälle (Sterbeurkunden) nach § 57 Personenstandsgesetz (PStG) liegt damit keine Beurkundung über den Todesfall selbst vor, sodass dem Rekursgericht darin zuzustimmen ist, dass durch die von den Antragstellern vorgelegten Gerichtsbeschlüsse die durch das Ableben der Buchberechtigten eingetretene nachträgliche Rechtsänderung nicht durch öffentliche Urkunden im Sinn des § 136 Abs 1 GBG nachgewiesen ist.
[13] 3.1 Neben der durch eine öffentliche Urkunde nachgewiesenen Unrichtigkeit ermöglicht § 136 Abs 1 GBG die Berichtigung des Grundbuchs auch dann, wenn die nachträglich eingetretene Unrichtigkeit offenkundig ist. Als offenkundig gilt im Grundbuchsverfahren, was aus dem Gesetz selbst oder aus dem Nachweis bestimmter Tatsachen in Verbindung mit dem Gesetz folgt (RS0040040). Der Nachweis der Unrichtigkeit im Sinn des § 136 Abs 1 GBG ist daher auch dann erbracht, wenn sich der von der wahren Rechtslage abweichende Grundbuchstand aus den dargelegten Tatsachen in Verbindung mit dem Gesetz ergibt (Kodek in Kodek aaO § 136 GBG Rz 15 mwN).
[14] 3.2 Nach § 29 Abs 1 PStG ist der Tod als Personenstandsfall von der zuständigen Personenstandsbehörde in das Zentrale Personenstandsregister einzutragen. Der Eintragung gehen nach § 36 Abs 2 PStG amtswegige Ermittlungen voraus. Sie ist Grundlage für die Sterbeurkunde, die wie alle anderen Personenstandsurkunden ein Auszug aus diesem Register ist (§ 53 Abs 1 iVm § 57 Abs 1 PStG). Die Sterbeurkunde ist eine öffentliche Urkunde im Sinn von § 292 Abs 1 ZPO (2 Ob 62/19k).
[15] 3.3 Die Daten zum Tod einer Person sind jenen ordentlichen Gerichten zu übermitteln, die aufgrund von Gesetzen mit Verlassenschaftsangelegenheiten befasst sind (§ 49 PStG). Ergänzend dazu verpflichtet § 17 Abs 3 Personenstandsverordnung die Personenstandsbehörde, die das Sterbebuch führt, den Todesfall unter anderem dem Verlassenschaftsgericht mitzuteilen (Z 5 leg cit).
[16] 3.4 Das Verlassenschaftsverfahren ist nach § 143 Abs 1 AußStrG von Amts wegen einzuleiten, sobald ein Todesfall durch eine öffentliche Urkunde oder sonst auf unzweifelhafte Weise bekannt wird. Öffentliche Urkunde in diesem Sinn ist in erster Linie die von der Personenstandsbehörde ausgestellte Sterbeurkunde oder sonst eine amtliche Mitteilung über den Todesfall. Ihre Übermittlung an das zuständige Bezirksgericht leitet das Verlassenschaftsverfahren ein. Auf unzweifelhafte Weise wird ein Todesfall etwa durch die schriftliche Mitteilung einer Krankenanstalt oder der Polizei bekannt. In Ausnahmefällen sind solche Mitteilungen Grundlage für die Einleitung des Verlassenschaftsverfahrens, noch bevor die entsprechenden öffentlichen Urkunden hergestellt sind (Grün in Rechberger/Klicka AußStrG³ § 143 Rz 2).
[17] 4. Die Einleitung eines jeden Verlassenschaftsverfahrens setzt daher eine amtliche Mitteilung über den Tod einer Person, im Regelfall durch die Übermittlung der Sterbeurkunde, voraus oder erfordert jedenfalls, dass dieser unzweifelhaft feststehen muss. Mit den in den jeweiligen Verlassenschaftsverfahren ergangenen Beschlüssen gemäß § 155 AußStrG bzw §§ 177 f AußStrG haben die Antragsteller in tatsächlicher Hinsicht jedenfalls den Umstand nachgewiesen, dass ein solches Verfahren vor dem Abhandlungsgericht abgehalten wurde, was nach den einschlägigen Gesetzesvorschriften zwingend das Ableben der Buchberechtigten zur Voraussetzung hat. In Verbindung mit dem Gesetz machen die vorgelegten öffentlichen Urkunden die nachträglich eingetretene Unrichtigkeit des Grundbuchs offenkundig im Sinn des § 136 Abs 1 GBG. Da das Grundbuch wegen des Ablebens der Berechtigten die wirkliche Rechtslage nicht richtig wiedergibt, ist es durch Löschung der eingetragenen Fruchtgenussrechte bzw des Veräußerungs- und Belastungsverbots zu berichtigen.
[18] 5. Der Revisionsrekurs der Antragsteller erweist sich damit als berechtigt.
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