OGH 6Ob57/21g

OGH6Ob57/21g6.8.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. L***** H*****, Rechtsanwältin, *****, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 60.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 8. Februar 2021, GZ 12 R 76/21i‑29, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00057.21G.0806.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen wiesen das auf eine (angebliche) rechtswidrige Einmeldung der Klägerin in die „Warnliste der österreichischen Kreditinstitute“ vom 11. 1. 2018 gestützte Begehren auf Schadenersatz und Feststellung der Haftung der Beklagten für allfällige zukünftige Schäden ab.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die Klägerin zeigt in ihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

[3] 1. Die §§ 6 ff und 18 ff DSG 2000 sind mit Ablauf des 24. 5. 2018 außer Kraft getreten (§ 70 Abs 9 DSG). Damit wurde auch das Meldewesen im (ehemaligen) Datenverarbeitungsregister abgeschafft (§ 69 Abs 2 und 3 DSG; Pollirer/Weiss/Knyrim/Haidinger , DSG 4 § 69 Anm 1). Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung (auch) zum Zwecke der Bonitätsbeurteilung richtet sich seitdem nach dem DSG und der DSGVO (vgl jüngst 6 Ob 87/21v).

[4] Selbst unter Berücksichtigung, dass es sich bei der Beklagten um eine inländische Großbank handelt, wirft die Auslegung des Bescheids der Datenschutzkommission vom 23. 11. 2001, GZ K095.014/021-DSK/2001 (in der Folge: Bescheid), mit dem die vom Kreditschutzverband‑KSV 1870 geführte Datenanwendung der österreichischen Kreditinstitute „Warnliste der österreichischen Kreditinstitute zum Zweck des Gläubigerschutzes und der Risikominimierung durch Hinweis auf vertragswidriges Kundenverhalten“ unter Auflagen (§ 18 Abs 2, § 21 Abs 2 DSG 2000) genehmigt wurde, und die Beurteilung, ob die Vorgangsweise der Beklagten bei der Einmeldung der Klägerin in diese „Warnliste“ diesem Bescheid und § 6 DSG 2000 entsprach, in Anbetracht der geringen Wahrscheinlichkeit, dass dies noch vereinzelt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von vor dem 25. 5. 2018 erfolgten Vorgängen relevant sein könnte (vgl VwGH Ra 2019/04/0054; 6 Ob 217/19h), keine erhebliche Rechtsfrage auf (vgl RS0114669 [T4]; RS0114721 [T1]; vgl auch VwGH Ra 2017/04/0134 [zum DSG 2000]).

[5] Vom Obersten Gerichtshof wäre daher nur eine unvertretbare Rechtsansicht des Berufungsgerichts aufzugreifen (vgl 2 Ob 188/18p). Eine solche liegt aber nicht vor:

[6] 2.1 Nach ständiger Rechtsprechung ist der Spruch eines Bescheids nach seinem äußeren Erscheinungsbild, also objektiv nach seinem Wortlaut auszulegen (RS0008822). Bestehen Zweifel über den Inhalt des Spruchs, so ist zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen (6 Ob 124/16b; RS0049680).

[7] 2.2 Nach Spruchpunkt 1. des Bescheids dürfen in die Warnliste Kunden des Auftraggebers nur eingetragen werden, wenn (a) der Kunde sein Konto durch vertragswidrige Verwendung unerlaubt überzogen hat oder (b) eine mit dem Kunden bestehende Konto‑ bzw Kreditverbindung aufgekündigt bzw fällig gestellt oder in die Rechtsverfolgung übergeben wurde und (in beiden Fällen) die Forderung innerhalb der im Fälligstellungsschreiben (Kontoaufkündigungsschreiben) gesetzten Zahlungsfrist nicht vollständig bezahlt wurde, wobei der aushaftende Betrag 1.000 EUR übersteigt.

[8] Die Klägerin hatte ein Konto bei der Beklagten vertragswidrig überzogen. Nachdem zwei Mahnschreiben erfolglos geblieben waren, forderte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 15. 11. 2017 letztmalig unter Fristsetzung bis 29. 11. 2017 auf, den überzogenen Betrag von 2.409,77 EUR auf das Konto einzuzahlen. Gleichzeitig teilte sie der Klägerin in diesem Schreiben mit, dass diese in die „Warnliste“ eingetragen werde, falls innerhalb der in diesem Schreiben gesetzten Zahlungsfrist weder eine vollständige Zahlung noch eine Stundungsvereinbarung erfolge, und erteilte Informationen über diese Warnliste.

[9] Die Beurteilung des Berufungsgerichts, nach dem Bescheidinhalt habe es einer Aufkündigung oder Fälligstellung der gesamten Kontoverbindung durch die Beklagte vor Eintragung in die „Warnliste“ nicht bedurft, beim Schreiben vom 15. 11. 2017 habe es sich im Übrigen ohnehin um ein Fälligstellungsschreiben im Sinne des Bescheids gehandelt, findet Deckung im Wortlaut des Bescheids und ist daher nicht korrekturbedürftig. Aufgrund dessen geht auch das Argument der Revision ins Leere, die Androhung sei nicht – wie im Bescheid gefordert – im Fälligstellungsschreiben erfolgt.

[10] 2.3 Der Oberste Gerichtshof hat sich im Zusammenhang mit der Eintragung von die Kreditwürdigkeit einer Person betreffenden Daten in die auch hier gegenständliche „Warnliste“ der in der Bescheidbegründung vertretenen Ansicht der Datenschutzkommission angeschlossen und ausgesprochen, dass der in § 6 Abs 1 Z 1 DSG 2000 verankerte Grundsatz, wonach Daten nur nach Treu und Glauben verwendet werden dürfen, eine entsprechende Benachrichtigung des Betroffenen erfordert, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich gegen eine seiner Meinung nach nicht gerechtfertigte, seine Kreditwürdigkeit aber massiv beeinträchtigende Datenverwendung zur Wehr zu setzen (6 Ob 217/19h; 6 Ob 275/05t). Die Zustellung eines diesbezüglichen Informationsschreibens mit Zustellnachweis wurde in den zitierten Entscheidungen jedoch nicht verlangt.

[11] Nach Spruchpunkt 2. des Bescheids ist dem Kunden durch ausdrücklichen Hinweis im Fälligstellungsschreiben mitzuteilen, dass er in die „Warnliste“ eingetragen wird, falls innerhalb der in diesem Schreiben gesetzten Zahlungsfrist keine vollständige Zahlung erfolgt oder keine andere Vereinbarung erfolgt. In der Bescheidbegründung wird dazu lediglich ausgeführt, dass der Betroffene über die beabsichtigte Aufnahme in die „Warnliste“ besonders informiert werden müsse.

[12] In der Ansicht des Berufungsgerichts, eine Verpflichtung der Beklagten, die im Bescheid vorgeschriebenen Mitteilungen eingeschrieben zu verschicken, habe nicht bestanden, ist keine aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken. Fragen der Beweislast sind diesbezüglich im vorliegenden Fall nicht zu klären, (nach den Feststellungen wurde das Mahnschreiben entweder in das Postfach jener Wohnung eingelegt, welche der Beklagten als Wohnanschrift bekanntgegeben worden war oder in das Postfach der von der Klägerin nunmehr tatsächlich bewohnten, sich im selben Haus befindlichen Wohnung), sodass aus dem Hinweis der Revisionswerberin auf die Regelungen des ZaDiG nichts zu gewinnen ist.

[13] 2.4 Nach Spruchpunkt 1. des Bescheids ist der Kunde zwar vor Zusendung eines Fälligstellungsschreibens in gebührender Weise zu mahnen. Weder in dessen Spruchpunkt 2. noch in der oben erörterten Rechtsprechung (siehe Punkt 2.3) wurde aber eine zweite Androhung der Eintragung in die „Warnliste“ verlangt. Auch nach der Rechtsauffassung der Datenschutzkommission zur Datenweitergabe an Kreditauskunfteien entsprach es § 6 Abs 1 Z 1 DSG 2000, wenn die Information darüber bereits im ersten Mahnschreiben an den Betroffenen erfolgte (K211.773/0009-DSK/2007).

[14] Mit seiner Auffassung, neben jener im Schreiben der Beklagten vom 15. 11. 2017 sei eine weitere Androhung der Eintragung in die „Warnliste“ nicht erforderlich gewesen, hält sich das Berufungsgericht im Rahmen der erörterten Entscheidungen und des Wortlauts des Bescheids.

[15] 2.5 Nach Spruchpunkt 1. des Bescheids darf eine Eintragung in die Warnliste nicht erfolgen, wenn mit dem Kunden vor Ablauf der im Fälligstellungsschreiben bezeichneten Zahlungsfrist eine Vereinbarung über die Schuld-Tilgung getroffen wird. In der Entscheidung 6 Ob 217/19h hat der Oberste Gerichtshof darauf hingewiesen, dass sich nach Ansicht der Datenschutzkommission zum DSG 2000 (K211.773/0009‑DSK/2007) die Unzulässigkeit der Übermittlung der Daten (zusätzlich) auch aus deren mangelnder Aussagekraft ergeben könne, was Rückwirkungen auf die Beurteilung des Vorliegens eines berechtigten Interesses an der Datenübermittlung haben könne. Demnach müsse geprüft werden, ob Daten, die auf den ersten Blick bonitätsrelevant schienen, in Wahrheit keine oder nur sehr beschränkte/unzuverlässige Aussagekraft über die Bonität des Betroffenen zukomme, weil daraus keine nennenswerten Zahlungsschwierigkeiten offenbar würden. Das sei anzunehmen, wenn eine eingemahnte Forderung sogleich beglichen oder eine Zahlung in Raten eingehalten werde, die einer sofortigen Zahlung nahe komme, etwa bei einer Zahlung in lediglich zwei Monatsraten. In einem solchen Fall könne kein überwiegendes berechtigtes Interesse für die Datenweitergabe an eine Kreditauskunftei angenommen werden (K211.773/0009‑DSK/2007).

[16] Im vorliegenden Fall waren die Mahnungen der Beklagten seit mehreren Monaten erfolglos geblieben, die Klägerin deckte das Konto erst am 15. 2. 2018 ab, ohne dass zuvor eine Vereinbarung über die Schuld‑Tilgung getroffen worden war. Auch das zweite Konto der Klägerin bei der Beklagten war überzogen. Dessen Abdeckung nahm letztlich – auch wegen offener Kreditkartenforderungen – noch einige Zeit in Anspruch. Das Berufungsgericht war im Ergebnis der Ansicht, ein überwiegendes berechtigtes Interesse der Beklagten an der Datenweitergabe für die Eintragung in die „Warnliste“ sei gegeben gewesen. Darin liegt auch im Hinblick auf die in den erörterten Entscheidungen herangezogenen Kriterien jedenfalls keine grobe Fehlbeurteilung.

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