OGH 4Ob81/21x

OGH4Ob81/21x22.6.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Matzka sowie die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers R***** L*****, vertreten durch Dr. Christoph Völk, M. Jur. (Oxford), Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beklagten J***** S*****, vertreten durch Dr. Maria Windhager, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 40.000 EUR), Urteilsveröffentlichung (Streitwert 3.200 EUR) und 300 EUR sA, über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Februar 2021, GZ 2 R 102/20i‑21, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00081.21X.0622.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger begehrt, gestützt auf das UrhG, dem Beklagten die Unterlassung der Vervielfältigung und/oder Zurverfügungstellung von Lichtbildern, deren Urheber er selbst sei, insbesondere wenn er nicht als Urheber genannt werde und ein bestimmtes (Politiker zeigende) Lichtbildwerk betroffen sei, aufzutragen. Weiters begehrt er Urteilsveröffentlichung und Schadenersatz in Höhe von 300 EUR. Der Kläger sei der alleinige Urheber des bei einem Mediengespräch aufgenommenen Lichtbildwerks. Der Beklagte habe dieses auf einer Website, deren Medieninhaber er sei, veröffentlicht, und zwar ohne Nennung und Zustimmung des Klägers. Selbst wenn der Beklagte nicht Medieninhaber sein sollte, habe er den Eingriff adäquat veranlasst, indem er ihn selbst vorgenommen habe. Der Beklagte scheine als Autor in den Metadaten der Lichtbildveröffentlichung auf; er hafte daher zumindest als Mittäter.

[2] Der Beklagte bestritt die Aktivlegitimation des Klägers, der angestellter Redakteur einer Parteizeitung sei. Er bestritt auch seine Passivlegitimation, da er nicht Medieninhaber oder Verfügungsberechtigter der beanstandeten Website sei.

[3] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Sie konnten nicht feststellen, ob der Beklagte an der Veröffentlichung dieses Lichtbilds auf der genannten Website mitgewirkt hatte. Feststellungen im Sinne der Entscheidung 4 Ob 89/20x zu Größe und Zusammensetzung der Facebook- Gruppen, in denen der Beklagte das Lichtbild postete, hielt das Berufungsgericht für nicht erforderlich, weil der Kläger sein Begehren darauf nicht gestützt habe.

Rechtliche Beurteilung

[4] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers. Er argumentiert zusammengefasst, der Beklagte habe die Verbreitung des Lichtbilds auf Facebook selbst in den Prozess eingeführt. Das Klagebegehren sei daher zumindest „konkludent“ bzw „schlüssig“ auch auf diesen Vorgang gestützt, zumal ansonsten das Vorbringen zur Mittäterschaft des Beklagten unsinnig wäre. Es sei eine „unbillige Erschwernis“, vom Kläger zu verlangen, jede einzelne Verletzungshandlung zu benennen. Zudem habe er auch einen Beweisantrag auf Einvernahme des Beklagten zum Beweis dafür gestellt, dass eine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung auch durch die Veröffentlichung in den geschlossenen Facebook-Gruppen vorgenommen worden sei.

[5] Damit zeigt der Kläger jedoch keine erhebliche Rechtsfrage auf. Seine Revision ist daher unzulässig und somit zurückzuweisen.

[6] 1.1. Ein beachtlicher sekundärer Feststellungsmangel liegt nur dann vor, wenn bereits in erster Instanz entsprechendes Tatsachenvorbringen erstattet wurde (RIS‑Justiz RS0043157 [T4]). Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist jedoch eine Frage des Einzelfalls und könnte nur bei einem unvertretbaren Auslegungsergebnis zur Zulässigkeit der Revision führen (RS0042828 [T1, T4]). Dasselbe gilt für die Beurteilung, ob eine konkludente Willensäußerung vorliegt und welchen Inhalt diese gegebenenfalls hat (RS0043253 [T1, T14]; RS0042936 [T36, T47]).

[7] 1.2. Eine derart gravierende Fehlbeurteilung wird vom Kläger nicht aufgezeigt. Abgesehen davon, dass ein Beweisantrag schlüssiges Vorbringen ebensowenig ersetzen kann wie das Vorliegen von Beweisergebnissen (vgl RS0043157 [T6]), gibt der Kläger seinen Antrag auch unrichtig wieder. Aus dem von ihm zitierten Protokoll der Tagsatzung vom 23. 1. 2020 ergibt sich das behauptete Beweisthema nicht. Dort beantragte der Kläger die Einvernahme des Beklagten zwar zur Frage, in welchen Facebook‑Gruppen er das Lichtbild veröffentlicht habe, dies jedoch nur im Zusammenhang mit der Verantwortung des Beklagten, aufgrund dieser Veröffentlichung kämen auch andere Personen als Täter für die Veröffentlichung auf der Website in Frage.

[8] 1.3. Mittäterschaft liegt vor, wenn mehrere Personen bei einer Immaterialgüterrechtsverletzung bewusst zusammenwirken (4 Ob 3/15t [2.2]). Dies ist hier jedoch nicht erwiesen.

[9] 2.1. Es liegt auch keine „unbillige Erschwernis“ darin, vom Kläger zu verlangen, die seiner Klage zugrunde liegende(n) Verletzungshandlung(en) bestimmt zu bezeichnen. Eine Verletzung von Urheberrechten ist gekennzeichnet durch die Verletzungshandlung, den verletzten Schutzgegenstand und die in ihren Rechten verletzte Person (4 Ob 175/20v [Rn 10]; 4 Ob 88/10k [3.1.]). Ein urheberrechtlicher Anspruch ist demnach materiell-rechtlich durch Sachvorbringen zu Verletzungshandlung, Schutzgegenstand und Begehren individualisiert (4 Ob 79/13s [6.]).

[10] 2.2. Nach herrschender Rechtsprechung (vgl RS0039179), die vom Revisionswerber auch nicht in Zweifel gezogen wird, bestimmt sich der Streitgegenstand bei immaterialgüter- und wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen nach dem Urteilsantrag und der diesem zugrunde liegenden konkreten Verletzungshandlung. Da die Verletzungshandlung den Klagegrund und damit den Streitgegenstand abgrenzt (vgl RS0037522; RS0039255), läge ein Verstoß gegen § 405 ZPO vor, gäbe das Gericht der Klage aufgrund einer anderen, nicht vom Vorbringen gedeckten Verletzungshandlung statt. Von einer Überspannung des im Hinblick auf die notwendige Abgrenzung des Streitgegenstands geltenden Gebots zur Präzisierung des Vorbringens kann bei zwei in Betracht kommenden unterschiedlichen Verletzungshandlungen keine Rede sein (vgl auch RS0037907).

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