OGH 9Ob16/21z

OGH9Ob16/21z27.5.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei M***** R*****, vertreten durch Mag. Jörg Zarbl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Marschall & Heinz Rechtsanwalts‑Kommanditpartnerschaft in Wien, wegen 8.400 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. September 2020, GZ 1 R 198/20v‑16, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 1. Juli 2020, GZ 7 C 292/20x‑11, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0090OB00016.21Z.0527.000

 

Spruch:

 

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Das Berufungsurteil wird dahin abgeändert, dass das klagsstattgebende Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.215,48 EUR (darin 202,58 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.264,88 EUR (darin 1.431 EUR Barauslagen, 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin begehrt die Rückzahlung des von ihr geleisteten Nominales für die von der Beklagten treuhändig gehaltenen Anteile an der S***** GmbH & Co KG zuzüglich 5 % Agio und Zinsen. Soweit revisionsgegenständlich, brachte sie vor, sie habe keine Anlegerbestätigung iSd § 14 Z 3 KMG erhalten und habe gemäß § 5 Abs 2 KMG ihren Rücktritt erklärt. Ein Beteiligungszertifikat oder eine Zahlungseingangsbestätigung ersetze diese Anlegerbestätigung nicht.

[2] Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte zu diesem Punkt ein, der Klägerin sei – wie sämtlichen Anlegern – auch der Erwerb der Veranlagung bei Vertragsabschluss bestätigt worden. Die wesentlichen Merkmale seien im Beteiligungszertifikat sowie in der Zahlungseingangsbestätigung enthalten. Es widerspräche Treu und Glauben, nahezu zehn Jahre nach deren Erhalt einen Rücktritt geltend zu machen.

[3] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, dass die Klägerin das Beteiligungszertifikat Beilage ./A erhalten hatte. Aus diesem geht der Name der Klägerin, die Einlagenhöhe, der Zeitpunkt des Beteiligungsbeginns und der Name der Gesellschaft der Beteiligung hervor. Es konnte „nicht festgestellt werden, dass der Klägerin eine Bestätigung des Erwerbs iSd § 14 Z 3 KMG übermittelt wurde“. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich, dass der Klägerin eine schriftliche Form der Bestätigung der Anlage in Immobilien nicht zugekommen sei. Die Rücktrittserklärung der Klägerin sei daher rechtzeitig und zu Recht erfolgt.

[4] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Ausübung des Rücktrittsrechts sei vom Verbraucheranleger zu tragen. Aufgrund der Negativfeststellung zur Aushändigung der Bestätigung über das Rechtsverhältnis durch die Beklagte, die denklogisch auch eine Negativfeststellung zur Nichtaushändigung der Betätigung beinhalte, sei der Klägerin der entsprechende Nachweis nicht gelungen. Die ordentliche Revision wurde zur Frage der Beweislastverteilung im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 14 KMG zugelassen.

[5] In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Klägerin die klagsstattgebende Wiederherstellung des Ersturteils; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[6] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die Revision ist zulässig und berechtigt.

[8] Wie bereits in einer Reihe von dieselbe Veranlagung und dieselbe Beklagte betreffenden Entscheidungen geklärt wurde, liegt hier eine Veranlagungsgemeinschaft in Immobilien iSd § 14 KMG (aF) vor (s die Nw in 6 Ob 20/21s; jüngst 9 Ob 21/21k).

[9] § 14 Z 3 KMG aF (nunmehr § 9 Z 3 KMG 2019) sah vor, dass dem Anleger der Erwerb der Veranlagung bei Vertragsabschluss in schriftlicher Form zu bestätigen ist; die Bestätigung hat die wesentlichen Merkmale der Veranlagung, insbesondere deren Gegenwert und die Rechtsstellung des Anlegers sowie das Publikationsorgan und das Datum der Veröffentlichung des Prospekts sowie allfälliger sonstiger Angaben nach diesem Bundesgesetz zu enthalten; die Bestätigung ist vom Emittenten auszustellen; ist der Emittent Ausländer, ist sie vom Anbieter auszustellen; sind Emittent und Anbieter Ausländer, ist sie vom Vermittler auszustellen.

[10] Gemäß § 5 Abs 2 KMG aF (nunmehr § 21 Abs 2 KMG 2019) können Anleger, die Verbraucher iSd § 1 Abs 1 Z 2 KSchG sind, vom Vertrag zurücktreten, wenn ihnen der Erwerb einer Veranlagung in Immobilien nicht gemäß § 14 Z 3 KMG bestätigt wurde.

[11] Nach der Rechtsprechung besteht das Rücktrittsrecht nach § 5 Abs 2 KMG aF nicht nur dann, wenn die Bestätigung gemäß § 14 Z 3 KMG aF nicht ausgehändigt wurde, sondern auch dann, wenn die ausgehändigte Bestätigung wesentlich fehlerhaft ist (RS0133359). Diesbezüglich wurde bereits zu 6 Ob 220/20a klargestellt, dass auch eine in wesentlichen Punkten fehlerhafte Prospektveröffentlichung – und nicht nur die Nichtveröffentlichung eines Prospekts – ein Rücktrittsrecht des Anlegers erzeugt, wobei für die (bloß) wesentlich fehlerhafte Bestätigung nach § 14 Z 3 KMG aF nichts anderes gilt (jüngst ebenso 3 Ob 11/21w Rz 21).

[12] Im vorliegenden Fall wurde vom Erstgericht festgestellt, dass die Klägerin das Beteiligungszertifikat Beilage ./A erhielt. Die Streitparteien gingen einvernehmlich davon aus, dass der Klägerin außer dem Beteiligungszertifikat keine in diesem Zusammenhang relevante Urkunde übermittelt wurde. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, dass eine weitere Bestätigung über die Veranlagung existiert, sondern hat sich darauf berufen, dass die wesentlichen von § 14 Z 3 KMG aF geforderten Merkmale im Beteiligungszertifikat Beilage ./A und in einer (von ihr nicht vorgelegten) Zahlungsbestätigung enthalten seien. Aus dem Gesamtzusammenhang kann die zitierte Negativfeststellung daher nur so verstanden werden, dass der Klägerin zwar das Beteiligungszertifikat Beilage ./A, ansonsten aber keine weitere allenfalls § 14 Z 3 KMG aF entsprechende Urkunde übermittelt wurde. Eine andere Bedeutung kommt der in diesem Zusammenhang getroffenen Negativfeststellung hier nicht zu. Sie wäre nach dem Vorbringen der Beklagten auch unbeachtlich (s 17 Ob 19/11h A.2; 7 Ob 111/20d Pkt 9.).

[13] Im Hinblick auf den Inhalt der von der Beklagten zitierten Urkunden, Zahlungseingangsbestätigung samt Beteiligungszertifikat, wurde bereits ausgesprochen, dass es nicht den vom Gesetz geforderten Angaben entspricht, wenn sie nur den Namen und den Gegenwert der Veranlagung, jedoch keine Information über die Rechtsstellung des Anlegers sowie über das Publikationsorgan und das Datum der Prospektveröffentlichung enthalten (9 Ob 58/20z). Da einem Anleger damit wesentliche Informationen nach § 14 Z 3 KMG aF vorenthalten werden, ist diesfalls im Sinn der Rechtsprechung vom Fehlen einer entsprechenden Bestätigung gemäß § 14 Z 3 KMG aF auszugehen. Das gilt auch im vorliegenden Fall hinsichtlich des Beteiligungszertifikats Beilage ./A.

[14] Da danach auch hier die Voraussetzungen für das Rücktrittsrecht nach § 5 Abs 2 KMG (aF) erfüllt waren, war die Klägerin im Zeitpunkt ihrer Rücktrittserklärung weiterhin zum Rücktritt von ihrem Vertragsverhältnis mit der Beklagten berechtigt. Ihrer Revision ist daher Folge zu geben und das klagsstattgebende Ersturteil wiederherzustellen.

[15] Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte