OGH 8Ob47/21a

OGH8Ob47/21a29.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Tarmann‑Prentner, Mag. Korn, Dr. Stefula und Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj H*****, geboren am ***** 2014, vertreten durch die Mutter T*****, diese vertreten durch Mag. Dr. Christian Strasser, Rechtsanwalt in St. Valentin, wegen Einräumung eines Kontaktrechts, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 3. März 2021, GZ 23 R 93/21f‑109, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00047.21A.0429.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

 

Begründung:

[1] Der Minderjährige ist der Sohn von T***** und A*****. Die alleinige Obsorge für das Kind kommt der Mutter zu.

[2] Mit Beschluss vom 29. 12. 2020 räumte das Erstgericht dem Vater für jedes zweite Wochenende von 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr ein Kontaktrecht ein. Die Familiengerichtshilfe wurde beauftragt, als Besuchsmittler zur Umsetzung der Kontakte tätig zu werden. Zugleich trug das Erstgericht der Mutter den Besuch einer Eltern- und Erziehungsberatung auf.

[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter gegen diesen Beschluss nicht Folge. Den Revisionsrekurs erachtete es als nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG auf. Die Zurückweisung des Revisionsrekurses kann sich auf die kurze Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (vgl auch § 71 Abs 3 Satz 4 AußStrG).

[5] 1. Der Revisionsrekurs selbst verweist auf die Rechtsprechung, nach der die örtliche Unzuständigkeit im AußStrG sowohl nach dem Gesetzeswortlaut als auch nach der Absicht des Gesetzgebers keinen Aufhebungsgrund nach § 56 AußStrG bildet und daher in der Regel sanktionslos bleibt (vgl 6 Ob 63/18k mwN).

[6] Im vorliegenden Fall lag jedoch ohnehin keine Unzuständigkeit vor, sondern rügt die Mutter nur, dass trotz des Wohnsitzwechsels des Kindes keine Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN erfolgte. Richtig hat aber schon das Rekursgericht darauf hingewiesen, dass § 111 JN nur eine Kannbestimmung darstellt. Das ausschlaggebende Kriterium für die Beurteilung, ob die Pflegschaftssache nach § 111 JN an ein anderes Gericht übertragen werden soll, ist das Kindeswohl (RS0046908 ua).

[7] Dieses ist aber im vorliegenden Fall dadurch, dass das Gericht, das seit vielen Jahren für die Pflegschaftssache zuständig und mit der Rechtssache und den Beteiligten am Verfahren vertraut ist, über das Kontaktrecht entschieden hat, nicht beeinträchtigt. Dass daher vor der Entscheidung des Erstgerichts keine Übertragung der Zuständigkeit vorgenommen wurde, vermag weder eine Nichtigkeit noch einen Verfahrensmangel zu begründen.

[8] 2. Soweit der Revisionsrekurs erstgerichtliche Feststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung bekämpft, ist das im Revisionsrekursverfahren nicht zulässig (RS0108449; RS0007236).

[9] 3. Das in § 187 Abs 1 Satz 1 ABGB idF KindNamRÄG 2013 normierte Kontaktrecht des Kindes und jedes Elternteils auf regelmäßigen und den Bedürfnissen des Kindes entsprechenden persönlichen Kontakt ist ganz allgemein als ein unter dem Schutz des Art 8 EMRK stehendes Grundrecht der Eltern‑Kind‑Beziehung anzuerkennen (RS0047754 [insb T19]). Die Aufrechterhaltung des Kontakts zu beiden Elternteilen ist grundsätzlich für eine gedeihliche Entwicklung des Kindes erforderlich und liegt daher im wohlverstandenen Interesse des Kindes (RS0048072), weshalb dazu auch der andere Elternteil beizutragen hat. Die persönlichen Kontakte müssen eine gewisse Intensität haben, um ihrem Zweck, der Herstellung eines Naheverhältnisses, gerecht zu werden (vgl RS0048072 [T6]). Nur bei einem regelmäßigen Zusammenkommen kann ein solches Naheverhältnis aufgebaut oder erhalten werden.

[10] Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaft und Lebensumstände das Kontaktrecht eingeräumt wird, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Der Entscheidung darüber kommt daher keine Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu, wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung (RS0097114 [T10]) oder das Kindeswohl verletzt wurden (RS0097114 [T1]; RS0087024; RS0048062).

[11] Derartiges wird im Revisionsrekurs nicht aufgezeigt. Wenn die Mutter Kontakte im Rahmen einer Besuchsbegleitung derzeit noch für sinnvoller erachtet, ist sie darauf zu verweisen, dass ohnehin die Familiengerichtshilfe als Besuchsmittler bestellt wurde, um das Kind und die Eltern zu unterstützen. Dem entspricht auch der Berichtsauftrag vom 15. 3. 2021. Schon aufgrund des festgestellten positiven Beziehungsaufbaus zwischen dem Vater und dem Minderjährigen während der bisherigen Besuchskontakte, ist auch allein der Umstand, dass der Minderjährige diesen noch nicht als „Vater“ sieht, kein Argument gegen eine Vertiefung der Beziehung durch unbegleitete Kontakte.

[12] 4. Da der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter daher insgesamt keine Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigt, ist er zurückzuweisen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Stichworte