European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00030.21K.0325.000
Spruch:
Ivica M***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Gründe:
[1] Mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 5. November 2020, GZ 16 Hv 126/17y‑266, wurde Ivica M***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 12 zweiter Fall, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt.
[2] Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er am 3. Mai 2017 in K***** Steve S***** dazu bestimmt, am 4. Mai 2017 Verfügungsberechtigten des Wettlokals „P*****“ durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) und unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich 4.135 Euro Bargeld, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen, indem dieser der Angestellten Katharina D***** eine CO 2 ‑Pistole vorhielt und dabei „Geld, Geld!“ schrie.
Rechtliche Beurteilung
[3] Über die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten wurde noch nicht entschieden, das Rechtsmittelverfahren ist beim Obersten Gerichtshof zur AZ 12 Os 29/21p anhängig.
[4] Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Graz der Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 23. Dezember 2020, GZ 16 Hv 126/17y‑269, mit dem die am 30. Mai 2020 verhängte und wiederholt fortgesetzte Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO fortgesetzt worden war, nicht Folge. Ausgehend vom Vorliegen des dringenden Tatverdachts hinsichtlich der vom Schuldspruch umfassten Tat ordnete es seinerseits die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus dem genannten Haftgrund an.
[5] Der dagegen erhobenen Grundrechtsbeschwerde des Ivica M***** kommt keine Berechtigung zu.
[6] Mit ihrer Kritik an den Sachverhaltsannahmen des Oberlandesgerichts zum dringenden Tatverdacht verkennt die Beschwerde, dass die Dringlichkeit der Verdachtslage ab Fällung des – wenngleich nicht rechtskräftigen – Urteils in erster Instanz im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr zu überprüfen ist (RIS‑Justiz RS0108486, RS0061107).
[7] Die rechtliche Annahme von Haftgründen überprüft der Oberste Gerichtshof im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens nur dahin, ob sie aus den im angefochtenen Beschluss angeführten bestimmten Tatsachen (vgl § 174 Abs 3 Z 4 StPO) abgeleitet werden durften, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich, demnach als nicht oder als offenbar unzureichend begründet angesehen werden muss (RIS‑Justiz RS0117806, RS0118185; Kier in WK2 GRBG § 2 Rz 49).
[8] Die Prognoseentscheidung gründete das Oberlandesgericht auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer über einen Zeitraum von 15 Jahren mehrfache Vorstrafen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung wie die gegenständliche Raubtat beruhenden Taten aufweist. Solcherart sei die Erfolglosigkeit bisher gesetzter Resozialisierungsmaßnahmen dokumentiert. Zudem verwies das Gericht auf die aus der Art der Tatbegehung hervorgehende Hemmungslosigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber rechtlich geschützten Werten (RIS‑Justiz RS0117806 [T17]; BS 2 f iVm ON 244 S 6 f).
[9] Es wurden daher bestimmte Tatsachen angeführt, aus denen das Oberlandesgericht die rechtliche Annahme der in § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO genannten Gefahr willkürfrei ableiten konnte.
[10] Die in der Begründung zum Ausdruck kommende sachverhaltsmäßige Bejahung der Einbindung des Beschwerdeführers in das Rotlicht‑ und Suchtgiftmilieu (BS 3), die erst in der Gesamtschau mit anderen Umständen die Prognoseentscheidung trägt, kann nach § 10 GRBG iVm § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht in Frage gestellt werden, bildet sie doch erkennbar keine notwendige Bedingung für die Prognose (RIS‑Justiz RS0117806 [T3]).
[11] Entgegen der Beschwerdeargumentation setzte sich das Oberlandesgericht mit dem Vorbringen, der Angeklagte habe sich während der „Probezeiten“ wohlverhalten, verfüge über eine Arbeitsplatzzusicherung und habe erstmals das Haftübel verspürt, ausdrücklich auseinander (BS 2 f iVm ON 244 S 6 f).
[12] Im Übrigen sind Vergleichsbasis des Willkürverbots – mit Blick auf § 173 Abs 2 StPO, der nur verlangt, dass die angenommenen Haftgründe auf bestimmten Tatsachen beruhen – nur die der Prognoseentscheidung tatsächlich zugrunde gelegten Tatsachen. Demnach ist ein Haftbeschluss, der gegen die rechtliche Annahme eines Haftgrundes sprechende Umstände nicht berücksichtigt, – außer den Fällen des § 173 Abs 3 StPO – nicht willkürlich, also nicht rechtsfehlerhaft (RIS‑Justiz RS0120458).
[13] Die bloße Behauptung, der Haftgrund sei „unter Erteilung entsprechender Weisungen zu substituieren“, entzieht sich einer inhaltlichen Erwiderung (RIS‑Justiz RS0116422).
[14] Soweit die Beschwerde – ohne dies inhaltlich auszuführen – vorbringt, die Dauer der Untersuchungshaft sei unverhältnismäßig, scheitert sie an der mangelnden Erschöpfung des Instanzenzugs, wurde ein solches Vorbringen doch in der Haftbeschwerde (ON 270) nicht erstattet (RIS‑Justiz RS0114487 [T13]).
[15] Die Beschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
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