OGH 5Ob212/20t

OGH5Ob212/20t1.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin B***** D***** GesmbH, *****, vertreten durch die Stanek Raidl Konlechner Rechtsanwälte OG, Wien, gegen die Antragsgegner 1. Dr. M*****, vertreten durch Mag. Sylvia Weiländer, Rechtsanwältin in Wien, 2. G*****, 3. Dr. G*****, 4. Dr. E*****, die Zweit- bis Viertantragsgegner vertreten durch die Sauerzopf & Partner Rechtsanwälte OG, Wien, 5. Dr. B*****, 6. C*****, 7. I*****, 7a. K*****, 8. P*****, 9. U*****, 10. K*****, 11. I*****, 11a. M*****, 12. MMag. D*****, wegen § 52 Abs 1 Z 3 WEG iVm § 30 Abs 1 Z 1 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Zweit- bis Viertantragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. Juli 2020, GZ 40 R 280/19a‑64, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00212.20T.0301.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Mit den Miteigentumsanteilen der Antragstellerin ist Wohnungseigentum an einem im Souterrain des Hauses gelegenen Objekt verbunden, das aus einem Zimmer, Vorraum samt Kochnische sowie einem Bad mit WC besteht und nach dem der Wohnungseigentumsbegründung im Jahr 1997 zugrunde gelegten Nutzwertgutachen als Wohnung gewidmet ist. Die Außenmauern und die Mauern zu den benachbarten Objekten sind stark durchnässt, was bereits zu einem starken Schimmelbefall führt.

[2] Gegenstand des Verfahrens ist der auf § 30 Abs 1 Z 1 WEG gestützte Antrag auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten zur Sanierung von Feuchtigkeitsschäden. Das Erstgericht gab diesem Antrag statt und sprach aus, dass die Eigentümergemeinschaft binnen acht Monaten ab Rechtskraft des Sachbeschlusses eine Feuchtigkeitssanierung der Wohnung durch im Einzelnen genannte Arbeiten durchzuführen habe. Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der außerordentliche Revisionsrekurs derZweit- bis Viertantragsgegner zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[4] 1. Nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG kann jeder Wohnungseigentümer die Entscheidung des Gerichts unter anderem darüber verlangen, dass Arbeiten iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG durchgeführt werden. Voraussetzung für die Anrufung des Gerichts ist die Untätigkeit der Mehrheit oder des Verwalters, indem entweder eine Beschlussfassung darüber unterlassen oder die Durchführung einer Erhaltungsarbeit abgelehnt wird (5 Ob 107/16w mwN; vgl auch RIS‑Justiz RS0116139 [T3]).

[5] 2.1 Der Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers nach § 28 Abs 1 Z 1, § 30 Abs 1 Z 1 WEG umfasst die ordnungsgemäße Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft iSd § 3 MRG (5 Ob 169/19t). Zu Inhalt und Bedeutung des sogenannten „dynamischen (elastischen) Erhaltungsbegriffs“ sowie zum ortsüblichen Standard von Erhaltungsarbeiten liegt bereits umfangreiche Judikatur des Obersten Gerichtshofs vor (vgl RS0116139; RS0114109; RS0083171 uva). Voraussetzung jeder Erhaltungsarbeit ist, dass eine Reparaturbedürftigkeit vorliegt, also eine Einschränkung der Funktionsfähigkeit oder der Brauchbarkeit, ein sonst bestehender Mangel oder doch eine Schadensgeneigtheit der betreffenden Bauteile gegeben ist (RS0116998). Ist das der Fall, gehören zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten auch dann noch zur Erhaltung, wenn es sich dabei um die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands handelt, es zu einer vollständigen Erneuerung kommt und/oder dabei Veränderungen vorgenommen werden, die gegenüber dem vorigen Zustand als „Verbesserung“ anzusehen sind (RS0114109; vgl auch RS0083121).

[6] 2.2 Die Sanierung allgemeiner Teile der Liegenschaft fällt in die Erhaltungspflicht der Eigentümergemeinschaft, selbst wenn kein ernster Schaden des Hauses oder des Wohnungseigentumsobjekts vorliegt (5 Ob 170/11b). Zu den allgemeinen Teilen eines Hauses zählen jene Bereiche, die gemeinhin als „Außenhaut“ des Gebäudes bezeichnet werden (vgl RS0069976 ua). Liegen, wie hier festgestellt, derartig massive Feuchtigkeitsschäden vor, dass das Mauerwerk zur Gänze mit Wasser gesättigt ist und sich bereits Schimmel bildet, ist darüber hinaus von einem ernsten Schaden auszugehen (siehe nur RS0102183), der auch dann von § 28 Abs 1 Z 1 WEG erfasst ist, wenn davon nur ein bestimmtes Wohnungseigentumsobjekt betroffen ist (vgl RS0069886).

[7] 3.1 Die Revisionsrekurswerber stellen diese Grundsätze nicht in Frage, meinen aber, dass sie hier nicht zum Tragen kämen, weil – zusammengefasst – das Objekt im Souterrain eines um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert in der damals üblichen Bauweise errichteten Gebäudes liegt, sodass die aufgetragene Sanierung nicht der Beseitigung eines Schadens diene, sondern die „Gattung des Objekts“ im Souterrain ändere, und stehen damit erkennbar auf dem Standpunkt, dadurch werde erstmals ein Eigentumsobjekt zu Wohnzwecken geschaffen. Richtig ist, dass die erstmalige Brauchbarmachung eines Wohnungseigentumsobjekts nicht zu den Erhaltungsarbeiten iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG zählt (vgl 5 Ob 136/13f [Fertigstellung eines weitgehend noch im Rohbauzustand befindlichen Gebäudes]; vgl auch RS0102189). Ein solcher Fall ist hier aber nicht zu beurteilen.Das Objekt der Antragstellerin war bereits bei Begründung des Wohnungseigentums als Wohnung gewidmet und sollte damit nach seiner Ausgestaltung und dem vereinbarten Verwendungszweck dem Aufenthalt von Personen dienen. Damit mag es zwar zutreffen, dass die massive Durchfeuchtung des Mauerwerks samt Schimmelbildung Folge der zum Zeitpunkt der Errichtung des Hauses üblichen Bauausführung ist. Dass bei einer Mauerdurchfeuchtung samt Schimmelbildung im festgestellten Ausmaß ein ernster Schaden des Hauses (iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG) vorliegt, stellen die Revisionswerber aber zu Recht nicht in Frage. Dessen Behebung fällt aber jedenfalls in die Zuständigkeit der dafür zahlungspflichtigen Eigentümergemeinschaft, und zwar unabhängig von den Zulässigkeitsvoraussetzungen für Änderungen nach § 16 Abs 2 WEG (RS0112445 [T8]). Da der dynamische Erhaltungsbegriff eine Rücksichtnahme auf die Entwicklung der Bautechnik fordert, ist bei der Sanierung auf den jetzigen Standard abzustellen (5 Ob 289/03s [ebenfalls zur Durchnässung der Außenwand eines Gebäudes]), wobei selbst eine vollständige Erneuerung als Folge der Sanierung nichts am Charakter der Erhaltungsarbeit ändert (RS0114109).

[8] 3.2 Wesentlicher Aspekt für die Durchsetzbarkeit der von einem Wohnungseigentümer nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG begehrten Erhaltungsmaßnahmen ist deren Dringlichkeit, wobei auch auf wirtschaftliche Aspekte, wie Kostenaufwand und Finanzierbarkeit, Bedacht zu nehmen ist (RS0123169 ua). Bei Beurteilung der Frage, ob eine Erhaltungsarbeit der Mehrheit über Antrag eines Wohnungseigentümers aufzutragen ist, wird dem Gericht aber ein Beurteilungsspielraum eingeräumt (RS0123169 [T2]; RS0116139 [T4] ua), den das Rekursgericht entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerber auch nicht überschritten hat. Abzustellen ist nicht allein auf die Höhe der Sanierungskosten. In der bereits genannten Entscheidung zu 5 Ob 239/03s hat der Fachsenat die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit im Einzelfall, weil die Sanierungskosten rund 10 % des Verkehrswerts des Hauses betrugen, nicht beanstandet. Dass gemessen an einem solchen Richtwert die Sanierungskosten im vorliegenden Fall außer Verhältnis zum Wert des Hauses stünden, behaupten die Revisionswerber nicht. Allein mit ihrem Verweis auf die Kosten der Antragstellerin für die Anschaffung des Objekts können sie aber keine Fehlbeurteilung dieser Frage durch das Rekursgericht aufzeigen.

[9] 3.3 Der Fachsenat hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass mit der Durchführung notwendiger Erhaltungsarbeiten nicht zwingend auch eine Beseitigung der Schadensursache verbunden sein muss. Abzustellen ist vielmehr darauf, ob wirtschaftliche und technische Gegebenheiten und Möglichkeiten bestehen, den Schaden, wenn nicht auf Dauer, so doch für einen relevanten Zeitraum zu beseitigen (siehe nur 5 Ob 2/20k mwN). Dieser Grundsatz kommt auch im Anwendungsbereich des § 28 Abs 1 Z 1 WEG zum Tragen. Da ohnedies fest steht, dass die Bestandsdauer der Arbeiten etwa 20 Jahre beträgt, liegt der von den Revisionsrekurswerbern der Sache nach behauptete Feststellungsmangel nicht vor. Mit ihrem allgemein gehaltenen Hinweis, dass „ein Mindestmaß an Nachhaltigkeit der von der Antragstellerin begehrten Maßnahmen gar nicht festgestellt werden“ könne, machen sie daher auch nicht eine Fehlbeurteilung dieser Frage durch das Rekursgericht geltend, sondern wenden sich in unzulässiger Weise gegen die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen.

[10] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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