OGH 5Ob2/20k

OGH5Ob2/20k14.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. E*, 2. P*, 3. R*, 4. Dr. E*, alle vertreten durch Mag. Andreas Pöschko, Mietervereinigung Österreichs, *, 5. A*, vertreten durch Mag. Stefan Ozlberger, Mietschutzverband Österreichs, *, gegen die Antragsgegnerin G* GmbH, *, vertreten durch Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, wegen §§ 3, 4 und 6 MRG iVm § 37 Abs 1 Z 2 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Oktober 2019, GZ 40 R 188/19x‑52, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E128240

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen der § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

 

Begründung:

Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist der Antrag der Hauptmieter, der Antragsgegnerin als Vermieterin Erhaltungsarbeiten, nämlich den Wiedereinbau von Fenstern samt Fensterstöcken und die Wiederherstellung des Daches aufzutragen.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt und trug die Arbeiten binnen acht Monaten ab Rechtskraft des Beschlusses auf.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin nur insoweit Folge, als es den Antrag des Fünftantragstellers mangels Aktivlegitimation abwies. Im Übrigen bestätigte es den erstgerichtlichen Sachbeschluss, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Nach ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0117707) ist alles, was nicht funktional nur einem einzigen oder einer begrenzten Zahl von Mietgegenständen zugeordnet ist, allgemeiner Teil des Hauses. Dass die Außenfassade, die Außenfenster und das Dach als allgemeine Teile des Hauses grundsätzlich in die Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 Abs 1 iVm § 3 Abs 2 Z 1 MRG fallen, zieht die Antragsgegnerin nicht in Zweifel.

2. Voraussetzung für die Qualifikation als Erhaltungsarbeit – auch im Rahmen der dynamischen Erhaltung – ist nach der Rechtsprechung ein Mangel im Sinn einer Reparaturbedürftigkeit, einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit oder Brauchbarkeit oder zumindest einer Schadensgeneigtheit (RS0114109 [T8]; RS0069944 [T11]). Wenn die Vorinstanzen aufgrund des festgestellten Sachverhalts, wonach Außenfenster samt Fensterbänken entfernt und durch provisorische Holzbretterfensterbänke samt Holzverschalung ersetzt wurden und nach Entfernung des Daches nun als Abdichtungsebene der – derzeit dichte – Fußboden des vierten Obergeschoßes fungiert, von einer Reparaturbedürftigkeit oder zumindest Schadensgeneigtheit ausgingen, hält sich dies im Rahmen bereits vorliegender höchstgerichtlicher Rechtsprechung. Allgemein sind Schäden an Außenfenstern ebenso als ernste Schäden des Hauses zu qualifizieren (RS0069857) wie die Gefährdung der Dachkonstruktion etwa durch (drohende) Durchnässung des Mauerwerks (RS0069886). Die errichteten Provisorien werden nach den Feststellungen je nach Witterungseinfluss und Wartung nur eine Lebensdauer von ca zwei Jahren (ab ihrer Errichtung Oktober/November 2018) haben.

3. Auf die von der Antragsgegnerin als erheblich angesehene Frage, welche Qualität im Sinn einer geforderten Bestandsdauer die vom Vermieter geschuldeten Erhaltungsarbeiten haben müssen, kommt es aufgrund der unverändert zu bejahenden Schadensgeneigtheit nicht an. Im Übrigen stellt die ständige Rechtsprechung des Fachsenats zur vergleichbaren Frage der Qualifikation von die Schadensursache nicht dauerhaft beseitigenden Maßnahmen als Erhaltungsarbeit regelmäßig darauf ab, ob wirtschaftliche und technische Gegebenheiten und Möglichkeiten (im Sinn der Generalklausel des § 3 Abs 1 erster Satz MRG) bestehen, den Schaden, wenn nicht auf Dauer, so doch für einen relevanten Zeitraum zu beseitigen (RS0114109 [T15]; 5 Ob 148/12v = immolex 2013/20 [Pfiel]; 5 Ob 92/13k = immolex 2013/87 [Prader]; 5 Ob 60/14f). In der Entscheidung 5 Ob 143/14m (immolex 2015/59 [Cerha] = wobl 2015/41 [Vonkilch]) verlangte der Senat, die aufgetragene Erhaltungsarbeit müsse dazu führen, dass das neuerliche Auftreten der Schadensgeneigtheit oder Reparaturbedürftigkeit für eine erhebliche und nicht nur geringe Dauer ausgeschlossen werden kann. Er forderte dort den jedenfalls mehrjährigen Bestand einer derartigen Maßnahme, der hier – aufgrund der festgestellten maximal zwei Jahre währenden Wirksamkeit der Provisorien – nicht erreicht ist. Dass die Vorinstanzen davon ausgingen, die Reparaturbedürftigkeit bzw Schadensgeneigtheit sei hier nicht nachhaltig beseitigt worden, hält sich somit im Rahmen bereits vorliegender Rechtsprechung und bedarf keiner Korrektur im Einzelfall.

4. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

5. Die Revisionsrekursbeantwortung wurde den Antragstellern nicht freigestellt und ist deshalb nicht zu honorieren (5 Ob 53/14a; RS0113633).

Stichworte