OGH 8Ob113/20f

OGH8Ob113/20f28.1.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M*****, und 2. S*****, beide vertreten durch Dr. Ronald Rast & Dr. Thomas Rast Rechtsanwaltskanzlei in Wien, und deren Nebenintervenienten Dr. E*****, emeritierter Rechtsanwalt, *****, gegen die beklagte Partei R***** eGen, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 70.000 EUR), in eventu 70.000 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Nebenintervenienten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 23. November 2020, GZ 15 R 130/20b‑27, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00113.20F.0128.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerinnen begehren primär die Feststellung der Haftung der beklagten Bank für alle Schäden, die ihnen aus zwei Geldüberweisungen am 11. 12. 2017 an eine mittlerweile insolvente Bauträgerin entstanden seien bzw entstünden.

Rechtliche Beurteilung

[2] 1. Ob das erforderliche rechtliche Interesse am Streitbeitritt besteht, kann nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden (etwa RIS‑Justiz RS0035724 [T8]). Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts zeigt der Nebenintervenient nicht auf:

[3] 2.1 Ein rechtliches Interesse im Sinn des § 17 Abs 1 ZPO hat der Nebenintervenient nach der Rechtsprechung dann, wenn die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf seine privatrechtlichen oder öffentlich‑rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt. Das rechtliche Interesse muss ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über das bloß wirtschaftliche Interesse hinausgeht (RS0035724). Bei der Beurteilung, ob die Nebenintervention zulässig ist, ist kein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt (RS0035638). Das rechtliche Interesse muss aber konkret sein; die bloße Möglichkeit, dass die Entscheidung die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berühren könnte, reicht nicht aus (RS0106173). Der Nebenintervenient muss auch einen zu befürchtenden Rückgriff plausibel darstellen (RS0035638 [T8]; zuletzt etwa 7 Ob 7/19h).

[4] 2.2 In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist klarzustellen, dass die Nebenintervention dann zurückzuweisen ist, wenn schon aus den vorgebrachten Tatsachen kein rechtliches Interesse zu erkennen ist (RS0035638 [T6]). Nach § 18 Abs 1 ZPO hat der Nebenintervenient das Interesse, welches er am Obsiegen einer Prozesspartei hat, bestimmt anzugeben. Die Zulässigkeit der Nebenintervention darf nicht aus anderen als den vom Nebenintervenienten zum Beitritt vorgebrachten Tatsachen abgeleitet werden (RS0035678 [T1]). Es ist nicht zulässig, über die Erklärung des Nebenintervenienten hinausgehende Tatsachen und Rechtsüberlegungen der Entscheidung zugrundezulegen (RS0035678 [T3]).

[5] 3. Der Nebenintervenient begründete sein Interesse am Beitritt auf Seiten der Klägerinnen im Beitrittsschriftsatz damit, dass nach den Prozessbehauptungen der Beklagten die beiden Kaufpreiszahlungen der Klägerinnen (für zwei Eigentumswohnungen) in Wahrheit eine Kreditzuzählung von 800.000 EUR durch den Nebenintervenienten an die Bauträgerin gewesen seien. Würde die Beklagte mit diesen unrichtigen Behauptungen bei Gericht durchdringen und dadurch die Klage abgewiesen werden, wäre der Nebenintervenient den beiden Klägerinnen gegenüber einer Haftung für einen Betrag von erheblich über 800.000 EUR ausgesetzt. Außerdem stelle die Beklagte diese angebliche Krediteinräumung als Totalverlust für den Kläger [gemeint wohl Nebenintervenienten] dar; der Nebenintervenient sei gezwungen, diese Krediteinräumung zu widerlegen. Schließlich behaupte die Beklagte, der Nebenintervenient habe die Klägerinnen bewusst getäuscht und am Vermögen geschädigt.

[6] Nachdem die Beklagte die Zurückweisung der Nebenintervention mangels rechtlichen Interesses beantragt hatte, ergänzte der Nebenintervenient sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung dahin, dass die beiden Teilbeträge von insgesamt 800.000 EUR nicht Geld in seinem Eigentum gewesen seien, sondern ein Kredit, den die Erstklägerin gemeinsam mit dem Nebenintervenienten bei einer dritten Bank aufgenommen habe. Der Betrag sei zuerst auf ein Konto des Nebenintervenienten und am selben Tag als Kaufpreiszahlung an die beiden Klägerinnen weitergeleitet worden. Für den Fall, dass der Nebenintervenient tatsächlich einen „fehlerhaften“ Kreditvertrag abgeschlossen hätte, habe er Geld, das „der Firma“ gehört hätte, „verwendungswidrig“ verwendet. Dabei wäre er „ansonsten einer Haftung“ gegenüber den Klägerinnen ausgesetzt. Schließlich präzisierte der Nebenintervenient, dass dieser Kreditvertrag zwischen der M***** OG und einer dritten Bank geschlossen worden sei.

[7] 4.1 Das Rekursgericht hat – wie der Revisionsrekurswerber nicht mehr bezweifelt – zutreffend darauf verwiesen, dass die Beklagte nicht eine Täuschung der Klägerinnen durch den Nebenintervenienten, sondern eine gemeinsame Täuschung der Beklagten durch den Nebenintervenienten und die Klägerinnen geltend macht. Entgegen seiner Meinung hat das Rekursgericht das darüber hinausgehende Vorbringen des Nebenintervenienten auch keineswegs (aktenwidrig) verneint: Es ist bloß zur Auffassung gelangt, dass sich aus diesem Vorbringen eine drohende Inanspruchnahme durch die Klägerinnen nicht schlüssig ableiten lasse. An dieser Beurteilung vermag der Revisionsrekurswerber im Ergebnis keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Bedenken zu wecken.

[8] 4.2 Es ist aus den konkreten Ausführungen nicht nachvollziehbar, warum der Nebenintervenient den Klägerinnen allein deshalb haftpflichtig werden sollte, weil sich die Prozessbehauptungen der Beklagten, die Überweisungen an die Bauträgerin seien eine Investition des Nebenintervenienten und keine Kaufpreiszahlungen der Klägerinnen gewesen, als richtig herausstellen sollten. Es wird nicht näher dargestellt, warum der Nebenintervenient den beiden Klägerinnen haften sollte, wenn er „Geld der Firma“ [gemeint offenbar der M***** OG] „verwendungswidrig“ verwendet hätte (vgl auch Eckert in U. Torggler UGB 3 § 124 Rz 2). Damit ist es nicht unvertretbar, wenn das Rekursgericht davon ausgeht, dass der Nebenintervenient einen drohenden Rückgriff durch beide Klägerinnen in einem Folgeprozess nicht plausibel zur Darstellung gebracht hat, mag auch der Klagevertreter vage in den Raum gestellt haben, „dass auch die Klägerinnen unter Umständen Ansprüche gegen den Nebenintervenienten hätten“. Auf das erstmalige Vorbringen des Nebenintervenienten im Rechtsmittelverfahren, das seine allfällige Haftung (nur) gegenüber der Erstklägerin als persönlich haftender Gesellschafterin der kreditnehmenden OG wegen widmungswidriger Verwendung von Mitteln der OG nahe legen könnte, ist schon aufgrund des Neuerungsverbots nicht weiter einzugehen (vgl auch oben). Ein allfälliges wirtschaftliches Interesse oder das Interesse am Erzielen bestimmter Beweisergebnisse (hier hinsichtlich des Krediteröffnungsvertrags vom 17. 12. 2017 oder auch des „fehlerhaften Kreditvertrags“) reicht zur Begründung eines rechtlichen Interesses jedenfalls nicht aus (RS0035724 [T4]).

[9] 4.3 Zusammengefasst zeigt der Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage auf. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§§ 510 Abs 3 iVm 528a ZPO).

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