OGH 7Ob7/19h

OGH7Ob7/19h18.9.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Markus Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei öffentlich rechtliche Straßeninteressentschaft B*****, Obmann G***** R*****, vertreten durch Dr. Katrin Hainbuchner und Dr. Katja Kaiser, Rechtsanwältinnen in Kirchberg, und deren Nebenintervenientin Stadtgemeinde K*****, vertreten durch Dr. Peter Planer ua Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen Feststellung, über den Revisionsrekurs der Nebenintervenientin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 13. September 2018, GZ 4 R 124/18s‑19, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 19. Mai 2018, GZ 4 C 227/17b‑9, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00007.19H.0918.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Nebenintervenientin ist schuldig, der klagenden Partei die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass der Beklagten keine wie immer gearteten Rechte am Gst ***** der EZ ***** GB *****, dessen Eigentümerin die Klägerin sei, zustehen. Die Beklagte sei eine öffentlich rechtliche Straßeninteressentschaft iSd Tiroler Straßengesetzes mit dem Aufgabenbereich des Interessentschaftswegs B*****, die durch die Gst ***** und ***** gebildet werde. Die Beklagte habe fälschlich behauptet, das eingangs genannte Grundstück der Klägerin gehöre zum Interessentschaftsweg B*****. Die Klägerin sei von der Beklagten aufgefordert worden, die dort von ihr angebrachten Hinweis- und Verbotsschilder („Einfahrt verboten“ mit Zusatzschild „Privat, Betreten und Befahren nur für Berechtigte“) umgehend zu entfernen. Dafür bestehe keine Rechtsgrundlage.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte im Wesentlichen ein, der in Rede stehende Weg diene der Erschließung des Ortsteils B*****. Mit Bescheid der Stadtgemeinde K***** vom 24. 2. 1972 sei er zum öffentlichen Interessentschaftsweg erklärt worden. Das Gst ***** sei stets Bestandteil des Interessentschaftswegs gewesen, die Beitragsanteile seien über Jahre hinweg ausgehend von der Bundesstraße berechnet worden. Selbst wenn das Gst ***** formal nicht Bestandteil der Weginteressentschaft B***** wäre, stünde ihr aufgrund ausdrücklicher und auf die Klägerin überbundener Widmung seitens der Voreigentümer das Nutzungsrecht an der Grundparzelle zu. Jedenfalls liege durch jahrzehntelange unwidersprochene Nutzung dieses Wegegrundstücks ein von der Beklagten ersessenes Recht vor.

Die Beklagte verkündete der Stadtgemeinde den Streit, die dem Verfahren auf Seiten der Beklagten beitrat. Die Nebenintervenientin begründete ihr rechtliches Interesse damit, dass sie die Aufsichtsbehörde der Beklagten und als Stadtgemeinde dafür verantwortlich sei, dass sämtliche Wohngebiete vom öffentlichen Verkehrsnetz aus erschließbar seien. Bei einem Obsiegen der Klägerin würde sämtlichen Bewohnern des Stadtteils der Anschluss an das öffentliche Verkehrsnetz fehlen. Ihr komme ein Antragsrecht nach § 34 Abs 4 Tiroler Straßengesetz zu, das auf bescheidmäßige Feststellung einer Straße als öffentliche Privatstraße abziele. Sie stütze sich weiters auf Ersitzung, Gemeingebrauch und Widmung des im Eigentum der Klägerin stehenden Straßenstücks als öffentliche Privatstraße seit mindestens 30 Jahren. Auch sei zu befürchten, dass sich die Anrainer an ihr schad- und klaglos halten und sie mit Schadenersatzansprüchen konfrontieren würden.

Das Erstgericht ließ die Nebenintervention zu. Der Stadtgemeinde sei ein rechtliches Interesse zuzubilligen, weil ihr Interesse am Funktionieren des öffentlichen Verkehrs beeinträchtigt werden könnte. Sie könnte dazu gezwungen werden, alternative Wege zu erschließen oder andere rechtliche Schritte zu unternehmen.

Das Rekursgericht wies die Nebenintervention zurück. Ein rechtliches Interesse iSd § 17 ZPO stehe Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht bereits dann zu, wenn der Zivilprozess auch Auswirkungen auf ihren öffentlich-rechtlichen Aufgabenkreis haben oder Verwaltungsverfahren nach sich ziehen könnte. Auch bei einer Körperschaft öffentlichen Rechts könnte nur aus solchen Umständen ein rechtliches Interesse iSd § 17 ZPO abgeleitet werden, welche auch bei Rechtssubjekten des privaten Rechts zur Begründung ausreiche. Weiters sei trotz Bestreitung nicht bescheinigt worden, dass es sich bei der hier betroffenen Straße um die einzige Erschließung des Ortsteils handle. Das gerichtliche Verfahren diene bloß der Klärung von auf den ordentlichen Rechtsweg gehörenden Fragen des Zivilrechts und präjudiziere keinesfalls im Verwaltungsverfahren zu treffende Entscheidungen, wie jene nach § 34 Abs 4 Tiroler Straßengesetz. Allfällige Schadenersatz- oder Amtshaftungsansprüche seien zwar angesprochen, aber nicht konkret dargetan worden, sodass sie nicht überprüft werden könnten.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Konstellation eines Wunsches einer Gemeinde auf Nebenintervention infolge behaupteter Auswirkungen auf ihre öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Nebenintervenientin, mit dem Antrag, ihre Nebenintervention zuzulassen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Sie hielt an ihrem Rechtsstandpunkt fest.

Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig; er ist aber nichtberechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 17 ZPO kann einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit als Nebenintervenient beitreten, wer ein rechtliches Interesse am Obsiegen einer der Parteien hat, oder wem durch gesetzliche Vorschrift das Recht zur Nebenintervention eingeräumt wird.

2. Ein rechtliches Interesse hat der Nebenintervenient nach der Rechtsprechung dann, wenn die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf seine privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt. Das rechtliche Interesse muss ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über das bloß wirtschaftliche Interesse hinausgeht (RS0035724). Dabei ist auf die vorgebrachten Tatsachen abzustellen. Wenn bereits aus diesen kein rechtliches Interesse abzuleiten ist, ist die Nebenintervention zurückzuweisen (RS0035638 [T6]). Bei der Beurteilung, ob die Nebenintervention zulässig ist, ist aber kein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt (RS0035638). Das rechtliche Interesse muss aber konkret sein; die bloße Möglichkeit, dass die Entscheidung die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berühren könnte, reicht nicht aus (RS0106173). Der Nebenintervenient muss auch einen zu befürchtenden Rückgriff plausibel darstellen (RS0035638 [T8]).

3. Unabhängig davon, ob die Nebenintervenientin – wie von ihr behauptet – Aufsichtsbehörde der Beklagten ist (vgl aber § 75 Abs 3 lit a Tiroler Straßengesetz; Gstötter , Tiroler Straßengesetz, 248), könnte sich ein rechtliches Interesse allein daraus nicht ergeben. Das Verfahren hätte weder auf ihre privatrechtliche noch öffentlich-rechtliche Stellung Einfluss. Überdies hätte eine Aufsichtsbehörde ohnehin die Möglichkeit, durch Weisungen an die Partei auf das Verfahren einzuwirken. Würde man einer Aufsichtsbehörde bloß aus dieser Stellung heraus ein rechtliches Interesse zubilligen, würde dies zu einer unabsehbaren Ausweitung der Interventionsbefugnisse führen.

4. Der Umstand, dass allenfalls durch den Ausgang des Verfahrens (irgend‑)ein hoheitliches Handeln nötig werden könnte, begründet für sich ebenfalls kein rechtliches Interesse. Es gehört zur Amtstätigkeit, für die Bedürfnisse in der Gemeinde zu sorgen.

5. Abgesehen davon, hat der Nebenintervenient nach einem Zurückweisungsantrag des Gegners sein rechtliches Interesse zu konkretisieren und zu bescheinigen (RS0035678). Die Klägerin bestritt, dass keine anderen Zufahrtsmöglichkeiten zu den allenfalls vom Verfahren betroffenen Ortsgebieten bestünden. Die Nebenintervenientin unternahm keinen Versuch der Bescheinigung ihrer Behauptungen.

6. Soweit die Nebenintervenientin (unmittelbare) eigene Rechte behauptet, können diese durch das Verfahren nicht beeinträchtigt werden. Hier wird nur über die Rechtsverhältnisse zwischen den Parteien entschieden.

7. Der bloße Hinweis auf die Möglichkeit von Amtshaftungs- oder Schadenersatzansprüchen durch eine der Parteien erfüllt die von der Rechtsprechung entwickelten, oben dargestellten Konkretisierungserfordernisse für die Zulässigkeit der Nebenintervention nicht.

8. Insgesamt wird daher kein ausreichendes rechtliches Interesse iSd § 17 ZPO für einen Beitritt als Nebenintervenientin dargetan.

9. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat im Zwischenstreit über die Nebenintervention obsiegt (RS0035436).

Stichworte