OGH 8Ob1/21m

OGH8Ob1/21m28.1.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Mag. Jörg Zarbl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Marschall & Heinz Rechtsanwalts-Kommanditpartnerschaft in Wien, wegen 6.532,44 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 5.250 EUR) gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. April 2020, GZ 50 R 117/19s‑22, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 22. August 2019, GZ 6 C 4/19k‑16, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 29. August 2019, GZ 6 C 4/19k‑18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00001.21M.0128.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 501,91 EUR (darin 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ist eine Treuhandgesellschaft mit Sitz in Deutschland und Gründungskommanditistin einer deutschen GmbH & Co KG, deren Geschäftsgegenstand die Beteiligung an Immobilienprojektentwicklungsgesellschaften in Brasilien ist. Nach § 5 Z 1 des Gesellschaftsvertrags der Kommanditgesellschaft hält und verwaltet die Beklagte, soweit sie Kommanditeinlagen für Treugeber übernimmt, diese nach Maßgabe eines separat abzuschließenden Treuhand- und Verwaltungsvertrags.

[2] Der Kläger ist ein privater Anleger mit Wohnsitz in Österreich. Er zeichnete am 10. 8. 2012 in Österreich die „Beitrittserklärung Österreich“ an der Kommanditgesellschaft über die Beklagte als Treuhänderin mit einer Nominale von 5.000 EUR zuzüglich 5 % Agio. Die Zahlung erfolgte auf ein von der Beklagten angegebenes Konto.

[3] Mit Schreiben vom 6. 9. 2018 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten wegen Nichtübermittlung einer Anlegerbestätigung gemäß § 14 Z 3 KMG aF den Rücktritt vom Vertrag.

[4] Der Kläger begehrte die Zahlung von 6.532,44 EUR sA Zug um Zug gegen das Angebot der Übertragung seiner Treugeberstellung bzw Rechte und Pflichten aus dem Treuhandvertrag.

[5] Die Beklagte bestritt insbesondere ihre Passivlegitimation; sie sei weder Emittentin noch Vermittlerin der Veranlagung, sondern lediglich Kommanditistin der Emittentin.

[6] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von 5.250 EUR samt 4 % Zinsen seit 2. 11. 2018 statt und wies das darüber hinausgehende Begehren ab. Es bejahte die Passivlegitimation der Beklagten, weil der Treuhand- und Verwaltungsvertrag, dessen Aufhebung der Kläger begehre, zwischen den Parteien geschlossen worden sei. Es liege eine konkludente Rechtswahl im Sinne österreichischen Rechts vor. Da eine korrekte Belehrung gemäß § 14 Abs 3 KMG aF nicht einmal behauptet worden sei, sei der Rücktritt des Klägers berechtigt.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Da es sich nach den erstgerichtlichen Feststellungen um einen Verbrauchervertrag handle, gelange gemäß Art 6 Abs 1 ROM I-VO österreichisches Recht zur Anwendung. Vertragliche Pflichten, die ihren Ursprung in einem Treuhandvertrag über die Verwaltung einer Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft haben, seien nicht vom (sachlichen) Anwendungsbereich der ROM I-VO ausgenommen.

[8] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nachträglich über Antrag der Beklagten gemäß § 508 ZPO für zulässig erklärt, weil sich der Oberste Gerichtshof – soweit überblickbar – bisher nicht näher mit der Bestimmung des § 14 KMG aF befasst habe und die Frage der Passivlegitimation angesichts zahlreicher Parallelverfahren mit gleichgelagertem Sachverhalt in ihrer Bedeutung auch über den bloßen Einzelfall hinausgehe.

[9] Die vom Kläger beantwortete Revision der Beklagten ist entgegen dem – nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[10] 1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (vgl RIS‑Justiz RS0112921, RS0112769). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt weg, wenn die bedeutsame Rechtsfrage durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits geklärt wurde (RIS‑Justiz RS0112921 [T5]). Mittlerweile hat der Oberste Gerichtshof in der am 25. 11. 2020 gegenüber derselben Beklagten ergangenen Entscheidung 6 Ob 220/20a, der die gleiche Veranlagung und eine gleichartige Vertragsgestaltung wie hier zugrunde lagen, auch zu der einzigen in der Revision noch relevierten Frage der Passivlegitimation ausführlich Stellung genommen. In diesem Sinne ist der Revisionswerberin zusammengefasst Folgendes zu erwidern:

[11] 2.1 Nach der Rechtsprechung kann das Rücktrittsrecht nach § 5 Abs 2 KMG aF – wie die Revisionswerberin grundsätzlich zutreffend darstellt – nur gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner geltend gemacht werden (RS0125648 [T1, T2]). Dies gilt unabhängig davon, ob dieser seine eigenen Pflichten gegenüber dem Anleger verletzt hat, sofern er beim Vertrieb der Wertpapiere im eigenen Namen tätig wurde (9 Ob 60/19t).

[12] 2.2 Die Beklagte meint nun, die Ausübung des Rücktrittsrechts nach § 5 Abs 2 KMG aF ihr gegenüber sei schon deshalb ausgeschlossen, weil sie die Beteiligung an der Kommanditgesellschaft nicht an den Kläger veräußert, sondern mit diesem bloß eine Treuhandabrede in Ansehung der von ihr selbst gehaltenen Kommanditbeteiligung getroffen hat. Dabei übersieht sie aber, dass Gegenstand des Rücktrittsrechts im konkreten Fall nicht die Kommanditbeteiligung selbst, sondern die Treuhandvereinbarung ist. Weshalb sich die Bestimmung des § 14 Z 3 KMG aF „jedenfalls nicht“ auf das vorliegende Treuhandverhältnis beziehen soll, führt die Revision nicht näher begründet aus.

[13] 2.3 Soweit die Beklagte argumentiert, dass sie gegenüber dem Kläger nicht im eigenen Namen, sondern allenfalls als Vertreterin der Fondsgesellschaft tätig geworden sei, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, sodass die Revision in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (vgl RS0043312).

[14] Der Kläger hat daher den auf § 5 Abs 2 KMG aF gestützten Rücktritt vom Treuhandvertrag mit Recht gegenüber der Beklagten als seiner unmittelbaren Vertragspartnerin erklärt (so schon 6 Ob 220/20a).

[15] 3. Da die Beklagte in ihrem Rechtsmittel somit keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, war die Revision als unzulässig zurückzuweisen.

[16] 4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO (RS0123861).

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