OGH 9Ob60/19t

OGH9Ob60/19t30.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Partei T***** M*****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei C***** GmbH in Liquidation, *****, vertreten durch Wess Kux Kispert & Eckert Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 16.345,48 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 5.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Mai 2019, GZ 129 R 40/19d‑15, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 21. Februar 2019, GZ 52 Cg 50/18v‑11, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0090OB00060.19T.1030.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.411,20 EUR (darin 235,20 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin (Verbraucherin) erwarb im Jahr 2004 über Vermittlung einer in Österreich ansässigen Versicherungsmaklerin Kommanditanteile an der ***** H***** GmbH & Co KG im Nominale von 10.000 EUR zuzüglich 500 EUR Agio. Dieser geschlossene Fonds wurde von einer in Deutschland ansässigen Aktiengesellschaft aufgelegt. In Österreich wurde diese Veranlagung durch die inländische Beklagte angeboten. Der Vertrieb dieser Veranlagung fand hier aber nicht direkt über die Beklagte, sondern über Banken und externe Vertriebspartner statt.

Die Klägerin macht mit ihrer Klage Ansprüche (Leistung und Feststellung) aufgrund eines gegenüber der Beklagten erklärten Rücktritts aus der Kommanditbeteiligung geltend. Da die Beklagte den Erwerb der Anlage nicht gemäß § 14 Z 3 KMG alt bestätigt habe, stehe der Klägerin als Verbraucherin gegenüber der Beklagten als inländische Anbieterin der Veranlagung unbefristet ein Rücktrittsrecht gemäß § 5 Abs 2 KMG alt zu.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte – soweit für die Revisionsentscheidung noch relevant – ein, dass das Rücktrittsrecht nach § 5 Abs 2 KMG alt nur gegenüber dem Vertragspartner, nicht aber gegenüber der bloßen Anbieterin der Anlage geltend gemacht werden könne.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Klägerin als Verbraucherin stehe nach § 5 Abs 2 KMG alt (ebenso wie nach § 5 Abs 1 KMG alt) ein Rücktrittsrecht nur gegenüber ihrem Vertragspartner (dem letzten Veräußerer), zu, nicht gegenüber der Beklagten als bloßer Anbieterin der Anlage.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Unter Zugrundelegung der von der Judikatur zum insoweit vergleichbaren Rücktrittsrecht nach § 5 Abs 1 KMG herausgearbeiteten Grundsätze könne (auch) das Rücktrittsrecht nach § 5 Abs 2 KMG nur gegen den Vertragspartner, also den Letztveräußerer der Anlage ausgeübt werden. Die Beklagte als inländische Anbieterin der Kommanditbeteiligungen sei daher nicht passiv legitimiert.

Die Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, wem gegenüber der Verbraucher das Rücktrittsrecht nach § 5 Abs 2 KMG ausüben müsse.

In ihrer Revision beantragt die Klägerin die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung , die Revision der Klägerin zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. § 5 KMG alt (BGBl 1991/625 idF BGBl I 2019/62; nunmehr § 21 KMG 2019), normiert ein Rücktrittsrecht der Verbraucher, die sich durch Vertragserklärungen in Bezug auf Wertpapiere oder Veranlagungen gebunden haben, ohne dass den einschlägigen Informationspflichten entsprochen wurde. Das Rücktrittsrecht wurde § 3 KSchG nachgebildet. Einbezogen als Rücktrittsgrund wurde auch die Nichtaushändigung der Bestätigung über das Rechtsverhältnis bei Veranlagungen in Immobilien nach § 14 KMG, über die keine Wertpapiere ausgestellt werden, weil hiefür dieselben Schutzinteressen gelten (RV 147 BlgNR 18. GP  19).

2. § 5 KMG alt lautet:

„(1) Erfolgt ein prospektpflichtiges Angebot ohne vorhergehende Veröffentlichung eines Prospekts oder der Angaben nach § 6, so können Anleger, die Verbraucher im Sinne des § 1 Abs 1 Z 2 KSchG sind, von ihrem Angebot oder vom Vertrag zurücktreten.

(2) Unbeschadet des Rücktrittsrechtes nach Abs 1 können Anleger, die Verbraucher im Sinne des § 1 Abs 1 Z 2 KSchG sind, vom Vertrag zurücktreten, wenn ihnen der Erwerb einer Veranlagung in Immobilien nicht gemäß § 14 Z 3 bestätigt wurde.

(3) Der Rücktritt bedarf der Schriftform, wobei es genügt, wenn der Verbraucher ein Schriftstück, das seine Vertragserklärung oder die des Veräußerers enthält, dem Veräußerer oder dessen Beauftragten, der an den Vertragsverhandlungen mitgewirkt hat, mit einem Vermerk zurückstellt, der erkennen lässt, dass der Verbraucher das Zustandekommen oder die Aufrechterhaltung des Vertrages ablehnt. Es reicht aus, wenn die Rücktrittserklärung innerhalb der Zeiträume gemäß Abs 4 abgesendet wird.

(4) bis (6)“

3.1. Weder § 5 Abs 1 noch § 5 Abs 2 KMG alt definiert den Kreis der möglichen Adressaten des Rücktritts des Anlegers. In § 5 Abs 3 KMG alt ist allerdings von einer Rückstellung der schriftlichen Vertragserklärung an den „Veräußerer“ die Rede.

3.2. Der Oberste Gerichtshof hat unter Bezugnahme auf das Schrifttum (2 Ob 32/09h Pkt III. 4.2.) sowie in Übereinstimmung mit den allgemeinen Prinzipien des bürgerlichen Rechts, wonach Rücktrittsrechte ganz allgemein – und so auch die Vorbildbestimmung des § 3 KSchG – darauf abzielen, das Rechtsgeschäft mit dem jeweiligen Vertragspartner zum Wegfall zu bringen und der Nennung des Veräußerers in § 5 Abs 3 KSchG zu § 5 Abs 1 KMG bereits klargestellt, dass Rücktrittsgegner des Verbrauchers sein jeweiliger Vertragspartner ist. Dies gilt unabhängig davon, ob dieser selbst die Prospektpflicht verletzt hat oder nicht, sofern er beim Vertrieb der Wertpapiere im eigenen Namen tätig wurde. Gegenüber dem beklagten Vermittler oder Vertreter besteht kein Kaufvertrag, von dem der Anleger zurücktreten könnte (2 Ob 32/09h Pkt. III. 4. = ÖBA 2010/1661 [Oppitz] = ecolex 2010/195, 561 [zust Graf] = ZFR 2010/64 [zust Zahradnik]; zuletzt 3 Ob 97/16k Pkt 2.; RS0125648).

4.1. Diese Grundsätze können auch auf den Rücktritt des Verbrauchers nach § 5 Abs 2 KMG alt übertragen werden. Diese Bestimmung verfolgt denselben Schutzzweck wie § 5 Abs 1 KMG alt, nämlich primär den Verbraucherschutz. Die Regelung des Rücktrittsrechts nach § 5 KMG alt ist weitgehend dem Rücktrittsrecht des § 3 KSchG nachgebildet. Auch für § 5 Abs 2 KMG alt gilt das allgemeine zivilrechtliche Prinzip, dass Rücktrittsrechte im Regelfall darauf abzielen, das Rechtsgeschäft mit dem jeweiligen Vertragspartner zum Wegfall zu bringen. Die Nennung des Veräußerers in § 5 Abs 3 KMG alt, welche Regelung für § 5 Abs 1 und Abs 2 KMG alt gilt, bestätigt dieses Verständnis.

4.2. Im Schrifttum wurdedie gegenständliche Frage hinsichltich § 5 Abs 2 KMG alt noch nicht näher untersucht. Lediglich Zivny (in Kapitalmarktgesetz2 § 5 Rz 20) hält – allerdings ohne nähere Begründung – fest, dass das Rücktrittsrecht iSd § 5 Abs 2 KMG alt direkt gegenüber dem Emittenten bzw gegenüber dem Anbieter, wenn der Emittent Ausländer sei, bestehe. Ganz allgemein verweist er jedoch ebenfalls unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs darauf, dass das Rücktrittsrecht grundsätzlich gegenüber dem Vertragspartner des Verbraucheranlegers ausgeübt werden könne (Zivny, Kapitalmarktgesetz2 § 5 Rz 18).

4.3. Die Revisionswerberin vermag für eine von § 5 Abs 1 KMG alt abweichende Auslegung des § 5 Abs 2 KMG alt keine stichhältigen Argumente ins Treffen zu führen. Richtig ist zwar, dass die Beklagte in der gegenständlichen Konstellation als Anbieterin iSd § 1 Z 6 KMG alt gemäß § 14 Abs 3 KMG alt verpflichtet gewesen wäre, der Klägerin den Erwerb der Anlage bei Vertragsabschluss schriftlich zu bestätigen. Diese Pflicht zur Ausstellung von Bestätigungen über das Rechtsverhältnis dient jedoch lediglich der zusätzlichen Information der Anleger, weil die Veranlagung in Immobilien in der Regel über unterschiedlichste gesellschaftsrechtliche Konstruktionen erfolgt, sodass die Anleger häufig keine Wertpapiere erhalten (RV 147 BlgNR 18. GP  21). Wollte der Gesetzgeber mit § 5 Abs 2 KMG alt eine von § 5 Abs 1 KMG alt getrennt zu sehende „gesetzliche Haftung“ (sui generis) normieren, dann wäre zu erwarten gewesen, dass er auch den in § 14 Abs 3 KMG alt ausdrücklich umfassten Personenkreis in die Regelung des § 5 Abs 2 KMG alt aufnimmt. Die auch dem Anbieter auferlegte Verpflichtung zur Ausstellung einer Anlegerbestätigung ist diesfalls auch keineswegs inhaltsleer, sondern gewährt dem Anleger auch bei Nichtbeachtung durch den Anbieter ein Rücktrittsrecht gegenüber dem Vertragspartner des Anlegers, selbst wenn Letzterer seine eigenen Pflichten gegenüber dem Anleger nicht verletzt hat. Damit werden Finanzintermediäre gewarnt, zu prüfen und Vorsorge dafür zu treffen, dass Erstanbieter und Emittenten ihren Prospekt- und sonstigen Informationspflichten auch tatsächlich nachkommen (Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht2 § 7 Rz 39). Dies dient wiederum dem Schutz des Verbrauchers.

4.4. Die Klägerin nimmt die Beklagte ausschließlich als inländische (prospektpflichtige) Anbieterin iSd § 1 Z 6 KMG alt in Anspruch. Sie behauptet nicht, die Veranlagung von der Beklagten als letzter Veräußerin erworben zu haben. Dies ergibt sich auch nicht aus den Feststellungen.

5. Die von der Beklagten eventualiter ins Treffen geführte Frage des anwendbaren Rechts stellt sich nach Lage des Falls nicht.

Der unbegründeten Revision der Klägerin ist nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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