European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00219.20I.0126.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Minderjährige lebt bei seiner allein obsorgeberechtigten Mutter. Der Vater ist aufgrund des Beschlusses des Erstgerichts vom 1. Jänner 2018 in Verbindung mit dem Beschluss des Rekursgerichts vom 27. April 2018 berechtigt, mit M***** jeden Donnerstag von 12:00 Uhr bis 17:00 Uhr und alle 14 Tage von Samstag 9:30 Uhr bis Sonntag 17:00 Uhr Kontakt zu pflegen. In dem diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Verfahren wehrte sich die Mutter gegen das Ausmaß des Kontaktrechts und vertrat (erfolglos) den Standpunkt, dass eine Übernachtung dem Kindeswohl widerspreche.
[2] In weiterer Folge konnte der Vater mangels aktiver Mitarbeit und Unterstützung der Mutter das Kontaktrecht im zugesprochenen Ausmaß (insbesondere die Übernachtung am Wochenende) nicht ausüben.
[3] Mit Beschluss vom 14. November 2018 verhängte das Erstgericht über die Mutter eine Geldstrafe von 300 EUR zur zwangsweisen Durchsetzung der angeordneten persönlichen Kontakte zwischen dem Vater und dem Minderjährigen. Die Mutter zeige keine Bereitschaft zu einer aktiven und unterstützenden Mitarbeit zur konstruktiven Umsetzung der Kontaktrechtsentscheidungen und bemühe sich auch nicht, allfälligen ablehnenden Äußerungen des Minderjährigen entgegenzuwirken.
[4] Ein von der Mutter gegen diesen Beschluss erhobenes Rechtsmittel blieb erfolglos.
[5] Am 10. Dezember 2018 stellte der Vater einen weiteren Antrag auf Verhängung von Zwangsmaßnahmen gegen die Mutter, weil die Kontakte mit seinem Sohn infolge des Verhaltens der Mutter nach wie vor nicht funktionierten.
[6] Die Mutter sprach sich gegen diesen Antrag aus und beantragte die Einschränkung des Kontaktrechts des Vaters dahin, dass dem Vater nur mehr jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat ein dreistündiges Kontaktrecht von 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr zustehe. Ein Kontaktrecht in diesem Ausmaß sei mehr als genug, zumal das Kind auch nicht länger beim Vater bleiben möchte.
[7] Mit Beschluss vom 15. März 2019 hielt das Erstgericht auf Antrag des Vaters das Verfahren über die offenen Anträge für die Dauer von drei Monaten inne und trug den Eltern die Absolvierung einer gemeinsamen Elternberatung auf. Eine solche Beratung fand in der Folge jedoch aufgrund der Weigerung der Mutter nicht statt.
[8] Nach Fortsetzung des Verfahrens beantragte der Vater in der Verhandlung vom 25. Oktober 2019 abermals die Innehaltung des Verfahrens bezüglich der zwangsweisen Durchsetzung des Kontaktrechts, um es der Mutter doch noch zu ermöglichen, konsensual zur Umsetzung der gerichtlichen Kontaktrechtsregelung beizutragen. Daraufhin hielt das Erstgericht das Verfahren für weitere drei Monate inne.
[9] Nach der Fortsetzung des Verfahrens betonte die Mutter mehrmals, dass sie sich trotz Zwangsmaßnahmen weiterhin nicht an die bestehende rechtskräftige Kontaktregelung halten werde, „weil das Kind das so nicht wolle“.
[10] In weiterer Folge verhängte das Erstgericht zur zwangsweisen Durchsetzung der angeordneten persönlichen Kontakte zwischen dem Vater und dem Minderjährigen über die Mutter eine weitere Geldstrafe von 1.000 EUR. Es stellte fest, dass die aufgetragene gemeinsame Elternberatung aufgrund der Ablehnung der Mutter nicht zustande kam. Eine aktive Mitarbeit und Unterstützung für die angeordneten Kontakte ist ihrerseits nach wie vor nicht gegeben. Sie bemüht sich im Hinblick auf eine konstruktive Umsetzung der Entscheidung auch nicht, allfälligen ablehnenden Äußerungen des Kindes entgegenzuwirken, sondern steht auf dem Standpunkt, das Kind wolle die Kontakte in dieser Form nicht leben, weshalb sie ungeachtet aller Zwangsmaßnahmen die angeordnete Kontaktregelung nicht umsetzen werde. Es liegt keine Evidenz dafür vor, dass das Kind den Kontakt zum Vater bei entsprechender Toleranz und Unterstützung durch die Mutter ablehnen sollte. Die Mutter arbeitet als Volksschullehrerin mit einem dementsprechenden Einkommen. In rechtlicher Sicht ging das Erstgericht davon aus, dass Zwangsmaßnahmen anzuordnen seien, wenn der betreuende Elternteil keine konkrete Bereitschaft zeige und keinen aktiven Beitrag leiste, die festgelegten Kontakte umzusetzen. Es sei kein plausibler Grund vorgebracht worden, um die beantragte zwangsweise Durchsetzung zu versagen. Der Ansicht, dass die Umsetzung der Kontaktregelung das Wohlergehen des achtjährigen Kindes gefährde, sei nicht beizutreten. Die Höhe der verhängten Geldstrafe solle in Relation zum Einkommen des betreuenden Elternteils sowie zur Art und Dauer der Pflichtverletzung stehen und eine ausreichende Motivation für künftiges rechtskonformes Verhalten mit sich bringen.
[11] Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Mutter keine Folge. Die Mutter sei ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, alles ihr Zumutbare zu unternehmen, um in aktiver Weise dem Vater aus dem Kontaktrechtstitel Berechtigten den persönlichen Verkehr zu ermöglichen. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
[12] Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter ist mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.
[13] Die Mutter räumt in ihrem Rechtsmittel ein, dass das Gericht Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung von rechtskräftig angeordneten persönlichen Kontakten verhängen und der Kontakt des Vaters nicht zur Gänze eingestellt werden könne. Als erhebliche Rechtsfrage macht sie (ausschließlich) den Umstand geltend, dass sich die Verhängung von Zwangsmaßnahmen im Anlassfall nicht im Rahmen der „Angemessenheit“ bewege, wobei dazu keine gesicherte Rechtsprechung bestehe. Es fehle hier die Angemessenheit, weil der Antrag der Mutter auf Einschränkung des Kontaktrechts noch offen sei und auch der Vater mehrfach mit der Innehaltung des Verfahrens einverstanden gewesen sei und er es selbst offensichtlich nicht für erforderlich erachtet habe, die gerichtlich festgesetzten Kontakte auch durchzusetzen.
[14] Damit zeigt die Mutter keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[15] 1.1 Der mit einem Kontaktrechtstitel Belastete muss über die Abstandnahme von einer negativen Beeinflussung des Kindes hinaus alles ihm Zumutbare unternehmen, um in aktiver Weise dem daraus Berechtigten den persönlichen Verkehr mit dem Kind selbst gegen dessen Willen zu ermöglichen (RS0007336).
[16] 1.2 Die Entscheidung der Vorinstanzen hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung. Mit der Argumentation, dass die Mutter ihren Sohn zu Kontakten zum Vater positiv motiviert habe, entfernt sich das Rechtsmittel von den getroffenen Feststellungen.
[17] 2. Eine Unterbindung der persönlichen Kontakte trotz eines rechtskräftigen Titels ist nur in Ausnahmefällen und nur aus besonders schwerwiegenden Gründen zulässig, etwa wenn die Ausübung des Rechts das Wohl des Kindes gefährdet (RS0008614; vgl RS0047754). Die Aufrechterhaltung des Kontakts zu beiden Elternteilen ist nämlich für eine gedeihliche Entwicklung des Kindes erforderlich und liegt daher im wohlverstandenen Interesse des Kindes (RS0048072).
[18] 2.1 Insoweit die Mutter gegen die „Angemessenheit“ der verhängten Maßnahme argumentiert, dass über ihren Antrag auf Einschränkung der Kontaktrechtsausübung noch nicht entschieden worden sei, wirft sie damit keine erhebliche Rechtsfrage auf. Es bedarf keiner Korrektur, dass die Vorinstanzen allein wegen des noch offenen Antrags mangels schwerwiegenden Grundes nicht von der Durchsetzung der Kontaktregelung Abstand nahmen.
[19] 2.2 Eine Gefährdung des Kindeswohls liegt nach den Feststellungen nicht vor. Mit der pauschalen Aussage im Rechtsmittel, ein vermehrter Kontakt des Kindes zum Vater entspräche nicht dem Kindeswohl, kann die Mutter eine Gefährdung des Kindeswohls auch nicht nachvollziehbar begründen. Ihr Vorwurf, der Vater habe die bisherigen Kontakte zum Sohn nicht „kindgerecht“ gestaltet, wird durch den Hinweis auf eine Wanderung mit dem Kind oder die unbegleitete Teilnahme von M***** an einer Kindergeburtstagsfeier nicht schlüssig untermauert.
[20] 3. Auch der Umstand, dass der Vater im Verfahren zur zwangsweisen Durchsetzung des Kontaktrechts im Frühjahr und Herbst 2019 mit einer Innehaltung einverstanden war, kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stützen. Eine solche Innehaltung dient zur Förderung einer einvernehmlichen Lösung (§ 29 Abs 1 AußStrG), die im Anlassfall aber nicht zustande kam. Das wird von der Mutter in ihrem Rechtsmittel ebenso ausgeblendet, wie der Umstand, dass der Vater nach der Fortsetzung des Verfahrens seinen Antrag auf zwangsweise Durchsetzung der Kontaktrechtsregelung ausdrücklich aufrecht hielt.
[21] 4.1 In der Regel kann die Frage, ob eine Zwangsmaßnahme zu verhängen ist, nur nach den Umständen des Einzelfalls entschieden werden. Ihr kommt, wenn nicht zur Wahrung der Rechtssicherheit wegen einer krassen Fehlbeurteilung ein Aufgreifen durch den Obersten Gerichtshof erforderlich ist, regelmäßig keine erhebliche Bedeutung zu (RS0007203 [T3, T4], RS0008614 [T4]).
[22] 4.2 Die Verhängung einer Geldstrafe über die Mutter, die die Ausübung des Kontaktrechts des Vaters im gerichtlich festgelegten Ausmaß seit Jahren vereitelt hat, indem sie sich weigerte, die gerichtlichen Entscheidungen konstruktiv umzusetzen und positiv auf den Minderjährigen einzuwirken, seinen Vater auch am Wochenende bzw unter der Woche über drei Stunden hinausgehend zu treffen, ist nicht zu beanstanden.
[23] 5.1 Auch unter Berücksichtigung der Umstände, dass zum einen über die Mutter bereits rechtskräftig eine Strafe ohne Auswirkung auf ihr Verhalten verhängt wurde und zum anderen die Mutter zuletzt ankündigte, sie werde sich weiterhin nicht an die bestehende rechtskräftige Kontaktregelung halten, erscheint die Strafe auch in der verhängten Höhe von 1.000 EUR vertretbar.
[24] 5.2 Im Rechtsmittel wird auch nicht konkret behauptet, dass der Mutter, die als Volksschullehrerin ein geregeltes Einkommen bezieht, die Begleichung der Strafe nicht möglich sein soll. Insoweit die Mutter nur sehr vage „Erhebungen“ über ihre Vermögensverhältnisse vermisst, liegt der damit geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vor. In Wahrheit macht die Mutter damit (erstmals) einen Verfahrensmangel des Erstgerichts geltend. Eine im Rekursverfahren nicht vorgebrachte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens kann aber im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr nachgeholt werden (RS0030748 [T3, T8]).
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