European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0150OS00003.20K.1223.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu 1./, 2./, 4./ und 10./, demzufolge auch in der nach § 29 StGB gebildeten Subsumtionseinheit sowie im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und im Verfallserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft gebliebenen Freispruch enthält, wurde der österreichische Staatsbürger M***** H***** des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1a und Abs 2, 15 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er zwischen April 2016 und 27. Februar 2019 „in S*****, I***** (Deutschland), A*****, D***** (Schweiz), T*****, P***** (Slowenien), R*****, U***** (Schweden), L***** (Finnland), L***** (Norwegen), R***** und andernorts“ mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, nachgenannte Sportveranstalter, Sponsoren, Dienstgeber und Unterstützer durch Täuschung über die Anwendung einer verbotenen Methode und eines verbotenen Wirkstoffs nach der Anlage der Anti-Doping-Konvention, BGBl Nr 451/1991, zu Zwecken des Dopings im Sport, nämlich von Blutdoping und (ab Herbst 2017; US 7) von Wachstumshormonen (US 10: Wirkstoff Gonadorelin), zu Handlungen verleitet, nämlich zur Auszahlung von Platzierungsprämien, Sponsorengeldern und Entlohnungen, zur Tragung von Übernachtungskosten und Überlassung von Schiausrüstung, wodurch die Genannten im Ausmaß von insgesamt etwa 34.000 Euro an ihrem Vermögen geschädigt wurden, somit einen Betrug mit mehr als nur geringem Schaden begangen, und zwar
1./ am 10. Dezember 2017 die Veranstalter des Weltcuprennens in D***** (Schweiz) zur Auszahlung eines Preisgelds von 400 CHF (ca 365 Euro),
2./ im Februar 2017 die Veranstalter der Weltmeisterschaft in L***** (Finnland) zur Tragung von Übernachtungskosten von 960 CHF (ca 876 Euro),
3./ am 28. Jänner 2018 die Veranstalter des Weltcuprennens in S***** zur Auszahlung eines Preisgeldes von 500 CHF (ca 456 Euro),
4./ am 26. Jänner 2019 die Veranstalter des Weltcuprennens in U***** (Schweden) zur Auszahlung (US 8: eines Preisgeldes) von 175 CHF (ca 159 Euro),
5./ im Februar 2019 die Veranstalter der Weltmeisterschaft in S***** zur Leistung (US 9: Tragung von Übernachtungskosten) von 960 CHF (ca 876 Euro),
6./ in der Saison 2016/2017 Verantwortliche des Tourismusverbands R***** zur Zahlung von 2.520 Euro,
7./ in der Saison 2017/2018 Verantwortliche des Tourismusverbands R***** zur Zahlung von 8.820 Euro,
8./ in der Saison 2018/2019 Verantwortliche des Tourismusverbands R***** zur Zahlung von 7.000 Euro,
9./ in den Saisonen 2016/2017, 2017/2018 und 2018/2019 den Sportausrüster F***** GmbH zu Sachleistungen (US 8: in Form der leihweisen Überlassung) von Schiern, Bindungen und Schuhen im Gesamtwert von zumindest 3.000 Euro,
10./ im Tatzeitraum weitere Veranstalter von Schirennen „in Österreich, Deutschland, Schweden, Finnland, Norwegen und andernorts“ zu Zahlungen (US 21: von Prämien oder Preisgeldern) in unbekannter Höhe, wobei es (US 9: mangels Erreichens der erforderlichen Platzierungen) beim Versuch blieb,
11./ ab 1. Oktober 2018 bis 4. März 2019 die Republik Österreich als Dienstgeber zu monatlichen Gehaltszahlungen in der Höhe von insgesamt 10.001,71 Euro.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet unter Verweis auf und teilweiser Wiedergabe von im wissenschaftlichen Schrifttum zum Sport‑ bzw Dopingbetrug vertretenen – allerdings nicht zwischen Tatsachen‑ und Rechtsebene differenzierenden (vgl auch RIS‑Justiz RS0116672) –Meinungen, dass in Bezug auf von Veranstaltern getragene Übernachtungskosten (2./ und 5./), Sponsorengelder (6./, 7./, 8./ und 9./) und Gehaltszahlungen des Dienstgebers (11./) der Tatbestand des Betrugs mangels Eintritts eines Vermögensschadens nicht erfüllt sei.
[5] Entgegen dem Vorbringen, die Unterkunftskosten (2./ und 5./) seien unabhängig von allfälligen Leistungen des einzelnen Sportlers geleistet worden, die Übernahme von Unterkunftskosten resultiere aus der Startzusage, eine solche würde der Werbung und Finanzierung der Sportveranstaltung dienen und der Veranstalter würde für die vorab entstandenen Kosten keine materiell messbare Gegenleistung erwarten, sind dem Urteil keine entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen zu entnehmen.
[6] Das Rechtsmittel vernachlässigt (RIS‑Justiz RS0099810) vielmehr die – auf der Tatsachenebene nicht bekämpften – Urteilsaussagen, wonach H***** in gedoptem Zustand nicht an den Sportveranstaltungen hätte teilnehmen dürfen und (in seinen Vorsatz aufgenommen) selbst eine in sportlicher und auch sonst in jeder Hinsicht wertlose Leistung erbrachte (US 9 f, 20, 23). Weshalb – ausgehend von diesen Feststellungen zum objektiven Wertder (allenfalls geschuldeten)Leistung des Angeklagten und zum von ihm veranlassten Irrtum der Genannten über die von ihm tatsächlich angewendeten verbotenen Praktiken – bei den Genannten kein Vermögensschaden in voller Höhe eingetreten sein soll (vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 67), erklärt die von anderen Sachverhaltsprämissen ausgehende Beschwerde nicht (RIS‑Justiz RS0116565).
[7] Soweit der Angeklagte Veranstaltern „keine materiell messbare Gegenleistung“ geschuldet haben will, lässt er auch offen, aus welchem Grund dann – ausgehend von den Urteilsfeststellungen – der Zweck der vermögenswerten Gaben der Getäuschten nicht verfehlt worden sein soll, hätten sie ihre Zuwendungen bei Kenntnis vom Doping des Beschwerdeführers doch nicht erbracht (US 7 ff, 15 ff, 20, 23 f; vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 51, 68).
[8] Schließlich wird auch nicht dargelegt, weshalb es für die Frage nach gerichtlicher Strafbarkeit (oder rechtsrichtiger Subsumtion) auf den Eintritt eines Vermögensschadens ankommen sollte, obwohl Versuch (§ 15 StGB) und Vollendung gleichwertig sind, wenn – wie hier den insoweit unbekämpften Feststellungen zufolge (US 10, 15 ff, 19) – vom Angeklagten ein entsprechender Schaden intendiert war (vgl RIS‑Justiz RS0122138; Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 130).
[9] Gleiches gilt für das gegen 6./, 7./, 8./ und 9./ gerichtete, abermals nicht am Urteilssachverhalt (laut US 7 war dem Tourismusverband R***** eine „positive Präsentation des T*****“ geschuldet, laut US 20 standen allenfalls durch „sauberen“ Wettkampf geschuldete Werbeleistungen des Sportlers in Rede) orientierte Vorbringen, der Angeklagte habe die ihn treffenden Verpflichtungen seiner Sponsoringverträge stets zur Zufriedenheit seiner Sponsoren erfüllt, die von ihm erwartete Gegenleistung in Form der Lukrierung eines Werbewerts erbracht und eine „materiell messbare Gegenleistung“ nie geschuldet.
[10] Zu 11./ enthält die Rechtsrüge keine Ausführungen (vgl § 285a Z 2 StPO), weshalb sie sich einer Erwiderung entzieht.
[11] Die Darstellung der Diversionsrüge (Z 10a) ist– unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens der Voraussetzungen nach § 198 StPO – auf der Basis der Urteilsfeststellungen methodisch korrekt zu entwickeln (RIS‑Justiz RS0124801, RS0116823). Diesen Kriterien wird die Beschwerde nicht gerecht.
[12] Denn indem die Rüge unter Verweis auf das „bereits vor der Polizei [abgelegte] reumütige Geständnis, das zur Wahrheitsfindung beigetragen hat“ und das teilweise Schuldeingeständnis in der Hauptverhandlung eine Verantwortungsübernahme des Angeklagten behauptet, vernachlässigt sie die Urteilsausführungen, wonach H***** sein bei den polizeilichen Vernehmungen ursprünglich abgelegtes reumütiges Geständnis im Lauf der Hauptverhandlung, insbesondere betreffend die innere Tatseite, immer mehr abschwächte, er zwar das verbotene Doping weiter vollumfänglich zugestand (US 14, 16), jedoch die Schadenshöhe (US 12) und in der Folge Schädigungs‑ und Bereicherungsvorsatz bestritt (US 14 ff, 17, 24 f) und insofern keine (von entsprechendem Unrechtsbewusstsein für strafrechtlich relevantes Fehlverhalten gegenüber den Veranstaltern, den Sponsoren und dem Dienstgeber getragene) Verantwortungsübernahme (mehr) vorlag (US 25).
[13] Da die Diversionsvoraussetzungen kumulativ vorliegen müssen, erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Vorbringen dazu.
[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[15] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof – im Wesentlichen in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur –, dass das angefochtene Urteil zu 1./, 2./, 4./ und 10./ des Schuldspruchs mit nicht geltend gemachter materiell-rechtlicher Nichtigkeit behaftet ist, die dem Angeklagten zum Nachteil gereicht und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
[16] Ein gemäß § 62 StGB die österreichische Strafgerichtsbarkeit begründender inländischer Tatort liegt vor, wenn der Ort, an dem der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen, im Inland liegt; im Fall von Erfolgsdelikten (vgl RIS‑Justiz RS0092073 [T6]; hier: § 146 StGB) auch, wenn ein dem Tatbild entsprechender Erfolg (hier: Vermögensschaden) ganz oder zum Teil im Inland eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters hätte eintreten sollen (§ 67 Abs 2 StGB). Ein (bloßer) Zwischenerfolg oder das Setzen (schon) eines Teils der Handlung in Österreich genügt (RIS‑Justiz RS0092073, RS0091861).
[17] Auf der Tatsachenbasis des Ersturteils lässt sich – mangels Darstellung der Anmeldemodalitäten, der weiteren Tatumstände und des Tatplans – derzeit nicht beurteilen, inwiefern der Angeklagte zu den von 1./, 2./ und 4./ des Schuldspruchs umfassten – sowohl voneinander als auch von den übrigen abgegrenzten – Taten, die im Ausland veranstaltete Wettbewerbe betrafen (US 2, 7), (auch) im Inland betrugsspezifische Ausführungshandlungen gesetzt hat (vgl dazu auch RIS‑Justiz RS0089453, RS0089830, RS0094550; Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 124 ff; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 146 Rz 66; Fabrizy, StGB13 § 146 Rz 10) oder allenfalls ein Erfolg im Inland eingetreten ist.
[18] Gleiches gilt für die zu 10./ des Schuldspruchs angeführten Taten. Nur bei einer gleichartigen Verbrechensmenge würden im Fall der Begehung eines Teils solcher Taten im Inland auch (unspezifiziert) im Ausland begangene Taten nach § 62 StGB der inländischen Gerichtsbarkeit unterliegen (RIS‑Justiz RS0116736 [T10], RS0119552 [T14], vgl auch RS0092377 [T3]).
[19] Nach den Feststellungen zu 10./ ist der Angeklagte bei einem (zahlenmäßig spezifizierten) Teil der Wettkämpfe in (Süd‑)Korea angetreten (vgl US 21: drei Einzelbewerbe und ein Teambewerb). Unklar bleibt im Hinblick auf die nicht kongruente Bezugnahme (im Tenor und in den Urteilsgründen – vgl US 1, 3, 7, 21 sowie ON 26 S 1, 8 ff) auf eine Mehrzahl von weiteren im In‑ und Ausland ohne Erfolg besuchten Wettkämpfen, inwieweit es sich bei im Rahmen der Beweiswürdigung angeführten Bewerben (US 21: „neun Einzelweltcups, ein WM‑Teamsprint“) um eine abschließende oder um eine bloß beispielhafte Aussage handeln soll und wo diese Bewerbe konkret stattgefunden haben. Es kann daher nicht abschließend beurteilt werden, ob von 10./ (auch) eine Mehrzahl von bloß pauschal individualisierten gleichartigen Taten erfasst ist (vgl RIS‑Justiz RS0098725).
[20] Da Anknüpfungspunkte iSd § 64 StGB fallbezogen nicht in Rede stehen, wäre im Fall von (reinen) Auslandstaten zu beachten, dass inländische Gerichtsbarkeit nach § 65 Abs 1 Z 1 StGB nur in Betracht kommt, wenn die konkreten Taten auch nach den Gesetzen des (jeweils festgestellten) Tatorts mit Strafe bedroht sind, also sämtliche (objektive und insbesondere auch subjektive) Tatbestandsmerkmale einer in Betracht kommenden ausländischen Strafnorm erfüllt sind, und darüber hinaus die Strafbarkeit der Auslandstat auch nach den Gesetzen des Tatorts noch nicht erloschen ist (vgl RIS‑Justiz RS0092377; siehe auch Salimi in WK2 StGB § 65 Rz 5 f, 29 ff; Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 § 65 Rz 9 ff).
[21] Die aufgezeigten Rechtsfehler mangels Feststellungen führten zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei nichtöffentlicher Beratung (§§ 285e, 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz, 289, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).
[22] Mit ihrer Berufung waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
[23] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO; die amtswegige Maßnahme ist davon nicht umfasst (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12).
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