European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130514
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
I. Der Revisionsrekurs gegen den Berichtigungsbeschluss vom 25. August 2020, GZ 48 R 138/20d‑47, wird zurückgewiesen.
II. Dem Revisionsrekurs gegen den Beschluss vom 23. Juli 2020, GZ 48 R 138/20d‑43, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 25. August 2020, GZ 48 R 138/20d‑47, wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
[1] Mit dem Scheidungsvergleich vom 24. 8. 2011 verpflichtete sich der Vater, dem damals fünfjährigen Kind ab 1. 10. 2011 einen monatlichen Unterhalt von 512 EUR zu leisten (Punkt 1.). Vergleichsgrundlage war ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters von 4.473 EUR, ein Unterhaltsstopp beim zweifachen Regelbedarf sowie der Bezug der Familienbeihilfe durch die Mutter. Der Vater verpflichtete sich „zusätzlich“ jeweils die Hälfte künftig anfallender Schulgebühren sowie der mit schulischen Aktivitäten verbundenen Kosten zu zahlen (Punkt 2.). Der Vergleich wurde pflegschaftsgerichtlich genehmigt.
[2] Am 21. 10. 2019 schloss der Kinder- und Jugendhilfeträger als Vertreter des Minderjährigen mit dem Vater eine Vereinbarung, in der sich Letzterer verpflichtete, ab 1. 9. 2019 einen monatlichen Unterhalt von 1.000 EUR zu leisten. Dieser Vereinbarung wurde ein Durchschnittsnettoeinkommen von 4.850 EUR zugrunde gelegt. Der Unterhalt wurde mit dem Zweieinhalbfachen des Durchschnittsbedarfs limitiert.
[3] Am 29. 11. 2019 stellte das Kind, vertreten durch den Kinder- und Jugendhilfeträger den mit Eingabe vom 5. 3. 2020 modifizierten Antrag, den Vater zur Leistung eines Unterhalts für die Zeit vom 1. 12. 2016 bis 31. 8. 2019 in Höhe von insgesamt 14.355 EUR zu verpflichten.
[4] Der Vater sprach sich dagegen aus. Insbesondere wandte er ein, bei Abschluss der Unterhaltsvereinbarung vom 21. 10. 2019 sei erörtert worden, dass mit dem Abschluss sowohl der Unterhalt für die Vergangenheit als auch das bisher geleistete Schulgeld erledigt seien. Es liege daher verglichene Rechtssache vor.
[5] Soweit für das Rechtsmittelverfahren von Relevanz, verpflichtete das Erstgericht den Vater mit Beschluss vom 3. 6. 2020 antragsgemäß zur Zahlung eines weiteren Unterhaltsbetrags von 14.355 EUR für den Zeitraum 1. 12. 2016 bis 31. 8. 2019. Eine vor Gericht geschlossene Vereinbarung über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen sei gemäß § 190 Abs 3 ABGB zwar für den Unterhaltspflichtigen, nicht jedoch für das Kind verpflichtend. Das Kind könne daher jederzeit eine Unterhaltserhöhung auch für die Vergangenheit und über den Unterhaltsvergleich hinaus begehren, ohne dass es einer Sachverhaltsänderung bedürfe. Diese gesetzliche Bestimmung sei analog auch auf mit dem Kinder- und Jugendhilfeträger oder vor diesem abgeschlossene Unterhaltsvereinbarungen anzuwenden. Eine rückwirkende Unterhaltserhöhung ab 1. 12. 2016 sei im konkreten Fall somit jedenfalls möglich, weil sich die Umstände in der Leistungsfähigkeit des Vaters seit der letzten Unterhaltsbemessung wesentlich geändert hätten.
[6] Mit Beschluss vom 23. 7. 2020 gab das Rekursgericht dem Rekurs des Vaters teilweise Folge und verpflichtete ihn, dem Kind einen weiteren Unterhalt von 4.133 EUR (richtig: 11.228 EUR, siehe ON 47) für den Zeitraum 1. 12. 2016 bis 31. 8. 2019 zu zahlen. Das Mehrbegehren von 10.222 EUR (richtig: 3.127 EUR) wies es ab. § 190 Abs 3 ABGB sei analog auf mit dem Kinder- und Jugendhilfeträger abgeschlossene Unterhaltsvereinbarungen anzuwenden, weil dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden dürfe, dass er Unterhaltsvereinbarungen beim Kinder- und Jugendhilfeträger hinsichtlich der Nichtverbindlichkeit für das Kind schlechter ausgestalten wollte, als vor Gericht geschlossene Vereinbarungen. Die am 21. 10. 2019 mit der Wiener Kinder- und Jugendhilfe abgeschlossene Unterhaltsvereinbarung stehe dem rückwirkenden Unterhaltsbegehren des Kindes daher nicht entgegen. Zutreffend sei allerdings, dass nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dem Unterhaltsverpflichteten die verfassungsmäßig gebotene steuerliche Entlastung durch Anrechnung von Transferleistungen, insbesondere der Familienbeihilfe, [bis zur Einführung des Familienbonus Plus mit 1. 1. 2019] auch dann zugutekomme, wenn seine Leistungsfähigkeit wegen des bei Erreichen der Luxusgrenze angenommenen „Unterhaltsstopps“ nicht zur Gänze ausgeschöpft wird. Hingegen sei dem Erstgericht darin beizupflichten, dass das vom Vater in der Vergangenheit bezahlte Schulgeld von monatlich 215 EUR entsprechend dem Scheidungsvergleich vom 24. 8. 2011 zusätzlich zum monatlichen Unterhalt (von 512 EUR) zu leisten gewesen sei. Das Schulgeld sei daher nicht auf den monatlichen Unterhalt anzurechnen.
[7] Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage der analogen Anwendung des § 190 Abs 3 ABGB auf mit dem Kinder- und Jugendhilfeträger (oder vor diesem) abgeschlossene Unterhaltsvereinbarungen eine oberstgerichtliche Rechtsprechung – soweit überblickbar – fehle (§ 62 Abs 1 AußStrG); ebenso zur Frage, ob die sich aus der Bestimmung des § 190 Abs 3 ABGB ergebende Unverbindlichkeit einer gerichtlichen Unterhaltsvereinbarung für das Kind auch für den verglichenen Unterhaltsrückstand gelte.
[8] Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters, der auf eine gänzliche Antragsabweisung abzielt. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[9] Das Kind beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
[10] Mit Beschluss vom 25. 8. 2020 berichtigte das Rekursgericht den Spruch des Beschlusses vom 23. 7. 2020 dahin, dass dem Kind statt 4.133 EUR 11.228 EUR zuerkannt wurden und ein Mehrbegehren von 3.127 EUR statt 10.222 EUR abgewiesen wurde. Begründend führte es aus, bei der Berücksichtigung der vom Unterhaltsanspruch des Kindes in Abzug zu bringenden Zahlungen des Vaters sei ihm insofern ein offenkundiges Versehen unterlaufen, als es statt eines um das Schuldgeld verminderten Betrags von (nur) 512 EUR den gesamten monatlichen Betrag von 727 EUR abgezogen habe. Richtigerweise laute die Rechnung daher: 28.124 EUR – 512 EUR x 33 = 11.228 EUR. Dieser offenbare Rechnungsfehler sei zu berichtigen.
[11] Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
[12] Dagegen brachte der Vater eine „Ergänzung zum Revisionsrekurs“ ein, die sich erkennbar gegen die Berichtigung der Rekursentscheidung durch das Rekursgericht richtet und auf die ersatzlose Behebung dieses Beschlusses abzielt.
[13] Das Kind erstattete dazu keine Rechtsmittelbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
[14] I. Aus systematischen Erwägungen ist das Rechtsmittel gegen den Berichtigungsbeschluss vorab zu behandeln:
[15] 1. § 62 AußStrG erfasst nicht nur Rechtsmittel gegen Sachentscheidungen des Rekursgerichts, sondern regelt schlechthin die Anfechtbarkeit jeden Beschlusses des Rekursgerichts (RIS‑Justiz RS0120565). Da auch ein Berichtigungsbeschluss des Rekursgerichts „im Rahmen des Rekursverfahrens“ ergeht, unterliegt auch er den Regeln des § 62 AußStrG und ist nur unter den Voraussetzungen dieser Bestimmung anfechtbar (RS0121524). Das Rekursgericht hat hier zwar ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG liegt allerdings nicht vor. Der Revisionsrekurs gegen den Berichtigungsbeschluss ist daher entgegen dem nicht bindenden Zulassungsausspruch des Rekursgerichts unzulässig.
[16] 2. Eine Berichtigung setzt nach den Bestimmungen der §§ 419, 430 ZPO (hier iVm § 41 AußStrG) eine „offenbare“ Unrichtigkeit voraus. Dies ist eine Unrichtigkeit dann, wenn sie sofort ins Auge springt (zuletzt etwa 9 ObA 137/19s mwN). Die Unrichtigkeit muss sich aus dem ganzen Zusammenhang ohne weiteres erkennbar ergeben, und zwar muss offensichtlich sein, dass das, was ausgesprochen wurde, nicht dem Willen des Gerichts zur Zeit der Fällung der Entscheidung entsprochen hat (RS0041362 [T2]).
[17] 3. Der Rechtsmittelwerber zitiert selbst die Ausführungen im berichtigten Beschluss, aus denen eindeutig hervorgeht, dass das Rekursgericht das vom Vater gezahlte Schulgeld [von 215 EUR monatlich] nicht auf den Unterhaltsrückstand anrechnen wollte, weil der Vater sich im Scheidungsvergleich dazu verpflichtet habe, diese Beträge zusätzlich zum monatlichen Unterhalt [von 512 EUR] zu leisten (Punkt 3. der Begründung). Mit dem Hinweis auf die vom Rekursgericht gegen Ende der Entscheidung (Punkt 5.2 des Begründung) angestellte Rechenoperation [„… ergibt sich ein Unterhaltsanspruch … von 28.124 EUR. Der Vater leistete darauf insgesamt 23.991 EUR (727 EUR x 33).“], deren Ergebnisse auch in den Spruch eingeflossen sind, zeigt der Vater keine Widersprüchlichkeit der Entscheidungsgründe auf: Dieser Passus bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass das Rekursgericht das Schulgeld doch zugunsten des Vaters hätte veranschlagen wollen. Vielmehr ergibt sich daraus nur, dass das Rekursgericht es unterlassen hat, das Schulgeld von 215 EUR monatlich aus dem insgesamt vom Vater gezahlten Betrag von 727 EUR monatlich herauszurechnen. Nicht zuletzt spricht der vom Vater gegen die (noch nicht berichtigte) Entscheidung erhobene Revisionsrekurs, mit dem er sich ua gegen die Nichtberücksichtigung des Schulgelds von monatlich 215 EUR wendet, dafür, dass er selbst keine Zweifel am Entscheidungswillen des Rekursgerichts hatte.
[18] 4. Der Revisionsrekurs war daher mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.
[19] II. Zum Revisionsrekurs gegen die Sachentscheidung:
[20] Das Rechtsmittel ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; es ist aber nicht berechtigt.
[21] 1.1 § 210 Abs 2 ABGB (der § 214 ABGB idF vor dem KindNamRÄG 2013 entspricht) bestimmt, dass der Kinder- und Jugendhilfeträger zum Abschluss von Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen nicht der Genehmigung des Gerichts bedarf. Vereinbarungen über Leistung des Unterhalts eines Minderjährigen, die vor dem Kinder- und Jugendhilfeträger oder von ihm geschlossen und von ihm beurkundet werden, haben nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung die Wirkung eines gerichtlichen Vergleichs.
[22] 1.2 Nach dem Inhalt der zwischen dem Vater und dem Kind, vertreten durch den Kinder- und Jugendhilfeträger, geschlossenen und vom Kinder- und Jugendhilfeträger beurkundeten Vereinbarung vom 21. 10. 2019 verpflichtete sich der Vater zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 1.000 EUR ab 1. 9. 2019.
[23] Darüber hinaus behauptet der Vater, mit dem Kinder- und Jugendhilfeträger erörtert zu haben, dass mit Abschluss dieser Vereinbarung der Unterhalt für die Vergangenheit (vor dem 1. 9. 2019) „erledigt“ sei. In der beurkundeten Vereinbarung wurde dazu allerdings nichts festgehalten. Feststellungen über die Gespräche zwischen dem Vater und dem Kinder- und Jugendhilfeträger haben die Vorinstanzen nicht getroffen.
[24] 1.3 Damit ist festzuhalten, dass nach dem Wortlaut der Vereinbarung der Unterhalt für die vor dem 1. 1. 2019 liegenden Zeiträume gar nicht geregelt wurde. Die angeblich dazu getroffene mündliche Absprache wäre als Verzicht des Unterhaltsberechtigten auf Erhöhung des Unterhalts trotz Eintritts wesentlich geänderter Verhältnisse seit dem Scheidungsvergleich im Jahr 2011 (konkret insbesondere Steigerung des monatlichen Durchschnittsnettoeinkommens des Vaters auf 6.616 EUR im Jahr 2017, 6.968 EUR im Jahr 2018 und 7.478 EUR im Jahr 2019) zu beurteilen (in diesem Sinn auch 1 Ob 152/13d).
[25] Die Frage, ob ein solcher Verzicht überhaupt als Vereinbarung „über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen“ im Sinn des § 210 Abs 2 ABGB gewertet werden könnte oder ob er nicht als Vereinbarung über den Grund des Unterhaltsanspruchs ohnehin einer gerichtlichen Genehmigung bedürfte (vgl Kathrein in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 214 ABGB Rz 12; Neuhauser in Schwimann/Kodek 5 § 231 ABGB Rz 18; 10 Ob 71/09b; 2 Ob 575/95), kann im vorliegenden Fall auf sich beruhen. Der Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass § 190 Abs 3 ABGB auch auf mit oder vor dem Kinder- und Jugendhilfeträger nach § 210 Abs 2 ABGB abgeschlossene Vereinbarungen anzuwenden ist, ist nämlich beizutreten.
[26] 2.1 Nach der durch das KindNamRÄG 2013 eingeführten Bestimmung des § 190 Abs 3 ABGB bedürfen vor Gericht geschlossene Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen zu ihrer Rechtswirksamkeit keiner gerichtlichen Genehmigung (mehr) und sind (nur) für den Unterhaltsverpflichteten verbindlich (vgl 1 Ob 151/17p).
[27] Nach den Gesetzesmaterialien sollte der Wegfall der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bei vor Gericht geschlossenen Unterhaltsvereinbarungen zwischen einem Elternteil und einem minderjährigen Kind die bisherige Praxis vereinfachen, ohne den Rechtsschutz des betroffenen Kindes zu schmälern. Soweit solche Vereinbarungen allfällige Ansprüche des Kindes daher nicht zur Gänze befriedigen sollten, könne jederzeit eine gerichtliche Erhöhung (auch ohne Änderung der der Vereinbarung zugrundeliegenden Umstände) beantragt werden (ErlRV 2004 BlgNR 24. GP 31).
[28] 2.2.1 Nach herrschender Meinung ist diese Bestimmung auch auf Vereinbarungen vor dem Kinder- und Jugendhilfeträger nach § 210 Abs 2 ABGB anzuwenden, weil nicht anzunehmen sei, dass der Gesetzgeber Unterhaltsvereinbarungen beim Kinder- und Jugendhilfeträger hinsichtlich der (Nicht‑)Verbindlichkeit für das Kind schlechter ausgestalten wollte, als vor Gericht geschlossene Unterhaltsvereinbarungen (Neuhauser in Schwimann/Kodek 5 § 231 ABGB Rz 20; Hopf/Höllwerth in KBB6 § 190 ABGB Rz 4; § 210 Rz 2; Neuhauser, iFamZ 2013, 26 [30]; A. Simma, EF‑Z 2015, 70 [70 f]; Gitschthaler, Unterhaltsrecht4 Rz 668 mwN). Weitzenböck (in Schwimann/Kodek 5 § 190 ABGB Rz 9) hält diesen Schluss zwar auf den ersten Blick für in sich schlüssig, aber unter Verweis auf eine von Gitschthaler (in Gitschthaler, KindNamRÄG 257 [268]) früher vertretene, aber nicht aufrechterhaltene Ansicht (ausdrücklich Gitschthaler, EF‑Z 2014, 76 [77]) ohne nähere Begründung für unzulässig (offenlassend Weitzenböck in Schwimann/Neumayr, Ta-Komm4 § 190 ABGB Rz 8).
[29] 2.2.2 In der höchstgerichtlichen Rechtsprechung wurde zu der Frage noch nicht Stellung genommen: In der Entscheidung 2 Ob 51/14k wurde sie offen gelassen. Die Entscheidung 1 Ob 15/14h betraf eine außergerichtlich geschlossene Vereinbarung zwischen den Eltern.
[30] 2.3 Die herrschende Meinung ist schon deshalb überzeugend, weil § 210 Abs 2 ABGB vor oder von dem Kinder- und Jugendhilfeträger geschlossenen und von ihm beurkundeten Vereinbarungen die Wirkung eines gerichtlichen Vergleichs verleiht. Diese Vereinbarungen können daher nicht mehr oder weniger Wirkung haben, als ein gerichtlicher Vergleich. Letzterer ist aber nach der Bestimmung des § 190 Abs 3 ABGB nur für den Unterhaltsverpflichteten verbindlich.
[31] Ein Grund dafür, warum für Vereinbarungen nach § 210 Abs 2 ABGB etwas anderes gelten sollte, als für vor Gericht geschlossene Vereinbarungen, ist nicht ersichtlich, zumal § 190 Abs 3 ABGB für sämtliche vor Gericht – also auch für vom Kinder- und Jugendhilfeträger als Vertreter des Kindes dort – geschlossene Vereinbarungen gilt. Entgegen der Meinung des Revisionsrekurswerbers ist diese Bestimmung daher nicht nur auf gerichtliche Vereinbarungen anwendbar, die ein Elternteil mit dem anderen Elternteil in dessen Eigenschaft als Vertreter des Kindes abschließt. Gegen die Annahme, dass Vereinbarungen im Sinn des § 210 Abs 2 ABGB für das Kind – anders als vor Gericht geschlossene Vereinbarungen – verbindlich sein sollten, spricht auch, wie Literatur und Schrifttum vielfach betonen, dass das Kind dann in diesen Fällen schlechter geschützt wäre.
[32] 2.4 Die Vorinstanzen sind daher richtig davon ausgegangen, dass eine allfällige (mündliche) Absprache des Vaters mit dem Kinder- und Jugendhilfeträger über die Bereinigung des Unterhaltsanspruchs des Kindes für den Zeitraum 1. 12. 2016 bis 31. 8. 2019 dem Antrag des Kindes auf Neubemessung des Unterhalts für diesen Zeitraum nicht entgegenstünde.
[33] 3.1 Der Revisionsrekurswerber wendet sich darüber hinaus gegen die Ansicht der Vorinstanzen, dass er sich mit dem Scheidungsvergleich vom 24. 8. 2011 verpflichtet habe, die Hälfte des Schuldgelds für das Kind zusätzlich zum monatlichen Unterhalt zu zahlen.
[34] Weicht eine Unterhaltsvereinbarung deutlich vom gesetzlichen Unterhalt ab und sind die von den Parteien zugrunde gelegten Bemessungsfaktoren („Vergleichsrelationen“) erkennbar, dann sind diese Bemessungsfaktoren auch bei der Anpassung der Unterhaltsvereinbarung an die geänderten Verhältnisse vorrangig zu berücksichtigen (2 Ob 51/14k; RS0019018 [T15]). Ob eine Unterhaltsvereinbarung richtig ausgelegt wurde, stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage dar (5 Ob 57/05a; vgl RS0113785). Der Vater zeigt mit seinem Hinweis auf die „Einheitlichkeit des Unterhaltsanspruchs“ keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung auf.
[35] 3.2 Auch wenn der Unterhaltsanspruch in der Rechtsprechung als einheitlicher Anspruch angesehen wird (vgl 4 Ob 51/17d mwN), ändert das nichts daran, dass sich der Vater hier ausdrücklich dazu verpflichtet hat, das Schuldgeld „zusätzlich“ zum monatlichen Unterhalt zu zahlen, ohne diese Zahlung von weiteren Prämissen abhängig zu machen. Seine Behauptung, er habe sich nur wegen eines Deckungsmangels zur zusätzlichen Zahlung des Schulgelds verpflichtet, geht weder vom Wortlaut des Scheidungsvergleichs noch von den getroffenen Feststellungen aus. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen – in Wahrung der Vergleichsrelationen zugunsten des Kindes – dem Vater das gezahlte Schulgeld nicht auf den rückständigen monatlichen Unterhalt angerechnet haben.
[36] 4. Dem Revisionsrekurs war aus all diesen Gründen nicht Folge zu geben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)