OGH 4Ob51/17d

OGH4Ob51/17d3.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Pflegschaftssache der V***** R*****, vertreten durch ihre Mutter Ing. E***** K*****, vertreten durch Putz‑Haas & Riehs‑Hilbert Rechtsanwälte OG in Wien, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. Jänner 2017, GZ 43 R 5/17d‑251, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 14. November 2016, GZ 2 Pu 259/11i‑246, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00051.17D.0503.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Die Minderjährige wohnt mit ihrer Mutter im gemeinsamen Haushalt, sie hat kein Einkommen.

Der Vater ist aufgrund des Beschlusses vom 6. September 2011 (ON 130) gegenüber seiner Tochter zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 342 EUR verpflichtet.

Die Tochter beantragte einerseits, den Vater zum Ersatz von Zahnbehandlungskosten von 1.312,50 EUR als Sonderbedarf zu verpflichten, und begehrte andererseits für den Zeitraum ab September 2011 eine Erhöhung der monatlichen Unterhaltsbeiträge in näher detaillierter Weise, abhängig von bestimmten Einkommenszeiträumen.

Das Erstgericht erhöhte die monatliche Unterhaltsleistung lediglich für das Jahr 2012 um 28 EUR auf insgesamt 370 EUR, verpflichtete den Vater darüber hinaus zu einer Sonderbedarfszahlung in Höhe von 716,50 EUR für die Zahnbehandlungskosten im Jahr 2013 und wies das darüber hinausgehende Unterhaltserhöhungs‑ sowie Sonderbe-darfsbegehren ab. Es legte (abgesehen von den in dritter Instanz nicht mehr strittigen Einkommensverhältnissen des Vaters) Zahnbehandlungskosten im Ausmaß von 1.280,50 EUR zugrunde (inzwischen ebenfalls unstrittig) und folgerte rechtlich, dass der Vater hievon lediglich 716,50 EUR als Sonderbedarf zuzüglich zum laufenden monatlichen Unterhalt zu bezahlen habe, weil er für das Jahr 2013 ohnehin um monatlich 47 EUR zu viel Unterhalt geleistet habe. Aufgrund seines Einkommens hätte der Vater im Jahr 2013 lediglich 295 EUR monatlich Unterhalt zu leisten gehabt, aufgrund rechtskräftiger Unterhaltsfestsetzung sei er jedoch zu einer monatlichen Leistung von 342 EUR verpflichtet gewesen. Der Vater habe durch Leistung des titelgemäßen Unterhalts einen Rückzahlungsanspruch erworben, welchen er gegen den Anspruch seiner Tochter auf Leistung des Sonderbedarfs aufrechnen habe können.

Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche Unterhaltsbemessung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage der „Aufrechnung“ einer Überzahlung aus laufendem Unterhalt mit dem Sonderbedarf fehle. Da der Vater im Jahr 2013 zwar Unterhalt unter dem Regelbedarf geleistet habe, jedoch mehr, als seiner gesetzlichen Verpflichtung entsprochen habe, habe er damit die ihn treffende Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt für den Sonderbedarf des Jahres 2013 schon teilweise erfüllt. Der Tochter sei daher nur die Differenz zwischen dem Sonderbedarfsbegehren und dem für das Jahr 2013 ausgemessenen Regelunterhalt zuzusprechen gewesen, ohne dass die Frage eines allfälligen gutgläubigen Verbrauchs der Unterhaltsleistungen zu prüfen gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Tochter, mit dem sie den Zuspruch der gesamten Sonderbedarfskosten von 1.280,50 EUR anstrebt, ist zur Klärung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

Gegenstand dieses Verfahrens ist die (nachträgliche) Bemessung des vom Vater für seine Tochter zu leistenden monatlichen Unterhalts, wobei auch zusätzlich die Frage zu prüfen ist, inwieweit der Vater den zahnbehandlungsbedingten Sonderbedarf (unstrittig 1.280,50 EUR im Jahr 2013) zu decken hat.

Auszugehen ist von der beschlussmäßigen und rechtskräftigen Verpflichtung des Vaters, seit September 2011 für seine Tochter monatlich 342 EUR Unterhalt zu leisten. Lediglich für das Jahr 2012 sahen die Vorinstanzen aufgrund des damals etwas höheren Einkommens des Vaters die Möglichkeit, den monatlichen Unterhaltsbetrag zu erhöhen (auf 370 EUR). Für das Jahr 2013 ergab sich einkommensbedingt ein zu leistender monatlicher Unterhaltsbeitrag von 295 EUR, darüber hinaus ein behandlungsbedingter Sonderbedarf von 1.280,50 EUR. Für das Jahr 2013 ergibt sich daher insgesamt ein Erhöhungsbedarf im Ausmaß von 716,50 EUR. Diesem richtigen Ergebnis des Erstgerichts liegt aber (im Sinn der zutreffenden Beurteilung des Rekursgerichts) keine Aufrechnung zugrunde, sondern lediglich die Bemessung des einheitlichen Unterhaltsanspruchs, ausgehend nicht bloß von den durchschnittlichen, sondern auch von den konkreten (den Sonderbedarf der Tochter infolge Zahnbehandlung zu berücksichtigenden) besonderen Bedürfnissen.

Der Unterhaltsanspruch wird in der Rechtsprechung als einheitlicher Anspruch angesehen, und zwar nicht nur, soweit es die Bewertung und die Rechtsmittelzulässigkeit betrifft (4 Ob 53/06g; RIS‑Justiz RS0118275; auch im Verhältnis von Regel‑ zu Sonderbedarf: 1 Ob 223/15y), sondern auch in materieller Hinsicht: Ein „Aufsplitten“ des Unterhaltsbeitrags in Leistungen zur Befriedigung des „sonstigen“ Unterhaltsbedarfs und des zweckgebundenen Sonderbedarfs wird abgelehnt (2 Ob 58/14i1 Ob 39/01v; vgl auch 10 Ob 63/14h; RIS‑Justiz RS0047525 [T2]).

Da Verfahrensgegenstand die (nachträgliche) Unterhaltsbemessung ist (und nicht etwa ein Rückforderungsanspruch des Unterhaltspflichtigen), stellt sich hier die Frage nach einem allfälligen Kondiktionsanspruch und nach dem – einem solchen allenfalls entgegenstehenden – Einwand gutgläubigen Verbrauchs (vgl RIS‑Justiz RS0033609, RS0047200) nicht.

Da die Vorinstanzen den für das Jahr 2013 vom Vater zu leistenden (auch den Sonderbedarf umfassenden) einheitlichen Unterhalt zutreffend ausgemessen haben, muss der Revisionsrekurs der Tochter scheitern.

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