European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00015.14H.0327.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung aufgetragen.
Begründung:
Die Eltern der 2005, 2007 und 2011 geborenen Minderjährigen führten im Oktober 2011 über ihre Rechtsvertreter einen Schriftverkehr über den Unterhalt der Kinder. Sie einigten sich letztlich darauf, dass der Vater ab 1. 11. 2011 monatliche Unterhaltsbeträge von 750, 590 und 460 EUR leisten sollte. Diese Beträge entsprachen etwa dem Zweieinhalbfachen des Durchschnittsbedarfs für die jeweilige Altersgruppe der Minderjährigen und sollten die sogenannte „Luxusgrenze“ sein. Diese außergerichtliche Einigung der Eltern über den Unterhalt der Kinder wurde nicht pflegschaftsgerichtlich genehmigt. Der Vater zahlte den Unterhalt in vereinbarter Höhe bis einschließlich April 2013.
Die Kinder beantragten, den Vater ab 1. 5. 2013 zu monatlichen Unterhaltszahlungen von 782,50, 607,50 und 475 EUR zu verpflichten. Nach Spannungen zwischen den Eltern habe der Vater eigenmächtig und willkürlich den vereinbarten Unterhalt der Kinder gekürzt.
Der Vater hielt dem Antrag entgegen, dass er bisher freiwillig den zweieinhalbfachen Regelbedarf ohne Anrechnung der Familienbeihilfe geleistet habe. Sein Einkommen rechtfertige die Festsetzung des Unterhaltsbetrags in Höhe des zweifachen Regelbedarfs, wobei die Familienbeihilfe noch anzurechnen sei. Seit Mai 2013 zahle er freiwillig für eine private Krankenversicherung monatlich 66,90 EUR für das älteste Kind, und jeweils 60,74 EUR für die beiden jüngeren Kinder.
Das Erstgericht verpflichtete den Vater ab 1. 5. 2013 zu monatlichen Unterhaltszahlungen von 556, 440 und 345 EUR abzüglich bereits geleisteter Zahlungen von 5.300 EUR. Bei dem überdurchschnittlichen jährlichen Einkommen des Vaters von 68.372,45 EUR netto zuzüglich eines Sachbezugs von 7.200 EUR sei zur Vermeidung einer pädagogisch schädlichen Überalimentierung eine Angemessenheitsgrenze als Unterhaltsstopp zu setzen. Als Richtwert gelte dabei bei Kindern unter zehn Jahren das Zweifache des Regelbedarfs. Der so bemessene Unterhaltsanspruch der Minderjährigen sei durch die Anrechnung der Familienbeihilfe zu kürzen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Minderjährigen Folge und setzte die monatlichen Unterhaltsbeiträge entsprechend dem Antrag der Kinder ab 1. 5. 2013 mit 782,50, 607,50 und 475 EUR abzüglich bereits geleisteter Zahlungen von 5.300 EUR fest. In der zwischen den Eltern geschlossenen Vereinbarung über den Unterhalt der Kinder sei dieser mit dem zweieinhalbfachen Regelbedarf ohne Anrechnung der Familienbeihilfe bindend festgelegt worden. Welche Bedeutung dieser Vereinbarung angesichts des Nichtvorliegens einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung zukomme, könne dahingestellt bleiben, weil ohnehin der gesetzliche Unterhaltsanspruch der Minderjährigen vereinbart worden sei. Die jährlichen Ausschüttungen aus einer Privatstiftung (rund 17.000 EUR) seinen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen.
Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob Ausschüttungen aus einer Privatstiftung die Unterhaltsbemessungsgrundlage erhöhten.
Der Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig und im Sinn einer Aufhebung der Entscheidung des Rekursgerichts berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0047424) ist die Prozentkomponente bei der Festsetzung des Unterhalts eines Kindes (nunmehr nach § 231 ABGB nF) nicht völlig auszuschöpfen, wenn es zu einer verschwenderischen vom vernünftigen Bedarf eines Kindes völlig losgelösten Überalimentierung kommen würde. Wo die Grenzen einer den Bedürfnissen des Kindes und dem Leistungsvermögen des Unterhaltsschuldners angemessenen Alimentierung zu ziehen sind (Luxusgrenze oder Unterhaltsstopp), lässt sich nur im Einzelfall beurteilen.
2. Der Vater bezog ein überdurchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 6.297,91 EUR, das auch ohne Einbeziehung der jährlichen Auszahlungen aus einer Privatstiftung (17.000 EUR) bei Ausschöpfung der Prozentkomponente monatliche Unterhaltsbeiträge ergäbe, welche die von den Minderjährigen geforderten und vom Rekursgericht ohne Anrechnung der Familienbeihilfe zugesprochenen, mit den Zweieinhalbfachen des Regelbedarfs begrenzten Beträge überstiegen.
3. In einer zwischen den Eltern geschlossenen außergerichtlichen, nicht pflegschaftsbehördlich genehmigten Vereinbarung hatte sich der Vater zu monatlichen Unterhaltsbeträgen etwa in Höhe des zweieinhalbfachen Durchschnittsbedarfs verpflichtet, die er auch etwa eineinhalb Jahre lang zahlte. Das Rekursgericht sah diese Vereinbarung als bindende Festsetzung des Kinderunterhalts in dieser Höhe an und billigte dem Umstand einer fehlenden pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung keine Bedeutung zu. Diese Rechtsansicht ist allerdings verfehlt.
4. Eine außergerichtliche Unterhaltsvereinbarung wie sie im vorliegenden Fall im Oktober 2011 über einen Schriftverkehr der Rechtsvertreter der Eltern zustande kam, muss nach Judikatur und Lehre pflegschaftsgerichtlich genehmigt werden, um sich auf den gesetzlichen Unterhaltsanspruch der Kinder auszuwirken (RIS‑Justiz RS0047513 [T6]; 1 Ob 98/97m mwN; Neuhauser in Schwimann/Kodek , ABGB 4 Bd 1a § 231 ABGB [idF des KindNamRÄG] Rz 6 mwN). Das im Schrifttum kontroversiell diskutierte Problem, ob § 190 Abs 3 ABGB in der Fassung des KindNamRÄG auch auf vor dem 1. 2. 2013 abgeschlossene Vereinbarungen über den Kindesunterhalt anzuwenden ist (bejahend jüngst 3 Ob 238/13s; siehe auch Barth/Vonkilch , Ausgewählte übergangsrechtliche Probleme des KindNamRÄG 2013. ‑ Zur intertemporalen Anwendung wichtiger Vorschriften des neuen Kindschaftsrechts, iFamZ 2013, 72 [74 f], Neuhauser aaO Rz 8) stellt sich hier nicht. Die zitierte neue Regelung betrifft nur vor Gericht geschlossene Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen.
5. Wenn das Rekursgericht offenbar der Meinung ist, die Festsetzung des Unterhalts in der Vereinbarung der Eltern sei nicht zum Nachteil der Kinder gewesen und hätte daher auch nicht pflegschaftsgerichtlich genehmigt werden müssen, übersieht es, dass der Zweck der Luxusgrenze gerade darin liegt, eine pädagogisch schädliche Überalimentierung zu verhindern und daher auch eine Überprüfung großzügiger Unterhaltsvereinbarungen durch das Pflegschaftsgericht letztlich dem Wohl des Kindes dienen soll. Mit dem Unterhalt in Höhe der Luxusgrenze erhält das Kind nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0117017) eben den gesetzlichen Unterhalt.
6. Nach der ständigen Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0117017) hat der Geldunterhaltspflichtige auch dann Anspruch darauf, durch entsprechende Berücksichtigung der Transferzahlungen steuerlich entlastet zu werden, wenn die Prozentkomponente aufgrund des Unterhaltsstopps bei überdurchschnittlichem Einkommen nicht voll ausgeschöpft wird. Dass sich der Vater in der Unterhaltsvereinbarung zu Unterhaltsbeiträgen in Höhe des zweieinhalbfachen Regelbedarfs ohne Anrechnung der Familienbeihilfe verpflichtete, kann auch aufgrund der fehlenden Bindung der Vereinbarung gegenüber den Kindern nicht als wirksamer Verzicht auf eine steuerliche Entlastung angesehen werden, die auch ohne den ‑ in diesem Fall ohnehin ‑ erhobenen Einwand des unterhaltspflichtigen Vaters im Verfahren über den Antrag der Kinder auf Festsetzung des Unterhalts von Amts wegen zu berücksichtigen gewesen wären (RIS‑Justiz RS0117764 [T9]).
7. In ihrem Antrag auf Festsetzung des Unterhalts setzten die Kinder selbst die Luxusgrenze mit dem zweieinhalbfachen Regelbedarf an. Diese Grenze trägt somit nach ihrer eigenen Auffassung dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen und den Lebensverhältnissen der Kinder Rechnung und entsprach auch der Vorstellung des Vaters in der Vereinbarung. Die Anrechnung der Transferzahlungen wurde nur mit dem ‑ wie bereits gezeigt ‑ unzutreffenden Argument einer bindenden Unterhaltsvereinbarung verneint. Es erscheint daher aus diesen Erwägungen durchaus sachgerecht, den gesetzlichen Unterhalt mit dem zweieinhalbfachen Regelbedarf festzusetzen. Die dem Zulassungsausspruch des Rekursgerichts zugrunde gelegte Frage der Erhöhung der Unterhaltsbemessungsgrundlage durch Einbeziehung der jährlichen Zuwendung aus einer Privatstiftung ist für die Festsetzung des gesetzlichen Unterhalts in Höhe der Luxusgrenze ohne Bedeutung und muss deshalb nicht beantwortet werden.
8. Die in den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs 1 Ob 209/08d und 6 Ob 127/10k berücksichtigte Gewöhnung der Kinder an einen höheren „Standard“ durch freiwillige Unterhaltsleistungen kommt im vorliegenden Fall aufgrund des relativ kurzen Zeitraums von eineinhalb Jahren nicht zum Tragen. Zudem waren zum Zeitpunkt des Beginns der Unterhaltszahlungen mit 1. 11. 2011 die älteren Kinder erst fast sechs bzw fünf Jahre, das jüngste Kind überhaupt erst fast fünf Monate alt. Angesichts dieses Alters hält sich der Gewöhnungseffekt an die eineinhalb Jahre lang erfolgte Leistung der nicht durch die Anrechnung der Familienbeihilfe verkürzten Unterhaltsbeträge von 750, 590 und 460 EUR in Grenzen.
9. Die Berechnung der Kürzung der durch die Luxusgrenze begrenzten gesetzlichen Unterhaltsansprüche obliegt dem Rekursgericht (§ 70 Abs 3 erster Satz AußStrG).
Ob die Sachverhaltsgrundlage für die Berechnung ausreicht, bleibt seiner Beurteilung vorbehalten.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)