European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E129429
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung, wird im Umfang eines Teilklagebegehrens in Höhe von 6.581,82 EUR bestätigt und im Übrigen dahin abgeändert, dass das Zwischenurteil des Erstgerichts in Ansehung des restlichen Klagebegehrens wiederhergestellt wird.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Entscheidungsgründe:
Ing. J* war Eigentümer der Liegenschaft EZ * KG *, Bezirksgericht Traun, mit einer Fläche vom 1.268 m² und einem darauf errichteten Haus mit der Adresse *. Mit Pachtvertrag vom 31. 8. 2015 hatte er eine Fläche von 50 m² dieser Liegenschaft ab 1. 10. 2015 für 99 Jahre an Nachbarn verpachtet; diese Verpachtung erfolgte ausschließlich zur Nutzung der verpachteten Fläche als Garten. Der Eigentümer hatte sich verpflichtet, den Pachtvertrag samt allen Rechten und Pflichten auf seine Rechtsnachfolger zu überbinden, auf eine Verbücherung des Pachtvertrags war jedoch verzichtet worden.
In weiterer Folge wollte der Eigentümer die Liegenschaft verkaufen, weshalb er die beklagte Immobilienmaklerin beauftragte; deren Geschäftsführer ist der Sohn des Eigentümers. Mag. Dr. C* ist Rechtsanwältin, Gesellschafterin der rechtsfreundlichen Vertreterin der Beklagten, die Tochter des Eigentümers und die Schwester des Geschäftsführers der Beklagten; sie verfasste in weiterer Folge einen Kaufvertragsentwurf und vertrat den Eigentümer bei seiner Korrespondenz mit der Klägerin bzw deren Vertreter im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Kaufvertrags betreffend die genannte Liegenschaft. Bei dem zu verkaufenden Haus handelte es sich um das Elternhaus des Geschäftsführers und dessen Schwester.
Die Klägerin, die sich bereits 2016 einmal für die Liegenschaft interessiert hatte, wurde im Frühjahr 2017 neuerlich über die Plattform „w*“ auf die Liegenschaft aufmerksam und nahm mit dem Geschäftsführer der Beklagten, mit der sie auch einen Maklervertrag abschloss, Kontakt auf.
In einem von der Beklagten erstellten und der Klägerin und deren Lebensgefährten ausgehändigten Exposé über die Liegenschaft wurde die Wohnfläche des Hauses mit 350 m² angegeben und die Liegenschaft als großes parkähnliches Grundstück beschrieben. Auf das familiäre Naheverhältnis zwischen dem Geschäftsführer und dem Eigentümer als Verkäufer wurde darin hingewiesen. Es wurde auch angeführt, dass eine Gewähr für die Richtigkeit der im Exposé enthaltenen Angaben nicht übernommen werden könne.
Die Klägerin besichtigte die zu verkaufende Liegenschaft erstmals am 29. 3. 2017, wobei an dieser Besichtigung auch ihr Lebensgefährte, der Geschäftsführer und eine seiner Mitarbeiterinnen teilnahm; sie erhielt im Rahmen dieser Besichtigung das erwähnte Exposé.
Am 5. 4. 2017 fand eine weitere Besichtigung statt, bei der neben dem Geschäftsführer auch der Eigentümer anwesend war. Es kam zu Vertrags‑ und Preisverhandlungen, und erwähnte der Geschäftsführer zum ersten Mal, dass ein Teil des Grundstücks verpachtet sei. Die Klägerin erklärte, dass sie den Pachtvertrag nicht übernehmen werde, worauf der Geschäftsführer meinte, er werde sich darum kümmern und schauen, dass der Pachtvertrag aufgelöst wird. Bei diesem Termin füllte die Klägerin das Formular „Kaufanbot“ aus und unterschrieb dieses, dessen Punkt 3. unter anderem lautete: „Sämtliche Pacht‑ und Mietverträge betreffend die Liegenschaft des Angebotsgegenstands sind bis zum Übergabetermin aufzulösen.“ Der Eigentümer unterzeichnete das Kaufanbot nicht, weil er noch mit seiner Ehefrau Rücksprache halten wollte, und nahm auch in weiterer Folge das bis 10. 4. 2017 befristete Kaufanbot nicht an.
Die Klägerin forderte von der Beklagten sämtliche Unterlagen an, insbesondere eine Kopie des von ihr unterfertigten Kaufanbots, einen Grundbuchsauszug, die Pläne des Objekts und den Pachtvertrag, welche Unterlagen sie jedoch nicht umgehend erhielt, sondern erst nach und nach. So erhielt sie den Pachtvertrag und einen Kaufvertragsentwurf erst am 12. 4. 2017, wobei letzterer vom Besprochenen insofern abwich, als darin festgehalten wurde, dass der Pachtvertrag zu übernehmen sei. Obwohl der Geschäftsführer der Klägerin schriftlich mitgeteilt hatte, dass eine Auflösung des Pachtvertrags nicht möglich sei, sagte er im Zuge von Telefonaten immer noch, dass er diesbezüglich schauen werde, wobei er nie konkret geworden war.
Beim dritten Besichtigungstermin erklärte der Geschäftsführer zum ersten Mal, dass der Pachtvertrag nicht beendet werden könne und von der Klägerin zu übernehmen sei. Diese führte daraufhin eigene Recherchen durch und stellte dabei fest, dass die im Exposé angeführte Wohnfläche unrichtig war (statt 350 m² nur ca 240 m²).
Am 23. 4. 2017 fanden eine weitere Besichtigung und eine Besprechung statt, bei welcher der Lebensgefährte der Klägerin Nachmessungen im Objekt durchführte; dabei kamen weitere Zweifel auf. Der Geschäftsführer erklärte, dass man mit dem Preis noch etwas machen könne.
Am 24. 4. 2017 beauftragte die Klägerin die Klagevertreterin mit der Prüfung des Kaufvertrags(‑entwurfs), um abzuklären, ob sie den Pachtvertrag tatsächlich übernehmen müsse oder nicht; sie hatte zu diesem Zeitpunkt bereits das Vertrauen in den Geschäftsführer verloren, weshalb sie diese Überprüfung beauftragte. Bereits am nächsten Tag erhielt sie die Auskunft, dass an der Übernahme des Pachtvertrags kein Weg vorbeiführe.
Für 26. 4. 2017 war zwischen den Parteien ein letzter Termin vereinbart. Die Klägerin wollte noch ein letztes Gespräch führen, wobei sie hinsichtlich des Kaufs kein gutes Gefühl mehr hatte. Sie druckte sich vor dem Termin einen Flächenwidmungsplan aus und stellte dabei fest, dass das zu verkaufende Grundstück nicht als Wohngebiet, sondern als gemischtes Baugebiet „M“ gewidmet ist. Die Flächenwidmung wäre für ihren Kaufentschluss relevant gewesen. Alle diese Punkte wurden bei der Besprechung von der Klägerin angesprochen und vom Geschäftsführer heruntergespielt, der erklärte, dass das alles nicht so tragisch sei.
Am 27. 4. 2017 teilte die Klägerin der Beklagten schließlich mit, dass sie den Kaufvertrag nicht mehr abschließen wolle, woraufhin der Geschäftsführer ihr erklärte, dass ein solcher Rücktritt nicht möglich sei. In weiterer Folge erfolgten von ihm und seiner Schwester Anrufe, bei welchen der Klägerin erklärt wurde, dass sie ohnehin keine Chance habe und das Haus kaufen müsse.
Mit Schreiben vom 28. 4. 2017 teilte die Tochter des Eigentümers ihre Bevollmächtigung durch diesen mit und führte aus, dieser habe sie bekanntermaßen mit der Erstellung des der Klägerin am 12. 4. 2017 übermittelten Kaufvertragsentwurfs beauftragt. Nunmehr habe der beauftragte Immobilienmakler mitgeteilt, dass die Klägerin den Rücktritt erklärt habe. Ein Rücktritt vom rechtswirksam unterfertigten Kaufanbot sei jedoch nicht mehr möglich; die Klägerin habe sich bereits rechtlich verpflichtet, die Liegenschaft käuflich zu erwerben.
Die Klägerin fühlte sich von der Beklagten und deren Umfeld unter Druck gesetzt, weshalb sie sich wieder an die Klagevertreterin wandte und bat, sich um die Sache zu kümmern, damit sie das Haus nicht kaufen müsse. Dabei schrieb sie unter anderem: „Ich habe mein Kaufanbot am 27. 4. 2017 zurückgezogen. Der [Eigentümer] besteht aber auf einem Kauf und hat mir das durch seine Tochter mitteilen lassen. Ich bitte Dich, mich in dieser Sache zu vertreten. Ein wichtiger Punkt ist auch noch, dass das Kaufanbot vo[m Eigentümer] nicht unterschrieben und die Frist vom 10. 4. 2017 nicht eingehalten [wurden].“
Am 12. 6. 2017 rechnete die Klagevertreterin die für die Klägerin erbrachten Leistungen ab, wobei sich laut Klagsangaben ein Teilbetrag von 5.484,85 EUR zzgl Umsatzsteuer (= 6.581,82 EUR) auf die Prüfung des Kaufvertragsentwurfs und ein Teilbetrag von 4.709,80 EUR zzgl Umsatzsteuer (= 5.651,76 EUR) auf die Frage der Bindung der Klägerin an ihr Kaufanbot bezogen.
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung dieser Beträge. Zum einen habe sie aufgrund der Zusagen des Geschäftsführers ursprünglich geglaubt, der Eigentümer und die Beklagte würden mit den Pächtern eine einvernehmliche Lösung über die Beendigung des Pachtvertrags finden und sie selbst könne in weiterer Folge einen neuen Vertrag mit den Pächtern zu anderen Konditionen hinsichtlich der Kündbarkeit abschließen; die Übernahme des laufenden Pachtvertrags sei für sie nie in Frage gekommen, weshalb sie die Klagevertreterin mit der Prüfung des Kaufvertragsentwurfs sowie der Beendbarkeit des Pachtvertrags beauftragt habe. Zum anderen sei sie vom Geschäftsführer der Beklagten und dessen Schwester als Rechtsanwältin dahin unter Druck gesetzt worden, dass das Kaufanbot ohnedies wirksam sei und ein gerichtliches Verfahren für sie aussichtslos wäre. Es sei ihr eine Klage auf Zuhaltung des Kaufanbots angekündigt worden, weshalb sie die Klagevertreterin mit der zur Abwehr von Ansprüchen notwendig gewordenen Korrespondenz beauftragt habe.
Die Beklagte wendete ein, zum einen habe die Klägerin die Klagevertreterin erst nach Ablauf der Bindung an das Kaufanbot mit dessen Prüfung beauftragt, zum anderen sei die Korrespondenz zwischen dem Eigentümer bzw dessen Vertreterin und der Klagevertreterin der Beklagten nicht zurechenbar.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren dem Grunde nach statt, das Berufungsgericht wies es zur Gänze ab. Darüber hinaus sprach das Berufungsgericht aus, dass die ordentliche Revision zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs „zu einem vergleichbaren Sachverhalt“, außerdem „könnte“ im Hinblick auf § 3 Abs 1 MaklerG „auch vertreten werden“, dass ein Makler, der bei Doppeltätigkeit einen seiner Auftraggeber drängt, einen vom anderen Auftraggeber behaupteten bereits abgeschlossenen Kaufvertrag zuzuhalten oder einen solchen Vertrag abzuschließen, für die zur Abwehr des Anspruchs des anderen Auftraggebers aufgewendeten außerprozessualen Anwaltskosten des einen Auftraggebers haftet.
In der Sache selbst vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, es sei, als die Klägerin den Auftrag zur Überprüfung des Kaufvertragsentwurfs erteilte, kein wirksames Kaufanbot ihrerseits mehr vorgelegen, vielmehr habe es sich bei dem nach Ablauf der Befristung des Kaufanbots übermittelten und vom Anbot abweichenden Vertragsentwurf um ein neues Anbot des Eigentümers gehandelt, wobei die Klägerin damals bereits gewusst habe, dass das Vertragsanbot des Eigentümers entsprechend seiner im Pachtvertrag enthaltenen Verpflichtung die Übernahme des Pachtvertrags durch sie vorsah. Wenn die Klägerin in dieser Situation die Klagevertreterin mit der Prüfung des Kaufvertragsentwurfs und damit des Angebots des Eigentümers zur Abklärung, ob sie den Pachtvertrag tatsächlich übernehmen müsse oder nicht, beauftragte, könne dies nicht der Beklagten wegen unterlassener oder unrichtiger Mitteilungen angelastet werden. Betreffend die Abwehr von geltend gemachten Ansprüchen gegenüber der Klägerin sei maßgeblich, dass ausschließlich der Eigentümer, vertreten durch seine Tochter, Ansprüche erhoben habe. Der Geschäftsführer habe der Klägerin zwar ebenfalls erklärt, dass sie das Haus kaufen müsse, ein Rücktritt nicht möglich sei und sie ohnehin keine Chance habe; dass der Geschäftsführer (auch) eine eigene Forderung der Beklagten, nämlich auf Zahlung der Provision, geltend gemacht hätte, sei jedoch nicht einmal behauptet worden.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig; sie ist teilweise auch berechtigt.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist zwar die Begründung eines Zulässigkeitsausspruchs, wonach eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehle, letztlich eine Scheinbegründung, müsste dann doch der Oberste Gerichtshof in vielen Fällen die Sachentscheidung fällen, obgleich sie in Wahrheit keine erhebliche Rechtsfrage, sondern nur die Einzelfallgerechtigkeit berührende Wertungsfragen aufwirft (RS0122015). Dies gilt auch für eine Begründung dahin, dass zu dem vom Berufungsgericht eingenommenen Rechtsstandpunkt auch gegenteilige Meinungen vertreten werden könnten (6 Ob 148/09x). Die Zulässigkeit der Revision der Klägerin ergibt sich aber daraus, dass das Berufungsgericht zum Teil die Rechtslage verkannt hat.
2.1. Nach § 3 Abs 3 MaklerG sind Makler und Auftraggeber verpflichtet, einander die erforderlichen Nachrichten zu geben. Dies betrifft etwa auch die Nutzungsmöglichkeiten des Objekts (vgl RS0109995; RS0109996), das Bestehen oder Fehlen der erforderlichen Bau‑ und Benützungsbewilligungen oder allenfalls bestehende Unklarheiten (4 Ob 8/02h). Bei Verbrauchern sind diese Nachrichten gemäß § 30b Abs 2 KSchG schriftlich zu erteilen. Der Immobilienmakler hat den Auftraggeber jedenfalls über sämtliche Umstände zu unterrichten, die für die Beurteilung des zu vermittelnden Geschäfts wesentlich sind; der Immobilienmakler verletzt seine Pflichten nicht nur dann, wenn er den Auftraggeber nicht aufklärt, sondern auch dann, wenn seine Angaben nicht richtig oder aufgrund ihrer Unvollständigkeit missverständlich sind (RS0109995 [T1]) oder wenn sie erheblich verspätet oder unverständlich geliefert werden (Limberg in GeKo Wohnrecht II § 3 MaklerG Rz 43). Auch wenn der Makler als Doppelmakler tätig wird, bleibt die Pflicht zur Erteilung aller grundsätzlichen Informationen unberührt (RS0123712 [T1]).
§ 3 Abs 4 MaklerG bestimmt zwar, dass bei Verletzung der in § 3 Abs 1 bis 3 MaklerG festgelegten Pflichten Schadenersatz verlangt werden kann; diese Pflicht verweist somit auf allgemeines Schadenersatzrecht (RS0116638). Für die Haftung genügt schon Fahrlässigkeit (RS0116638 [T1]). Die Beurteilung der Pflichtverletzung ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der dem Makler erkennbaren Interessen des Auftraggebers vorzunehmen (RS0109995 [T4]).
2.2. Das Berufungsgericht hat im vorliegenden Fall eine Verletzung der Pflichten der Beklagten in Bezug auf die Frage des Pachtvertrags aber zu Recht verneint, hat doch der Geschäftsführer der Beklagten nach den Feststellungen – entgegen der Darstellung der Revision – nie eine Zusage dahin getätigt, dass ein lastenfreier Erwerb der Liegenschaft möglich sei. Er wies von Anfang an auf die bestehende Verpachtung hin, sagte aber gleichzeitig, er werde sich darum kümmern und schauen, dass der Vertrag aufgelöst werde. Letztlich war dies aber nicht möglich, was nicht der Beklagten zuzurechnen ist. Dass die Klägerin ihren Rechtsanwalt mit einer Prüfung der Rechtslage beauftragte, als sie vom Geschäftsführer bereits definitiv (und zutreffend) wusste, dass der Pachtvertrag zu übernehmen sei, und auch ihr Kaufanbot bereits abgelaufen war, kann damit der Beklagten nicht angelastet werden. Für eine Schadenersatzpflicht der Beklagten fehlt es bereits an einem rechtswidrigen Verhalten deren Geschäftsführers; dieser hat keine unrichtigen oder widersprüchlichen Angaben gemacht. Es blieb zwar der Klägerin unbenommen, vor einem Liegenschaftskauf zu ihrer eigenen Unterstützung anwaltlichen Rat einzuholen; dessen Kosten hat sie dann aber auch selbst zu tragen.
2.3. Damit war aber die Abweisung des Klagebegehrens durch das Berufungsgericht insoweit, als es sich auf die Kosten für die Überprüfung des Kaufvertragsentwurfs bezieht, zu bestätigen.
3.1. Im Fall der Doppeltätigkeit ist der Makler zur Wahrung der Interessen der Auftraggeber lediglich im Rahmen des zu erwirkenden Interessenausgleichs verpflichtet (RS0123712). Es ist eine redliche und sorgfältige Interessenwahrung gegenüber beiden Auftraggebern gefordert, wobei sich der Makler allerdings auf einen neutralen Standpunkt zurückziehen muss; dies ist als Appell an die Unparteilichkeit des Doppelmaklers zu verstehen (ErläutRV 2 BlgNR 20. GP 16; Noss, Maklerrecht4 Rz 17). Gefordert ist eine strenge Unparteilichkeit („Äquidistanz“) (Limberg in GeKo Wohnrecht II § 3 MaklerG Rz 14). Der Makler muss sich in eine neutrale Vermittlerstellung begeben, in der er die Interessen beider Vertragspartner bestmöglich und unparteiisch wahrzunehmen hat; den Interessen einer Seite kann nur insoweit nachgekommen werden, als dadurch nicht in die Interessen der anderen Seite eingegriffen wird (Kriegner, Der Immobilienmakler – Pflichten und vertragliche Haftung 128).
3.2. In diesem Zusammenhang nennt die Literatur als besonders gefährlich die – im vorliegenden Fall in besonderer Weise gegebene – Konstellation, in der der Makler ein Naheverhältnis zu einer der Seiten hat (Limberg, Immobilienmakler im Interessenkonflikt, ecolex 2011, 287): Denn während das (bloße) Doppelgeschäft kein besonderes Interessenkonflikt‑Potenzial berge (ein Makler sei bis zu einem gewissen Grad immer im Interesse beider Seiten aktiv, wolle er doch ein Geschäft zwischen diesen vermitteln), sei der (mögliche) Interessenkonflikt beim Vermittlungsgeschäft mit Naheverhältnis mitunter versteckt, für den Dritten nicht erkennbar und daher besonders heimtückisch. Den Makler treffe auch im Falle einer Nahebeziehung zu einer Seite selbstverständlich eine Gleichbehandlungs‑ und Objektivitätspflicht. Ähnlich meint Kriegner (Der Immobilienmakler – Pflichten und vertragliche Haftung 132), bei einem Makler mit wirtschaftlichem oder familiärem Naheverhältnis zu einer der Vertragsparteien erscheine eine neutrale, konfliktfreie Interessenwahrnehmung kaum möglich.
3.3. Der Geschäftsführer verletzte das ihn treffende Neutralitätsgebot, als er die Klägerin unter Druck setzte und ihr mitteilte, dass sie das Haus kaufen müsse. Diese Auskunft war inhaltlich falsch, weil das Kaufanbot der Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen und sie mit dem „Gegenangebot“ des Liegenschaftseigentümers inhaltlich nicht einverstanden war, was der Geschäftsführer auch wusste. Sein Vorgehen kann somit nur mit seinen Eigeninteressen an der Provision und dem Naheverhältnis zum Liegenschaftseigentümer erklärt werden. Er hat rechtswidrig gehandelt, weil er gegen das Interessenwahrungsgebot des § 3 Abs 1 MaklerG verstoßen hat, was gemäß § 3 Abs 4 MaklerG zur Schadenersatzpflicht der Beklagten führt. Da nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen auch der Geschäftsführer selbst die Klägerin mit der unrichtigen Behauptung, sie müsse das Objekt kaufen, unter Druck gesetzt hatte, ist es unerheblich, ob seine Schwester, die die Klägerin ebenso unter Druck setzte, als Vertreterin der Beklagten oder lediglich als Vertreterin des Eigentümers aufgetreten ist.
Dass die Klägerin ihren Anwalt beauftragte, weil sie sowohl vom Geschäftsführer als auch vom Eigentümer selbst bzw dessen Rechtsanwältin unter Druck gesetzt worden war, führt – entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung – nicht zum Entfall der Haftung der Beklagten, sondern vielmehr gemäß § 1302 ABGB zur Solidarhaftung der Beklagten und des Eigentümers; beide haben ein Verhalten gesetzt, das für die Entstehung des Schadens in Form der Kosten der Klägerin für ihren Rechtsanwalt kausal war (vgl auch RS0022729). Es ist gerade das Wesen der kumulativen Kausalität, dass keiner der beiden Schädiger einwenden kann, der Schaden wäre auch ohne sein Handeln genauso eingetreten (vgl RS0022729 [T2]). Außerdem ist für die Solidarhaftung kein einverständliches Handeln der Täter erforderlich (RS0026610). Es genügt für die Haftung des Dritten (etwa) für Prozesskosten, wenn seine Pflichtverletzung dafür „(mit‑)ursächlich“ war (RS0023619 [T10]), der Schädiger den Geschädigten also durch sein Verhalten veranlasst oder „darin bestärkt“ hat (vgl 8 Ob 63/16x).
3.4. Nach der Rechtsprechung können Prozesskosten Gegenstand eines Schadenersatzanspruchs sein, wenn sie durch das Verschulden eines Dritten verursacht wurden (RS0023619). Entstehen einer Partei durch die Verletzung vertraglicher Hauptpflichten oder Nebenpflichten Schäden, so hat sie weitreichende Schadenersatzansprüche, wobei insbesondere reine Vermögensschäden grundsätzlich in den schadenersatzrechtlichen Schutzbereich fallen; den Schädiger trifft die Ersatzpflicht, wenn sich durch die rechtswidrige und schuldhafte Handlung das Vermögen seines Vertragspartners verringert hat (RS0023619 [T4]). Damit fallen auch die Kosten von Rechtsverfolgungshandlungen beziehungsweise Verteidigungshandlungen, die typischerweise reine Vermögensschäden darstellen, in den bei Vertragsverletzung zu ersetzenden Schaden (RS0023619 [T4]).
3.5. Damit sind aber im vorliegenden Fall die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten erfüllt, sind doch der Klägerin aufgrund der inhaltlich unrichtigen Aussagen auch des Geschäftsführers, sie müsse das Objekt kaufen, und des auch von ihm auf sie ausgeübten Drucks Kosten entstanden. Ob sich der Geschäftsführer dabei auf den Provisionsanspruch der Beklagten bezogen hat, ist unerheblich.
3.6. Soweit sich somit das Klagebegehren auf die „Verteidigungskosten“ der Klägerin, die der Höhe nach von den Vorinstanzen noch nicht geprüft wurden, bezieht, war das Zwischenurteil des Erstgerichts wieder herzustellen.
3.7. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
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